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#fünf Begriffe ein Text
fabiansteinhauer · 10 days
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Warburgs Staatstafeln
1.
Warburg arbeitet nach der Rückkehr aus Rom im Sommer 1929 an den Staatstafeln und damit auch an Gründerszenen, an Bildern der Gründung eines neuen römischen Staates. Warburg arbeitet zur Kurie, zum Pathos und zur Polarität der Kurie. Im Sommer steht außerdem die Kuratoriumssitzung an, auf der die fünf Brüder die KBW auf eine neue Grundlage stellen wollen, um die Zukunft dieser Institution zu sichern. Dank Wuttke ist ein Text aus dem Zusammenhang dieser Sitzung schon vor vielen Jahren in Gesammelten Schriften publiziert und leicht zugänglich geworden. Dieser Text ist eines der amtlichen Schreiben von Aby Warburg. Der Text hat einen Titel, der von Franz Kafka stammen könnte: Vor dem Kuratorium.
2.
Der Text ist berühmt, wichtig, u.a. weil Warburg noch einmal erläutert, was an seiner Arbeit Polarforschung ist, warum und inwiefern er sich für Polarität interessiert. Auf einem Foto zu der Sitzung macht Aby Warburg eine Geste. Er stellt sich als Waagenhalter dar, das ist eine Figur, die auch bei der mancipatio erwähnt wird. Warburg formt seine Hände zu einer Waagschale.
Wie an anderen Stellen, sogar schon wie im Jahr 1896, benutzt er in dem Text auch den Begriff und die Vorstellung des Pendelns. Auf dem berühmten Zettel vom März 1896, dem Zettel zu S und O sowie zum Tragen verwendet Warburg die konische Zeichnung eines Wirbels und den Begriff Perpendikel. Ein Perpendikel ist bei zeitmessenden Polobjekten, nämlich bei Uhren, ein Pendel. In der Mathematik ist das aber ein Lot. Das heisst, dass durch einen Pendel Regung/ Bewegung gehen kann, auch wenn der Pendel steht. Sowohl durch ein Uhrpendel geht Regung, durch ein lotrecht stehenden Stab aber auch (etwa bei Sonnenuhren). Die Regung kann endogen oder exogen durchgehen, kann sich im Pendel halten und nicht im Pendel halten. Regen/ Regung und Stehen/ Stand schließen sich nicht einander aus. Kein Wunder, dass Warburg in diesem Schreiben selbst auf eine weitere Gründungserzählung zu sprechen kommt und behauptet, die Lektüre von Lessings Laokoon habe sein Forschungsinteresse initiiert. Lessings Laokoon ist zu Warburgs Zeit eine Bildung, die auf deutschem Boden entstanden ist. Das ist ein kanonische Referenz für die Frage nach der Regung als einer Frage nach dem Verhältnis zwischen Bild und Text. Man muss die Frage nach der Regung nicht als Frage nach dem Verhältnis zwischen Bild und Text stellen, kann das aber tun, Lessing macht das ja. Thesen: Lessings Effekte leben nach, wenn heute in der Rechtswissenschaft das Verhältnis zwischen Bild und Text erstens kategorial oder mit Eigentümlichkeiten (Thesen zur Eigenheit und Eigenschaft von Rechten und Medien) und zweitens als Verhältnis zwischen Bewegung und Stand erklärt werden soll. Wenn Juristen behaupten, Bilder würden bewegen, Texte würden stehen, dann ist diese Behauptung Lessings Laokoon auf zwar umwegige, aber auch technische und effektive Weise assoziiert. Warburg arbeitet solche Effekte durch.
3.
Das Gründliche verkehrt auch. Warburgs Interesse an Kardinälen und Scharnieren ist sein Interesse an Fleisch und Stühlen, an Carne und Sitz. Man sagt, dass Cardea und Carne verwechselte Figuren seien. Die Verwechslung soll in einem Kalender oder in Kalendergeschichten, nämlich in Ovids Fasti vollzogen worden sein. Dort findet sich eine (die) weit verbreitete Version der Erinnerung daran, wer und was Carne/ Cardea sei, wann und warum man sich ihrer erinnern sollte. Sie ist eines der römischen Anfangswesen, die Scharnierwesen sind, dabei drehende/ verkehrende Wesen, durch die Lüste gehen, die man fleischlich nennt. Ihre Zeit ist Zeit einer Feier und eines Festes, dass der Sommersonnenwenden in dem Monat, den die Römer zwar nicht von Anfang an, aber an einem bestimmten Zeitpunkt als Jahresmitte verstehen und dem Schutz der Juno widmen. Carne/ Cardea und Juno teilen sich den Juni und damit das fröhliche Wissen von Mittsommernächten und weißen Nächten. Ob man das stoisch erklären, gar stoisch rechtfertigen soll? Soll man das Distanzschaffen darin als Abstandnahme oder als Gelegenheit für kleine Distanzen, für Annäherungen, begreifen? Wie man es begreift, so dreht man es, so dreht es einen.
Seit Ovid, spätestens seit Ovid, heißt es, Carne und Cardea seien verwechselt worden. Das seien vorher zwei unterschiedliche Wesen gewesen, Ovid habe etwas vermengt.
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liestdochkeiner · 11 months
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Interessiere ich mich noch für den Bachmann-Preis? Einwenig, und ich sage mir, ich sollte mich mehr interessieren. Zu mehr als einem hier knapp formulierten Eindruck reichts dennoch nicht. Belasse es bei diesen fünf: Valeria Gordeev: wirkt trotz schöner Stellen teils wie ein durchdekliniertes Schema, ein runtergearbeitetes Thema/Programm, viele (zu viele) Sätze eher banale Informationen rhythmisiert aufeinander stapelnd. Vielleicht führt dieser Text in einer längeren Form zu etwas, in der präsentierten Form springen für mich weder sprachlich noch als (fragmentarische) Geschichte genug ‘Mehrwerte’ heraus. Anna Felnhofer: als psychologische Literatur mir gut gefallend, fast klinisch zu nennende Untersuchung, feine Beobachtungen / Formulierungen, im Lupenhaften freilich fehlt mir zuweilen etwas das sich der Sprache mitteilende Emotionale, der Ausbruch. Yevgeniy Breyger: ich meine klare Herkunft aus der Lyrik zu hören, das wird ihm einen Preis verdorben haben (leider), der sehr eigene und überaus minutiöse Stil (noch mehr als Feinhofer), Szenen mit überraschender Sprunghaftigkeit und Wendungen (”und mir für mehrere Atemzüge die Luft wegbleibt”), könnte für mein Empfinden scharfkantiger sein, aber damit projiziere ich eigene Vorliebe. Laura Leupi: das Alphabet strukturiert, an ihm entlang werden Text u. Lesung (die mir sonstig gut gefielen) entwickelt, aber wiederholt können auftauchende ‘schwere Begriffe’ nicht eigentlich entfaltet werden, die Liste beginnt insofern zu drücken, ihre Stichworte wirken dann beliebig oder selbst wie spitz erhobene Diskurszeigefinger. Martin Piekar: brauche ich wohl nicht viel zu sagen; leicht und dabei tragisch-komisch und auch schnell, Spracharbeit mit den ‘Fehlern’, “ich finde, Gedichte müssen krasser sein”, “ niemals waren meine Lieder Tünche”, “ich verstand, dass Schreiben heißt, mir selbst einen Raum zu schaffen”, der Schrei als Literatur, “ich träume deutsch”, zwei Preise verdient.
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Stauspiele oder auch “Die WG”
Auf dem Weg zu unserem ersten RBC Turnier dieses Jahr war meiner Schwester und mir auf wundersame Weise irgendwie ziemlich langweilig. Um die Zeit ein wenig auszutricksen, haben wir uns für eine Art Spiel entschieden. Sie schreibt fünf Sachen auf, die ihr eben so gerade einfallen, ich bastle eine kleine Wortwelle daraus, sie schreibt ihre Ideen noch daneben und...Tada! (Die Begriffe waren übrigens "Schlingel", "Wurstwasser", "träge", "Pozilei" und "I bims 1 Lauch"...Naja.)
~~
Heute möchte ich euch von einem gewöhnlichen Tag einer nicht ganz so gewöhnlichen WG berichten.
Natürlich gibt es, wie überall, diesen einen Morgen… menschen, der allen Anderen durch übertriebene Freude am frühen Aufstehen das Leben schwer machen.
Die Nervensäge (okay... alle lieben ihn, denn er kümmert sich um die morgendliche Koffeininfusion) dieser Geschichte heißt Gustav. Gustav ist ein gemeiner Gnom, der keine Lust mehr darauf hatte, in einem dunklen Erdloch im Garten einer Kleinfamilie zu Hause.
Nachdem er sich an das Leben in einer richtigen Wohnung gewöhnt hatte (Essensreste sollte man eben doch nicht einfach aus dem Fenster werfen oder versuchen, sie unter den Küchenfliesen zu vergraben), wurde er zu einem richtigen Sonnenschein. Vorbild war vermutlich die echte Sonne, die bekam er nun nämlich viel öfter zu Gesicht.
Wie jeden Morgen macht er sich also zuallererst mit federnden Schritten auf den Weg in die Küche. Unter der Spüle zieht er seinen Holzhocker hervor.
Kaffee, Tee, Rühreier,Toast. Das sollte für das heutige Frühstück reichen und jedem schmecken. Während Gustav gerade die zweite Ladung Eier brutzelt, schleppt sich Zacharias der Zyklop träge aus seinem Schlafzimmer hervor.
Müde legt er einen Arm um Gustav, lehnt seine Stirn gegen ein knubbeliges Schulterblatt und murmelt : “Hast du auch an mein…”, “Wurstwasser gedacht? So schrecklich wie ich diese Angewohnheit auch finde… Ja, das habe ich. Es steht schon alles auf dem Küchentisch.”
Mit einem leichten Kuss auf die Schläfe verabschiedete sich der Zyklop, um seinen gewöhnungsbedürftigen Morgentrunk einzunehmen. Zacharias schwört darauf, dass dieses Morgenritual ihm immer genug Energie für sein tägliches Basketballtraining spendet. Mittlerweile ist es schon halb elf und Elora die Elfe flattert aufgeregt in die Küche.
"Wo ist der Kaffee? Ich muss los! Ich komme zu spät!", plappert sie gehetzt. Als Anwältin sollte man vielleicht pünktlich am Gericht ankommen.
Hinter ihr tritt eine zerzaust aussehende Fee durch die Tür. “Wenn du deinen Wecker nicht immer nach dem ersten Klingeln ausschalten würdest…”, Floras Worte verlaufen sich ins Nichts. Muss wohl am Argumentenschwund liegen, verursacht durch ein müdes Gehirn. Zum Glück öffnet ihr Blumenladen heute erst gegen zwölf Uhr. Ihre Tulpen erweisen sich oft als schwierige Wegbegleiter, immer am meckern, egal wie liebevoll Flora auch mit ihnen umgeht.
“Ich vertraue eben auf meinen Elfeninstinkt.”, sagt Elora.
“Elfeninstinkt. Vielleicht solltest du den mal testen lassen."
"Wenigstens verstreue ich nicht überall Glitzerstaub!"
"Also ich mag ja den bunten Feenstaub.”, sagt der Fünfte im Bunde. Er schnappt sich einen Teller mit Toast und Ei und setzt sich neben Zacharias an den Tisch. M ist der einzige Mensch in diesem Haus. Er arbeitet meistens von zu Hause aus und verlässt dieses auch nicht all zu oft. Für die vier Fabelwesen ist er wie ein Adoptivkind. Viel zu alt dafür, aber benötigt genauso viel Aufmerksamkeit.
Wenn M mal wieder die Zeit vergessen hat und nicht ans Essen denkt, bringt Gustav ihm etwas vorbei.
Flora bringt ihm jeden Tag ein paar frische Blumen ins Zimmer.
Zacharias versucht M zumindest ein Mal die Woche vor die Tür zu bringen und Eloras Flatterei bringt immer frischen Wind in sein Zimmer.
“Ich habe gestern Nacht wieder ein paar Videos geschaut.”, sagt M. “Wollen wir wirklich davon hören?”, fragt Zacharias grinsend.
“Hey! Naja, auf jeden Fall..mein Neffe X, dieser Schlingel, hat mir ein paar Videos empfohlen und jetzt habe ich eine neue Buchidee. Was haltet ihr von dem Titel “Ruft die Pozilei, denn ich glaube I bims 1 Lauch.”
~~
Okay, am Ende hatten wir irgendwie keine Ideen mehr, wie wir das alles einbauen sollen.
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tiesandtea · 4 years
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Brett Anderson of Suede photographed by Sandra Stein. Featured in the German music magazine Intro, posted on its website on 27th September 2002. 
An interview with Brett and Mat that was done during their one day A New Morning press trip to Germany. Written by Alexander Jürgs. 
Original text in German under the cut. It actually says some nice words about ANM! The Suede, though. (Deleted that myself.)
Im richtigen Leben angekommen
Hype. Keiner erzählt so schön von ihm wie die britische Musikpresse. Keiner hievt Newcomerbands so hoch in den Pophimmel wie die Redakteure des NME: vom Proberaum zu "Top Of The Pops" in einem Stolpern. Was den britischen Musikjournalismus so besonders macht, ist, dass er sich so emphatisch für Musik begeistern kann, dass er den Mut zur Entscheidung besitzt, eine vollkommen unbekannte Band aufs Titelblatt zu heben und zu loben, bis die Balken krachen. Begeisterung im Superlativ. Remember The Vines. Remember The Strokes.
Remember Suede. 1992 schaffen sie es als unbekannte Newcomer auf den Titel der mittlerweile eingestellten, damals mindestens zweitwichtigsten britischen Musikzeitschrift Melody Maker. Obwohl (oder gerade weil) die Band bis dahin noch keine Platte veröffentlicht hatte, heißt die Headline: "The best new band in Britain".
Die Nachricht von den neuen Helden des Britpop verbreitet sich naturgemäß wie ein Lauffeuer. Nach drei Singles bringt die Band 1993 ihr Debütalbum raus - und steigt auf Platz Eins der Charts ein. Diese junge, neue Band ist sexy, ihre Mitglieder sehen entsprechend gut aus, es gibt Frauengeschichten zu erzählen (Sänger Brett Anderson ist kurz mit Justine Frischmann liiert, die später Elastica gründen und mit Damon Albarn von Blur zusammen sein wird), kurzum: diese Band ist so erfolgreich, wie sie eben nur sein kann.
Glamour ist der große Traum von Pop, und Suede leben ihn mit ganzer Seele. Sie geben sich androgyn, es sind die Tage, in denen Männer ganz selbstbewusst Kajal und Lidschatten auftragen. Euphorie und Aufbruch erstrahlt aus ihren Songs, aufgedreht und überdreht. Suede leben den Hedonismus der Neunzigerjahre perfekter als alle anderen. Ich bin ich, und ich will Spaß, Spaß, Spaß. Das ganze Rock'n'Roll-Leben, Suede genießen es. Drogen, Ekstase, Sex, Boulevard - es wird mitgenommen, was mitzunehmen ist. Und dann gibt es natürlich auch das: Streit in der Band, Zerwürfnisse, bitteres Ende von Männerfreundschaften. Bei den Aufnahmen zum zweiten Album "Dog Man Star" trennt sich Bernard Butler, musikalischer Kopf der Band, von Suede. Weitere Rauswürfe folgen.
Die fabelhafte Welt des Brett Anderson
Und heute? Die fetten Jahre sind vorbei, in jeder Hinsicht. "Das ist eine typische Journalistenlüge: Die Platte hat nicht eine Million Pfund gekostet", stellt Bassist Mat Osman gleich am Anfang des Interviews klar, "sie hat weniger als die Hälfte gekostet, viel weniger als die Hälfte." Mat Osman und Sänger Brett Anderson sind für einen Promotiontag in Deutschland, alles muss schnell gehen, 30 Minuten und eineinhalb Liter Evian pro Reporter. "Ich bin jetzt im richtigen Leben angekommen, keine Drogen mehr, kein Alkohol mehr, nicht mal Zigaretten - das verändert einen", sagt Brett Anderson. Die fetten Jahre sind vorbei, die guten fangen gerade an. "A New Morning", das neue Album von Suede, ist bemerkenswert. Man hört der Platte sehr genau an, dass die Band sich verändert hat, dass es einen Bruch gegeben hat. "A New Morning" ist ein großartiges Werk, vielleicht kein Meisterwerk, aber wer will das schon so genau sagen, so kurz nach Erscheinen. "A New Morning" ist viel mehr Songwriting als früher, weniger Klamauk und Glamour, weniger Elektronisches, weniger Keyboards als noch bei "Head Music", dem letzten Suede-Album, das vor drei Jahren erschienen ist.
Sie haben lange an der Platte gesessen, lange in eine Sackgasse hinein produziert. Der zunächst engagierte Produzent Tony Hoffer, der mit Beck "Midnight Vultures" aufgenommen hat, wird irgendwann und wohl viel zu spät entlassen und durch Stephen Street ersetzt. Street hat schon für die Smiths, Blur und die Cranberries gearbeitet und schafft es, dass "A New Morning" klingt, wie die Band sich das wünscht und sich selbst jetzt gerne sieht: einfach, natürlich, ehrlich. Anderson und Osman wiederholen diese Begriffe wie ein Mantra. Als ob sie sich selber noch überzeugen müssen, dass das jetzt ihre neue Welt ist, in der sie sich bewegen und in der sie sich wohl fühlen. Auf meinen Notizen stehen unzählige dieser Sätze: It's a simple record. It's a natural record. It's more much honest. Just me and my guitar.
"Hast du 'Die fabelhafte Welt der Amélie' gesehen?" fragt Brett Anderson. Er liebt die Figur der Amélie aus Marc Jeunets wunderbarem Film, sie ist ihm zum Vorbild geworden. Er mag, wie sie auf das Leben blickt, wie sie durch Paris zieht und sich an den einfachen Dingen erfreut. Er mag, dass ihr Ruhm und Geld nichts bedeuten. Es wirkt rührend, wenn er das erzählt. Und absurd. Weil Brett Anderson es nicht schafft, dich nicht arrogant anzugucken. Weil er den Dandy nicht an der Garderobe abgeben kann wie einen alten Hut.
