schwesternwelt
auch mal in der schule ,,die Schwalbe” von Theodor Fontane auswendig lernen müssen? was ich damals wohl nicht wusste: die Ballade ist auf ein wirkliches Schiffsunglück geschrieben
09. August 1841, ,,die Schwalbe” fährt über den Eriesee als das Schiff Feuer fängt. Der Kapitän fährt das brennende Schiff bis in den Hafen von Buffalo, die meisten Passagiere starben dabei.
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19. Juni 2017, ,,ein Schlauchboot” fährt über das Mittelmeer, von Libyen nach Italien als das Boot untergeht - später: das Boot war seeuntüchtig.
126 Menschen ertrinken im Mittelmeer. 4 überleben.
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- von einem Mädchen an Bord -
. . .
Es umhüllt eine sommerlaue Nacht das Kind,
wohl schlafend und doch auch wach,
seelig liegts in seinem Traume,
zugleich - auf jeden Mucks bedacht.
Acht Jahre schon ist sanft, des Friedens Hand an seiner Seit,
jedes mal wenn sich zur Erd' die Sonne neigt,
ists sicher gehüllt in des Mondes weißen Kleid.
Nur diese Nacht ist's alles anders,
wo sonst ein Federbett den Körper unsres Mädchens, warm hat zugedeckt,
- ist's heut ein sanftes Schaukeln, welch massiv von rechts nach links,
den Rhytmus schwerer Wellen in ihr Bettlein bringt.
Noch heut am frühen Morgen, konnt das Kind es ja kaum glauben;
heut - geht's wirklich auf die See!
Das Leben zeigte ja schon unzähliges, doch ein solches Abenteuer
- nein, das gab es noch nie.
Monströs schien die lange Treppe, die führte in die Höhe,
vom Land zig Meter steigend (war die stupsge Nase doch grad erst so über die Reling zeigend),
zuckte es im Leibe beim Geruch von salzig eisiger Windböhe.
Ach, die ganze Fahrt hätts dem Zerbarsten schwarzer schwerer Wellen lauschen können, wie sie am eisern Bug zerschellen.
Doch ergriff die Physiognomie des Mensch sein
irgendwann auch ihre samtig blauen Äugelein,
und man trug sie an einen Ort - Kajüte genannt.
Warm ist sie - So eine Mutterhand.
Fürsorge - in jedem Streichen auf der Wange entlang.
Kitzlig, die proppen Lippen auf der Stirn.
Witzig - ihren Geschichten am Bette zuzuhören.
Spannend, wie des Traumes Fäden, den Geiste fort von schlafend Körper,
hinaus und durch die ganze Welt bewegen.
Sollte doch erst zur Morgenstund der Dampfer Land erreichen,
hat Vorfreud durch den Himmel schon das Kind geführt zu seinesgleichen.
Denn am andern Ende des Wellenwegs liegt das Schwesterherz,
und wartet, ganz genau so aufgeregt, auf Mary (unser schlafend Mädchen),
um feurig wild und ungestüm zusammen noch mehr Welt zu entdecken,
- kanns kaum erwarten, dass in der früh der Vater komme um sie aufzuwecken.
- So seis den Schwestern wohl vergönnt, sich im Schlaf schon zu begegnen! -
Dort, sitzen sie unter blechern Wellendach, im Heu, geschützt vom Regen.
Kichern und sie kullern sich, haben so viel zu bereden.
-Schwesternwelt. Ist's denn verständlich? Sie heißen uns willkommen.-
,,Beug dich mal vor, du!"
,,Warum?"
,,Hast Heu im Haar, welch Mädchen will den das? Wart nur eine Sekund..."
,,Ich weiß nicht, ich... au! Ach! ... Mensch, das war viel zu fest!"
-Ein zucken das just in beide gerat-
,,Tut mir leid... Ich mach dir doch nur nen Zopf. Schön schauts aus... Später, das versprech ich dir... also... irgendwie, ich hab jetzt ganz ganz
anderes im Kopf!"
,,Wie meinst n das? ,,Ganz Anderes". Ist dir das lernen denn zu viel?"
,,Ach Schwester! Du -ähm- nee, ich mag nur nicht mehr das, was wir früher haben gespielt."
,,...Magst nicht mehr unser Pferdespiel? Oder Burgen bauen? Das Fangen mit dem Wind?"
,,Nein. Mein Herz. Ich glaub' langsam ... ich bin nicht mehr ein Kind.
Nun schau doch nicht so traurig drein, schmückts nicht dein liebliches Gesicht...
pass auf, ich dacht grad an ein Spiel ... das mag ich dir doch ganz gerne zeigen,
aber psssst, komm etwas näher ran, es ist ja noch ganz heimlich."
