Tumgik
crowdbabe · 8 years
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Fünf fafickte Favierfervietten
O.k. Neben mir liegen fünf fafickte Favierfervietten und vor uns acht Stunden Flugzeit. Acht Stunden, uns nochmal jede Folge dieser Produktion reinzuziehen, von der alle Beteiligten wussten, dass es sich um eine Reality-Soap handelt. Bis auf mich. Ich hab´s für die Realität gehalten. Weswegen ich das Material jetzt um ein paar Bonus Tracks ergänzen möchte, die ich bisher unter Verschluss gehalten habe, ist also `ne ganz exklusive Veranstaltung hier. 
Auch wenn der Flug-Dispatcher die Regeln nicht zu kennen scheint.
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Gate C ist nämlich falsch. Gate F müsste mein Abfluggate sein. Heute ist ein F-Tag und das ist von all den Arschkarten, die ich auf der Hand habe, noch die coolste. Ein F-Tag gestattet immerhin solche Annehmlichkeiten wie Flughafen, French Fries und Facebook. Stellt euch mal vor, mein Rückflug wäre auf einen B-Tag gefallen, wo hätte ich mich denn da bis zum Abflug rumtreiben sollen, da bleibt ja außer Brücken und Bus Stops nicht viel, wenn die Alternative nicht im Bett bleiben lauten soll. Und für B-Essen, das nicht ausgerechnet ein Burger ist, wäre ich wohl kaum um das gnadenlos überteuerte Organic-Sortiment bei Godess and Grocer herumgekommen - ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass irgendeine der anderen Buden in der Abfluglounge Banana Bread oder Bulgursalat im Angebot hätte. Ich will mich also nicht beschweren über meinen F-Tag mit Flughafen, Facebook und FeierdesAbschieds-French-Fries. Wobei natürlich auch fuckin French Fries und fuckin Flughafen und fuckin Facebook ginge. Was soll´s. Noch eine gute Stunde, dann stehe ich am Gate in der Schlange, und sobald die meine Bordkarte gescannt, die Klappen über den Sitzen dichtgemacht und die Kabinentüren verriegelt haben, bin ich raus aus der Nummer. Vorausgesetzt, ich reiß mich jetzt zusammen und krieg meinen Senf innerhalb der verbleibenden Stunde in Form gepresst. Und finde irgendwo freies Wifi, hier am Flughafen bieten die nur Boingo an, sieben Dollar die halbe Stunde, das ist mir echt zu happig. Ich brauch doch maximal eine halbe Minute, um den Text hochzuladen und meinen Tweet abzusetzen. Unfasslich, dass ein Flughafen wie O´Hare kein freies Wifi hat.
Ziemlich trübe Veranstaltung. Der Himmel legt sich echt ins Zeug, mir die passende Abschiedskulisse zu bieten. Die Delta-Maschine, die sich gerade in die graue Watte schraubt, wird immer mehr zum Papierflieger, je weiter sie sich entfernt. Ich hab uns einen Fensterplatz ausgesucht, damit Gino und Eddie was zu gucken haben, während ich schreibe. Im Moment sind sie ganz fasziniert vom Bodenpersonal, das in signalfarbener Regenmontur die beladenen Gepäcktrolleys übers Rollfeld schubst, während ich durch mein Facebookleben der letzten Monate scrolle. Das Display ist schon ganz fettig von meinen Pommesfingern und die glitschigen Papierservietten aus dem Spender taugen auch nicht wirklich für Notizen. Die sind irgendwie beschichtet, da haftet der Kugelschreiber nicht. Wie soll ich denn da Zeugnis ablegen, wenn die Wahrheit nicht mal auf Papierservietten haften will. Na, wenigstens wollte der Typ an der Bar keine ID sehen, sodass ich den Verlust meines Flachmanns kompensieren kann.
Die Wahrheit ist mehr als die Summe ihrer Teile. Die Wahrheit ist, dass ich betrogen worden bin. Dass Orange mich hintergangen hat. Das Kind, das wir kriegen wollten, mit einem anderen angesetzt hat. Das lässt sich so natürlich nicht in meiner Timeline ablesen. Das sieht man mir auch nicht an. Ich weiß über die Gestalten an den Tischen um mich rum ja auch maximal, dass sie auf ihren Boardingaufruf warten. Und nicht mal das kann ich sehen. Was ich sehe, ist, wie sich jemand Donutglasur von der Lippe wischt. Senf vom Finger leckt. Höre hinter mir jemanden Getränkereste zwischen den Eiswürfeln durch einen Strohhalm saugen. Und denen wird’s auch nicht anders gehen. Was die sehen, wenn sie ihren Becher absetzen, sich die Finger abgeleckt oder die Serviette zusammengeknüllt haben, ist ein unrasierter Typ, auf dem Kopf eine Wollmütze, unter der ein Wust verfilzter Haare hervorragt, der mit aufgestützten Ellbogen am Panoramafenster hockt und sich, den Blick auf sein Handy-Display fixiert, abwesend fettige Pommes aus einer Styroporbox in den Mund stopft. Gelegentlich scheint er sich mit zwei kleinen hellblauen Spielzeugnilpferden auszutauschen, die neben der Pommesschachtel stehen, um im Anschluss etwas mit Kugelschreiber auf einen Stapel Papierservietten zu kritzeln, was genau, lässt sich auf die Entfernung natürlich nicht entziffern. Was weder der widerliche Anzugtyp, der glaubt, dass keiner merkt, wie er über den Rand seiner Chicago Tribune ziemlich schamlos jeden weiblichen Körper im Umkreis scannt, noch das kleine glupschäugige Monster im Star Wars-Anorak sehen kann, ist, dass der grenzdebil wirkende Pommesfresser, der mit Spielzeug spricht und seine Tage alphabetisch ordnet, seinen Aufenthalt in der Abfluglounge einem Stapel Anwaltslyrik verdankt, in dem so unschöne Begriffe wie Cybermobbing vorkommen.
Aber ich bin gewappnet: mein Akku ist voll und selbst wenn sie mich an der Security zwingen können, meine Schuhe auszuziehen und mich nackig zu machen, selbst wenn sie meinen Flachmann einkassieren, mein Handy und meine Kamera durchleuchten und 7 Dollar dafür kassieren, können sie mich nicht daran hindern, bis zur letzten Sekunde ihr WiFi zu nutzen. Und dem Serviettenspender an der Ketchup- und Mayostation so viele Papierservietten zu entnehmen, wie ich will. Ihr Kontrollzwang hat Grenzen. Sie können Menschen glauben machen, sie würden einen Preis gewinnen, wenn sie ihre Smartphones an die QR-Codes auf den Etiketten von Ketchupflaschen halten. Ketchup und Mayo haben sie unter ihre Kontrolle gebracht, aber keine Heimatschutzbehörde wird überprüfen können, wie viele Papierservietten ich am Airport Chicago O´Hare gezogen habe, um meine Geschichte zu erzählen. „Flieg nachhause, Anatol. Erzähl deine Geschichte. Geh Eichhörnchen füttern“, lautet Jerrys Anweisung. Bis auf die Eichhörnchen in ich auf dem besten Wege.
Fünf. Fünf brauche ich. Weil heute ein F-Tag und meine verbleibende Zeit begrenzt ist. Da müssen fünf fafickte Fafierferfietten fenügen. Mein Flug ist für 6:10 p.m. ausgeschrieben, das Boarding beginnt um halb. Meine Armbanduhr, die neben der Styroporpackung mit meinen Pommes liegt, zeigt 16:45 Uhr an, eine deutsche Uhr bleibt eine deutsche Uhr. Eine gute halbe Stunde, um elf Monate, in denen ich beinahe ein Kind gezeugt hätte und beinahe Vater geworden wäre, auf fünf Papierservietten auszubreiten. Die einzigen, die mir die Treue gehalten haben, sind zwei kleine hellblaue Spielzeugnilpferde aus dem Überraschungsei, die auch nach einem Jahr Aufenthalt hier weder Englisch noch ein Laserschwert bedienen können. Aber selbst wenn, mit einem Laserschwert wär ich nie und nimmer durch den Sicherheitsdetektor gekommen. Beläuft sich unsere kleine Reisegruppe also auf zwei nicht sicherheitsüberprüfte Hippos und einen sicherheitsüberprüften Einundzwanzigjährigen im Besitz eines deutschen Passes, einer Gepäckmarke und eines Boardingpasses für den United Flug UA 926 nach Frankfurt. Darüber hinaus verfüge ich über eine Flasche Fuckinduty-Free Fodka, die mir beim Besteigen des Flugzeugs wieder ausgehändigt wird, und einen Stapel Papierservietten.
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“Final call for all passengers booked on United Airlines flight 926 to Frankfurt am Main. Please proceed immediately to Gate C 20.“ In der Styroporschale liegen noch ein paar verwaiste Pommes in einer Mayolache. Ich setze Gino und Eddie dazu und mache ein Selfie von uns dreien, dann lecke ich ihnen die Mayo von den Hufen und versenke sie in meiner Hosentasche. Mein Versuch, die vollgekritzelten Servietten im Vorbeigehen unter dem Schwingdeckel des Mülleimers zu versenken, scheitert am Schwingdeckel. Die Hälfte landet auf dem Boden. Ich weiß schon, fünf hat keine Hälfte, aber die Wahrheit ist ja auch mehr als die Summe ihrer Teile. Sollen sie mich doch für volltrunken halten, das Star Wars-Monsterkid und der Zeitungsspanner.