Britpop Is Coming Home
Natürlich sind Suede noch die Alten. Natürlich haben ihre Songs noch immer diese grandiose Euphorie in sich, wie sie nur der gute alte Britpop kennt. Natürlich bereuen sie gar nichts. "Ich war es leid, berühmt zu sein", sagt Anderson, "aber versteh' mich bloß nicht falsch. Ich bin keiner dieser Idioten, die heute sagen: 'Ich wollte das alles nicht.' Ich bin keiner dieser Idioten, die sich beschweren, wenn sie auf der Straße fotografiert werden oder mit Fans reden müssen. Wir haben nie eine Rolle gespielt. Ich war immer ich selbst. Das war vielleicht eine extreme Version von mir, die da in der Öffentlichkeit stand, aber diese Person war definitiv ich. Ich habe den ganzen Scheiß geliebt, ich habe es einfach geliebt, berühmt zu sein." Und Mat Osman fügt hinzu: "Dieser Hype um eine neue Band, das ist so typisch britisch. Die Hälfte der Leute liebt dich abgöttisch, die anderen hassen dich. Für uns war die Sache großartig. Es hat uns geholfen, dass wir schnell bekannt geworden sind. Wir haben ja am Anfang niemanden gekannt, und auf einmal hatten wir diese großartige Presse. Ein paar Leute haben unsere Sachen gehört - und wollten uns groß machen. Und gleich darauf heißt es: 'They are sleeping with journalists.' Die Kehrseite des Hypes ist, dass du im Rampenlicht stehst, ohne dass die Leute Zeit gehabt hätten, dich wirklich kennenzulernen."
Suede sind zurück im großen Spiel. Die beachtliche Leistung von "A New Morning" ist, dass hier eine Band wieder zusammengefunden hat. Fünf Jungs, die gemeinsam Musik machen, gemeinsam spielen, gemeinsam eine Platte aufnehmen und bald auch wieder gemeinsam auf Tour gehen wollen. So banal, so schön. Den Zeitgeist treffen sie damit auch: Die klassischen Bands, die Geschichtenerzähler sind wieder da, während die Ära der elektronischen Musik ihren Zenit eindeutig überschritten hat. Gerade in England spürt man diesen Umschwung. Die großen Clubs wie Ministry Of Sound und Cream suchen ihr Publikum mittlerweile recht vergeblich, "Rezession auf dem Dancefloor" benennt Raphael Honigstein das Phänomen in der Süddeutschen Zeitung treffend. Auch aus Ibiza vermelden die britischen Partymacher erstmals rückgängige Besucherzahlen und Laune. Von den Bands des Britpop dagegen hört man nur Gutes: Oasis wieder vereint und erfolgreich, das neue Supergrass-Album wird vielerorts als sensationell abgefeiert. Und Suede - mit "A New Morning". "Du kannst jeden Morgen aufstehen und ein neues Leben beginnen", beschreibt Brett Anderson den Albumtitel und sein neues Lebensgefühl. Und wir dürfen dabeisein, daran teilhaben. Wie heißt der Hit der Platte? "Positivity".
Hype. Keiner erzählt so schön von ihm wie die britische Musikpresse. Keiner hievt Newcomerbands so hoch in den Pophimmel wie die Redakteure des NME: vom Proberaum zu "Top Of The Pops" in einem Stolpern. Was den britischen Musikjournalismus so besonders macht, ist, dass er sich so emphatisch für Musik begeistern kann, dass er den Mut zur Entscheidung besitzt, eine vollkommen unbekannte Band aufs Titelblatt zu heben und zu loben, bis die Balken krachen. Begeisterung im Superlativ. Remember The Vines. Remember The Strokes.
Remember The Suede. 1992 schaffen sie es als unbekannte Newcomer auf den Titel der mittlerweile eingestellten, damals mindestens zweitwichtigsten britischen Musikzeitschrift Melody Maker. Obwohl (oder gerade weil) die Band bis dahin noch keine Platte veröffentlicht hatte, heißt die Headline: "The best new band in Britain".
Die Nachricht von den neuen Helden des Britpop verbreitet sich naturgemäß wie ein Lauffeuer. Nach drei Singles bringt die Band 1993 ihr Debütalbum raus - und steigt auf Platz Eins der Charts ein. Diese junge, neue Band ist sexy, ihre Mitglieder sehen entsprechend gut aus, es gibt Frauengeschichten zu erzählen (Sänger Brett Anderson ist kurz mit Justine Frischmann liiert, die später Elastica gründen und mit Damon Albarn von Blur zusammen sein wird), kurzum: diese Band ist so erfolgreich, wie sie eben nur sein kann.
Glamour ist der große Traum von Pop, und Suede leben ihn mit ganzer Seele. Sie geben sich androgyn, es sind die Tage, in denen Männer ganz selbstbewusst Kajal und Lidschatten auftragen. Euphorie und Aufbruch erstrahlt aus ihren Songs, aufgedreht und überdreht. Suede leben den Hedonismus der Neunzigerjahre perfekter als alle anderen. Ich bin ich, und ich will Spaß, Spaß, Spaß. Das ganze Rock'n'Roll-Leben, Suede genießen es. Drogen, Ekstase, Sex, Boulevard - es wird mitgenommen, was mitzunehmen ist. Und dann gibt es natürlich auch das: Streit in der Band, Zerwürfnisse, bitteres Ende von Männerfreundschaften. Bei den Aufnahmen zum zweiten Album "Dog Man Star" trennt sich Bernard Butler, musikalischer Kopf der Band, von Suede. Weitere Rauswürfe folgen.
Die fabelhafte Welt des Brett Anderson
Und heute? Die fetten Jahre sind vorbei, in jeder Hinsicht. "Das ist eine typische Journalistenlüge: Die Platte hat nicht eine Million Pfund gekostet", stellt Bassist Mat Osman gleich am Anfang des Interviews klar, "sie hat weniger als die Hälfte gekostet, viel weniger als die Hälfte." Mat Osman und Sänger Brett Anderson sind für einen Promotiontag in Deutschland, alles muss schnell gehen, 30 Minuten und eineinhalb Liter Evian pro Reporter. "Ich bin jetzt im richtigen Leben angekommen, keine Drogen mehr, kein Alkohol mehr, nicht mal Zigaretten - das verändert einen", sagt Brett Anderson. Die fetten Jahre sind vorbei, die guten fangen gerade an. "A New Morning", das neue Album von Suede, ist bemerkenswert. Man hört der Platte sehr genau an, dass die Band sich verändert hat, dass es einen Bruch gegeben hat. "A New Morning" ist ein großartiges Werk, vielleicht kein Meisterwerk, aber wer will das schon so genau sagen, so kurz nach Erscheinen. "A New Morning" ist viel mehr Songwriting als früher, weniger Klamauk und Glamour, weniger Elektronisches, weniger Keyboards als noch bei "Head Music", dem letzten Suede-Album, das vor drei Jahren erschienen ist.
Sie haben lange an der Platte gesessen, lange in eine Sackgasse hinein produziert. Der zunächst engagierte Produzent Tony Hoffer, der mit Beck "Midnight Vultures" aufgenommen hat, wird irgendwann und wohl viel zu spät entlassen und durch Stephen Street ersetzt. Street hat schon für die Smiths, Blur und die Cranberries gearbeitet und schafft es, dass "A New Morning" klingt, wie die Band sich das wünscht und sich selbst jetzt gerne sieht: einfach, natürlich, ehrlich. Anderson und Osman wiederholen diese Begriffe wie ein Mantra. Als ob sie sich selber noch überzeugen müssen, dass das jetzt ihre neue Welt ist, in der sie sich bewegen und in der sie sich wohl fühlen. Auf meinen Notizen stehen unzählige dieser Sätze: It's a simple record. It's a natural record. It's more much honest. Just me and my guitar.
"Hast du 'Die fabelhafte Welt der Amélie' gesehen?" fragt Brett Anderson. Er liebt die Figur der Amélie aus Marc Jeunets wunderbarem Film, sie ist ihm zum Vorbild geworden. Er mag, wie sie auf das Leben blickt, wie sie durch Paris zieht und sich an den einfachen Dingen erfreut. Er mag, dass ihr Ruhm und Geld nichts bedeuten. Es wirkt rührend, wenn er das erzählt. Und absurd. Weil Brett Anderson es nicht schafft, dich nicht arrogant anzugucken. Weil er den Dandy nicht an der Garderobe abgeben kann wie einen alten Hut.
Britpop Is Coming Home
Natürlich sind Suede noch die Alten. Natürlich haben ihre Songs noch immer diese grandiose Euphorie in sich, wie sie nur der gute alte Britpop kennt. Natürlich bereuen sie gar nichts. "Ich war es leid, berühmt zu sein", sagt Anderson, "aber versteh' mich bloß nicht falsch. Ich bin keiner dieser Idioten, die heute sagen: 'Ich wollte das alles nicht.' Ich bin keiner dieser Idioten, die sich beschweren, wenn sie auf der Straße fotografiert werden oder mit Fans reden müssen. Wir haben nie eine Rolle gespielt. Ich war immer ich selbst. Das war vielleicht eine extreme Version von mir, die da in der Öffentlichkeit stand, aber diese Person war definitiv ich. Ich habe den ganzen Scheiß geliebt, ich habe es einfach geliebt, berühmt zu sein." Und Mat Osman fügt hinzu: "Dieser Hype um eine neue Band, das ist so typisch britisch. Die Hälfte der Leute liebt dich abgöttisch, die anderen hassen dich. Für uns war die Sache großartig. Es hat uns geholfen, dass wir schnell bekannt geworden sind. Wir haben ja am Anfang niemanden gekannt, und auf einmal hatten wir diese großartige Presse. Ein paar Leute haben unsere Sachen gehört - und wollten uns groß machen. Und gleich darauf heißt es: 'They are sleeping with journalists.' Die Kehrseite des Hypes ist, dass du im Rampenlicht stehst, ohne dass die Leute Zeit gehabt hätten, dich wirklich kennenzulernen."
Suede sind zurück im großen Spiel. Die beachtliche Leistung von "A New Morning" ist, dass hier eine Band wieder zusammengefunden hat. Fünf Jungs, die gemeinsam Musik machen, gemeinsam spielen, gemeinsam eine Platte aufnehmen und bald auch wieder gemeinsam auf Tour gehen wollen. So banal, so schön. Den Zeitgeist treffen sie damit auch: Die klassischen Bands, die Geschichtenerzähler sind wieder da, während die Ära der elektronischen Musik ihren Zenit eindeutig überschritten hat. Gerade in England spürt man diesen Umschwung. Die großen Clubs wie Ministry Of Sound und Cream suchen ihr Publikum mittlerweile recht vergeblich, "Rezession auf dem Dancefloor" benennt Raphael Honigstein das Phänomen in der Süddeutschen Zeitung treffend. Auch aus Ibiza vermelden die britischen Partymacher erstmals rückgängige Besucherzahlen und Laune. Von den Bands des Britpop dagegen hört man nur Gutes: Oasis wieder vereint und erfolgreich, das neue Supergrass-Album wird vielerorts als sensationell abgefeiert. Und Suede - mit "A New Morning". "Du kannst jeden Morgen aufstehen und ein neues Leben beginnen", beschreibt Brett Anderson den Albumtitel und sein neues Lebensgefühl. Und wir dürfen dabeisein, daran teilhaben. Wie heißt der Hit der Platte? "Positivity".
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victoria-benner · 3 years
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Schreibkrise lösen? Vom inneren Kritiker, Selbstzweifeln und anderen Stolperfallen im Autorenleben
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Wie heißt es so schön? Neues Jahr, neues Glück und ganz neue Erfahrungen? Nu ja ganz in diesem Sinne habe ich auch mein neues Schreibjahr eingeläutet, bzw. ich habe es noch nicht richtig eingeläutet, sondern bin noch mit den Vorbereitungen dafür beschäftigt.
Da ich seit Mitte des letzten Jahres mehr mit dem Buchstaben kämpfe, denn dass ich sie auf das Papier bringen kann, dachte ich mir nach einem halben Jahr Zähneknirschen, preußischer Disziplin bis zum umkippen und trotzdem so gut wie keinem (noch dazu keinem zufriedenstellenden Ergebnis), ist es Zeit für eine Veränderung. Wenn man mit den üblichen Mitteln nicht weiterkommt… muss man sich eben neue suchen. Und da ich ohnehin zum ersten Mal seit drei Jahren Urlaub, keine Ahnung was ich mit so viel Freizeit anfangen und keinen Lesestoff mehr hatte, habe ich beschlossen den eklatanten Überschuss an Freizeit, den Mangel an Lesestoff und Lösungen zu kombinieren. In Form eines Buches.
Normalerweise lese ich keine Schreibratgeber, weil sie mich nur verwirren und noch mehr unter Druck setzen. Leider bin ich so ein Typ, der immer sofort alles gleich verstehen und umsetzen will, was, logischerweise, in einer Katastrophe und purem Frust endet. Nach etlichen Fehlversuchen und nicht üebrzeugenden Ergebnissen habe ich daher schon vor Jahren beschlossen mich eher fern von Ratgebern aufzuhalten und nur dann gezielt etwas nachzuschauen, wenn ich es brauche. Diesmal aber hatte ich Zeit, wusste nicht mehr wirklich, was ich noch anfangen sollte, ja man kann verlernen was man mit Freizeit macht, wenn man lange keine mehr hatte und ich war auf der Suche nicht nur nach einem Buch, sondern eigentlich mehr nach Lösungen für die Frage, was ich mit meiner Schreibblockade tun sollte. Schließlich kann ich nicht die Einzige sein, die von dieser was auch immer Problematik gequält wird! Lange Rede, kurzer Sinn, nach ein wenig Suche wurde ich auf „Mindset für Autoren“ von Joanna Penn aufmerksam. Noch etwas Recherche mehr und es hieß, das Buch habe bereits vielen schreibgestörten Autoren und Autorinnen geholfen, ginge auf die psychologischen Probleme ein, die dem Ganzen oft zugrunde liegen und hätte fast durchweg gute bis sehr gute Bewertungen bekommen. Persönlich finde ich durchwachsene Bewertungen immer glaubwürdiger als nur gute und bei diesem Ratgeber war es so, dass es zwar auch ein paar negative Bewertungen gab, diese hatten jedoch nur zu kritisieren, dass die Tipps die die Autorin für die Veröffentlichung gäbe ausschließlich auf den amerikanischen Markt ausgerichtet und daher für deutsche Autoren nicht verwendbar wären. Gut, das war vor fast fünf Jahren. Inzwischen hat sich in Deutschland auch so einiges geändert und viele der Tipps, die in „Mindset für Autoren“ gegeben wurden kannte ich bereits. Von daher war die Kritik wohl etwas überholt. Aber gut, ich beschloss es mit dem Buch zu probieren und las es mir zwischen den Feiertagen durch, was gut machbar war, da das Buch an sich nicht wirklich dick ist. 170 Seiten, der Rest ist Danksagung, Biographie und Biblographie. Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel kurz, so dass man sie auch locker unterwegs auf dem Weg zur Arbeit, von der Arbeit lesen könnte. Außerdem ist der Text immer wieder durch Zitate bekannter Autorinnen und Autoren aufgelockert.
Ebenfalls nett ist, dass das Buch gleich mit den psychologischen Faktoren oder Problemen die man als Autor mit dem Schreiben haben kann, startet.
Warum ich das nett finde?
Weil meiner Erfahrung nach 90% der Probleme, die in Verbindung mit dem Schreiben auftreten rein psychologischer Natur sind. Um noch genauer zu sein: die meisten Probleme werden durch Selbstzweifel und mangelndes Selbstvertrauen hervorgerufen. Egal um welchen Aspekt es sich im Autorenleben handelt.
Die Werbung die man geschaltet hat bringt nicht das gewünschte Ergebnis?
Es könnte doch daran liegen, dass man schlicht der falschen Zielgruppe schöne Augen gemacht hat? Oder? Nein, oder es könnte daran liegen, dass man einfach ein grauenvoller Autor ist, den die Leser hassen und das Buch ist absolut langweilig und niemand will es lesen! Schau dir doch bloß mal das Cover an! Gott! Was habe ich mir dabei gedacht?! Wahrscheinlich sollte ich es einfach aufgeben und wieder in meinen alten Job zurückkehren. Den mag ich zwar nicht und auf Dauer wird er mir das Genick brechen, aber was soll´s ...
„Mindset für Autoren“ mit der psychischen Komponente anfangen zu lassen, ist clever. Ja, eigentlich widmet sich fast das ganze Buch nur den psychologischen Faktoren, denn solche Stolpersteine warten ja nicht nur während des Schreibprozesses, sondern vor, während und nach der Veröffentlichung, bei der Suche nach Agenten und Verlegern und und und.
Neben all den psychischen Aspekten kommen auch technische Tricks und Tipps zur Sprache. Was sind hilfreiche Gewohnheiten beim Schreiben, wie werden sie „gebaut“? Wie und wo finde ich Gleichgesinnte, wenn ich sie denn haben möchte? Wie baue ich mir langfristig eine erfolgreiche Autorenkarriere auf und was ist die Basis meines Schreibens und wie finde ich heraus ob ich erfolgreich bin? Und natürlich darf auch ein kurzes Kapitel über die „netten“ Anekdoten und Sprüche nicht fehlen, die man auf Feiern zu hören bekommt, sobald bekannt wird, dass man Autor oder Autorin ist.
Egal in welcher Phase des Autorenlebens man sich befindet, es hat für jeden etwas. Und ich muss zugeben, bei einigen Dingen habe ich mich selbst wiedererkannt und mich für einen Moment beruhigt gefühlt, als ich begriff, ich bin definitiv nicht allein mit meiner Schreibkrise. Anderen geht es auch so. Nicht nur anderen, sondern auch „großen“ Autoren geht und ging es so. Wir alle kochen nur mit Wasser.
Doch kommen wir zum Eingemachten, aka der Frage, ob das Buch etwas gebracht hat.
Ich denke, jeder der schreibt wird früher oder später mit einer Schreibkrise zu kämpfen haben und sich Hilfe wünschen, um da wieder herauszukommen. Allerdings..genau an dem Punkt versagt das Buch. Leider. Wenn man schon einmal so weit gekommen ist, dass man erkennt, dass man ein handfestes Problem hat, weiß man in der Regel auch schon, was die Ursache des Ganzen ist. Also ob es sich um einen handfesten Fehler, falsche Plattform um das Buch zu bewerben, oder aber um einen eher weichen Fehler, schwerer Fall an innerem Kritiker handelt.