-Kinderhände halten hölzern Kastenform die nach Geheimnis schmeckt,
stolz ziehts aus seiner Tasche raus, was selbst grad erst entdeckt.-
,,Das Spiel das hab ich selbst gemacht, gespielt jedoch noch nie.
Was bin ich nun gespannt also, wies mit dir funktioniert."
-im Stalle brennts vor Euphorie-
Kasten birgt ein Tuch, blau wie der große See,
ausgebreitet bildets Spielfeld, auf dem kurz darauf die Figuren stehn.
Am linken Arm eines Kreuzes, geformt aus abgebrochnen Ästen,
in sich glatt zwei Ellen lang,
da stehen kleine Wesen, zusamm'geklebte Knotenformen, einst Stoffreste gewesen.
Vier schwarz, vier rot, wie pumpende Armeen,
stehen sie in Reihe dort, bereit ins Spiel zu gehen.
- Und so soll es geschehen: -
,,Das Ziel ist's um das Kreuz zu gehen,
jeder Schritt aber nur drei Finger breit,
stell dir vor es sei ein brennend Schiff auf großer See,
sind alle viere einmal rum - bist du von ihm befreit.
Eine von uns an der Reih, die and're summt das Lied,
und ohne laut zu tönen dabei, denk an jede Zahl die zwischen eins und sechse liegt.
Wenn du dann zu mir ,,Feuer!" schreist, sag ich die gerade stehende Zahl,
so dass du dich dann zu bewegen weißt,
eins, zwei, drei, vier, fünf, oder gar sechs mal."
,,Und was wenn an der Stelle, an die deine Figur geht,
bereits -schon sehr viel schneller- eine meiner darauf steht?"
,,Dann fällt sie, schwimmt zurück und beginnt von vorn, -Mann über Bord!- sagen wir dann, was schaust du denn? so läufts im Spiel, da ist kein Platz für Zorn."
-Warm im Stall, es scheint, dass wie aus andern Welten,
eine Hitze sich dort ausbreitet. Kaum zu merken,
doch in wiederholenden Regelmäßigkeiten,
scheint sie nun das Spiel der Mädchen zu begleiten. -
-Grinsen-
,,Spannend Spiel!- mein Schwesterlein, das Duell so nah, es - es - es scheint mir fast schon wahr zu sein!
Nun Sag nur noch, wie geht das Lied,
das zu Beginn von jedem Zug auf meinen Lippen liegt?"
-Über ihnen Schritte, wären sie nicht so vertieft,
hätten sie es vielleicht gar erkannt als Krach,
doch so ists nur panisch hämmernd Regen, der da trommelt auf ihr Wellendach.
Liebe Menschen, ein Versprechen,- nichts.
Nichts gibts in dieser Welt, das so sehr lebt,
wie ein Kinderlächeln, das erregt von eigenen Ideen,
in sich zerbarstet und mit der Erde bebt. -
,,Das Lied auf deinen Lippen, das sing mit mir zusammen!
So wirst du ihn nicht vergessen, des Spieles immergleichen Klang."
-Und die Mädchen singen-
,,Ei o' ei, du Boot in Not,
die See glänzt feuerrot.
Ei o' ei, das Land scheint fern,
nun fahr so schnell du kannst.
Denn morgen schon, ja in der Morgenstund,
spricht die Welt von der Nacht, in der du brannst.
Ei o' ei, die Zeit ist eng, die Menschen spring' ins Meer,
wer wird genug am Leben hängen, und wer ist bald bei den Stern'.
Die Schritte zählt das Schicksal nun, der Wille schaut stumm zu,
Ei o' ei, - wie viele ich? und wie viele gehst wohl du?
-still-
einse, zweie, dreie, viere, fünfe oder gar sechse?"
- elli
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John Maynard
John Maynard - Ballade Theodor Fontane - Schiff & See
Schiff
John Maynard!
"Wer ist John Maynard?"
"John Maynard war unser Steuermann,
Aushielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron`,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard!"
Die 'Schwalbe' fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund':
"Noch dreißig Minuten … Halbe Stund'."
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
"Feuer!" war es, was da klang.
Ein Qualm aus Kajüt' und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.
Und die Passagiere, buntgemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich's dicht,
Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo.
Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?" - "Ja, Herr. Ich bin."-
"Auf den Strand. In die Brandung." - "Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus. Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo.
"Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagt er die 'Schwalbe' mitten hinein;
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo.
Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!
Alle Glocken gehn; ihre Töne schwelln
Himmelan aus Kirchen und Kapelln,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt.
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.
Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
"Hier ruht John Maynard. In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron'
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."
Theodor Fontane
John Maynard
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