Dabei bin ich doch nur ein kleiner Möchtegern-Superheld, den man aus seinem Heldencomic rausgeschmissen hat. Asterix und die Trabantenstadt, kennt ihr, oder? Wo eben noch dieser majestätische Eichenwald stand, in dem Obelix immer Wildschweine jagen geht, klaffen plötzlich Krater im Waldboden, weil die Römer die Eichen rausgerissen haben. Aber nicht mit den Galliern. Ganz lässig werfen Asterix und Obelix im Vorbeigehen eine Zaubereichel in jedes Loch, und schwupp, schießt im Zeitraffer eine neue Eiche in die Höhe und Idefix fällt vor Schreck in Ohnmacht. Als Kind hab ich die Nummer mit den Zaubereicheln geglaubt. Es gibt dieses Foto, da stehe ich in quietschgelben Gummistiefeln an Papas Hand vor einem Schlammloch und hole, die geballte Faust hoch über dem Kopf, zum Wurf aus. So verstrahlt, wie Papa die Kamera anhimmelt, muss Mama das Foto gemacht haben, ich kann also nicht älter als vier gewesen sein, später hat Mama von Papa keine Fotos mehr gemacht. In der geschlossenen Faust halte ich eine Eichel und Mama hat mir erzählt, dass sie unbedingt den Moment erwischen wollte, in dem sie durch die Luft fliegt. Wer weiß, vielleicht hätte sie ihre magische Wirkung sogar entfaltet, wenn Mama im richtigen Moment abgedrückt hätte. Hat sie aber nicht.
Was glaubt ihr eigentlich, warum einer wie ich ein Jahr lang Container nach verwertbaren Lebensmitteln durchwühlt und nebenbei zum Experten für die verschiedenen Stadien weiblicher Fruchtbarkeit avanciert? Einen Real Life Hero wollte ich aus mir machen lassen, mit Zaubereicheln Hoffnung in die Krater der Zivilisation säen. Einer, der sein ganzes Leben auf die Einladung in ein Asterix-und-Obelix-Heft wartet, lässt sich doch auf jedes Spiel ein, das ein bisschen Eichelmagie verspricht. Selbst, wenn es ein Scheißspiel ist. Hab ziemlich viele Runden gebraucht, um zu kapieren, dass meine Mitspielerin jede gottverdammte Regel bricht, um weiterzukommen. Dabei war doch das einzige, was ich wollte, ein Foto. Ein Foto, auf dem ich mit meinem Kind und seiner Mutter „Engelchen flieg“ mache.
Hallo. Miss? Lassen Sie mich kurz etwas erklären: worum es doch letztendlich geht, ist, die Dinge aus ihrer Perspektive zu sehen. Wir sind uns doch einig, dass ich der Täter bin und sie das Opfer, right? Ich meine, dazu haben wir das ganze Spiel doch überhaupt nur gespielt, oder? Sie müssen mir schon eine kleine Chance lassen, a fuckin tiny chance, ich meine, hallo, was soll die Scheiße, ich mach das doch nicht für mich, Sie werden doch jetzt noch die paar Sekunden warten können, bis dieses fuckin´ Flughafen-WiFi mitspielt und meinen Post hochlädt. Ich bin hier in einer ernsthaften Mission unterwegs! Schon klar, ohne Batmansuit und Flügel kaufen Sie mir das nicht ab, aber wollen Sie mir im Ernst erzählen, die hätten mich im Heldenkostüm durch die Sicherheitskontrolle gelassen? – Hier gucken Sie, jetzt hab ich Netz…. - Wie, meine Geschichte interessiert Sie nicht? Mich hat doch auch niemand gefragt, ob ich Oranges Geschichten hören wollte, und wir reden hier von einer wirklich schwer gestörten zwanghaften Lügnerin, I´ve had it, people! Da kann ich auch ganz gediegen und dezent fünfmal pissen gehen und die Pulle, von deren Existenz ihr nichts wisst und die ich nicht mit ins Flugzeug nehmen darf, dem Zustand zuzuführen, der sie zu keinem Problem mehr macht. Womit das einzige verbleibende Problem ich wäre. Außerdem find ich meine Bordkarte ja gleich, tu ich, wirklich, muss nur kurz rülpsen, sorry, aber irgendwie ist das doch ein angemessener Abgang, so Jimmi Dean-Style, mit hochgestelltem Kragen und ordentlicher Fahne, oder Brando, Brando ginge auch. Sagen Sie, Miss, glauben Sie, der fette Brando hätte das gewollt, dass sich einer so fühlen will wie er, oder glauben Sie, der wollte auch einfach nur nüchtern sein und geliebt werden? Doch, doch, ich will an Bord, und betrunken, nein, ach, gucken Sie, hab sie ja doch, meine Bordkarte….
So, wie sieht´s aus, auch ne Bordkarte? Sobald wir drin sitzen, gibt´s für mich ne Bloody Mary und für Euch alle Staffeln im Director´s Cut.
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crowdbabe · 8 years
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flight status - - - - - - - - - - - - - - -
Ein Vogel. Bestimmt ein Vogel. Und das in diesem fiesen Moment, in dem dich die Beschleunigung schon in die Rückenlehne presst, dieses fiese Ziehen, wenn der Pilot das Dinge jede Sekunde hochziehen kann und du darauf spekulierst, dass es ab jetzt nur noch maximal zwanzig Minuten dauert, bis der Getränkewagen durchkommt. Und dann das. Ich hab gerade noch die Bremsklappen aus den Tragflächen schießen sehen und schon hab ich diesen säuerlichen Schwall in der Kehle. Jetzt bloß nicht die Pommes auskotzen. Kein angenehmes Gefühl, mitten im Take-Off ausgebremst zu werden. Jetzt kann ich meine Bloody Mary erstmal vergessen, und die Wodkaflasche liegt eingeschweißt im Gepäckfach. Na toll. Ich klappe die Ablage aus der Lehne und stelle Gino und Eddie so hin, dass sie mich angucken müssen. Aber denen ist auch nur schwindelig und sie wissen gerade keinen Trost. Durchsage. Die dear passengers werden um Verständnis gebeten, aufgrund technischer Probleme verzögert sich der Take-Off auf unbestimmte Zeit. Na immerhin, wir dürfen zwar während der Wartezeit die Maschine nicht verlassen, aber dafür wird mit dem Getränkeausschank begonnen. Ich rechne mal mit einer Stunde, länger werden die für ihren Sicherheits-Check ja wohl kaum brauchen.
Eine behaarte Hand, die aus einem  weißen Hemdsärmel ragt, greift sich Gino und Eddie, hebt sie hoch und wischt zwei kleine Tröpfchen von der Ablage. Ich muss beim Denken gesabbert habe. Tomatensaft geben die Fluglinien ja umsonst aus, aber da ich hier kaum unbemerkt an meine Duty Free Tüte rankomme, müssen wohl die zerknüllten Dollarscheine in meiner Hosentasche ran. Die Bordpreise sind echt gesalzen, aber für einen Wodka sollte es noch reichen. Ich spähe auf sein Namensschild. Ruben. Ich ordere Tomatensaft und Wodka bei Ruben. Die Hand im weißen Hemdsärmel lässt zwei Papierservietten auf die Ablage segeln und stellt je eine  Büchse Mott´s Tomato Juice und zwei von diesen Minipäckchen mit Salz und Pfeffer darauf ab. „Don´t worry, I´ll only charge you for one“,  Ruben baut zwei Becher mit durchsichtiger Flüssigkeit vor mir auf.  „You look like you need it. - Ice?“ Krass. Dieselbe Erfahrung hab ich heute Morgen schon mal gemacht. Da hab ich einen Penner um eine Zigarette angeschnorrt. Er hat mir zwei gegeben.  Irgendwas an mir scheint Menschen zu triggern, ungefragt Theorien über mich zu entwickeln.
Genau wie Orange in unserer ersten gemeinsamen Szene. Nur, dass man ihr ins Script geschrieben hat, wie eine Rachegöttin aus einem Lebensmittelcontainer  zu springen. Und mir den entscheidenden Satz, dessentwegen ich jetzt vor zwei Bechern Wodka auf den Take-Off warte und zwei Spielzeughippos den Teil der Handlung nacherzähle, den sie nicht kapiert haben. Staffel 1: Container Love
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crowdbabe · 8 years
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(1) Container Love
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Vom Containerplatz in der Anlieferzone hat man einen unverstellten Blick in die Abendsonne, Betonplatten bis zum Horizont. Und anders als auf dem Parkplatz vor dem Eingangsbereich bleibst du hier auch unbehelligt. Wenn´s regnet, rauche ich unter dem kleinen Vordach, aber heute ist nicht nur Freitag und Feierabend, sondern es scheint auch noch die Sonne. Ich sitze mit dem Rücken vor der aufgeheizten Containerwand auf einer Weinkiste und zeige Gino und Eddie, wie man durchweichte Tortillachips unter der Sauce hervorstochert, ohne dass einem die kleine Gabel abbricht.