Die Frage ist doch aber nicht was man hat, sondern wie man es loswird. Leider lässt einen das Buch hier allein. Oft wird lediglich gesagt, der Weg aus diesem Tal der Schreibkrise ist der Weg durch das Schreiben. Egal ob sich das Problem "Hochstaplersyndrom", "Innerner Kritiker" oder "Versagensangst" nennt, die übrigens alle nur unterschiedliche Worte für ein und das selbe Phänomen sind nämlich Selbstzweifel. Immer ist das Gegenmittel: Schiebe die Angst beiseite, nachdem du ihr in die blutunterlaufenen Augen gestarrt hast, und mach weiter.
Dieses Rezept ist, so hilfreich es auch sein mag, schwer in die Tat umzusetzen und daher keine wirkliche Hilfe. Und genau da hatte ich gehofft setzt das Buch an, denn nichts ist schwerer als sich selbst den Zahn des Selbstzweifels zu ziehen. Und zwar immer und immer wieder. Denn leider trifft man als mehr als nur eine eine Schreibkrise in seinem Autorenleben. Da einfache Mantras dagegenhalten, erscheint mir bei einem ausgeprägten Fall von Mangel an Selbstvertrauen doch etwas schwach. Statt besagtes Mantra mit lauter Stimme fest aufzusagen und motiviert zu Werke zu gehen, wird es eher ein leises Nuscheln, dass nicht einmal homöopathische Wirkung entfaltet.
Natürlich könnte man sich jetzt zurücklehnen und sagen, dass die Aufgabe von Ratgeberliteratur ist, das Problem aufzuzeigen, die Diagnose zu stellen. Wie man die Sache dann angeht, dafür können nur Tipps gegeben werden. Nicht zuletzt auch, weil der Prozess des Schreibens und der Bewältigung der Selbstzweifel für jeden anders ist.
Sicher, allerdings finde ich die Erklärung greift dennoch zu kurz. Etwas mehr Hilfe hätte ich schon erwartet. Zu erkennen, was mein Problem ist, dass kann ich auch selbst. Dafür brauche ich kein Buch. Was ich brauche sind Lösungen.
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later-is-now · 4 years
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In art we trust - Hugenottenhaus in Kassel
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Abseits von klassischen Ausstellungsformaten kuratieren Silvia und Lutz Freyer Ausstellungskonzepte an einem geschichtsträchtigen Ort, die ganz neue Sichtweisen eröffnen. Mit Udo Wendland und seiner Impulse für Kassel Stiftung, die das Hugenottenhaus inzwischen erworben hat, ist ein schlagkräftiges Dreigespann entstanden. Seither haben sie für die Kasseler Kulturszene viel bewegt und einen identitätsstiftenden Kunstraum im Hugenottenhaus geschaffen.
Der gesamte Text stammt von Sonja Rossettini und ist so im Casselmag erschienen. 
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Ab 1685 unter Landgraf Karl kamen die ersten hugenottischen Neubürger als Flüchtlinge nach Kassel, die wegen ihres Glaubens aus Frankreich fliehen mussten. In Hessen erhoffte man sich von ihnen eine Modernisierung und neue Impulse. Die französischen Religionsflüchtingssfamilien trugen dazu bei, Kassel und die Oberneustadt neu zu gestalten und zu entwickeln, und es wurden seinerzeit viele Gebäude zum Wohnen und Arbeiten für die hugenottischen Flüchtlinge gebaut. Das Kleinod Hugenottenhaus, 1825 in der Friedrichstraße 25 errichtet, heute zwischen GRIMMWELT und dem Kasseler Rathaus – gegenüber der „Neuen Denkerei“ –, ist eines von fünf dieser historischen Gebäude, die den Krieg überlebt haben, und das seit Ende der 1980er Jahre leer stand.
Ins Bewusstsein der Kasseler Bevölkerung rückte das vom Verfall bedrohte Hugenottenhaus während der documenta 13 im Jahr 2012 dank Carolyn Christov-Bakargiev. Vor acht Jahren erwachte es aus dem Dornröschenschlaf mit der Ausstellung „Collapse and Recovery“ – „Zusammenbruch und Wiederaufbau“ von Theaster Gates aus Chicago und dem deutsch-britischen Künstler Tino Sehgal. Theaster Gates wollte das Haus mit Künstlerfreunden und Schreinern aus Chicago renovieren und wieder beleben. So wohnten dort diese Künstler während der documenta 13 und spielten abends großartigen Jazz. Tino Sehgal bespielte mit einer Rauminstallation den ehemaligen Bode-Saal, die heutige Perle 2.
Der Aufgabe, das Hugenottenhaus mit neuem Leben zu erfüllen, nicht nur während der documenta, hat sich nun das Dreierteam Sylvia Freyer, Lutz Freyer und Udo Wendland verschrieben. Sie stehen damit durchaus in der Tradition der documenta 13, aber eben auch schon in Verbindung mit der documenta fifteen und der Kuratorengruppe ruangrupa mit ihren partizipatorischen Ideen.
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Zusammengefunden hatten sich der Unternehmer Wendland und das Künstlerpaar Freyer anlässlich der Ausstellung „Neue Enden“ im Fridericianum: Sylvia und Lutz Freyer kuratierten die Ausstellung und zeigten Arbeiten ihres Lehrers Fritz Schwegler; für Udo Wendland, der schon immer Kunst sammelte, war dies der Anlass zur Erweiterung einer respektablen Kunstsammlung.
So kam die Idee auf, dem Hugenottenhaus als Kunsthaus ein neues Leben zu schenken. Nun erlebt das Haus seine Renaissance und befördert erneut Modernisierung und neue Impulse. Der geschichtsträchtige Ort wurde repariert und erweitert und ist zum Haus für zeitgenössische Kunst in privater Trägerschaft geworden, dass das Kasseler Kulturleben bereichert und sich immer mehr als Ort der Begegnung etabliert.
Nach der Ausstellung „Freie Zimmer“, die im vergangenen Jahr Tausende von Besuchern anlockte, präsentieren die drei jetzt die neue Ausstellung „Bewegte Zimmer“ vom 17. Juli bis 27. September.
Die Kuratoren, selber Künstler, nehmen eine neue, ungewöhnliche Rolle ein und die Kunsträume entstehen in enger Zusammenarbeit mit anderen Künstlern.
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Die Ausstellung präsentiert 15 Künstler und bewegt sich über drei Etagen in 14 Räumen, in denen die Kunstwerke mit den räumlichen Situationen spielen. Warum „Bewegte Zimmer“? Die Räume wirken für sich, durch ihren spröden Charme. Obwohl sie noch ziemlich „heruntergekommen“ sind, versprühen sie Präsenz und Schönheit, es entwickelt sich eine gewisse Wohlfühlatmosphäre, durch die verschiedenen Lichtstimmungen entsteht ein Zauber in den Räumen, die eine eigene Anziehungskraft ausstrahlen und eine faszinierende Anmutung entstehen lassen.
Auftakt für die Ausstellung im Eingangsbereich bildet eine kleine Jesus-Bild-Collage von Maren Freyer, „Beauty of Birth“, fast ironisch, die bei einem Besuch der jungen Kunstwissenschaftlerin in Florenz entstanden ist.
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Im ersten Ausstellungsraum zeigt Stephan von Borstel eine Reminiszenz, die lokale Gegebenheiten mit historischem Weltgeschehen verbindet: Kern des Konzepts ist ein Krankenbett, Ikone dieses Corona-Frühjahrs, dessen Blick durch das einzige Fenster des kleinen Raumes den Blick, wie durch einen Rahmen, auf den Gartenbereich hinter der Fünffensterstraße freigibt, vis-a-vis des Rathauses, in der von den Kuratoren so betitelten „Kunst-Zone“, dort, wo einst das „Französische Hospital“ stand, bis es in der Bombennacht des 22. zum 23. Oktober 1943 der Zerstörung zum Opfer fiel. An den Wänden die Reproduktion eines Bildes von Philipp Otto Runge mit einem auf dem Rücken liegenden Säugling, das vom Erstarren der Welt zeugt. Zwei gegenüberliegende Bilder mit Vegetation schaffen eine Verbindung nach außen und machen auf die Ressourcen des Grüns im Garten aufmerksam. Die Rauminstallation erzeugt Betroffenheit. Eine sensible, emotionale Arbeit.
Der erste Ausstellungsraum ist nur ein Beispiel dafür, was den Besucher im Hugenottenhaus erwartet. So könnten wir weitere Arbeiten präsentieren, denn jedes Zimmer ist in seiner Präsenz einzigartig und vermittelt immer neue Impressionen und Anregungen. Aber Kunst kann man letztendlich nicht beschreiben, Kunst muss man sehen und erleben und so verzichten wir auf den Versuch, die Räume zu beschreiben. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass die Eindrücke nicht unterschiedlicher sein könnten. Wie wirkt Kunst? Jeder hat seine bestimmte Vorstellung davon, was Kunst sein soll und wie sie zu wirken hat. Vielleicht wirkt sie sogar heilend, therapeutisch und nimmt man sie, wie eine Medizin, auf nüchternen Magen, also wenn die Betrachtung frei bleibt von Störungen, Erwartungen und Belastungen, kann sie sogar noch intensiver wirken. Durch das vorurteilsfreie Betrachten kann die Kunst ganz unterschiedliche Bereiche des Bewusstseins anregen.
Integraler Bestandteil der Ausstellung ist also die Partizipation der Ausstellungsbesucher selber, die als „Mitmachkünstler“ eingeladen werden, schöpferisch tätig zu sein und die Räume wahrzunehmen. Die Theorie der „Sozialen Plastik“ wurde bereits 1967 von Joseph Beuys geprägt und resultiert aus dem Verständnis des erweiterten Kunstbegriffs, der die Kunst nicht auf ein abgeschlossenes Werk beschränkt, sondern das kreative Denken und Handeln des Menschen einschließt. Beuys Motto „Jeder Mensch ist ein Künstler“ erklärt, dass alle Menschen befähigt sind, zum Schöpferischen zu gelangen. So wird die Ausstellung Begegnungsstätte zwischen Künstlern und Ausstellungsbesuchern.
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„Bewegte Zimmer“ bedeutet also auch, dass nicht nur die Künstler die Zimmer bewegen und sich von der Räumlichkeiten bewegen lassen, sondern auch die Besucher und Besucherinnen. „So wird die Ausstellung erst am Ende der Ausstellung eigentlich fertig sein“, betont Lutz Freyer. „Die Beziehungen und ihre Gestaltung sind plastisch und rücken in den Vordergrund, man soll lieber in Prozessen denken.“ Die Ausstellung bietet deshalb auch Gelegenheit für verschiedene Workshops und wird lebendig, indem die Besucher mitwirken können. Das Angebot kommt von verschiedenen Künstlern wie zum Beispiel Ulrike Brömse-Reich, die Teppiche zur Kunst knüpft, oder Lutz Freyer mit GELDWÄSCHE. Die Kunstdarstellung „Geldwäsche“ regt an, über die Wertigkeit von Geld nachzudenken: Geld ist nichts anderes als bemaltes Papier, wird nicht durch Gold oder Öl beglaubigt, ihm haftet aber an sich etwas Unreines an, deshalb das Thema Wäsche. Für den Workshop, mit etwa fünf bis sechs Teilnehmern werden Töpfe, Eimer und Wannen bereitgestellt, um mit den Besuchern Geld zu waschen.
Viele Werke der Ausstellung sind irgendwie politisch, treffend und bissig. Einige irgendwie romantisch, andere amüsant. Alle überraschend, ungewöhnlich, auffallend.
IN ART WE TRUST (Wir vertrauen in die Kunst) – eine Arbeit von Lutz Freyer – prangt als programmatische Überschrift aus Bauschaum an einer Hausfassade im Gartenbereich, der „Kunst-Zone“. Die Kunstzone, der Innenhof und Garten des Hugenottenhauses, wurde persönlich von den Kuratoren und vielen Helfern und Freunden vom Müll befreit, der sich im Laufe der Jahre dort angesammelt hatte, kreativ gärtnerisch gestaltet und strahlt jetzt als gemütliche grüne Oase inmitten  der Stadt.
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Das Motto IN ART WE TRUST stellt die Auffassung der Künstler dar, stellvertretend für alle Künstler. Eine lebendige, spielerische und bewegende Allegorie der Rolle des Künstlers in der heutigen Gesellschaft. „In God we trust“ (Wir vertrauen in Gott) ist ein Wahlspruch der Vereinigten Staaten mit eigentlich nur zeremoniellem Charakter, denn die Verfassung der Vereinigten Staaten schützt offiziell die Religionsfreiheit. Kunst ersetzt hier den Begriff Gott, obwohl Kunst hiermit nicht zur Religion oder Kultfigur wird. Vielmehr ist der Begriff als Anerkennung zu verstehen, als Hoffnung auf die schöpferische Kraft des Menschen. Das Künstlermodell, als kreativer einzigartiger Schöpfer, legt den Künstler auf Individualität, Originalität und Expressivität fest, am Ende auch auf Genialität und Authentizität, letztendlich auf das Wesen des Menschen selbst.
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Kunst spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Kultur einer Gesellschaft und erfüllt einen sozialen Auftrag. Denn das Ziel eines Künstlers besteht nicht nur darin, die Schönheit der Welt um uns herum auszudrücken, sondern der wahre Wert eines Kunstwerks besteht auch aus seiner Fähigkeit und Verantwortung, die Wahrheit der Dinge, auch provozierend, zu enthüllen und/oder Themen so darzustellen, dass sie Menschen auf positive Weise beeinflussen. „Bewegte Zimmer“ sind also auch neue Wege, die gegenwärtige Gesellschaft zu begründen. Die Kunst als ästhetische Reflexion über die Welt, die dabei hilft, Dinge zu emotionalisieren, sie haptisch begreifbar zu machen, damit wir sie verstehen und verinnerlichen können.
Indem sie offen, interdisziplinär und international agiert, bringt Kunst uns die politische und soziale Gegenwart näher, konfrontiert uns mit den Fragen der heutigen Zeit und der Zukunft und prägt so die Gesellschaft mit.
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Es ist möglich, eine Gesellschaft zu zerstören, indem man ihre Kunst sabotiert. Künstler können hingegen unsere Welt zu einem besseren Ort umgestalten, an dem Gedankenfreiheit und echte Kommunikation durch die universelle Sprache der Kunst verbreitet werden können.
Und diese einzigartige „Freiheitsempfindung“ ist in der Kunstzone zu spüren. Sie zieht das Publikum an, begeistert mit Unverfälschtheit und Individualität. Die Kunstzone ist in diesem Sommer bereits zur Lieblingslocation des Kasseler Publikums geworden. Jung und Alt treffen sich hier, um unbefangen über Kunst zu diskutieren, zuweilen aber auch nur, um diese einmalige, außerordentliche Umgebung zu genießen. Weil Kunst beflügelt.
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Kunst beflügelt auch die Wirtschaft. Weil sie Kommunikation fördert, Regeln bricht, Routinen hinterfragt, motiviert und dabei hilft, auch langfristige Ziele fokussiert zu verfolgen.
Auch deswegen gehen für Udo Wendland,  als Gesellschafter und Beirat in verschiedenen Industrieunternehmen tätig, Kunst und Wirtschaft zusammen. Und die Wirtschaft soll heute auch Verantwortung tragen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Gesellschaft.
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„Bewegte Zimmer“ bedeutet also auch, dass nicht nur die Künstler die Zimmer bewegen und sich von der Räumlichkeiten bewegen lassen, sondern auch die Besucher und Besucherinnen. „So wird die Ausstellung erst am Ende der Ausstellung eigentlich fertig sein“, betont Lutz Freyer. „Die Beziehungen und ihre Gestaltung sind plastisch und rücken in den Vordergrund, man soll lieber in Prozessen denken.“ Die Ausstellung bietet deshalb auch Gelegenheit für verschiedene Workshops und wird lebendig, indem die Besucher mitwirken können. Das Angebot kommt von verschiedenen Künstlern wie zum Beispiel Ulrike Brömse-Reich, die Teppiche zur Kunst knüpft, oder Lutz Freyer mit GELDWÄSCHE. Die Kunstdarstellung „Geldwäsche“ regt an, über die Wertigkeit von Geld nachzudenken: Geld ist nichts anderes als bemaltes Papier, wird nicht durch Gold oder Öl beglaubigt, ihm haftet aber an sich etwas Unreines an, deshalb das Thema Wäsche. Für den Workshop, mit etwa fünf bis sechs Teilnehmern werden Töpfe, Eimer und Wannen bereitgestellt, um mit den Besuchern Geld zu waschen.
Viele Werke der Ausstellung sind irgendwie politisch, treffend und bissig. Einige irgendwie romantisch, andere amüsant. Alle überraschend, ungewöhnlich, auffallend.
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Wenn Udo Wendland selbst Führungen durch die Ausstellung macht, spürt man seine ansteckende Leidenschaft für die Kunst, er brilliert mit einer großen Kenntnis der aktuellen Kunstszene und hat unlängst mit seiner Impulse für Kassel Stiftung für das Hugenottenhaus eine dauerhafte Perspektive entwickelt.
Künstler tragen viele besondere Fähigkeiten in sich: Sie sind ihrer Zeit häufig ein Stück voraus, entwickeln starke Resilienz, wirken als „Alltagscoaches“, können Methoden vermitteln, wie es möglich ist, Unbekanntem offen, neugierig und mutig zu begegnen, und somit Innovation fördern. Lange hat sich die Wirtschaft lediglich ornamental mit Kunst geschmückt. In den letzten Jahren werden aber Künstler nun stärker als Gestalter in unserer Gesellschaft begriffen. Udo Wendland hat als einer der ersten erkannt, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Kunst, Kultur und Wirtschaft ist und dass die Förderung von Kunst und Kultur deswegen nicht nur Aufgabe des Staates und der Politik ist, sondern eine Verantwortung der gesamten Gesellschaft. Dem Mäzen und Förderer Leonardos, Herzog Ludovico Sforza, schulden wir die meisten Werke des Genies, ohne die Familie De‘ Medici in Florenz hätte die Welt keine Renaissance erlebt, ohne die Sammelleidenschaft der Landgrafen würden unsere Kasseler Museen nicht ihrem Weltrang genießen.
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Die Menschen brauchen einen möglichst breiten Zugang zur Kunst. Damit die darstellende Kunst weiter ihre gesellschaftliche Rolle wahrnehmen und insbesondere ihren öffentlichen Auftrag gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erfüllen kann, soll auch die Wirtschaft Verantwortung übernehmen, sowohl durch direkte Förderung als auch über eine breite Palette anderer Maßnahmen und in Kunst und Kultur investieren, weil die Gesellschaft ein lebendiges kulturelles Umfeld braucht, das der Bildung, der Gesundheit und dem Wohlbefinden, dem kulturellen Gedächtnis, dem künstlerischen Schaffen und der Kreativität dient. Das ist ein unerlässlicher Beitrag zu den Zielen von mehr Wachstum und Demokratie.
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Der Erfolg der Ausstellung „Bewegte Zimmer“, gerade in dieser Corona-Zeit, beweist, wie die Menschen sich nach kultureller Seelen- und Geistes-Nahrung sehnen.
Das Trio Sylvia und Lutz Freyer und Udo Wendland bereichern mit dem Hugenottenhaus nicht nur die Stadt mit einer inspirierenden Ausstellung: Das Hugenottenhaus ist viel mehr als nur ein Ausstellungsort, sondern eher ein erfolgreiches, vorbildliches Engagement für eine unmittelbare, freie und gleichberechtige Willensbildung und Mitbestimmung, es leistet bereits einen großen Beitrag und übernimmt Verantwortung für die soziale und gesellschaftliche Entwicklung unserer Stadt.
Die Ausstellung „bewegte Zimmer“ ist noch bis zum 27. 9. 2020 jeweils Freitags bis Sonntags von 11:00 Uhr bis 19:00 Uhr geöffnet.
In den Künstlerräumen werden die Arbeiten der teilnehmenden 15 Künstler*innen gezeigt
Ulrike Brömse-Reich, Marco Di Carlo, Lutz Freyer, Maren Freyer, Silvia Freyer, Pascal Heußner, Anna Holzhauer, Silke Körber, Lucas Melzer, Eeva Ojanperä, Susanne Radscheit, Beat Sandkühler, Patrick Schütze und KolorCubes, Claudia van Koolwijk, Stephan von Borstel
Im Hugenottenhaus finden regelmäßig verschiedene Veranstaltungen der Künstler- und Kurator*innen statt
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crowdbabe · 8 years
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Fünf fafickte Favierfervietten
O.k. Neben mir liegen fünf fafickte Favierfervietten und vor uns acht Stunden Flugzeit. Acht Stunden, uns nochmal jede Folge dieser Produktion reinzuziehen, von der alle Beteiligten wussten, dass es sich um eine Reality-Soap handelt. Bis auf mich. Ich hab´s für die Realität gehalten. Weswegen ich das Material jetzt um ein paar Bonus Tracks ergänzen möchte, die ich bisher unter Verschluss gehalten habe, ist also `ne ganz exklusive Veranstaltung hier. 
Auch wenn der Flug-Dispatcher die Regeln nicht zu kennen scheint.
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Gate C ist nämlich falsch. Gate F müsste mein Abfluggate sein. Heute ist ein F-Tag und das ist von all den Arschkarten, die ich auf der Hand habe, noch die coolste. Ein F-Tag gestattet immerhin solche Annehmlichkeiten wie Flughafen, French Fries und Facebook. Stellt euch mal vor, mein Rückflug wäre auf einen B-Tag gefallen, wo hätte ich mich denn da bis zum Abflug rumtreiben sollen, da bleibt ja außer Brücken und Bus Stops nicht viel, wenn die Alternative nicht im Bett bleiben lauten soll. Und für B-Essen, das nicht ausgerechnet ein Burger ist, wäre ich wohl kaum um das gnadenlos überteuerte Organic-Sortiment bei Godess and Grocer herumgekommen - ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass irgendeine der anderen Buden in der Abfluglounge Banana Bread oder Bulgursalat im Angebot hätte. Ich will mich also nicht beschweren über meinen F-Tag mit Flughafen, Facebook und FeierdesAbschieds-French-Fries. Wobei natürlich auch fuckin French Fries und fuckin Flughafen und fuckin Facebook ginge. Was soll´s. Noch eine gute Stunde, dann stehe ich am Gate in der Schlange, und sobald die meine Bordkarte gescannt, die Klappen über den Sitzen dichtgemacht und die Kabinentüren verriegelt haben, bin ich raus aus der Nummer. Vorausgesetzt, ich reiß mich jetzt zusammen und krieg meinen Senf innerhalb der verbleibenden Stunde in Form gepresst. Und finde irgendwo freies Wifi, hier am Flughafen bieten die nur Boingo an, sieben Dollar die halbe Stunde, das ist mir echt zu happig. Ich brauch doch maximal eine halbe Minute, um den Text hochzuladen und meinen Tweet abzusetzen. Unfasslich, dass ein Flughafen wie O´Hare kein freies Wifi hat.
Ziemlich trübe Veranstaltung. Der Himmel legt sich echt ins Zeug, mir die passende Abschiedskulisse zu bieten. Die Delta-Maschine, die sich gerade in die graue Watte schraubt, wird immer mehr zum Papierflieger, je weiter sie sich entfernt. Ich hab uns einen Fensterplatz ausgesucht, damit Gino und Eddie was zu gucken haben, während ich schreibe. Im Moment sind sie ganz fasziniert vom Bodenpersonal, das in signalfarbener Regenmontur die beladenen Gepäcktrolleys übers Rollfeld schubst, während ich durch mein Facebookleben der letzten Monate scrolle. Das Display ist schon ganz fettig von meinen Pommesfingern und die glitschigen Papierservietten aus dem Spender taugen auch nicht wirklich für Notizen. Die sind irgendwie beschichtet, da haftet der Kugelschreiber nicht. Wie soll ich denn da Zeugnis ablegen, wenn die Wahrheit nicht mal auf Papierservietten haften will. Na, wenigstens wollte der Typ an der Bar keine ID sehen, sodass ich den Verlust meines Flachmanns kompensieren kann.
Die Wahrheit ist mehr als die Summe ihrer Teile. Die Wahrheit ist, dass ich betrogen worden bin. Dass Orange mich hintergangen hat. Das Kind, das wir kriegen wollten, mit einem anderen angesetzt hat. Das lässt sich so natürlich nicht in meiner Timeline ablesen. Das sieht man mir auch nicht an. Ich weiß über die Gestalten an den Tischen um mich rum ja auch maximal, dass sie auf ihren Boardingaufruf warten. Und nicht mal das kann ich sehen. Was ich sehe, ist, wie sich jemand Donutglasur von der Lippe wischt. Senf vom Finger leckt. Höre hinter mir jemanden Getränkereste zwischen den Eiswürfeln durch einen Strohhalm saugen. Und denen wird’s auch nicht anders gehen. Was die sehen, wenn sie ihren Becher absetzen, sich die Finger abgeleckt oder die Serviette zusammengeknüllt haben, ist ein unrasierter Typ, auf dem Kopf eine Wollmütze, unter der ein Wust verfilzter Haare hervorragt, der mit aufgestützten Ellbogen am Panoramafenster hockt und sich, den Blick auf sein Handy-Display fixiert, abwesend fettige Pommes aus einer Styroporbox in den Mund stopft. Gelegentlich scheint er sich mit zwei kleinen hellblauen Spielzeugnilpferden auszutauschen, die neben der Pommesschachtel stehen, um im Anschluss etwas mit Kugelschreiber auf einen Stapel Papierservietten zu kritzeln, was genau, lässt sich auf die Entfernung natürlich nicht entziffern. Was weder der widerliche Anzugtyp, der glaubt, dass keiner merkt, wie er über den Rand seiner Chicago Tribune ziemlich schamlos jeden weiblichen Körper im Umkreis scannt, noch das kleine glupschäugige Monster im Star Wars-Anorak sehen kann, ist, dass der grenzdebil wirkende Pommesfresser, der mit Spielzeug spricht und seine Tage alphabetisch ordnet, seinen Aufenthalt in der Abfluglounge einem Stapel Anwaltslyrik verdankt, in dem so unschöne Begriffe wie Cybermobbing vorkommen.
Aber ich bin gewappnet: mein Akku ist voll und selbst wenn sie mich an der Security zwingen können, meine Schuhe auszuziehen und mich nackig zu machen, selbst wenn sie meinen Flachmann einkassieren, mein Handy und meine Kamera durchleuchten und 7 Dollar dafür kassieren, können sie mich nicht daran hindern, bis zur letzten Sekunde ihr WiFi zu nutzen. Und dem Serviettenspender an der Ketchup- und Mayostation so viele Papierservietten zu entnehmen, wie ich will. Ihr Kontrollzwang hat Grenzen. Sie können Menschen glauben machen, sie würden einen Preis gewinnen, wenn sie ihre Smartphones an die QR-Codes auf den Etiketten von Ketchupflaschen halten. Ketchup und Mayo haben sie unter ihre Kontrolle gebracht, aber keine Heimatschutzbehörde wird überprüfen können, wie viele Papierservietten ich am Airport Chicago O´Hare gezogen habe, um meine Geschichte zu erzählen. „Flieg nachhause, Anatol. Erzähl deine Geschichte. Geh Eichhörnchen füttern“, lautet Jerrys Anweisung. Bis auf die Eichhörnchen in ich auf dem besten Wege.
Fünf. Fünf brauche ich. Weil heute ein F-Tag und meine verbleibende Zeit begrenzt ist. Da müssen fünf fafickte Fafierferfietten fenügen. Mein Flug ist für 6:10 p.m. ausgeschrieben, das Boarding beginnt um halb. Meine Armbanduhr, die neben der Styroporpackung mit meinen Pommes liegt, zeigt 16:45 Uhr an, eine deutsche Uhr bleibt eine deutsche Uhr. Eine gute halbe Stunde, um elf Monate, in denen ich beinahe ein Kind gezeugt hätte und beinahe Vater geworden wäre, auf fünf Papierservietten auszubreiten. Die einzigen, die mir die Treue gehalten haben, sind zwei kleine hellblaue Spielzeugnilpferde aus dem Überraschungsei, die auch nach einem Jahr Aufenthalt hier weder Englisch noch ein Laserschwert bedienen können. Aber selbst wenn, mit einem Laserschwert wär ich nie und nimmer durch den Sicherheitsdetektor gekommen. Beläuft sich unsere kleine Reisegruppe also auf zwei nicht sicherheitsüberprüfte Hippos und einen sicherheitsüberprüften Einundzwanzigjährigen im Besitz eines deutschen Passes, einer Gepäckmarke und eines Boardingpasses für den United Flug UA 926 nach Frankfurt. Darüber hinaus verfüge ich über eine Flasche Fuckinduty-Free Fodka, die mir beim Besteigen des Flugzeugs wieder ausgehändigt wird, und einen Stapel Papierservietten.
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“Final call for all passengers booked on United Airlines flight 926 to Frankfurt am Main. Please proceed immediately to Gate C 20.“ In der Styroporschale liegen noch ein paar verwaiste Pommes in einer Mayolache. Ich setze Gino und Eddie dazu und mache ein Selfie von uns dreien, dann lecke ich ihnen die Mayo von den Hufen und versenke sie in meiner Hosentasche. Mein Versuch, die vollgekritzelten Servietten im Vorbeigehen unter dem Schwingdeckel des Mülleimers zu versenken, scheitert am Schwingdeckel. Die Hälfte landet auf dem Boden. Ich weiß schon, fünf hat keine Hälfte, aber die Wahrheit ist ja auch mehr als die Summe ihrer Teile. Sollen sie mich doch für volltrunken halten, das Star Wars-Monsterkid und der Zeitungsspanner.
Dabei bin ich doch nur ein kleiner Möchtegern-Superheld, den man aus seinem Heldencomic rausgeschmissen hat. Asterix und die Trabantenstadt, kennt ihr, oder? Wo eben noch dieser majestätische Eichenwald stand, in dem Obelix immer Wildschweine jagen geht, klaffen plötzlich Krater im Waldboden, weil die Römer die Eichen rausgerissen haben. Aber nicht mit den Galliern. Ganz lässig werfen Asterix und Obelix im Vorbeigehen eine Zaubereichel in jedes Loch, und schwupp, schießt im Zeitraffer eine neue Eiche in die Höhe und Idefix fällt vor Schreck in Ohnmacht. Als Kind hab ich die Nummer mit den Zaubereicheln geglaubt. Es gibt dieses Foto, da stehe ich in quietschgelben Gummistiefeln an Papas Hand vor einem Schlammloch und hole, die geballte Faust hoch über dem Kopf, zum Wurf aus. So verstrahlt, wie Papa die Kamera anhimmelt, muss Mama das Foto gemacht haben, ich kann also nicht älter als vier gewesen sein, später hat Mama von Papa keine Fotos mehr gemacht. In der geschlossenen Faust halte ich eine Eichel und Mama hat mir erzählt, dass sie unbedingt den Moment erwischen wollte, in dem sie durch die Luft fliegt. Wer weiß, vielleicht hätte sie ihre magische Wirkung sogar entfaltet, wenn Mama im richtigen Moment abgedrückt hätte. Hat sie aber nicht.
Was glaubt ihr eigentlich, warum einer wie ich ein Jahr lang Container nach verwertbaren Lebensmitteln durchwühlt und nebenbei zum Experten für die verschiedenen Stadien weiblicher Fruchtbarkeit avanciert? Einen Real Life Hero wollte ich aus mir machen lassen, mit Zaubereicheln Hoffnung in die Krater der Zivilisation säen. Einer, der sein ganzes Leben auf die Einladung in ein Asterix-und-Obelix-Heft wartet, lässt sich doch auf jedes Spiel ein, das ein bisschen Eichelmagie verspricht. Selbst, wenn es ein Scheißspiel ist. Hab ziemlich viele Runden gebraucht, um zu kapieren, dass meine Mitspielerin jede gottverdammte Regel bricht, um weiterzukommen. Dabei war doch das einzige, was ich wollte, ein Foto. Ein Foto, auf dem ich mit meinem Kind und seiner Mutter „Engelchen flieg“ mache.
Hallo. Miss? Lassen Sie mich kurz etwas erklären: worum es doch letztendlich geht, ist, die Dinge aus ihrer Perspektive zu sehen. Wir sind uns doch einig, dass ich der Täter bin und sie das Opfer, right? Ich meine, dazu haben wir das ganze Spiel doch überhaupt nur gespielt, oder? Sie müssen mir schon eine kleine Chance lassen, a fuckin tiny chance, ich meine, hallo, was soll die Scheiße, ich mach das doch nicht für mich, Sie werden doch jetzt noch die paar Sekunden warten können, bis dieses fuckin´ Flughafen-WiFi mitspielt und meinen Post hochlädt. Ich bin hier in einer ernsthaften Mission unterwegs! Schon klar, ohne Batmansuit und Flügel kaufen Sie mir das nicht ab, aber wollen Sie mir im Ernst erzählen, die hätten mich im Heldenkostüm durch die Sicherheitskontrolle gelassen? – Hier gucken Sie, jetzt hab ich Netz…. - Wie, meine Geschichte interessiert Sie nicht? Mich hat doch auch niemand gefragt, ob ich Oranges Geschichten hören wollte, und wir reden hier von einer wirklich schwer gestörten zwanghaften Lügnerin, I´ve had it, people! Da kann ich auch ganz gediegen und dezent fünfmal pissen gehen und die Pulle, von deren Existenz ihr nichts wisst und die ich nicht mit ins Flugzeug nehmen darf, dem Zustand zuzuführen, der sie zu keinem Problem mehr macht. Womit das einzige verbleibende Problem ich wäre. Außerdem find ich meine Bordkarte ja gleich, tu ich, wirklich, muss nur kurz rülpsen, sorry, aber irgendwie ist das doch ein angemessener Abgang, so Jimmi Dean-Style, mit hochgestelltem Kragen und ordentlicher Fahne, oder Brando, Brando ginge auch. Sagen Sie, Miss, glauben Sie, der fette Brando hätte das gewollt, dass sich einer so fühlen will wie er, oder glauben Sie, der wollte auch einfach nur nüchtern sein und geliebt werden? Doch, doch, ich will an Bord, und betrunken, nein, ach, gucken Sie, hab sie ja doch, meine Bordkarte….
So, wie sieht´s aus, auch ne Bordkarte? Sobald wir drin sitzen, gibt´s für mich ne Bloody Mary und für Euch alle Staffeln im Director´s Cut.
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creative0bservation · 3 years
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Sinnliche Methoden
Eine Reflektion und Fazit
Das Seminar „Methoden der imaginativen/sensuellen Ethnographie“ bot den Seminarteilnehmer*innen die Möglichkeit ihren kreativen, sensuellen und ethnographischen Horizont zu erweitern und neue Erkenntnisse über das Fach zu erlangen. Mein persönliches Ziel während des Semesters war es ein vielseitiges Wissen über die verschiedenen Arten von sensuellen Methoden zu erlernen. Meine Motivation wurde durch mein Interesse an den verschiedenen kreativen und sensuellen wöchentlichen Methodenansätzen geweckt, bei welchen nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis ins Spiel kam.