“New York, Los Angeles, Chicago, Houston, Philadelphia, Phoenix, San Antonio, San Diego, Dallas, San Jose, Detroit, Indianapolis, Jacksonville, San Francisco, Columbus, Austin, Memphis, Baltimore, Fort Worth, Charlotte, El Paso, Milwaukee, Seattle, Boston, Denver, Louisville, Washington, Nashville, Las Vegas, Portland, Oklahoma City und Tucson.” Ich lasse die Gabel in die Tüte fallen und verschlucke mich. Die Stimme kommt von über mir. Aus dem Container. Ich hab mich so doll verschluckt, dass mir beim Husten die Tränen in die Augen treten, aber was ich beim Umdrehen durch den Tränenschleier sehe, sind zwei Nasenlöcher, die sich unter verspiegelten Sonnenbrillengläsern und einem schwarzen Bandana über den Containerrand beugen. Ich muss an die Saloonpartys bei Lucky Luke denken. Da springt auch immer irgendwann eine Westernschönheit aus der Torte. Allerdings hat das Wesen, das gerade ungefragt 32 amerikanische Städte in Schnellfeuersalve auf mich abgefeuert hat, eher wenig Ähnlichkeit mit einer Saloonschönheit. „Schon mal drüber nachgedacht, wo das Hackfleisch da in deinem Tacobeutel herkommt?“
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Nö. Wozu auch? Das Zeug ist Junk und bleibt Junk und hat auch nie was anderes versprochen. Anders als die Produkte, die wir im Greens´n´Queens verticken, verspricht mein Tütentaco weder Vitamine noch gesund zu sein, geschweigen denn aus organischer Herstellung. „Abgesehen vom hormonverseuchten Industriefleisch besteht der Inhalt deiner Tüte da übrigens zu 99% aus Glutamat, Zusatzstoffen und künstlichen Aromastoffen.“ Ob ich ihr sagen soll, dass ich das Zeug genau deswegen gekauft habe? Weil ich nach jahrelangen Gemüsekistenexperimenten meiner Mutter auf Glutamat und künstliche Aromen stehe? Aber irgendwie scheint der Racheengel mit dem schwarzen Bandana über mir dafür kein Verständnis zu haben, also behalte ich meine Weisheit für mich. Sie schwingt ihre Beine über den Containerrand, lässt sich fallen und bleibt in der Hocke vor mir sitzen. Auf ihrem T-Shirt verläuft quer über ihrer Brust ein Barcode, vor dem eine Hand einen Maiskolben umklammert oder zerquetscht, so genau kann ich das auf die Schnelle nicht erkennen, ohne ihr zu lange auf die Brüste gucken. Darunter steht „Resistance“. In Mamas Erzählungen haben die Widerstandskämpferinnen immer in den Bergen oder in Kellergewölben auf ihren Einsatz gewartet. Aus einem Container sind die nie geklettert. Aber gerade deswegen bin ich ja auch hier. Um Mamas Erzählungen zu entkommen.
„Ein schlachtreifes Schwein wiegt ungefähr anderthalb mal so viel wie du. Was du also tun müsstest, um den jährlichen Output an Fleischprodukten zu erzeugen wie Smithfield, wäre, sämtliche Einwohner der Städte, die ich dir gerade aufgezählt habe, abzuschlachten und in verzehrfertige Portionen abpacken. Und mit Smithfield erwähne ich dabei nur den bundesweit größten Schweinfleischproduzenten.“ Das find ich dann doch mal eine spannende Herausforderung für einen Widerstandskämpfer. Die Bevölkerung von 32 amerikanischen Großstädten in verzehrfertige Portionen zu zerlegen und abzupacken. Das sage ich ihr aber auch nicht. Sie hat die Hand an den Brillenbügel gelegt und schiebt die verspiegelten Gläser ein paar Zentimeter nach oben. Ihre Augen sind grün. In Augen darf man gucken, wenn jemand mit einem spricht. Auch wenn ich nicht weiß, was sie mir mit dem Maiskolben und dem Barcode auf ihrer Brust sagen will. Oder mit den Schweinen. Natürlich ist mir klar, dass Hackfleisch nicht an Bäumen wächst. Ich hab auch kein Problem damit, Tiere zu essen. Von den Hippos weiß ich es nicht, wir haben bisher noch nicht darüber gesprochen. Vorsichtshalber habe ich ihnen nur ein paar Chipsbrösel mit Sourcream hingelegt.
„Schweine kacken und pissen ungefähr dreimal so viel wie Menschen. Heißt, die 500.000 Schweine in einer Schlachtfabrik produzieren mehr Fäkalien als die anderthalb Millionen Einwohner von Manhattan.“ Sie ist ja echt schön anzugucken, wie sie da mit ihren langen Fingern direkt vor meinem Gesicht rumfuchtelt und mich dabei nicht aus den Augen lässt, aber ein bisschen Angst macht sie mir allmählich schon. Wir sind hier in Waukegan, in der absoluten Provinz von Illinois, was interessiert mich da die Kacke von irgendwelchen New Yorkern? „Pink Lagoons, schon mal gehört? Kein Urlaubsressort unter Palmen, kannste glauben, nix mit blauer Lagune. Pink Lagoons heißen die Exkrementenbecken, irgendwo muss das Zeug ja gelagert werden. Und wir reden hier nicht von organischem Dünger, sondern von hochtoxischen Exkrementen. Eher so die Kategorie radioaktiver Müll. Jede Anlage hat an die hundert solcher Becken, von denen allein ein einziges so groß ist wie Fußballfeld und fünfmal so tief wie ein Taucherbecken im Schwimmbad. Nur, dass du da drin nicht schwimmen willst. Die heißen ja nicht umsonst Pink Lagoons. Weil sie ihre Farbe nämlich so lustigen Dingen verdanken wie Blut und Bakterien, totgeborenen Ferkeln, Chemikalien und Pharmazeutika, you name it, we got it.“
Irgendwas stimmt hier nicht, ich komm nur nicht drauf, was. Ich fasse mal kurz zusammen: Es ist Freitagnachmittag. Ich bin Anatol – your friendly Fruit´n´Veggie Artist und verfluche mein künstlerisches Talent, das mir diesen Titel und diese Funktion eingetragen hat. Die darin besteht, den ganzen Tag über mit einer Sprühflasche durch die Gänge zu rennen und dafür zu sorgen, dass Batavia, Spinat & Co. im Wet Wall im Eingangsbereich immer schön feucht glänzen, weil feucht glänzendes Gemüse ja bekanntlich Impulskäufe auslöst, und falls doch mal irgendwo was zu welken beginnt, verpasse ich dem Möhrengrün eben mit der Schere einen Iro. Ansonsten bin ich dafür zuständig, morgens, bevor die erste Kundin durch die Automatiktür tritt, mit Kreide hübsche Artischocken oder was halt sonst gerade im Angebot ist, auf die Schiefertafeln zu zeichnen. In good old Germany, muss Sheryl sich gedacht haben, erkennen die jungen Menschen das Obst ja sogar noch in freier Wildbahn, und zeichnen kann er auch. Irgendein Profit muss aus mir doch zu schlagen sein, wenn sie sich dieser Uraltfreundin ihrer Mutter zuliebe schon breitschlagen lässt, mich pro forma als Au Pair zu beschäftigen, ohne den Au-Pair-Status hätte ich nämlich kein J1-Visum gekriegt. Und da Sheryl relativ schnell erkannt hat, dass sie mich lieber nicht auf ihre Kinder loslassen möchte, hat sie mich in ihrer Funktion als General Manager bei Greens´n´Queens kurzerhand zum Fruit´n´Veggie Artist deklariert und für die Werbung verantwortlich gemacht. Die selbstverständlich nicht mehr Werbung heißen darf, sondern Customer Attraction Optimization. Wobei ich das missverständlich finde, weil nicht klar ist, wessen Attraktivität hier optimiert werden muss, die des Kunden oder die der Ware. Also gebe ich an fünf Tagen die Woche hier den freundlichen Fruit´n´Veggie Clown und schabe die klebrigen Spuren dessen vom Boden, was superbewusste Organic-Mütter ihren verzogenen Blagen eben so in den Mund schieben, um in Ruhe die Nährwertangaben der kalorienreduzierten organischen Fleischersatzprodukte vergleichen zu können. Nach Kassenschluss kontrolliere ich dann bei bei jedem Joghurtbecher den best by-Stempel und lade die ausgemusterten Kandidaten in Sperrholzstiegen und versenke sie im Container hinter der Anlieferzone. Klappe zu, Affe tot. Das ginge mit Sheryls Kindern ja auch eher schlecht.
Und jetzt sitze ich eben am Ende eines langen Tages auf einer leeren Organic-Chardonnay-Kiste und lasse mir von den letzten Sonnenstrahlen die Stirn wärmen. Ich tue keiner Fliege was zuleide, ich nehme niemandem etwas weg. Und plötzlich katapultiert sich dieser ungeflügelte Racheengel in meinen Sonnenuntergang. Macht mich wahnsinnig, wie sie da vor mir kauert und auf den Zehenspitzen vor- und zurückwippt. Ob ich ihr sagen soll, dass ich kein amerikanischer Staatsbürger bin und überhaupt keinen Einfluss auf die Agrarwirtschaft und die USDA und ihre Subventionierung der Fleischindustrie habe? Die beiden kleinen Nilpferde aus Plastik, mit denen ich mein Waukang Taco teile, stehen dieser Rachegöttin aus dem Container genauso fassungslos gegenüber wie ich.
 „Aber lass dich nicht stören, irgendwer muss die 6 Milliarden Pfund abgepacktes Schweinefleisch ja essen, damit die Smithfield-Aktionäre auf ihre Kosten kommen.“ Die drei steilen Falten, die sich oberhalb ihrer Nasenwurzel bilden, verraten, dass sie die Augen, die längst wieder hinter ihren verspiegelten Brillengläsern verschwunden sind, zusammenkneift, um die Schrift auf meinem Namensschild zu entziffern, offensichtlich ist meine militante Containerbraut kurzsichtig. „Intensivtierhaltung, schon mal gehört? Tote Tiere finden nicht mehr statt, wenn wir ihren in Einzelteile zerlegten Körpern Fleischnamen geben. Filet, Schnitzel, Speck, Leberkäse, Gehacktes, klingt alles nicht mehr nach dem ehemaligen Tier in deiner Chipstüte, stimmt´s?“ Ich soll mich nicht stören lassen, sehr lustig. Vielleicht sollte ich sie um die Gebrauchsanweisung bitten, wie das gehen soll, sich nicht stören zu lassen, wenn die personifizierte Rächerin aller 27 Millionen im Vorjahr geschlachteten Schweine hinter dir aus dem Container springt, sich vor deiner Nase aufbaut, dir ihre Brüste ins Gesicht hält und dich nonstop mit Fakten belegt, die du selber googeln könntest, wenn sie dich interessieren würden. Und ihr sagen, dass mich von all den Dingen, die ich gerade aufgezählt habe, ihre Brüste noch am meisten beeindrucken.
„Lass mich raten, ein Food´n´Veggie Artist ist einer von diesen Pausenclowns, die sich Greens´n´Queens leistet, um den Filmprojektor anzukurbeln, der lustige Disneyschweinchen mit Ringelschwänzchen durch die Kundenphantasie tanzen lässt und die Szene rausschneidet, die zeigt, wie aus den Schweinchen die eingeschweißte Portionsgröße wird, die er gerade aus dem Kühlregal nimmt?“ O.k. Nicht nur die Brüste. Auch die Dreistigkeit, mit der sie sich neben mich auf die Holzkiste plumpsen lässt und mich dabei mit der Hüfte einfach beiseite schubst. Sie ist ganz schön bunt. Die Rastas, die unter ihrem schwarzen Bandana hervorquellen, leuchten kupferorange, auf ihrem Oberschenkel prangt der fetteste blaue Fleck, den ich je gesehen habe, und in den Fransen ihres Halstuchs haben sich grüne Spinatblättchen verfangen. Sie zieht die Knie an den Körper, stützt die Ellbogen auf die Knie und legt ihr Kinn zwischen die Handflächen. Auf der Innenseite ihres linken Unterarms sind jede Menge winziger Buchstaben tätowiert, nur die Quellenangabe ist etwas größer. Matthew 5:15. Sie nimmt die verspiegelte Sonnenbrille ab, schiebt sie in ihr Stirnband und grinst mich an. „Über das Evangelium reden wir später. Als erstes müssen wir dich aus deiner Vakuumverpackung hier rausholen.“ Schneller als ich reagieren kann, schießt ihre Hand auf meine Brust zu und reißt mir den Friendly Fruit´n´Veggie Artist vom Kittel. „Du bist falsch etikettiert, Anatol.“
Sie hat meinen Namen gesagt. Sie hat grüne Augen, irgendwas aus dem Matthäusevangelium auf dem Unterarm und sie interessiert sich für mich. Für etwas an mir, das nicht mein Fleischkonsum ist. Ich versuche, unauffällig mit den Hippos Blickkontakt aufzunehmen, wie sie das einschätzen. Eddie nickt und Gino hat längst keine Augen mehr für mich, er himmelt sie an, als käme sie von einem anderen Stern. Mein Bauch deutet das als Zustimmung. Mein Hirn wirft die Hände in den Himmel und verleiert die Augen. Mein Instinkt schreit, Renn!, und mein Schwanz macht deutlich, dass er auch was zu sagen hätte. Und was macht mein Mund? Mein Mund sagt: „Was muss ich tun, damit du ein Kind mit mir kriegst?“
Dass zwei Menschen, die ein Kind miteinander bekommen wollen, ein paar Dinge voneinander wissen sollten, darüber sind wir uns wohl einig. Idiotischerweise scheinen wir zu glauben, diese Dinge wären abgedeckt, wenn wir einander gegenseitig den Namen genannt, Glaubensbekenntnisse und Schulabschlüsse ausgetauscht und uns über HIV-Test, die bevorzugte Brötchenhälfte und die Verteilung der Elternzeit verständigt haben. Dabei gibt es doch wirklich wichtigere Dinge, die wir übereinander wissen sollten.
„Darf ich vorstellen: Gino und Eddie.“ Irgendetwas muss ich ja sagen, um das Knirschen zu überbrücken, das die zerbröselnden Wirsingchips unter meinem Hintern von sich geben. Und weil mir zu allem Überfluss auch noch eine Büchse Hummerschwanzsuppe die Eier abklemmt, fingere ich zur Ablenkung zwei rosa glasierte Mini-Donuts, die das Schicksal freundlicherweise an diesem Tag im Container platziert hat, aus ihrer Klarsichtverpackung und setze Gino auf den einen, Eddie auf den anderen. Die beiden entstammen den Überraschungseiern, die Ottilie mir als Gastgeschenk für Sheryls Kinder mitgegeben hat. Ottilie konnte ja nicht wissen, dass die Einfuhr von Kinderüberraschungseiern in die Vereinigten Staaten von Amerika verboten ist. Aus Sicherheitsgründen. Die haben doch echt `nen Schaden. Der Typ am Zoll hat ganz schön bescheuert geguckt, als ich die Dinger vor seinen Augen ausgepackt und mir die Schokolade reingeschoben hab, aber was wollte er machen, und Zollbestimmungen, die die Einfuhr von Plastiknilpferden außerhalb von Überraschungseiern verbieten, haben sich selbst die Amis noch nicht einfallen lassen. „Warum Gino und Eddie?“, fragt sie, und schnappt sich den Donut mit Gino. Ich kann seine eiförmigen weißen Hippoaugen leuchten sehen. „Warum nicht?“ Ich lecke Eddie den Zuckerguss von den Hufen, stelle ihn auf mein Knie und beiße in den Donut.
„Na, Gino ist klar, aber Eddie?“ Spätestens in diesem Moment verfällt ist-klar-Gino ihr endgültig, und bei warum-nicht-Eddie vermute ich ohnehin, dass er noch nicht so ganz entschieden ist hinsichtlich seiner Geschlechterpräferenz. Sie drückt mir die Donettes-Verpackung mit den restlichen Mini-Donuts in die Hand. „Die Nährwerttabelle. Die Kalorien interessieren mich nicht, nur die Zutatenliste.“ Und so weiß ich von der zukünftigen Mutter meines Kindes eine halbe Stunde, nachdem sie als Saloon-Torten-Mädchen 2.0 hinter mir aus dem Container gesprungen ist, zumindest schon mal, dass sie eine Erdnussallergie hat und kurzsichtig ist.
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crowdbabe · 8 years
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Ich wusste also eine halbe Stunde nach unserem Kennenlernen von der zukünftigen Mutter meines Kindes, dass sie eine Erdnussallergie hat. Vielleicht hätten wir es dabei belassen sollen. Was ich in den folgenden Monaten über sie erfahren habe, ist der Grund dafür, dass ich jetzt an Bord eines erdnussfreien United Airlines-Fluges mit runtergelassener Hose in der Toilettenkabine hocke. United hat nämlich seine Erdnusspolitik geändert. Keine Erdnüsschen mehr für Anatol, Gino und Eddie. Weil United sich der Sicherheit seiner Passagiere verpflichtet fühlt und die Sicherheitsverpflichtung von United auch die Sicherheit der Passagiere mit Erdnussallergie beinhaltet. Dabei mag ich Erdnüsschen.