Durch meine persönliche Leidenschaft für die Kunst, insbesondere dem Zeichnen, wählte ich intuitiv das Forschungsthema „Sehen und Abbilden (1) – Zeichnen“, um diesem Themenpunkt in der Ethnographie auf den Grund zu gehen. Die Frage, die ich mir bei meiner Forschung stellte, war inwiefern das Zeichnen eine Bereicherung für die Feldforschung darstellen kann und ob es Hürden gibt, die den Vorteilen im Weg stehen würden. Der Begriff des „Da-Seins“ ist einer, den ich als wichtig erachte, da dieser meiner Meinung nach Hand in Hand geht mit der kreativen Beobachtung. Besonders das Zeichnen und auch Malen verschafft die anwesende Person in einen berauschenden Geisteszustand des Hier und Jetzt, bei welchem die Umgebung und die mit eingehenden Gefühle intensiver wahrgenommen werden, indem man diese schließlich auf Papier bringt. Das Zeichnen und Skizzieren bietet zudem eine Form des visuellen Denkens. Anstatt Gedanken und Eindrücke in Textform niederzuschreiben, werden Gedanken, Ideen und Eindrücke visuell festgehalten. Der Sinn des Sehens wird dabei stark in Anspruch genommen und die Konzentration auf die Umgebung erhöht. Neben diesen Erkenntnissen können sich Forscher*innen allerdings Hürden in den Weg stellen. Die Methode des Zeichnens kann heutzutage als altmodisch aufgefasst werden. Warum etwas zeichnen, wenn man in unserem Zeitalter mit Leichtigkeit eine Kamera verwenden kann? Dazu fiel mir persönlich ein, dass die Illustration die Besonderheit hat bestimmte Botschaften zu vermitteln oder den eigenen identifizierbaren Stil eines Künstlers mit ins Werk aufzunehmen. Zudem hat das Zeichnen den besonderen Vorteil die Comicerzählung zu verwenden. Mit der Comicerzählung beschäftigte ich mich bei meiner Recherche ebenfalls. Marcello Francioni kombinierte in seinem Projekt „What took you so long?“ seine Leidenschaft für Comics und Anthropologie in einer 14-monatigen Feldforschung in einer Queer-Bar in Japan. Nicht nur Francioni verwendete sein Talent für das Zeichnen in seiner eigenen Feldforschung. Viele weitere Anthropologen*innen, wie auch Asu Schroer versuchte sich an dieser kreativen Feldforschungsmethode. Anders als Francioni allerdings, arbeitete Schroer mit Anthropologin Alina Azvedo zusammen, die während ihrer gemeinsamen Feldforschung für das Zeichnen zuständig war. Sie arbeiteten gemeinsam an einer Möglichkeit Text und Zeichnung miteinander zu verbinden. Dies führt mich somit auch zu meinem nächsten Punkt: die Illustration in Verbindung mit dem Text. Während meiner Untersuchung des Themas stieß ich häufig auf die Verwendung von Zeichnungen sowie auch Textformen. In meinen Augen bietet dieser Ansatz Vorteile, die bei der alleinigen Verwendung von Zeichnungen wegfallen würden. Es wird die Besonderheit geschaffen, dass die Zeichnungen zur Veranschaulichung von Szenarien dienen können, während Texte die Erzählung oder Erklärung des Gezeigten übernimmt. Auch Anthropologe Manuel João Ramos bediente sich der comicartigen Veranschaulichung seiner Forschung. Dieser Weg ermöglicht vielen Anthropologen*innen sich aus der „Tyrannei des erstickenden akademischen Formats“ (Ramos 2015:141) wie Ramos es beschrieb, „rauszuzeichnen“. Darauffolgend ergibt sich allerdings eine weitere Hürde, nämlich, dass nicht alle Ethnologen*innen die Fähigkeit zum Zeichnen haben. Innerhalb des Faches herrscht ein Mangel an der Ausbildung für die zeichnerische Arbeit. Dies ist eine Schwierigkeit, die viele Ethnologen*innen davon abhält die Illustration mit in ihre Forschung einzubeziehen. Nichtsdestotrotz lässt der Nischenmarkt erhoffen, dass mit der Zeit eine erhöhte Offenheit und Bereitschaft für diese kreative Feldforschungsmethode entsteht. Das Besondere, was meiner Meinung nach das Zeichnen innerhalb der Ethnographie so ansprechend macht, ist, dass Zeichnungen uns die Welt während der Feldforschung aus der Perspektive der Forscher*innen zeigen.
Insgesamt hat mir die wöchentliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen sensuellen Forschungsmethoden sehr geholfen, um mein Wissen über die Ethnographie und dessen Methoden zu erweitern. Mein anfängliches Ziel, welches aus dem einfachen Inhalt bestand meinen akademischen Horizont zu erweitern, was allerdings auf mein Interesse und meine Offenheit für die Seminarthemen zurückzuführen war,  wurde somit erfüllt.  Der von den Seminarteilnehmer*innen geführte Lernblog bot eine individuelle Auseinandersetzung mit den verschiedenen Methoden und stellte für mich persönlich sicher, dass ich mich auf neue Themen einließ, die mir bislang fremd geblieben waren. Meine weiteren Entwicklungsziele für die Semesterferien und das kommende Semester sollen idealerweise die erlangte Sensibilisierung der Sinne beinhalten. Die Wertschätzung mit all meinen fünf Sinnen die Welt und meine Umgebung wahrzunehmen und zu studieren, ist eine Erkenntnis, die ich im Laufe des Semesters für mich entdeckt habe. Dementsprechend hoffe ich, dass im kommenden Semester weitere spannende Erkenntnisse und Lehrinhalte auf mich warten
Quellenangabe
Ramos, Manuel João                                                                                                                                                              2015. Stop the Academic World, I Wanna Get Off in the Quai de Branly. Of sketchbooks, museums and anthropology. Cadernos de Arte e Antropologia 4(2):141-178. http://cadernosaa.revues.org/989
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digitalitaet · 3 years
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Bist du dir sicher, dass du einen Onlineshop brauchst? "Was für eine dumme Frage in Zeiten der Pandemie...", denkst du vielleicht gerade. Eine Alternative zur realen Welt muss ja her: die Geschäfte sind geschlossen und die Kunden erreichen einen nur noch Online.Um es kurz zu machen: Du brauchst eine Internetseite, die verkauft, aber das muss nicht unbedingt ein Onlineshop sein.
Nein, du brauchst keinen Online-Shop
Was du brauchst sind Internetseiten, die verkaufen. Das sind sogenannte Salespages - auf deutsch: Verkaufsseiten. Sie gehören zu den Onepagern. Das sind wiederum Internetseiten, die oben keine Navigation oder Menüleiste haben und auch keine Seitenleiste haben. Lediglich im Footer (Fußzeilenbereich) finden sich Links zum rechtlich notwendigen Impressum und zur Datenschutzerklärung. Salespages gehören zu der Rubrik der Landingpages, die ich in dem Beitrag Was ist eine Landingpage näher erläutert habe.
MUSTER VORLAGEN Rechts exemplarisch eine Grafik für eine Landingpage, zu der auch eine Salespage gehört. Salespages Vorlagen bekommst du in meinem Digitalen TransformationsKurs. 📷
Ansonsten wird auf einer Verkaufsseite ganz fokussiert ein Produkt vorgestellt. So wie man es auch in einem Online Shop macht, dort hat ja auch jedes Produkt eine eigne Seite. Jedoch verfolgt man auf einer Verkaufseite im Gegensatz zu einem Onlineshop eine Strategie und leitet den Besucher - und natürlich ist eine Salespage viel länger als die Produktbeschreibungsseite im Onlineshop.
Die Probleme auf einer Verkaufsseite
Der Besucher der Verkaufsseite wird von oben bis unten geleitet. Gestartet wird mit einer knackig kurzen Produktbeschreibung. Das sind keine Zahlen, Daten und Fakten des Produktes. Das interessiert den Leser nämlich eher nicht. Was der Besucher sucht, ist eine Lösung zu seinem Problem.
Knackig kurz bedeutet, dass du mit einer Überschrift bestenfalls genau die Emotion deines Besuchers einfängst. Daher ist es auch nicht unwichtig, zu wissen, wie dein potentieller Kunde überhaupt auf die Verkaufsseite gelangt. Landet er dort über eine Werbanzeige oder über die Google Suche oder durch einen Link innerhalb deiner eMail-Kampagnen oder über einen Beitrag, den du in Social Media veröffentlicht hast. Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Ziel ist immer, dass der potentielle Kunde sich sofort abgeholt und verstanden fühlt, wenn er auf deiner Verkaufsseite landet.Also sofort eine emotionale Verbundenheit entsteht à la "Ah, hier bin ich richtig!" oder "Ja, genau das ist mein Problem". Passende Grafiken und Bilder unterstützen diese emotionale Ebene und gehören selbstverständlich auf eine Salespage.Entsprechend folgen dann die Inhalte des Produktes, die auf den Nutzen verweisen. Ich gebe dir gerne ein Praxisbeispiel:
Wenn du einen Onlinekurs kaufen möchtest, dann interessiert es dich nicht, wieviele Videos der Onlinekurs beinhaltet, wie viele Stunden Videomaterial inbegriffen ist, mit welcher Kamera der Kurs aufgenommen wurde oder welches Mikrofon eingesetzt wurde. Das einzige, was dich interessiert ist, was du durch das Absolvieren des Kurses für ein Ziel erreichst.
Achte einmal darauf und du wirst bemerken, dass man im Internet sehr oft auf Produktseiten landet, aber seltener auf Verkaufsseiten. Produktseiten sind die, auf denen emotionslos Fakten eines Produktes aufgeführt werden. Und da die Emotionen der Auslöser zum Kauf eines Produktes liefern, verkaufen diese Produktseiten logischer Weise nicht. Sie langweilen.
Du brauchst ein Problem, das du für deinen Kunden löst
Ob es sich bei dem Produkt um ein digitales oder physisches Produkt handelt oder um eine Dienstleistung ist dabei völlig egal. Jede Art von Produkt kann emotional verkauft werden.Du bemerkst sicherlich schon, dass Salespages Bestandteil einer Strategie im Online Verkauf sind. Es sind Abläufe vorgeschaltet und Abläufe nachgeschaltet. In meinem Digitalen TransformationsKurs gehe ich anHand meiner Fünf-Grundlagen-Strategie die erforderlichen Schritte genau durch. Aktuell ist der Digitale TransformationsKurs gerade geöffnet und ich freue mich, wenn du dabei bist und dir die besonderen Bonis des Premieren Launches sicherst. Unter anderem ist dies eine 12-wöchige Begleitung der Kursteilnehmer über Gruppen Coaching via Zoom Meetings. Übrigens hast du, wenn du die Seite meines Digitalen TransformationsKurs besuchst, auch gleich ein Praxisbeispiel einer Verkaufsseite. Schau sie dir gleich mal an: Praxisbeispiel
Kein Verkauf ohne Vertrauen
Ein wichtiger Bestandteil auf einer Verkaufsseite ist der Vertrauensaufbau. Das gelingt indem man Kunden sprechen lässt, Testimonials einbaut oder Referenzen. Ich empfehle hierbei auch sehr gerne, die Macht des Empfehlungsmarketings zu nutzen und Tools, wie das der Firma Proven Expert zu integrieren. Was das genau beinhaltet, darüber habe ich auch in einen Blogbeitrag geschrieben: Warum überhaupt Empfehlungsmarketing.Zuviel kannst du davon eigentlich nicht integrieren. Ich habe mal von einer Studie gehört, dass wir weit über 200 Empfehlungen auf einer Internetseite immer noch nicht als zu viel oder übertrieben bewerten. Also, hau raus! 😁Zum Vertrauenaufbau gehört natürlich auch, dass du dich vorstellst. Denn Menschen kaufen von Menschen. Stell dich auf einer Verkaufsseite kurz vor - mit Bild - auch wenn du eine "Über mich" Seite hast. Denn du erinnerst dich: Eine Verkaufsseite hat keine Navigation, entsprechend kannst du deine "Über mich" Seite nicht integrieren.
Bestandteile einer Verkaufsseite
1 Nutzen formulieren Für Zahlen, Daten und Fakten interessieren sich potentielle Kunden eher weniger. Schreib lieber etwas über den Nutzen deines Produktes 2 Vertrauen aufbauen Potentielle Kunden kaufen, wenn sie dir vertrauen. Lass deine Bestandskunden sprechen, stell dich vor und füge Vertrauenssymbole hinzu, z.B. durch Referenzen 3 Action please Sag deinen potentiellen Kunden, was sie tun sollen. Integriere einen Kaufen Button. Und das gleich an mehreren Stellen. 4 Fragen beantworten Lass keine Fragen entstehen, indem du bereits auf deiner Verkaufsseite Antworten gibst und Einwände behandelst 5 Emotionen auslösen Sprich Probleme an oder Wünsche deines Wunschkunden an. Setze Bilder, Grafiken und Farben gezielt ein.
Internetseiten, die konvertieren
Wenn die Salespages, die Verkaufsseiten, innerhalb einer Strategie eingesetzt werden, dann verfolgt man mit dem Verwenden von Verkaufsseiten logischer Weise ein Ziel. Denn das Wort Strategie kommt ursrpünglich aus der Kriegsführung (griech. strategos = Heerführer) und steht heute für ein planvolle Vorgehensweise zur Erreichung eines Zieles.Wenn du mir schon etwas länger in der Online Welt folgst, weißt du wie gerne ich Begriffe auseinandernehme und nach dem eigentlichen oder ursprünglichen Sinn recherchiere. Ich bin immer wieder begeistert, wie verständlich dann vieles wird.Genauso wie hier in diesem Beispiel. Ziel der Verkaufsseite ist selbstverständlich, dass der Besucher Kunde wird. Anders formuliert, redet man im Online Marketing vom Konvertieren. Eine Verkaufsseite ist gut, wenn sie konvertiert: wenn eine Umwandlung stattfindet. Daher darf auf keiner Salepage die Handlungsempfehlung fehlen. Was meine ich damit?Kleine Wortanalyse... 😉: Dem Besucher eine Empfehlung zu geben, wie er handeln soll. Aus dem Englischen kommend, verwendet man im Online Marketing hier meist den Begriff "call to action". Gemeint sind damit Buttons auf denen man den Besucher anleitet, etwas zu tun. Ein Praxisbeispiel folgt auch hier.
Der Transformationskurs interessiert mich
Man integriert solche Buttons gleich mehrfach auf der Seite und nutzt eine Farbe, die sich vom Rest der Seite abhebt. Das muss nicht unbedingt eine knallige auffallende Farbe sein. Du kannst hierzu den Blinzeltest machen: Schließe kurz die Augen, öffne sie blinzelnd und scroll die Seite hoch und runter. Die call to action-Button auf deiner Verkaufsseite sollten dir dabei auffallen.Weißt du wie dir das auch gelingt, dass die Seite konvertiert? Durch Pschychologie!Bei einer Verkaufsseite setzt man meistens noch eine Verknappung ein. Entweder ist das Produkt nur begrenzt in der Anzahl vorhanden - eine Limitierung - oder man schränkt den Verkauf zeitlich ein - Saisonaler Verkauf.Im Moment fällt mir da gerade ein Produkt von Ferrero ein: Mon Chérie, eine mit Brantwein gefüllte Praline, die in den Sommermonaten nicht verkauft wird.Selbstverständlich kann man auch beides verbinden. Auf meiner Verkaufseite des Digitalen Transformationskurses setze ich dafür einen Countdown ein: die Tage werden runtergerechnet und es wird angezeigt wie lange man noch buchen kann.Ich sehe es als Hilfestellung für den Besucher sich endlich zu entscheiden. Insbesondere bei der Transformation des eigenen Business finde ich das einen sehr passenden pschychologischen Trigger, denn der erste Schritt ist das Machen und in die Umsetzung kommen. Es hilft nichts, Wissen zu horten, hunderte von Webinaren zu besuchen oder hunderte von Blogbeiträge zu lesen. Man muss tun.
"Wir machen, anstatt endlos drüber zu reden"  - Dieter Mateschitz (redbull)
Ohne responsive Webdesign geht es nicht mehr
Responsives Design zu verwenden, das ist keine Frage mehr. Jede Internetseite muss spätestens seit März 2021 mobiloptimiert sein. Ja, ich muss hier das Verb "muss" verwenden, da nicht mobil optimierte Internetseiten von Google nicht mehr indexiert werden und das bedeutet bei der Marktmacht, die Google hat, dass die Internetseite quasi nicht existiert.Solltest du dir die Mühe machen und dir eine Salespage zusammenstellen und dann auch noch auf das responsive Design achten? Nein, die Mühe brauchst du dir nicht zu machen. Zum einen gibt es viele Anbieter, wo du Vorlagen erwerben kannst. Ich liebe zum Beispiel das ganze Angebot der Firme Thrive Themes. Die Vorlagen kannst du dann als Vorlage nutzen, wie das Wort schon sagt, und an dein Markenbranding anpassen und Text und Bilder anpassen.Du kannst dir aber auch  Vorlagen als Bonis durch meinem Digitalen TransformationsKurs sichern. In meinem Wow-Angebot sind sie enthalten. Der Vorteil ist, dass in den Platzhaltern bereits darauf hingewiesen wird, das wo eingesetzt werden soll.
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fabiansteinhauer · 5 months
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Vor der Pathosformel
1.
Bevor Aby Warburg 1905 einen Text über Dürer und die Antike veröffentlicht (dessen Wirksamkeit sich noch heute in der Frankfurter Ausstellung über Holbein deutlich zeigt) und dort den Begriff der Pathosformel verwendet, nennt er die Formen, an denen er arbeitet, weil durch diese Fomen (auch dank ihrer) eine Regung geht, die er als unbeständig, meteorologisch und polar begreift, nicht Formel und auch nicht Pathosformel.
Aber zugespitzt: an solchen Formen arbeitet er dauernd, sie sind das Ding schlechthin seiner Wissenschaft. Von mir aus kann man sagen, darum sei er kein Kunsthistoriker sondern Bildwissenschaftler. Man kann darum aber auch sagen, dass er Polarforscher und Rechtswissenschaftler ist.
2.
In seiner 1893 veröffentlichten Dissertation über Botticelli kommen solche Formen vor, in Form von Figuren, durch die unbedingt Regung geht und bedingt möglich, also bedingt annehmbar und bedingt abwehrbar wird. Windige Figuren, schwebend situiert (und damit in weniger als einer Lage) , nicht vergangen, aber vergehend und vorübergehend.
Solchen regenden und geregten Formen widmet Warburg ein Motto, das man sowohl melancholisch als auch phobisch, als lust- und verlustbesorgt lesen kann (auch weil Melancholie und Phobie zwei Grade oder Schichten einer Wahrnehmung sein können): Du lebst und thust mir nichts. Das Motto ist das einer Wahrnehmung und die Wahrnehmung wird hier Motto, um die Wahrnehmung zur Übung oder Ausübung zu machen. So soll es sein:dass du lebst und mir nichts thust, das sage ich auch mir, normativ und dogmatisch. Wie Bruno Lima sagt: Das ist der Satz einer Meditation. Man kann das ergänzen. Das ist der Satz einer stoischen Übung.
1896 sind es Botticellis Venus und Frühling, man kann sagen: u.a. also gewisse Aufregungen und Kalendergeschichten. 1896 ist (wir überspringen jetzt den Tanz der Hopi) die mancipatio: die Formel und der Akt, die Form einer doppelten Regung des römischen Rechts schlechthin, die mit jenen Kulturtechniken zu tun hat, die Warburg immer als Distanzschaffen begreifen möchte und auch 1929 noch auf den Staatstafeln anylsiert, nämlich Tragen und Trachten.