Schon Erdnüsschen schmecken ja viel besser zusammen mit Bloody Mary. Keine Erdnüsschen dagegen verlangen geradezu zwingend nach der Gesellschaft von Wodka. Und weil kaum davon auszugehen war, dass Ruben mir noch einen dritten spendiert und ich mich nicht traue, mitten in der Kabine die Wodkaflasche aus meiner Duty-Free-Tüte zu holen, hab ich mich eben in die Toilettenkabine verzogen. Zusammen mit meiner Umhängetasche. Ist ja schließlich mein Kulturbeutel drin. Vielleicht will ich mir ja die Haare bürsten. Oder die Zähne putzen. Umhängetaschen auf dem Klo sind bei United nicht verboten. Nur mitgebrachte Wodkaflaschen. Und Erdnüsschen.
Ich hab Ruben richtig eingeschätzt. Hat mich nur kurz freundlich angelächelt und mir völlig arglos Tomatensaft nachgefüllt, als ich mit meinem leeren Becher im Crew-Aufenthaltsbereich zwischen den Kabinen aufgeschlagen bin. Ein guter Zeitpunkt für meine kleine Party, Ruben und der Rest der Crew sind damit beschäftigt, die heißen Aluschalen fürs Abendessen in den Trolleys zu verstauen und die anderen Passagiere verkneifen sich das Pinkeln lieber, um den Moment nicht zu verpassen, in dem der Wagen mit dem Essen und dem nächsten Drink durch die Gänge kommt. Ich stelle meinen zum Bloody-Mary-Becher geadelten Tomatensaftbecher auf den Waschbeckenrand und stelle Gino und Eddie und mein aufgeklapptes Portemonnaie dazu, sodass mich das Selfie von Orange und mir auf der Aztekendecke aus der Klarsichthülle anguckt. Wie ein kleiner Familienaltar. Und damit Prost. Auf die fruchtbaren Zeiten.
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crowdbabe · 8 years
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(2) Fruchtbare Zeiten
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“Traust du dich nie!“
Trau ich mich doch. Natürlich hab ich abgedrückt.
Ich denk noch, wie schräg eigentlich, das Aztekenmuster wird man hinterher auf dem Foto sehen, wie kratzig so eine handgewebte Aztekendecke ist, eher nicht. Die Augen haben wir zusammengekniffen, unsere Gesichter kreuzen ein paar dunkle Schattenstreifen, von den Zweigen, die sich über uns vor der Sonne bewegen. Man kann die trockenen Hautfetzchen erkennen, die sich von Oranges Nase lösen, ein Stück von meinem ausgestreckten Arm und den zähflüssigen, glänzenden Glibberfaden, den Orange zwischen Daumen und Zeigefinger in die Kameralinse hält.
#Zervixschleim. Klar trau ich mich. #ttc #EWCM bitly.glowfertilityapp
Wahrscheinlich ist spätestens an diesem Punkt eine Triggerwarnung fällig. Ab hier wird´s ziemlich explizit und wahrscheinlich nicht nur für Gino und Eddie #tmi, too much information. Aber wenn man ein Kind kriegen will, ist es total wichtig, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen, auch als Mann, versuche ich Gino und Eddie zu erklären, die ein bisschen gequälte Gesichter machen, weil sie meine Faszination für Dry Days, Bloody Mary und Zervixschleim, die ich Glow verdanke, nie geteilt haben. Glow ist die Fruchtbarkeits-App, die Orange und ich auf unseren Handys installiert haben. Weil Orange mich überzeugt hat, dass wir wissen müssen, was mit unseren Körpern vor sich geht, wenn wir uns aus der Abhängigkeit von irgendwelchen Experten und der Pharmaindustrie befreien wollen. Bevor Orange und Glow in mein Leben getreten sind, hätte ich den weiblichen Gebärmutterhals ja selber noch für abstrakte Kunst gehalten und wäre bei der Ansage „Bloody Mary“ garantiert nicht auf die Idee gekommen, meiner Freundin einen Tampon anzureichen. Aber egal, wie befremdlich euch das jetzt vielleicht vorkommt, eins kann ich euch versprechen: wenn ihr euch auf diese Reise einlasst, wird die Zubereitung von Rührei nie wieder dieselbe für euch sein.
Ich war jedenfalls total dankbar, dass der User-Support von Glow erkannt hat, wie viele Fruchtbarkeitsanalphabeten sich da draußen rumtreiben, deren Kenntnis des weiblichen Fortpflanzungsapparats sich darauf beschränkt, dass es fruchtbare Tage gibt und es gilt, die eigenen Spermien termingerecht auf die Eizelle der Frau abzuschießen, wenn das mit dem Kind klappen soll. Und, schon klar, dass das jetzt nicht gerade klassische Smalltalk-Themen sind, deswegen hat Glow die Kategorie ja auch „Taboo Tuesdays“ gelabelt. Und selbst, wenn das Versprechen, dort wirklich alles thematisieren zu dürfen, mit der mit der reißerischen Frage, „does your partner suck your nipples outside of sex?“ angepriesen wird, geht´s da doch hauptsächlich um ganz praktische biologische und organische Nachhilfe. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Stunden ich mich da rumgetrieben habe, um mich halbwegs auf den Stand zu bringen und vor Orange nicht wie ein kompletter Idiot dazustehen. Und irgendwann ist dir das Vokabular halt total vertraut und dir erschließt sich im Handumdrehen, was es bedeutet, wenn jemand ein Foto von seinen Fingern mit irgendeinem Glibber dazwischen postet und dazu twittert:
Ich musste dieses Bild einfach mit euch teilen, weil ich gerade so unglaublich #fruchtbar bin #ttc #EWCM
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#ttc steht für „trying to conceive“ und lässt sich am ehesten mit „Empfängnisversuch“ übersetzen, EWCM ist die Abkürzung für „egg white clear mucus“ und was man auf dem Foto sieht, ist der eiweißklare Zervixschleim des Mädchens, deren Aufklärungsbedürfnis nicht einmal davor Halt macht, Bilder von ihrem Ausfluss zu twittern. Und den Status unserer Zeugungsversuche. Aber das ist wohl Teil der Vereinbarung, wenn man die Verantwortung für die eigene Fortpflanzungsfähigkeit selber in die Hand nimmt. Oder eben den Zervixschleim zwischen die Finger. Um zu gucken, ob er sich ein paar Zentimeter auseinanderziehen lässt und wie unverkleppertes Eiweiß aussieht. Solche Sachen fragt Glow. Orange und ich haben da so ein kleines Ritual draus gemacht, andere küssen ihrer Freundin jeden Morgen die Muschi oder gehen mit dem Hund raus oder machen zusammen den Sonnengruß. Ich begutachte eben den Schleim, den sich Orange jeden Morgen aus der Scheide holt, und dann diskutieren wir Konsistenz und Farbe und pflegen das in die App ein.
Dass dieses Mädchen vor nichts Halt macht, war mir doch von dem Moment an klar, als sie hinter mir aus dem Container gesprungen ist. Orange macht keine halben Sachen. Wo andere Lebensmittel an kirchliche oder soziale Einrichtungen spenden, steigt Orange in Container. Wo andere Vegetarier werden und Petitionen gegen Massentierhaltung unterschreiben, verrechnet Orange Schlachtschweine mit den Einwohnern amerikanischer Städte. Und wo andere ihren Freundinnen hinter vorgehaltener Hand stecken, dass sie versuchen, schwanger zu werden, leistet Orange Aufklärungsarbeit, indem sie Fotos von ihrem Zervixschleim in den unterschiedlichen Zyklusstadien twittert. Meinen Einwand, dass die Welt da draußen dadurch nebenbei auch über meine Fruchtbarkeits-Performance informiert wird, grinst Orange weg. Ich soll´s als meinen individuellen Beitrag zur Wiedergutmachung ansehen. Für jahrhundertelange patriarchale Unterdrückung und Mansplaining.
Aber gut, wer mit dieser Frau ein Kind haben will, muss den Vertrag gar nicht bis zu Ende lesen, der weiß schon nach der Präambel, dass bei ihr immer alles mit allem zu tun hat. Wer sich auf diese Frau einlässt, gibt sein Recht auf Privatsphäre an der Garderobe ab und erkennt an, dass sie das Patriarchat nicht mit einem Strauß Rosen, ein paar hingetupften rosa Wölkchen und drei Mal Müll runterbringen aus der Nummer rauskommen lässt. Und auch nicht den Mann, in dessen Schwanz eben nicht nur die Spermien sitzen, die sich mit ihrer Eizelle vereinigen könnten, sondern auch das jahrhundertealte Patriarchat. Wär ja nicht die erste Fremdsprache, auf die ich mich einlasse, inzwischen träume ich schon manchmal auf Englisch. Kann ich mich auch an einer weiteren versuchen. An der Sprache der Fruchtbarkeit der Glow Community: #ttc, trying to conceive. #bbt, basal body temperature, die basale Körpertemperatur nach dem Aufwachen, täglich in die App einzupflegen, ganz wichtig, damit Glow den Zeitpunkt nicht verpasst, uns einen mehr oder weniger dezenten Hinweis darauf zu geben, dass wir jetzt aber wirklich die nötige Performance erbringen sollten, falls wir im Folgemonat als Statusanzeige kein Bild von Oranges eiweißklarem Zervixschleim posten wollen, sondern ein #BFP, ein Big Fat Positive. Und wer seinem Zervixschleim und der Basaltemperatur nicht ausreichend über den Weg traut, kauft sich zusätzlich noch das von Glow empfohlene ovulation predictor kit, #opk, die automatische Eisprungvorhersage.
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Auf jeder von Oranges Unterhosen ist irgendeine weibliche Heldin drauf, von Spider Girl über Elasti-Girl bis zu Chief Wilma Mankiller und Orangea Davis. Auf der Unterhose, deren Bild sie nach Ende ihrer letzten Bloody Mary gepostet hat, Hashtag #drydays, war Wonder Woman drauf. Seitdem läuft für uns der Countdown, was sich rein technisch gesehen so darstellt: Während der Eisprungphase durchläuft der Körper das höchste Östrogenlevel und die stärkste Produktion von Zervixschleim. Userfreundlich übersetzt heißt das, sobald ein Ei sich zum Absprung bereit macht, verändert sich bei einer Frau der Scheidenausfluss. Ich kann das bestätigen, ich hab das ja jeden Tag für Glow protokolliert, am Anfang war der eher trüb und irgendwie pappig. Und unmittelbar vor dem Eisprung hast du dann den stärksten Schleimausstoß, dann ist er durchsichtig und glitschig, wie rohes Eiweiß eben. Das ist der Startschuss, auf den du gewartet hast. Das ist das, was Orange gerade zwischen zwei Fingern in die Kamera hält. Den Nachweis ihrer Fruchtbarkeit. Wunderschön.
„Wir könnten da doch einen Zyklus-Fotokalender draus machen, wie diese Jahreszeitenkalender, mit passenden Motiven für jeden Monat, Schneemänner im Januar, Krokusse im März, Strandhandtücher, Sombreros und Margaritas mit Strohhalmen drin im Juli. Nur eben für den weiblichen Zyklus. Genug Fotos müsste die Glow Community ja wohl hergeben, wir sind ja nicht die einzigen, die mit ihrem Zervixschleim hausieren gehen. Lass uns die Welt mit Zervixschleim überziehen! Ich meine, was kriegst du denn angeboten, wenn du bei iStock oder irgendeiner anderen Bilddatenbank nach Motiven für Fruchtbarkeit und Schwangerschaft suchst? Blümchen vor Babybäuchen, Schwangerschaftstestsets, Clomifen-Tablettenpackungen, das war´s dann aber auch schon mit der reproduktiven Realität… Wo findest du denn bitte außerhalb der Glow Community die ungeschönte Wahrheit über unsere Fruchtbarkeit? Ich meine, das wäre doch echt mal ein radikal emanzipativer Akt – was Facebook zensiert, Glow zeigt´s.“
Radikal emanzipativer Akt, versteht ihr, was ich meine, wenn ich sage, unter der Weltrevolution macht´s eine wie Orange nicht? Aber sie hat ja auch einfach Recht, manche Dinge müssen wir eben erst zu denken lernen. Dass nicht etwa unversehrte Lebensmittel aus dem Container widerlich sind, sondern die Tatsache, dass wir jeden Monat tonnenweise unverdorbene, frische Lebensmittel in den Müll hauen. Dass wir zwar ein Tamagotchi am Leben erhalten und das komplette pornographische Kürzelalphabet von Youporn durchbuchstabieren können, aber keine Ahnung von den natürlichen Abläufen und Sekreten unserer Körper haben. Klar kommst du dir am Anfang vor wie der Ochs vorm Berg, wenn du nämlich merkst, dass du von Tuten und Blasen keine Ahnung hast und dich da gerade auf was einlässt, was `ne Nummer zu groß für dich ist. Meine Vorstellung davon, was es heißt, Verantwortung für ein Lebewesen zu übernehmen, war ungefähr so krisselig und grobkörnig wie das erste Ultraschallbild von mir, das Mama in ihrem Mutterpass hatte. In meiner Vorstellung hat meine Verantwortung als Mann irgendwie im Kreißsaal eingesetzt, bei der Geburt, oder von mir aus schon vorher, falls du genau das verhindern willst, also die Geburt. Dann übernimmst du als Typ wahrscheinlich die Verantwortung, dich um Kondome zu kümmern. Aber alles, was vor dem Ultraschallbild und dem Kreißsaal kommt, also sogar vor dem Sex, darüber hab ich mir doch nie eine Platte gemacht. Und weil ich damit in verdammt guter Gesellschaft bin, hat Max Levchin mit der Glow App ein ziemlich profitables Geschäftsmodell daraus gebastelt. Auch wenn er natürlich lieber auf seine Rolle als Retter aller unfreiwillig kinderlosen Paare hinweist als auf die Profitabilität seiner App.
Dabei ist natürlich weder der gute Max ein Erlöser noch Glow die Erlösung, sondern ein ziemlich gnadenloser Datenkrake, der unerbittlich alle Informationen aus dir herausmelkt und dabei permanent ein schlechtes Gewissen in dir abruft, du könntest den Erfolg des Unterfangens gefährden, wenn du Glow nicht deine intimsten Geheimnisse anvertraust. Und wer lässt sich schon gerne vorhalten, das Ausbleiben einer Schwangerschaft selbst verschuldet zu haben, nur weil er Glow aus Peinlichkeit und Scham irgendwelche unangenehmen Details verschweigt. Erektionsschwierigkeiten, eine Woche Dauersuff, so Zeug halt. Denn für die erfolgreiche Befruchtung ist es ja mit Körpertemperaturmessung und Zervixschleimkonsistenz noch lange nicht getan, du schuldest Glow auch Rechenschaft über jede gerauchte Zigarette, jedes Bier, jeden Sex, den du hattest oder eben nicht, und in welcher Position er stattgefunden hat, oben, unten oder anders, wobei Glow sich darüber ausschweigt, was unter „anders“ zu verstehen ist. Und dabei macht Glow bei Sex und Drogen noch lange nicht Schluss, weiter geht´s mit deiner generellen körperlichen und psychischen Verfassung, dafür gibt´s sogar ein fettes Dropdownmenü, die reinste Selbstbedienungstheke: Akne, Rückenschmerzen, Aufgeschwemmtheit, Verstopfung, Krämpfe, Durchfall, Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hitzewallungen, Verdauungs- oder Schlafstörungen, Migräne, Übelkeit, Schmerzen beim Sex, Beckenschmerzen, Brechreiz, schmerzende Brüste und Vaginalschmerzen, aber auch so Sachen wie Appetit und Sextrieb sind im Angebot, you name it, Glow got it. Keine Ahnung, ob Appetit und Sextrieb tatsächlich als Beschwerden gelten oder einfach nicht einzuordnen waren, aber ich wette, die nächste Weiterentwicklung, die Levchin auf den Markt schmeißt, ist eine Sexualtherapie-App.
Was soll ich sagen. Natürlich machen Orange und ich uns über uns selber lustig, aber wenn du erstmal so und so viele Jahre nicht verhütet hast und trotzdem nicht schwanger geworden bist wie Orange mit ihrem Ex, dann gehst du eben auf Nummer sicher. Also haben wir´s nicht bei der kostenfreien Version belassen, sondern von Anfang an Glow First gebucht, sozusagen das erste Klasse Upgrade, eine Art Versicherung gegen Unfruchtbarkeit. Sollten wir also wider Erwarten trotz Schleimanalyse und Vögeln nach Eisprung bis nächsten Juni noch nicht schwanger sein, finanziert uns der Glow Fonds eine Fruchtbarkeitsbehandlung in einer Glow Vertragsklinik. Was schon eine Ansage ist, wenn man weiß, dass so ein künstlicher Befruchtungszyklus ungefähr bei 12.000 Dollar liegt und kaum eine staatliche Gesundheitsvorsorge diese Kosten übernimmt. Max Levchin hat den Fonds mit einer Million Dollar Privatvermögen angestoßen, aber der hat ja auch mit PayPal genug Geld gescheffelt, um jetzt Schwangerschaften über Crowdfunding zu finanzieren.