Die mancipatio trägt und trachtet, lässt tragen und trachten, in dem Fall vor allem übertragen und betrachten, und zwar etwas, was man im Deutschen unter anderem Herrschaftsgewalt oder Eigentum oder Besitz nennt. Die mancipatio lässt Regung doppelt durchgehen: sie übersetzt die Übertragung der Herrschaftsgewalt oder des 'Eigentums', einer der Säulen des römischen Rechts, in eine nur vorsichtig bewegte und simpel ausgestaltetes, einfach merkbare und einfach ausübbare Bewegung. Der Erwerber soll nur mit der einen Hand (und ihren fünf Fingern) den Menschen anfassen, über den er Herrschaftsgewalt erwirbt. Dann soll er eine feststehende Spruchformel aufsagen. Mit der anderen Hand soll er ein Kupferstück fassen und damit gegen eine Waage (das ist ein Polobjekt, mit dem man wiegen, wägen, wogen und wagen kann) schlagen. Das wird etwas Vernehmbares erzeugen, etwas zwischen Klang und Krach. Die Waage soll von einem mündigen römischen Bürger gehalten werden, und Zeugen in der Anzahl der Finger einer Hand, sollen formieren, was man ein kleines Publikum, eine kleine Zuschauerschaft, eine kleine Öffentlichkeit oder einen kleinen theoretischen Haufen nennen kann: Ein Schaugrüppchen. Die betrachten alles. Der ganze Radius der auszuführenden Bewegung ist minimal, keine großen oder gar kräftigen Schwünge, nur eine handvoll Leute sollen zuschauen. Die mancipatio, begreift man das Tragen und Trachten als Zug mit Linien, bildet einen kleinen Zirkel und kleine Zirkulation. Übertragung und Betrachtung, das formalisiert die mancipatio in zurückhaltender, wenn man so will züchtiger und bescheidener Art. Das ginge auch ganz anders, ein Van Gogh zum Beispiel kann heutzutage in London auch viel lauter, wilder und exzessiver erworben werden, gleiches gilt für ein Rind auf dem Rindermarkt in Buíque (Pernambuco). Die mancipatio macht die Regung gleichermaßen subtil wie sublimiert, das könnte mehr als eine Nebenwirkung von Pathosformeln sein.
3.
Die mancipatio übersetzt eine Regung, die man, weil sie an einer Säule des römischen Rechts ansetzt, dem Herrschaftsverhältnis, in Kleinheit, Leichtheit, Lockerheit. Obschon die mancipatio nun wirklich keine dramatischen Gesten verlangt, nennt Gaius sie noch (und wirbelt damit ein bisschen die Begriffe auf) venditio, nicht emptio und nicht nur mancipatio.
Sie ist nicht der Verkauf, man erkärt ihren Kontext als Kauf (und damit auch Verkauf). Obschon die mancipatio von ihrer Regung her so etwas wie ein minimal-invasiver Eingriff in die Stabilitäten und das Tragende des römischen Rechts ist, ist sie für das Sensibelchen Gaius schon so intensiv, dass er sie venditio nennt, der Fachmann wirbelt was durcheinander - und nennt die auch venditio, einen Wirbel, denn wir glauben (das ist ein Häufchen von Rechts- und Bildwissenschaftlern) dass venditio in dem Fall mit Wirbel übersetzt werden soll. Wäre das Wort Messe nicht schon so zweifach besetzt als großes Geschäftstamtam einerseits und religiöser Opfertammtamm anderseits, könnte man venditio hier auch mit Messe übersetzen, denn man kann sich auch wirbelnd messen, wirbelnd Maß nehmen und Maß halten. Aber so übersetzen wir venditio mit Wirbel. Schon Luft ist nicht wenig, hier wird mehr als Luft ausgetauscht und umgewirbelt, dennoch denken wir, das Gaius eventuell sich hat mitreißen lassen, leicht übetrieben an der mancipatio plötzlich einen Wortaustausch vornimmt und sie nicht mehr mancipatio, sondern venditio nennt. Na gut, wir ahnen, was er meint: Sie tauscht und ist tauschend, Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen. Sie hat einen Haufen Geschichte.
4.
Nicht nur der Spruch ist eine Formel. Die manciptatio durchgehend eine Formel und die formatiert oder formuliert auch schon Pathos. Nur die wirklich wichtigen Dinge sollen mit diesem Akt übertragbar und betrachtbar werden: Sklaven und Frauen sagt Sensibelchen Gaius. Die mancipatio entwickelt einen tragbaren und einen übertragbaren Sinn. Immer dann, wenn das, was wir Herrschaft oder Eigentum nennen können und damit noch vis und visio mitmeinen können, ins Tragen und Trachten gerät und als das erscheint, durch das Regung geht, dan steht die mancipatio zur Vorbildung bereit. Die mancipatio formatiert oder formuliert Pathos, weil sie einen Höchstwert formatiert oder formuliert. Sie kanalisiert, schlaucht, zähmt und züchtet, von mir auch züchtigt sie die Regung, die durch Formen geht und die dabei Höchstwerte mobilisiert und Mobilität wiederum formalisiert und formatiert (also nicht nur Form wiederholt und wiederholend gibt, sondern diese Form auch skaliert, stratifiziert, gemessen und gemustert reproduziert).
Die römische Gesellschaft gerät darin nicht aus den Fugen, sie kommt, ist aus den Fugen, läuft ohnehin durch Fugen und soll das gefügt tun.
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leinwandfrei · 3 years
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Wonderlands - Ein Sachbuch zur fantastischen Literatur?
Im 21. Jahrhundert wird die fantastische Literatur viel gelesen, doch nur wenige kennen die Geburtsstätten der prägenden Themen von Science Fiction und Fantasy, die in der Regel schon weit vor dem 20. Jahrhundert entstanden und seit dem mehr oder weniger weiterentwickelt oder zitiert bis kopiert werden. Die Herausgeberin Laura Miller vereinigt in ihrem Buch Wonderlands. Die fantastischen Welten von Lewis Carroll, J.K. Rowling, Stephen King, J. R. R. Tolkien, Haruki Murakami u.v.a. eine vielfältige Auswahl an Werken die zwischen 1750 v. Chr. und 2015 erschienen sind. Darunter sind neben Mainstreamvertretern auch einige weniger bekannte Werke. Gerade im letzten Kapitel Das Computerzeitalter werden die Vertreter fern des politischen Westens stärker in den Fokus gerückt, was den Entwicklungen und der zunehmenden internationalen Verbreitung der afrikanischen, indischen und asiatischen Science-Fiction- und Fantasy-Literatur entspricht. Sie bringen neue Elemente in ein, von in einer langen westlichen Tradition ausgebildeten Klischees beherrschtes, Genre ein. Die Herausgeberin (Journalistin – Kritikerin- Autorin) hat sich für Quantität entschieden, daher ähneln die Mehrzahl der Texte zu den Büchern Lexikonartikeln mit grundlegenden Angaben zu Inhalt, Themengebiet, Rezeption und Kontext. Gerade bei den in Europa und den USA weniger bekannten Vertretern des Genres aber sind schon diese einleitenden Informationen neu und daher sehr interessant. Hinzu kommen einige Grafiken und ein rundes, ansprechendes Layout des Bandes. Den Umschlag ziert eine atypische Karte, welche verschiedene „Wonderlands“ in einem Weltzusammenhang verortet, ihre Beziehung aufeinander visuell fokussiert.
Zwei Aspekte sind in Bezug auf das „Sachbuch(?)“ interessant. Zum einen die Auswahl der Titel, welche entgegen der im Titel geweckten Erwartung von Science-Fiction-Stoffen bestimmt ist und die Einordnung des Buches zwischen Sachbuch und Fanprojekt oder Leseliste für Fantasie-Begeisterte. In fünf zeitlichen Kategorien werden die 129 Titel unterteilt: Alte Mythen und Legenden (1700 v. – n- Chr.), Wissenschaft und Romantik (1726 – 1900), Das Goldene Zeitalter der Fantasy (1906-1945), Neue Weltordnung (1945 -1979) und zuletzt das Computerzeitalter (1980 – 2015). Der Gilgamesch-Epos eröffnet den Band, Salman Rushdies Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte (2015) bildet den Abschluss. Dazwischen stehen bekannte Kinderbuchklassiker (Alice im Wunderland, Der Zauberer von Oz, Peter Pan, Tintenherz), Sciencefiction-Romane (Die Zeitmaschine bis hin zu modernen Robotik-Geschichten und Cyberpunk), Horrorgeschichten (H. P. Lovecraft, Stephen King), Märchen, Dystopien-Utopien und die bekannten Fantasyromane des 20/21. Jahrhunderts (Die Chroniken von Narnia, Der Herr der Ringe, Die Tribute von Panem, Harry Potter), welche ohne all diese Veteranen nicht denkbar sind. Die Mehrzahl der Bücher steht aber zwischen diesen Kategorien, gerade Kinderbücher sind hier nicht zu unterschätzen. Die Romane, die nicht in diese Schubladen passen wollen und an der Schnittstelle zwischen Realität und Fantasie verortet sind, sind von besonderem Interesse. Zu diesen Texten gehören etwa Haruki Murakamis 1Q84, Nobelpreisträger Kazuo Ishiguros Alles was wir geben mussten und auch die Harry Potter-Reihe. Im Umgang mit diesen Werken fallen einige spannende Begriffe wie die „Contopie“ (S. 272), also eine unabhängig funktionierende Parallelwelt mit Haftung in der dem Leser bekannten zeitgenössischen Realität und der „spekulativen Fiktion“ (S. 276/291), Robert A. Heinleins Definition des Science-Fiction-Genres. Auch die Einführung des Cthulhu-Mythos mit: „Es gibt nur wenige Bücher, in denen die Menschheit als so unbedeutende und machtlos geschildert wird wie in den Horrorgeschichten über den Cthulhu-Mythos (…).“ (S. 144) eröffnete einen interessanten Blickwinkel auf die literarisch sicher nicht sehr wertvollen und aus heutiger Sicht oft weniger gruseligen als albern wirkenden Geschichten Lovecrafts. Seine Ideen aber haben das Genre sicher genauso stark beeinflusst  
Auch wenn Vertreter des in Wien zentrierten „fantastischen Realismus“, nicht zu verwechseln mit der Bewegung des „magischen Realismus“ eines Gabriel Garcia Marquez, ausgelassen sind ist hier ein umfassender Querschnitt durch Themen und Markt der fantastischen Literatur angeboten, mit einigen unbekannteren Vertretern und einem erstaunlich abwertenden Urteil zum Zauberer von Oz. Zudem sind hier nicht nur Autoren der Unterhaltungsliteratur anzutreffen, sondern auch philosophische Werke und Vertreter der Weltliteratur, welche fantastische Parallelwelten nutzen, um Kritik an vorherrschenden Realitäten zu üben. Von Shakespeare, dessen „Sturm“ als „leere Leinwand für eine freilaufende, von den Zwängen der Realität befreite Mischung aus Bildsprache und Fantasie“ (S. 67) vorgestellt wird, bis Salman Rushdie und Haruki Murakami reicht die Auswahl. Dabei wird unter anderem das Rätsel um das Q in Murakamis Bestseller 1Q84 gelöst. Der Rest seines Werks wird leider in vereinzelten Stichworten der fantastischen Einflussnahme in seine Geschichten reduziert, aber die Einträge und der begrenzte Rahmen ermöglichen nur ein einen kurzen, trotz der Breite der Beispiele eingeschränkten Einblick in ein unüberblickbares Literaturfeld. Dabei fällt leider E. T. A. Hoffmann unter den Teppich, während Neil Gaimans Sandmann Teil der präsentierten Werke ist, welcher von Hoffmanns Motivik sicher beeinflusst ist. Auch die Aufnahme von Lois Lowrys Hüter der Erinnerung und Suzanne Collins Die Tribute von Panem ist an dieser Stelle nicht ganz nachzuvollziehen, aber als Beispiele von Strömungen der Jugendliteratur der letzten Jahre sicher zumindest begründbar.    
„Wonderlands“ nimmt die schwere Aufgabe auf sich ein Überblickswerk zu einer heterogenen Gattung mit weit gefassten Grenzen ohne starke Widerstandskraft schaffen zu wollen. Dabei werden zwangsläufig Lücken bleiben und eine gewisse Oberflächlichkeit zu beanstanden sein. So different und individuell, wie die dargestellten Werke der fantastischen Fiktion sind, ist auch die anvisierte Leserschaft des Bandes. Fantasy-Lesern werden zu viele Science-Fiction-Romane vorkommen, den Lesern dieser Gattung viel zu wenige. Ähnlich verhält es sich mit Lesern von Horror-Geschichten. Aber das dürfte eine der wichtigsten Lehren des Buches sein: all diese Genres sind losgelöst voneinander nur bruchstückhaft greifbar. Ohne die alten Mythen wären moderne Fantasy- wie Science-Fiction-Bücher nicht möglich, die ab den 2010er Jahren vermehrt direkt verfilmten Dystopien für Jugendliche ohne Utopia (1516) von Thomas Morus undenkbar. Exklusives Denken entspricht der großen fantastischen Familie überhaupt nicht, ein inklusives Denken ist die Grundlage ihrer thematischen Vielfalt. Abgesehen davon findet der Leser hier eine Vielzahl an Leseempfehlungen, wenn auch einige der neueren Romane aus dem asiatischen Raum vorerst noch nicht in Deutsche übersetzt wurden. Aber der Boom der asiatischen Film- und Literatur-Welt spricht dafür, dass dies bald der Fall sein wird. Dann können sich Freunde der fantastischen Literatur auf neue Motive, Ideen und neue Wonderlands freuen.
Hinweis: Zu den englischen Romantikern, deren Werk einige Grundsteine der fantastischen Literatur bilden, haben sich die Produzenten der britischen Serie Lewis die Freiheit genommen eine ihrer Folgen zur Auseinandersetzung mit ihnen zu nutzen (Staffel 2, Folge 2: Der Kuss des Mondes). In der Folge zeigt sich die große wissenschaftliche Achtung gegenüber den Werken in Großbritannien, welche der häufigen direkt an das fantastische Element geknüpften Abwertung als Unterhaltungsliteratur in Deutschland widerspricht. Hier passiert langsam ein Wandel.  Ähnliches ist im Umgang mit der Rockmusik zu beobachten, auch dies wird in einer Lewis-Folge aufgegriffen (Staffel 3, Folge 4: Ein letzter Blues).  
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tiesandtea · 4 years
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SUEDE: Brett Anderson’s band and its two-headed monster
Interview with Brett, Mat and Simon by Michael Sailer. WOM-Journal (WOM = World of Music), June 1999. Cover source: SuedeHeadlines. 
Full original text in German under the cut.
Source: (part one) (part two) (part three)
DAS ZWEIKÖPFIGE MONSTER
Einst verkörperten sie den Begriff »Hype« und machten britische Popmusik wieder chartsfähig, dann wurden sie vorschnell abgeschrieben und erlebten ein triumphales Comeback. Mit ihrem vierten Album »Head Music« beweisen SUEDE, daß sie auch nach acht Jahren noch für Überraschungen und neue Entdeckungen gut sind.
Brett Anderson sieht besonders süß aus, wenn er verwirrt ist. Gerade habe ich ihn gefragt, was eigentlich mit seinen Haaren passiert ist, nun sitzt er da und ist verwirrt, während neben ihm Bassist Mat Osman hysterisch lachend über das Sofa kugelt.
"Das nennt man sich die Haare schneiden lassen", sagt Brett vorsichtig, nach einem sorgenvollen Blick auf Mats Zustand. "Was ist falsch daran? Bloß weil sie kurz sind?" Ich erkläre ihm, daß ich früher immer den Eindruck hatte, er verstecke sich hinter einem Vorhang von Haaren. "Wow", jetzt ist der Sänger aber erleichtert, "daran habe ich wohl nicht gedacht. Aber du kennst das Motto: Punk rocker's song and hair is short!"
Suede mit Punk zu assoziieren, fiele so schnell niemandem ein, der die Band ein bißchen kennt.
Brett Anderson, Mat Osman und Drummer Simon Gilbert, nach Bernard Butlers spektakulärem Ausstieg 1994 um den jugendlichen Gitarristen Richard Oakes und inzwischen auch noch um Simons Cousin Neil Codling an den Keyboards erweitert, stehen eigentlich eher für das Gegenteil: Stil, Eleganz, Romantik, Melancholie, sexuelle Zweideutigkeit und jede Menge Glamour. 1992 brachen sie mit dieser unzeitgemäßen Mischung über Großbritannien herein wie ein Wirbelsturm in Samt und Seide. "Best New Band in Britain!" trompetete der MELODY MAKER, noch ehe das erste Album erschienen war, und Q assistierte: "die außergewöhnlichste, intelligenteste und talentierteste Gitarrenband, die dieses Land seit zehn Jahren gesehen hat" - seit den Smiths, hieß das.
Der Hype war ohne große Zweifel berechtigt, in den Zeiten ehrlichen Rock-Handwerks in Holzfällerhemd und Bußgewand fiel er jedoch auf unfruchtbaren Boden.
"Ich glaube, anfangs hat man uns gerne falsch interpretiert", untertreibt Brett. "Das war oft frustrierend, wenn der Stil der Musik und der Stil der Band falsch verstanden wurde, als schwul oder so. Aber bevor wir jemanden überzeugt hatten, war es natürlich leicht, uns als diese oder jene Band abzutun und sich gar nicht erst darauf einzulassen. Aber jetzt sind wir beim vierten Album, und die Leute haben einigermaßen eine Vorstellung, was wir sind. Im Popgeschäft ist das nun mal so, du mußt dich selbst in einen Cartoon verwandeln, eine zweidimensionale Art von Existenz."
Daß es überhaupt so weit kommen konnte, hing mehr als einmal an einem seidenen Faden: Suedes Ende schien für viele gekommen, als Bernard Butler 1994 kurz nach Fertigstellung des zweiten Albums 'Dog Man Star' seine Zelte im Suede-Lager abbrach.
Sein Nachfolger, der damals gerade 17jährige Richard Oakes, rang manchen Journalisten anfangs nur ein müdes Lächeln ab - bis sie ihn spielen hörten. Denn Richard, das war auf dem dritten Album 'Coming Up' zu hören, hatte nicht nur alle Butler-Songs genauestens studiert, sondern begann auf dieser Basis umgehend mit einem eigenen Songausstoß, der den seines Vorgängers bald an Quantität und Qualität übertraf. 'Coming Up' wurde zum triumphalen Nr.-1-Comeback und warf fünf Hitsingles ab, deren B-Seiten auch noch den Löwenanteil der B-Seiten-Kollektion 'Sci-Fi Lullabies' bildeten.