Aber was heißt schon Schwangerschaften finanzieren, ein Stück Unberechenbarkeit bleibt natürlich immer. Insofern entspricht Glow weniger einem Strategiespiel, sondern eher einer Runde „Mensch ärgere Dich nicht“, mit jedem Zug unternimmst du kleinere oder größere Schritte, um deinem Ziel näher zu kommen, und manchmal fliegst du kurz vor dem Ziel raus, während die anderen an dir vorbeiziehen. Aber immerhin auch kein reines Glücksspiel, bist ja nicht völlig vom Würfelgott abhängig, kriegst ja genügend Hinweise, was du tun kannst oder ändern musst, um dein Ziel zu erreichen. Orange mag die Spielmetapher nicht, zu oft hat man mit ihr und ihren Gefühlen gespielt. Nach einer Kindheit mit einer emotional unberechenbaren Mutter, die ihr das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Aussagen und Gefühlen gründlich ausgetrieben hat, hat sie sich treffsicher auf Männer eingelassen, die dieses Muster bedient und sie nach Strich und Faden hintergangen haben. Den Menschen, den man liebt, zu hintergehen und danach mit ihm zu schlafen, ohne dass er von dem Betrug wisse, gehört zu den absoluten Todsünden, hat sie mich wissen lassen, noch bevor sie das erste Mal ihr T-Shirt hochgezogen hat. Weil nämlich Sex mit einem Partner, dem eine entscheidende Information fehlt, Sex mit einem Menschen, der nicht weiß, dass er betrogen wurde, unter falscher Voraussetzung stattfindet. Und damit gar nicht einvernehmlich sein kann. Ich hab genickt und ihr zugestimmt und darauf verzichtet, ihr zu sagen, dass ich nicht vorhabe, sie je zu betrügen. Hab genickt und ihr zugestimmt, dass Glow dann doch eher mit einer Ernährungsumstellung vergleichbar sei. Oder einer Verhaltenstherapie. Zervixschleimbilder twittern, Fruchtbarkeitswein aus Storchschnabelkraut brauen, über die Wiese robben und Löwenzahnknospen abknipsen, Eicheln vom Waldboden oder Konservenbüchsen aus Containern klauben, letztendlich experimentieren wir mit Dingen, mit denen wir uns vorher nicht befasst haben, in der Hoffnung, damit einen nicht mehr akzeptablen Zustand zu verändern. Und dass diejenigen, die dem Wahnsinn dieser Welt Alternativen entgegenzusetzen versuchen, komisch angestarrt zu werden, sei ja schließlich das Risiko aller Revolutionäre. Und dass ich mich nicht so anstellen soll, ich müsse doch schließlich gewohnt sein, nicht für ganz dicht gehalten zu werden. Einer, der mit Spielzeugnilpferden spricht und ein Foto vom Zervixschleim seiner Freundin im Geldbeutel herumträgt.
Manchmal bin ich nicht ganz sicher, ob ich komisch bin oder die anderen. Aber auf meine Rückfrage bestätigen mir auch Gino und Eddie, die sonst nicht verdächtig sind, zu viel Verständnis für mich aufzubringen, dass sie nicht verstehen, was ein Zervixschleimbild merkwürdiger macht als die Ultraschallaufnahme eines sieben Millimeter großen bohnenförmigen Zellhaufens in der 7. Schwangerschaftswoche, die andere Menschen im Geldbeutel rumtragen. Orange hat Recht. Wir müssen viel radikaler werden, wenn wir gegen das Ausmaß der Perversion, mit der bestimmte Dinge in dieser Welt als normal dargestellt werden, vorgehen wollen. Ich meine, da stimmt doch etwas ganz gewaltig nicht, in einer Welt, in der alles, was zwischen zwei Menschen und ihren Körpern stattfindet, mit Scham behaftet ist. Sex hat allgegenwärtig und lustvoll und geil zu sein, aber worüber du bitte auf keinen Fall auch nur irgendein Wort verlierst, ist, , dass du irgendein Problem damit hast, mit deinem Körper, mit deinem Schwanz, mit deiner Erektion oder damit, deiner Freundin zu sagen, dass dich jede gottverdammte Kleinigkeit verunsichert: ihr BH-Verschluss, der Zeitpunkt und die Worte, mit denen du einen HIV-Test ansprichst, die Panik, einen echten nicht von einem gefakten Orgasmus unterscheiden zu können, die Angst, versagt zu haben, wenn sie nach dem Orgasmus nicht in einer klatschnassen Lache liegt, und überhaupt, wie das mit den Körperflüssigkeiten und den Geräuschen ist, Schwitzen, Stöhnen, die Liste könnte ich ewig fortführen und da sind wir erst beim Sex und noch lange nicht beim Gespräch über Fruchtbarkeit und den weiblichen Zyklus, Leute.
„Warum drehst du den Spieß nicht einfach um? Du kennst doch diese widerlichen YouTube Tutorials, auf denen dir irgendwelche Ekelpakete erklären, was du tun musst, um erfolgreich eine Frau abzuschleppen. Ihr zieht einfach euren eigenen Kanal auf, du, Gino und Eddie, ihr wärt doch ein Dream Team! Ich seh dich schon in Boxershorts und Küchenschürze mit dem Schneebesen in der Luft herumfuchteln, „die Konsistenz von eggwhite clear mucus“, erklärst du, „hat jeden zeugungswilligen Mann mindestens so dringend zu interessieren wie die Qualität seiner Spermien – der Zervixschleim ist die Rutschbahn, auf der seine Spermien auf die Eizelle zuschlittern!“ An der Stelle würde Gino dir ein rohes Ei anreichen und Eddie ein Messer, beim Aufschlagen muss das Eigelb intakt bleiben, und natürlich erwartet der Zuschauer, dass du das Ei als nächstes mit dem Schneebesen verklepperst, stattdessen zoomt die Kamera auf die aufgeschlagene Eierschale, man sieht in Nahaufnahme, wie du Daumen und Zeigefinger im Eiklar versenkst, beim Rausziehen hast du ein bisschen Glibber zwischen den Fingerkuppen, den du ganz, ganz vorsichtig auseinander ziehst und einen dünnen Glibberfaden spannst, dein eigener Zervixschleim-Kanal, Hashtag #EWCM, das wär mal ein Zeichen. Aber das traust du dich nicht, stimmt´s?“
Stimmt. Hab ich mich nicht getraut. Hab stattdessen eine Packung Engelshaarnudeln aus dem Lager mit der Containerbeute geholt. Morgen ist ein E-Tag. Morgen gibt´s Engelshaarpasta. Morgen lege ich mein Ohr an Oranges Bauch und höre, wie mein künftiges Kind den Sprung in die Zukunft wagt. Eisprung und Engelshaar-Pasta. Mein radikal emanzipativer Akt findet nicht auf YouTube statt, sondern in meinem Portemonnaie. Mit dem ausgedruckten Zervixschleim-Selfie, das ich gegen das Bild von Mama, Papa und mir ausgetauscht habe. Ab jetzt fällt mein Blick, wenn ich an irgendeiner Kasse stehe, auf meine Zukunft, nicht mehr auf meine Vergangenheit. Nicht auf Mama und Papa, die mich von einer Picknickdecke im Park anlächeln. Auf dem Foto sind sie kaum älter als Orange und ich, sie haben die Köpfe aneinander gelegt und gucken in den Himmel, Papa hat seine Hand auf Mamas Hand gelegt. Sie sehen glücklich aus, man sieht ein Stück von Papas ausgestrecktem Arm, wie er versucht, die Kamera weit genug wegzuhalten, damit er beide Gesichter draufkriegt, das Lederband von der Kamerahülle baumelt dabei ins Bild. Mamas Hand liegt auf einem geringelten Frotteestrampler. Der Babybauch, der in dem geringelten Frotteestrampler steckt, ist mein Bauch. Sie wirken glücklich. Miteinander. Mit mir. Eine Familie zu sein. Es ist das letzte Bild, auf dem wir zusammen drauf sind, also Mama, Papa und ich. Danach gibt es kein weiteres Foto von uns dreien mehr. Kein Bild, auf dem sie mich an der Hand halten und „Engelchen, Engelchen, flieg“ mit mir machen. Kein Einschulungsfoto, auf dem sie hinter mir stehen und mir die Hand auf die Schulter legen. Mit mir auf einer Luftmatratze im Meer herumtollen.
Warum es diese Fotos nicht gibt, dafür hatten beide überzeugende Erklärungen. Bei keinem von beiden hat es falsch geklungen. Falsch hat es sich nur angefühlt. In mir. So soll sich mein Kind nie fühlen müssen. Ich hab nicht viel vor im Leben. Aber das werde ich zu verhindern wissen. Orange und ich, wir kriegen das anders hin. Wir werden nicht mit dem Finger auf dem Auslöser verharren, um den perfekten Moment zum Abdrücken nicht zu verpassen. Unser Kind wird nicht die Erfahrung seiner Mutter machen. Sich abgelehnt zu fühlen. Falsch. Nicht dazugehörig. Für die Unehrlichkeit und Untreue das Schändlichste sind, was Menschen einander antun können. Wir werden mit unserem Kind Eicheln in Gruben werfen.