'Head Music' ist ein weiterer Schritt vorwärts. Nicht wenige Fans harrten dem vierten Album mit Sorge, nachdem im Vorfeld das Gerücht laut geworden war, Suede hätten die Gitarren zu Hause gelassen und eine reine Elektronik-Platte produziert. Tatsächlich finden sich in den 13 Songs jede Menge von "diesen Dingern, du weißt schon ... nicht Loops, sondern ... hm, Samples, genau" (Simon Gilbert). Aber im Mittelpunkt stehen nach wie vor die Songs selbst, und die sind von gewohnter Qualität: mal pathetisch groß und melancholisch, mal funkensprühend elektrisch.
"'Head Music' ist das erste Album, von dem ich eine Art klangliche Gesamtvorstellung hatte," bringt Brett die Entwicklung auf den Punkt. "Die anderen Alben sind einfach so entstanden, wir schrieben die Songs und nahmen sie auf, ohne uns viele Gedanken darüber zu machen, wie das Ganze klingen sollte. Diesmal haben wir uns mehr für den Klang interessiert. Wenn man sieben Jahre lang Platten aufnimmt, muß man seine Arbeitsweise irgendwann einfach ein bißchen ändern."
SUEDE über Elefantenmenschen, Amerika und 24 Stunden Masturbation
Die Art, wie ihr Songs schreibt und aufnehmt, hat sich verändert. Simon: Ja, der neue Produzent hat eine ganze Menge für den Sound getan und neue Sachen hinzugefügt, zum Beispiel diese ... wie nennt man das, Sub...? Mat: Sub-Bässe. S: Genau, und Loops und so Sachen auf den Rhythmusspuren.
In euren Texten kommt auch diesmal wieder sehr oft das Wort »Teenage« vor. Sind Suede eine Teenage-Band, auch jetzt, wo... S (lacht): Wir wären gerne eine! Aber leider schlägt die Realität zu. M: Ja, aber wir benehmen uns immer noch wie Teenager. Schließlich haben wir dank unserem Job die Gelegenheit, Teenager zu sein, für den Rest unseres Lebens. Brett: Suede ist so eine Art zweiköpfiges Monster. Es gibt die schnellen, direkten Sachen, die dieses Teenage-Feeling haben, und dann gibt es die ältere, melancholische Seite. Ich glaube, mit dem Älterwerden werde ich anfangen, mehr lange, traurige Songs zu schreiben. Ich entwickle mich mit der Musik, weil sie ein Teil meines Lebens ist. Es ist nicht so, als könnte ich morgen auf Installateur umschulen. Ich mache das, weil ich es eben mache, und weil ich es glaube ich ganz gut mache, werde ich wohl auch mit 60 noch Songs schreiben und Musik machen.
Seit dem Anfang umgibt Suede eine spezielle Art von Atmosphäre... M: Oh, ja, tut mir leid ... (lacht) Daß mir das passieren konnte!
Hm, vielleicht fällt mir ein besseres Wort ein... S (lacht): Nein, nein, ist schon okay!
Ich meine eine spezielle Aura, eine Ausstrahlung, die jedes neue Mitglied sofort übernimmt. M: Es ist wahrscheinlich genau anders rum. Wir sagen den Leuten, die neu dazukommen, nicht, wie sie sich benehmen müssen. B: Wir sind eine bestimmte Art von Menschen und Musikern, deshalb ziehen wir Leute an, die so sind.
Brett, bist du neben einer Schnellstraße aufgewachsen, weil in deinen Texten soviel »diesel and gasoline« vorkommt? B: Ich bin in einer Satellitenstadt großgeworden, und da fährst du die ganze Zeit irgendwohin. Verbringst viel Zeit in Autos, starrst Lichtsignale an, so Zeug.
Wenn deine Kindheit verfilmt würde, was wäre der Titel? B: Brett, the early years.
Vielleicht frage ich besser Mat... B: Nein, ernsthaft! Ein Film über Mats Jugend... kennst du diesen Andy-Warhol-Film, wo du 24 Stunden lang nur das Empire State Building anstarrst und nichts passiert? Das wäre ein verdammter Spaziergang im Park gegen Mats Film über die frühen Jahre. Langweilig, echt langweilig! M: Ich haßte es, jung zu sein. S: Ganz bestimmt würde kein Mensch sieben Pfund bezahlen, um das im Kino zu sehen.
Es wäre wahrscheinlich teurer, wenn der Film 24 Stunden dauert. 24 Stunden, in denen Mat nur in seinem Zimmer sitzt... B: Man würde sehen, wie er 24 Stunden lang masturbiert. M: Zu so einer Art New-Romantic-Soundtrack. Es wäre entsetzlich.
War das die Musik, die du damals gehört hast? Spandau Ballet und so was? M: Nein, ich dachte nur an die Musik, die damals so lief, im Radio. B: Du warst doch ein Gruftie, oder? M: Ich hatte eine Auswahl von Stilrichtungen ... (Brett lacht hysterisch)
Brett, kannst du mir »The Elephant Man« erklären, ich hab den Text nicht ganz verstanden. B: Neil hat den Text geschrieben, der erste auf einem Suede-Album, der nicht von mir ist.
Er sieht aber bestimmt nicht aus wie ein Elefantenmensch. B: Nein, es hat mit einer Unsicherheit zu tun, die jeder hat. Neil ist ein seltsamer Typ, er ist oft unsicher wegen seinem Aussehen, obwohl er ein sehr hübscher Kerl ist. Das kennt jeder, daß man manchmal denkt: Oh Gott, ich sehe scheiße aus, ich fühle mich scheiße, ich bin scheiße.
Das ist noch mehr so, wenn du wirklich gut aussiehst, glaube ich. Leute, die aussehen wie 200 Jahre Hamburger-Mißbrauch, haben das Problem nicht so oft. B: Na ja, ich sehe nun nicht gerade aus wie 200 Jahre... M (lacht): Hamburger-Mißbrauch! Wie mißbraucht man eigentlich einen Hamburger? B: Ich denke, jeder macht Phasen durch, wo er sich fühlt wie ein Elefantenmensch, auch Naomi Campbell. Sie denkt wahrscheinlich, sie sieht aus wie die Elefantenfrau.
Oh, cool, das werde ich schreiben: Brett findet, Naomi Campbell sieht aus wie eine Elefantenkuh. B: Nein, das hab ich nicht gesagt! Das ist ein falsches Zitat!
Wovon handelt »Crack In The Union Jack«? B: Vom Stand der Dinge in Großbritannien. Es ist sehr negativ, kein Licht-am-Ende-des-Tunnels-Song. Es hat auch mit Nationalismus zu tun, diesem blöden Chauvinismus heutzutage, deshalb die Anspielung auf den Union Jack. Die Wahrheit, die sich hinter der chauvinistischen Fassade verbirgt, darum ging es mir, die sinnlosen Einbahnstraßenexistenzen hinter den nationalen Bildern und Slogans.
Gibt es auch diesmal wieder B-Seiten, die besser sind als die Songs auf dem Album? M: Hoffentlich nicht. Ich hoffe, wir haben das diesmal richtig hingekriegt.
Werden die bodenständigen Farmer in Amerika euch diesmal verstehen? M: Vielleicht. Es sind Sachen drauf, die ziemlich universell sind. Wenn nicht, müssen wir eben damit fertigwerden.
Ich frage mich schon lange, warum die Amerikaner die beste Popmusik meistens nicht verstehen. B: Weil sie die meisten Sachen 15 Jahre später sowieso imitieren ... S: ...Green Day statt den Sex Pistols, Marylin Manson statt Marc Bolan... M: Es hat wohl auch mit Faulheit zu tun. Um dort drüben Erfolg zu haben, mußt du eine bestimmte Art von Band sein, eine bestimmte Art ich weiß nicht was. Vor 20 Jahren wäre das vielleicht anders gewesen, aber heute ist es zu viel verdammte, harte Arbeit. Immer mal wieder fragt uns die amerikanische Plattenfirma: Wieso kommt ihr nicht für sechs Monate rüber, um hier zu spielen und zu leben? Ich will das einfach nicht tun. B: Wir könnten Kampagnen unternehmen, um die Platte durchzusetzen, aber das ist wie wenn du in eine Art Krieg ziehst. Wenn zufällig eine Single die richtige Ader trifft und einschlägt, dann könnte was passieren, aber wir werden nicht versuchen, das zu pushen. Das ist irgendwie sinnlos. Wir haben das schon mal probiert, und es war nichts.
Was ist übrigens mit deinen Haaren passiert? M (lacht hysterisch) B: Das nennt man sich die Haare schneiden lassen. M: Was zum Teufel ist bloß mit deiner Augenbraue passiert? B: Was ist falsch mit meinen Haaren? Bloß weil sie kurz sind?
Ich hatte immer den Eindruck, du würdest dich hinter deinen Haaren verstecken... B: Wow! Daran habe ich wohl nicht gedacht. Aber du kennst das Motto: Punk rocker's song and hair is short!
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umkaempftes-wohnen · 2 months
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Der Alltag, ein Kampf
Besprechung von Elke Rauth in dérive
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Rezension in dérive – Zeitschrift für Stadtforschung aus Wien
Die Prekarität des Alltags ist auch im reichen Deutschland mit seinen stolzen Budgetüberschüssen für viele Menschen längst gelebte Realität: Der Wohnraum ist kaum mehr finanzierbar und die Lohnarbeit so schlecht bezahlt, dass ein Job nicht mehr reicht, um über die Runden zu kommen. Für alle jene, die bereits am Arbeitsmarkt aussortiert wurden, warten die Demütigungen des Jobcenters oder des Sozialamts in Zeiten von Hartz IV. Angesichts dieser sozialen Verwerfungen besteht seit Jahren Verwunderung, warum es in Zeiten kontinuierlich ansteigender sozialer Ungleichheit und demokratiebedrohender Reichtumsverteilung emanzipatorischer linker Politik nicht gelingt, an politischer Relevanz zu gewinnen, sondern ganz im Gegenteil, die extreme Rechte mit ihrem autoritären Führerpopulismus weltweit punktet. Die Gesellschaft schafft sich ab, indem sie selbst nicht mehr an die Idee von Gesellschaft glaubt. Begriffe wie Solidarität verkommen zur hohlen Phrase einer radikalen Linken, die irgendwo zwischen autonomem Schrebergarten und angestaubten Slogans mäandert. »Was tun?« bleibt die Frage aller Fragen.        Hier setzt der Sammelband Umkämpftes Wohnen. Neue Solidarität in den Städten der Herausgeber Peter Nowak und Matthias Coers an. In Interviews und Selbstreflexionen, entstanden in den Jahren 2015 bis 2019, porträtieren sie Suchbewegungen radikaler und autonomer linker Organisierungen im Stadtteil und wollen damit einen Beitrag zur Organisierungsdebatte innerhalb der Linken leisten. Entlang der Forderung »Solidarität muss praktisch werden« versuchen die im Buch versammelten AkteurInnen aus Deutschland, Polen, Griechenland und Spanien, Kämpfe um Wohnraum mit anderen Feldern des prekären Alltags zu verknüpfen. Schließlich steckt, wer seine Miete nicht mehr bezahlen kann, meist auch in prekären Arbeits- und Lebenssituationen mit Löhnen oder staatlichen Transferleistungen, die weit davon entfernt sind, die Lebenskosten zu decken. Der Stadtteil bildet den lokalen Anknüpfungspunkt an den Alltag, schafft Schnittmengen gemeinsamer Erfahrungswelten und ermöglicht den langfristigen Aufbau von Beziehungen und die Schaffung solidarischer Netzwerke.        Das schließt an die Praxis des in den USA weit verbreiteten Transformative Community Organizing ebenso an wie an die Erfahrungen des sich weltweit ausbreitenden Neuen Munizipalismus, der Wege aufzeigt, wie institutionelle politische Macht in den Städten erobert und für emanzipatorische Ziele genutzt werden kann. Interessante Einblicke zum Aufbau der notwendigen Strukturen geben zwei Interviews aus Spanien: Carlos Macias, Sprecher der PAH Katalonien, nennt die Strategie der »kollektiven Beratung« das »Herz der PAH«. Unter dem Eindruck von 600.000 Zwangsräumungen als Folge der Wirtschaftskrise bei gleichzeitig 3,5 Millionen leerstehenden Wohnungen, organisierte die Plataforma de Afectados por la Hipoteca (Plattform der von Hypotheken Betroffenen) mittels kollektiver Hilfe-zur-Selbsthilfe-Treffen solidarischen Widerstand gegen Zwangsräumungen und direkte Aktionen in Bankfilialen, bei Politik und Verwaltung. Parallel entwickelte die PAH in verschiedenen selbstorganisierten Arbeitsgruppen politische Forderungen und Gesetzesvorlagen, Strategien für Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen. Insgesamt geht es bei der PAH »sowohl um individuelle Lösungen für Betroffene als auch kollektive politische Lösungen«. Wie die Arbeit der PAH und anderer zivilgesellschaftlicher AkteurInnen innerhalb der Institutionen weitergetragen werden kann, erläutert Josep Maria Manta- ner. Der Senator für Wohnen in Barcelona, also jener Stadt, in der Ada Colau in ihrer bereits zweiten Amtsperiode als Bürgermeisterin der linken Wahl-Plattform Barcelona en Comú neue emanzipatorische Wege des Regierens beschreitet, bezeichnet das Ziel der linken Plattform »einen Umverteilungs-Urbanismus zu schaffen, der die Stadt ausbalanciert«.        An diesen zwei Positionen wird auch eine kleine Schwäche der Publikation deutlich. Der Zeitraum der Gespräche erstreckt sich über fünf Jahre und eine Aktualisierung durch Anmerkungen der Herausgeber wäre gerade bei den älteren Texten wünschenswert gewesen. Auch eine den Interviews und Selbstbeschreibungen beigefügte Infobox würde dabei helfen, das geteilte Wissen besser einordnen zu können. So bleibt nur eine URL am Ende jedes Textes, um Näheres zu den Personen oder Initiativen zu erfahren.        Eine Stärke der Publikation sind jedoch die mit großer Offenheit geführten Interviews und Selbstbeschreibungen, die Erfahrungen teilen, Fragen aufwerfen, Probleme in der politischen Arbeit klar benennen und nichts zu beschönigen versuchen, etwa wenn die Berliner Stadtteilinitiative Hände weg vom Wedding bisherige linke Organisierungsbestrebungen analysiert: »Inhalte und Diskussionsformen unserer Organisationsform, wie beispielsweise akademisierte Sprache, ausufernde Plenarsitzungen und eine Überbetonung der eigenen, individuellen Meinung stellen weitere Hemmnisse dar. Die Anschlussfähigkeit für Menschen, die nicht Anfang bis Ende 20 und ungebunden sind, im besten Fall aufgrund eines Studiums Zeit haben, sind schlichtweg nicht gegeben.« Gleichzeitig offenbaren die verschiedenen Ansätze den weit vernetzten Erfahrungs- und Wissensaustausch. So haben sich etwa Hände weg vom Wedding beim Aufbau ihres Kiezhauses Agnes Reinhold explizit vom kurdischen Rojava und seinen Strategien inspirieren lassen. Zahlreiche der porträtierten Stadtteil-Initiativen aus Deutschland, Polen, Griechenland, Spanien oder den USA berichten über ihren kontinuierlichen Erfahrungsaustausch im Aufbau von solidarischen Netzwerken, untereinander und international. Insgesamt zeigt die Gesamtschau der versammelten Momentaufnahmen, dass sich die Wohnungsfrage längst mit anderen Themen verknüpft. Der Fokus der Organisierungen wandert dabei von temporären Großevents in Richtung Aufbau von langfristigen solidarischen Strukturen mit gesellschaftlicher Breite. Gut so, wir werden sie brauchen.
dérive N° 79 (Apr - Juni / 2020)
https://derive.at/texte/der-alltag-ein-kampf/
Zum Foto: Seestadt Aspern – Masterplan und Beteiligung, Gemeindebau und Privatwirtschaft, am Stadtrand der österreichischen Hauptstadt entsteht ein neuer Wohn- und Arbeitsort für 40.000 Menschen. Trotz aller Widersprüche – leistbares Wohnen, großstädtisch und nachbarschaftlich und nachhaltig sind erklärte Ziele. Mach einer anonymen, abgehängten Banlieue sieht es auf jeden Fall nicht aus. Die Aufnahme entstand im Januar 2020, am Abend zuvor wurde im Wiener Filmcasino DAS GEGENTEIL VON GRAU gezeigt und diskutiert. https://zweischritte.berlin/post/190296675948/housing-crisis
Zur aktuellen Stadtentwicklung in Wien, siehe auch den Beitrag von Christian Pichler im MieterEcho Nr. 408/März 2020, S. 10/11 PDF
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guteideen · 4 years
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Buchtipp – Das anständige Unternehmen
Management ist Handwerk – Führung ist Haltung
Der Text richtet sich an Unternehmer*innen und Führungskräfte und an Menschen, die kritisch durchs Leben gehen und bestehende Umstände nicht einfach hinnehmen, sondern die Dinge immer wieder hinterfragen und im besten Fall zum Wohle der Menschen verändern möchten.
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Mir ist vor einigen Monaten das Buch mit dem etwas irritierenden Titel „Das anständige Unternehmen“ in die Hände gefallen, das mich tatsächlich von der ersten Seite an begeistert hat. Habe ich begeistert geschrieben? Ich war begeistert aber ebenso verblüfft wie irritiert, dass es doch tatsächlich da draußen einen sehr klugen Menschen gibt, der einige meiner Gedanken einfach aufgeschrieben hat. Und das in einer derartigen Brillanz und Komplexität. Manchmal waren es bei mir noch keine Gedanken, sondern eher Gefühle, in Form von leichten Bauchschmerzen, Kribbeln oder Unwohlsein, die immer mal wieder auftauchten. In Situationen, die oft von Schnelligkeit geprägt waren. Bewusst innehalten hätte ein Fass aufgemacht. Der Autor Reinhard Sprenger macht dieses Fass auf und schafft es souverän, eine Bestandsaufnahme von Kultur und Führung in Unternehmen zu präsentieren und provoziert mit seiner Sicht auf Überfürsorge und Zudringlichkeit, mit denen Arbeitnehmer*innen heute vielerorts leben müssen. Bis eben war ich noch der festen Überzeugung, dass man Talents umsorgen sollte, damit sie bei der Stange bleiben. Ich hatte meine Überzeugungen und davon nicht zu wenige. Und ich war damit nicht allein.
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Das Buch, liest sich flüssig. Sprengers Sätze sind dicht, seine Wortwahl ist virtuos. Und dennoch habe ich viele Seiten doppelt, dreifach, vielfach gelesenen. Warum? Um zu verstehen, zu begreifen und staunend zu bemerken, dass meine Intuition sehr oft bestätigt wurde, dass Vieles in unserem Wirtschafts- und Arbeitsleben nicht so sein muss, wie es ist – ja sogar nicht so sein DARF, wie es vielerorts praktiziert und nicht hinterfragt wird.
Aber was ist denn überhaupt ein anständiges Unternehmen? Was meint überhaupt ANSTÄNDIG? Eine Begriffserklärung des reinen Wortes ist sicherlich „den Sitten, den geltenden Moralbegriffen entsprechend“. Anständig ist aber auch ein Wort unter dem sich verschiedene Generationen vermutlich etwas anderes, teilweise Gegensätzliches vorstellen. Das macht es nicht einfacher. Als ehrbar oder korrekt wird anständig ebenfalls geführt. Vielleicht auch als synonym zu amtlich, beachtlich. Sprenger geht davon aus, dass jeder sofort weiß, was anständig und unanständig ist und dass unserer innerer Ethik-Kompass uns navigiert. Aber eben auch jeder von seinem eigenen.
Im Buch geht es aber nun vornehmlich darum, anständige von unanständigen Unternehmen zu unterscheiden.
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Dem Autor geht es um eine neue Moral in Unternehmen, die er am Begriff des „Anstands“ reflektiert und praxistauglich machen will. Er extrahiert u.a. fünf Prinzipien in der Praxis, konkretisiert damit seine Vorstellung von Anstand und erläutert, was anständige von nicht-anständigen Unternehmen unterscheidet und was am Ende den Unterschied macht:
Betrachte Mitarbeiter nicht als bloße Mittel
Behandle Mitarbeiter nicht wie Kinder
Versuche nicht, Menschen zu verbessern
Verletze nicht die Autonomie der Mitarbeiter
Bezeichne nichts als alternativlos
Er führt uns in die Tiefen der Sozialpsychologie und belegt, dass beim Anstand der soziale Charakter des Begriffs dominiert. What??? „Anstand ist demnach etwas zwischen Menschen.“ Okay. Im Gegensatz dazu kann Anstand auch intrinsisch (von innen her, aus eigenem Antrieb) verstanden werden, nämlich als individuelle Einstellung, die der Mensch zu sich selbst einnimmt. Das ist tatsächlich verständlich und nachvollziehbar: „Ich will mir gegenüber anständig sein. Ich will von mir das Bild eines anständigen Menschen haben“. Anstand beinhaltet also zum Beispiel nicht nur einen Freiraum, was uns erlaubt ist zu tun, sondern auch, dass wir es tun.“ Die Entscheidung liegt bei Dir!
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Der Blick in die Welt der Ethik und Moral und die Beschäftigung mit der Anständigkeit war für mich wie eine Tür, die ganz hübsch aussah, weshalb ich sie unbedingt öffnen wollte – ohne zu wissen oder gar zu ahnen, was sich dahinter tatsächlich verbirgt. Das, was sich mir nach und nach offenbarte, war ein Labyrinth aus Gedanken, Thesen, Provokationen, philosophischen, soziologischen und psychologischen Fragmenten. Hin und wieder zeigte es für kurze Momente seine Logik, um im nächsten Moment mit einer weiteren provokanten These oder verwirrenden Herausforderung um die Ecke zu kommen.
Vieles von dem, was wir uns als globale Gesellschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten als Arbeitskultur teilweise mühsam erarbeitet haben und was irgendwie als Konsens für „gut“ stand, stellt Sprenger sehr deutlich in Frage. Wie z.B. ein einheitlicher Führungsstil, extrinsische Anreize (Boni und Prämien), anonyme Mitarbeiterbefragungen oder das Abschalten von E-Mailservern um die Mitarbeitenden zu schützen (man unterstellt ihnen damit, dass sie sich nicht selbst schützen können). Er nimmt nichts hin – und als gegeben und irreversibel an. Anständige Unternehmen zeichnen sich ihm zufolge durch eine „Ökonomie der Zurückhaltung“ aus. Für das Management bedeutet dies im Klartext: Wer unternehmerische Potenziale wieder freisetzen will, muss vieles von dem, was heute als erstrebenswert und fortschrittlich gilt, wieder sein lassen, ganz nach dem Motto: „Bewegung braucht Raum.“ Die schöne Sicherheit ist futsch.
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Die Fragen und Thesen, die er scharfsinnig anführt, werfen für mich größere gesellschaftliche Fragen auf, wie „Verantwortung setzt immer Freiheit voraus“. Und meint eben auch die Freiheit, sich auch selbst zu schaden. Sprenger formuliert direkt, er erschafft Begriffe wie Bevormundungskultur, Infantilisierung als Strukturprinzip und Legitimationsdefizit. Ich genieße seine Sprache, hoffe, möglichst viele seiner Gedanken dauerhaft abzuspeichern, um sie an entsprechender Stelle im Alltag wieder hervorholen zu können – für meine eigenen Interventionen und Provokationen. Der Rebell in mir will gefüttert werden und ist gleichzeitig schon satt. Bei jedem neuen Kapitel setzt Sprenger noch eins drauf. Deshalb fällt es mir schwer, zu entscheiden, was noch wichtig ist für diesen Artikel. Weil einfach alles so durchdacht, so spröde und dabei so erhellend, direkt und ehrlich ist – einfach so verdammt anständig ist…
Seht es mir nach, dass ich viele wichtige Aussagen weglassen musste, ich nicht weiter darauf eingehen kann, dass Fürsorglichkeit auch klein macht und dass Leistungsvergleiche nicht funktionieren, weil wir immer Unvergleichliches vergleichen.
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Es geht bei dem Buch für mich auch nicht ums Recht haben oder um besondere Praxistauglichkeit, obwohl das Buch in der Praxis gut helfen kann, agil zu werden, das Denken anzuregen und Dinge gemeinsam auszuprobieren, zu diskutieren, zu verwerfen und neu zu kreieren. Denn darum kommt man heute als Führung heute nicht mehr herum. 
Das wichtigste, was mir das Buch nach mehrmaligem Lesen mitgegeben hat, ist, meine eigenen Glaubenssätze und Denkmechanismen in Bezug auf meine Visionen, Führung, insbesondere gute Führung (was ist das eigentlich?), Unternehmenskultur und Werte und gnadenlos zu überprüfen und nichts, aber auch wirklich gar nichts einfach so zu belassen, ohne es zu hinterfragen. Ich ahne, es wird anstrengend… :)
Solltet ihr euch trotzdem inspiriert fühlen und das Buch lesen, würde ich mich über eure Gedanken freuen. Für den Moment habe ich nur diese eine letzte Frage: Wie schafft es ein Buch in deine Hände und wie entscheidest Du, welches Buch du liest und welches nicht? Welchen Büchern widmest du deine wertvolle Zeit – Lebenszeit, in der du schließlich auch andere Dinge machen könntest?
Eure Jana – im anständigen Fragen-Rausch…
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pippinwigglesworth · 4 years
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15.4.2020
Sagen wir: Es ist ein grosses Paket, und es ist voll. Sagen wir: Es ist sehr groß, sehr voll. Das ist ein Anfang. Stellen wir uns jetzt vor, dass dieses Paket auch bei anderen existiert. Stellen wir uns vor, dass es bei allen anderen genauso groß und so voll ist, wie bei uns selbst. Es sollen also alle Leute auf der Erde das gleiche große, volle Paket besitzen. Wir können das Paket auch Leben nennen. Es sollen also alle Leute auf der Erde dasselbe große und volle Leben besitzen wie ich. Auch die Person auf der Straße, mit den komischen Schuhen. Auch die Person, die aussieht wie ein Stück Pappe. Angeblich ist es so. Alle Menschen schmieden Pläne. Für alle Menschen bricht einmal eine Welt zusammen. Überall sind Menschen. Überall brechen Welten zusammen, und überall werden Welten geschmiedet. 
Eine andere Vorstellung ist einfacher. Bei der Person mit den komischen Schuhen ist das Paket zwar vorhanden, aber es ist viel kleiner als bei mir. Und bei der Person, die aussieht wie ein Stück Pappe, ist das Paket gar nicht vorhanden. Das Paket war bis vor kurzem tatsächlich noch da, aber es hat sich nie richtig entwickelt und blieb so dünn und so leicht, dass es bei einer Brise davongeflogen ist. Die Person drehte sich um, aber das Paket war schon weg. Die Person realisierte nicht was passiert ist, sie lebt weiter, so gut es geht. Die Person steht auf, zieht Schuhe an, Shorts und einen Pulli. Die Person geht auf die Straße und steigt in die Straßenbahn, die sie nach einer Anzahl Stationen wieder verlässt. Irgendwann sitzt die Person in einem Raum und macht den Mund auf und zu um anderen Leuten Kuckuck zu sagen, und um ein Sandwich zu essen. Später ist die Person wieder auf der Straße und geht irgendwo hin. Wir sehen diese Person von weitem und denken, Ah, da ist etwas in der Ferne, mal schauen was da kommt. Wir sehen, es bewegt sich, es lebt. Dann geht die Person an uns vorbei und beim kurzen Blick in ihre Augen wird klar: Nein, doch nicht. Kein Paket. Nichts.
Tuttler sagte mir einmal, doch, doch, überall ist etwas. Probieren sie es aus, imaginieren sie. 
Ich bin nicht dazu gekommen, meine Woche war voll. Natürlich arbeite ich jeden Tag. Vom Morgen bis zum Abend. Das ist normal für Vollzeitangestellte. Vollzeitangestellte haben jeden Tag zu arbeiten. Wenn die Zeit für das, was zu tun ist, nicht ausreicht, dann wird weitergearbeitet, bis die Sache getan ist. So einfach ist das. Das sind die Bedingungen eines erwachsenen Arbeitslebens. Für Miranda unvorstellbar, ein Horror. Sie fürchtet sich vor den hohen Ansprüchen und exakten Standards, welche in ihrer Vorstellung mit Berufstätigkeit einhergehen, und vor denen sie unmöglich bestehen kann. Es ist eine Art von Prüfungsangst. Vielleicht ist Miranda als kleines Mädchen in der Schule süchtig nach Prüfungsangst geworden. Ich weiss es nicht. Das ist auch normal. Alle brauchen Herausforderungen. Aber bei Miranda ist es ein Krampf. Und es ist erstaunlich: weil Miranda ist eine normal berufstätige und beruflich erfolgreiche Person. Nach dem Japanologie Studium arbeitete Miranda fünf Jahre in einem Laden als Verkäuferin für teure Küchen, danach legte sie einen mehrjährigen Sabbat ein und entdecke Töpferei. Ihr Talent für die Töpferei kam mir anfangs vor wie ein interessanter Unfall, nichts als Anfängerglück. Aber heute ist mir klar, dass Miranda eine gute Künstlerin ist. Sie selber hat keine Bezeichnung für sich, keine Worte für ihr Werk. Sie ist ja nicht berufstätig. Sie ist nicht berufstätig, weil sie keine Künstler ist. Sie ist keine Künstlerin, weil sie nicht bereit ist, sich Künstlerin zu nennen. Sie hat Angst davor, sie verkrampft schon beim Gedanken daran. Dass ihre Skulpturen sich verkaufen, verwundert sie—sie ist ja nicht berufstätig. Dass andere sie Künstlerin nennen, verwundert sie—sie selbst kann das ja nicht Kunst nennen, was sie da macht. Ihre Galeristin verlangt ständig Informationen von ihr. Titel für die Arbeiten, Texte die ihren Werdegang und ihre künstlerische Praxis beschreiben. Das ist für Miranda zu viel. Miranda sitzt drei, vier Tage am Tisch und erleidet vor meinen Augen einen Nervenzusammenbruch. Sie erstarrt zu Stein. Sie sagt nicht, hört nichts, starrt nur vor sich hin. Ich bringe ihr Wasser, Tees, Decken, und irgendwann geht es wieder. Solche Informationen, Texte, wären ein Zugeständnis an die Bedingungen eines erwachsenen Arbeitslebens, also für Miranda unmöglich. So erkläre ich mir das. Aber ich habe letztendlich keine Ahnung. Miranda weigert sich also, sich Künstlerin zu nennen. Diese Begriffe—Kunst, Künstlerin—wurden nachträglich in den Text eingefügt. Von mir. Genauso wie alle anderen Worte. Was auch immer Miranda geschrieben hat, musste von mir durchgestrichen und neu geschrieben werden. Die Galeristin lobte Miranda für die guten Texte und ich freute mich für sie, also für die Galeristin, das heisst für mich selbst. Ich dachte, die Galeristin merkt das doch, die spürt mich doch. In Gedanken war ich schon lange mit der Galeristin im Bett. Jedenfalls, vor jeder Ausstellung sass Miranda im Tisch, kritzelte Ausstellungstexte und bekam Nervenzusammenbrüche, dann kam ich ins Zimmer, riss das Fenster auf, zerriss die Kritzelei und begann neu. Ein guter Text kostet mich fünf Minuten. Ein sehr guter Text kostet mich drei Minuten. Das war auch mit dem Essen so. Was Miranda kocht, muss herunter gewürgt werden. Es müsste konsequent weggeworfen werden. Aber es wird nicht konsequent weggeworfen, weil das Miranda verletzten würde, es würde sie zerstören. Es würde jede Person zerstören, wenn das mit Liebe zubereitete Gericht vom Partner ausnahmslos entweder in den Müll oder aus dem Fenster geworfen wird. Jeden Morgen, jeden Mittag und jeden Abend. Auch ein Snack. Alles geht sofort in den Müll oder aus dem Fenster. Es wird nicht gesalzen, es wird nicht angeschaut, und es wird nicht daran gerochen. Das bringt alles nichts, das Essen muss weg, es ist ungeniessbar. Aber diese Konsequenz wäre auch für Miranda eine ununterbrochene Serie von Enttäuschungen. Essen Tag für Tag aus dem Fenster fliegen zu sehen, das wäre für sie vielleicht sogar schlimmer als für mich. Also wird gewürgt. Mein Großvater war konsequenter. Das erzählte mir meine Großmutter in aller Liebe zu ihrem Mann. Ein Tag nach ihrer Hochzeit präsentierte meine Großmutter meinem Großvater stolz ihre selbst gebackene Kirsch Tarte. Großvater probierte ein Stückchen aber es schmeckte ihm nicht also warf er die ganze Tarte vom Balkon. Der Trick funktionierte. Alles was meine Großmutter seither kochte schmeckte sehr gut. Für Miranda hatte ich andere Pläne. Ich habe mir früh in der Beziehung vorgenommen Miranda nicht kochen zu lassen, und stattdessen immer selber zu kochen, oder ins Restaurant zu gehen. Das gelang uns gut, aber leider nicht immer. Manchmal saß ich in meinem Arbeitszimmer und hörte etwas in der Küche. Ich sagte mir, Miranda holt sich bloß ein Glas Wasser, und ich vergaß den Zwischenfall sofort. Dann hörte ich, wie Pfannen aus Schubladen gezogen werden, das Klicken des Anzünders am Gasherd. Es bringt nichts, dachte ich, in die Küche zu eilen und zu sagen, Hände weg vom Herd. Miranda wäre gekränkt gewesen. Vielleicht hätte es aber etwas gebracht, aus dem Fenster zu springen. Vielleicht hätte mein Selbstmord Miranda den nötigen Ruck gegeben. Sie hätte aufgehört zu kochen, hätte sich endlich Künstlerin genannt, und so weiter, fantasierte ich. Es gab sogar einen Plan für den Fenstersprung. Zuerst würde ich einen Sack Tomaten hinunterwerfen, dann würde ich vorsichtig an der Fassade hinunter klettern und ein neues Leben in einem anderen Land beginnen. Wie dem auch sei. Die Hausaufgaben von Tuttler ...
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sehnsuchtsorte2020 · 4 years
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Sehnsuchtsort
St. Kilda, Schottland
57° 48‘ 38.69 N  8° 3432. W
Die Bedeutung von Isolation und die Folgen von Epidemien kannte wohl kaum jemand besser als die früheren Einwohner von St. Kilda. Die kleine, von kalten Stürmen umtoste Inselgruppe liegt noch außerhalb der äußeren Hebriden im Nordatlantik.
Es ist kaum noch vorstellbar, dass auf diesem abgelegenen Eiland tatsächlich über zwei Jahrtausende lang Menschen gelebt haben, völlig abgeschieden von der Außenwelt, ungefähr 180 sollen es gewesen sein. Da die See sogar für die Fischerei zu rau war, ernährten sie sich hautsächlich von Sturmvögeln und Basstölpeln. Von diesen gibt es mehrere zehntausend Brutpaare auf den Inseln, insgesamt sollen mehr als eine Million Seevögel hier leben.
Was verschlug mich nun ausgerechnet hierher? Nun, ich war jung und naiv und kannte die wahre Bedeutung des Begriffes „seekrank“ noch nicht. Ein Freund besaß einen „Altas der 50 abgelegensten Inseln auf denen ich nie war und nie sein werde“ und schlug St. Kilda im Scherz als Segelziel vor. Er hat wohl kaum geglaubt, dass sich in seinem näheren Bekanntenkreis fünf Menschen finden werden, die bekloppt genug sind, sich darauf einzulassen. Einen Tag und eine Nacht dauerte die Überfahrt von Tobermory aus vorbei an den äußeren Hebriden, hinaus in die See gegen Wind und Welle. Ich verbrachte den größten Teil der Zeit über der Reling hängend oder apathisch in der Koje liegend. Keinem war nach Essen zumute – außer dem Skipper und einem weiteren Crewmitglied, die sich darüber unterhielten was es zu essen geben würde, wenn wir endlich Anker werfen können. Die ganze Nacht warfen sie sich „Speck“, „Eier“, und „gebackene Bohnen“ zu.
Die frühen Siedler von St. Kilda sind unbekannt, später kamen Kelten und Wikinger. Einer der ersten Berichte stammt aus dem Jahr 1697 und erzählt von glücklichen Bewohnern, die fast nichts von Politik und Religion wissen. Im 18. Jhd. brachten Schiffe die Cholera und die Pocken und das führte zu einer ersten Auswanderungswelle. 1930 baten die verbleibenden Bewohner nach weiteren Todesfällen durch Grippe um Evakuierung. Seit 1956 gehören die Inseln dem National Trust für Scotland, der ehemalige Gebäude wieder aufgebaut und ein kleines Museum eingerichtet hat.
Foto + Text: Ines Polter
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