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crowdbabe · 8 years
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- - - - - - flight status - - - - - - - - -
Die Erinnerung an Orange spüle ich zusammen mit meinem Sperma in der Bordtoilette runter und wische das Waschbecken brav mit dem Papierhandtuch aus, hinterlassen Sie diesen Ort, wie Sie ihn vorzufinden wünschen, ich gehe nicht davon aus, dass Orange und mein Sperma zu den Dingen gehören, die irgendwer hier vorzufinden wünscht. Bei der Wodkaflasche könnte es sich anders verhalten, aber so weit geht mein Gemeinsinn dann doch nicht. Den leeren Becher hab ich mir von Ruben mit Tomatensaft auffüllen lassen, als er uns das eingeschweißte Abendessen auf die Ablage gestellt hat. Showtime. Gino und Eddie mögen zwar inzwischen Experten in Sachen Löwenzahnkapern und Waukang Tacos sein, aber in Aluschalen eingeschweißtes Essen kriegen sie zum ersten Mal im Leben zu Gesicht (auf dem Hinflug waren sie ja noch in ihrer gelben Hülle hinter einer Schokoladenwand von der Außenwelt abgeschirmt). Ich gebe mir Mühe, die Alufolie möglichst wackelfrei von meinem Rigatoni-Auflauf abzuziehen, um die glitzernden Kondenswasserperlen an der Folienunterseite nicht zu zerstören, bevor sie auf die Parmesanschicht, das eingeschweißte Mehrkornbaguette, die Folie über dem Apfel-Weizenkorn-Salat und die das klarsichtumhüllte Einwegbesteck tropfen. Mich überkommt ein bisschen Vaterstolz. Immerhin, das kann ich noch. Plastiknilpferde mit physikalischen Eigenschaften mikrowellenerhitzter Bordmenüs beeindrucken. Und ertappe mich dabei, dass ich sofort darüber nachdenke, ob das Kondensspektakel über Home-Style Truthahn-Hackbraten in würziger Barbecue-Sauce mit Süßkartoffelstampf mit Amaranth-Mango-Salat nicht eindrucksvoller gewesen wäre. Oder gekräuterter Hähnchenbrust in Steinpilzrahm mit Polenta nach Carolina Art, serviert mit Cranberry-Kürbis-Quinoa-Salat und hausgemachtem Vollkornciabatta. Keine Ahnung, wie United in einem Flieger was Hausgemachtes produzieren will, aber Cranberries mag ich, den Salat hätte ich gerne genommen, aber ohne Hähnchenbrust gibt´s den wohl kaum, und dass sich mit meinem Eintritt in die Food Salvation Army die Tür zum Industriefleischkonsum für immer verschlossen hat, muss ich ja wohl nicht dazusagen. Wobei dem Industriekäse auf dem Rigatoniauflauf mit Sicherheit auch niemand gesagt hat, dass er sich als Parmesan ausgeben soll.
Jetzt ist mir schlecht, aber als ich einen Verdauungsschnaps in Erwägung ziehe, schüttelt Gino streng den Kopf, während Eddie die Apfelschnitze aus dem Salat pickt. Ich lege den Hinterkopf an die Rückenlehne, schließe die Hand um den kühlen Tomatensaftbecher und träume uns an unsere Imbissbude in Waukegan zurück >> 
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crowdbabe · 8 years
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(3) Sorry guys, no fries
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Noch immer laufen wir falsch etikettiert durch die Welt. Mit Etiketten, die wir uns lieber heute als morgen abreißen würden. Orange ihr #ttc. Und ich eben als Friendly Fruit´n´Veggie Artist. Aber irgendwo muss die Kohle für den monatlichen Glow-Beitrag ja herkommen, die es uns ermöglicht, an unserer Neuetikettierung zu arbeiten. Beziehungsweise arbeiten zu lassen, falls das mit der Schwangerschaft nicht von alleine klappt. Das hat selbst Orange eingesehen. Aber natürlich hat sie gefeixt, hat nackt auf dem Klodeckel gekauert, die erste Kippe des Tages im Mund und mir dabei zugeguckt, wie Anatol, der Zervixschleimexperte, sich das hellblaue Hemd zugeknöpft, das Plastikschildchen daran befestigt und zum „Customer Attraction Optimization“-Seminar aufbricht, zu dem Sheryl mich verdonnert hat, weil sie sich davon verspricht, dass ihr Fruit´n´Veggie Artist dank angewandten Color Blockings hinterher den Greens´n´Queens Gemüseabsatz um mindestens fünf Prozent steigert.
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„Fehler Nummer eins: zu glauben, eure Kunden hätten einen Plan. Dreimal dürft Ihr raten, was die statistischen Erhebungen als beliebtestes Obst und Gemüse ausgemacht haben, das sich auf amerikanischen Einkaufszetteln findet: Obst und Gemüse. Soll heißen: ob eure potenzielle Kundin hinterher mit Brokkoli, Pak Choi, Süßkartoffeln oder Austernseitlingen nach Hause geht, das weiß sie vorher selber noch nicht. Es liegt also in eurer Hand, ihre Entscheidung zu beeinflussen.“ Der Typ ist sich echt nicht zu doof, zur Color-Blocking-Schulung im rosa Blockstreifenhemd anzutanzen. Er erinnert mich an meine Sprühflasche, bei jedem Zischlaut entlässt sein Mund einen Schwall winziger Tröpfchen, im Beamerlichtstrahl sieht das aus wie Sprühnebel. Zum Glück hab ich mich strategisch klug am Türrahmen positioniert, dem blockgestreiften Spuckriesen traue ich zu, dass er die Farbschulung noch in Mitmachtheater verwandelt. „Am Gemüseregal müsst Ihr um sie werben, müsst sie ihren Alltag da draußen vergessen lassen, die schmutzigen Geschirrberge in der Spüle, den kleinen Racker mit dem aufgeschlagenen Knie und den Göttergatten, der um fünf seinen Hut an die Garderobe hängt und dampfende Schüsseln auf dem gedeckten Tisch erwartet...“ Kleiner Racker? Geschirrberge? Hut an die Garderobe hängt? Mr. Blockstreifen hat als Kind ganz klar zu viele reaktionäre Fernsehserien geguckt. Der Mittlere Westen ist jetzt vielleicht nicht gerade als Motor von Innovation und Veränderung bekannt, aber Geschirrspüler und berufstätige Mütter gehören selbst hier seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire.
„Eure Aufgabe ist es, die Kundin aus ihrem Alltag zu entführen und aus dem Schwarz-Weiß-Film ihres Einkaufszettels einen Farbrausch zu machen!“ Und schon hat Blockstreifen-Harold die Teilnehmer in der ersten Reihe mit der nächsten Sprühsalve eingenebelt. Ganz offensichtlich glaubt er den Bullshit, den er da von sich gibt. Als ob dieselbe Kundin, die sich im Internet einen halben Doktorgrad anliest, wenn es um eine ADHS-Diagnose oder die Vorzüge von Kaltschaum- gegenüber Rosshaarmatratzen geht, bei Obst und Gemüse plötzlich sediert wäre. Die Zeiten, in denen du in Fernsehshows damit antreten konntest, aus drei Sorten Konservenobst unter einer fetten Schicht Sprühsahne herauszuschmecken, welches davon die Dosenananas, welches die Dosenpfirsiche und welches die Dosenmandarinen sind, sind echt vorbei. Aber Blockstreifen-Harold ist nicht aufzuhalten, der Typ hat eine Mission und diese Mission heißt Color Blocking. Das einzige Heilmittel, mit dem ein auf regionale Anbieter und Organic Products spezialisierter Markt wie Greens´n´Queens gegen Discounter anstinken kann, Stichwort Billigbananen, Billiglitschis und Billigavocados, das Segment ist fest in Feindeshand, Harold findet sich witzig und in die Sprühsalve, die sein Lachen begleitet, knurrt mein Magen, während Harolds Wurstfinger schon den nächsten Feind in der Luft ersticht, die globale Lieferkette, die so viel kostengünstiger und effizienter arbeitet. Totaler Quatsch, wer bei Greens´n´Queens einkauft, weiß, dass er hier viel zu viel bezahlt und tut das freiwillig, um ein bisschen an den Konturen seines schlechten Gewissens und seines ökologischen Fußabdrucks zu feilen. Für Greens´n´Queens-Kunden sind die vier Dollar, die sie für eine fair gehandelte Avocado hinlegen, ein Ablasshandel. Was soll´s. Ich bezahle Harold ja nicht. „Es reicht nicht, dass ihr nur die besseren Produkte habt – auf den Look kommt es an. Der Look muss stimmen!“, jetzt rudert Harold mit den Armen durch sein Sprühgewitter, „Ästhetik! Ästhetik ist King!“ Ich hab in Deutschland mal diesen Film gesehen, in dem eine Terroristin ihr Tun verteidigt. Wer mitmacht, weil er an das Schlimme glaubt, sei ja schon schlimm genug, aber richtig schuldig, so ihre Argumentation, macht sich erst, wer erkannt hat, dass etwas falsch ist und trotzdem mitmacht. Was soll ich sagen? Harold glaubt an den Quatsch, den er erzählt. Harold kommt aus der Schublade „schlimm“ nicht mehr raus. Aber ich, ich hab jetzt die Wahl, mich richtig schuldig zu machen. Oder eben nicht.
Als wir am McDonald´s an der North Sheridan vorbeikommen und Gino und Eddie nach Pommes betteln, belehre ich sie, dass wir da nicht hingehen, weil die dir vorschreiben wollen, dass du deine Mahlzeit innerhalb von max. 15 Minuten zu beenden hast und das Rumlungern grundsätzlich untersagt ist. Da sind sie still. In Läden, die das Rumlungern verbieten wollen, wollen selbst illegal eingereiste deutsche Überraschungsei-Hippos keine Pommes. Ich lobe sie, weil sie so charakterstark sind, und verspreche ihnen ein Waukang Taco unten im Dockside Deli. Ist zwar ein Stück weiter, aber sie sitzen ja in meiner Hosentasche und eine Aussicht, tröste ich sie, gibt´s auch nicht zu verpassen. Da hat Ottilie mit ihren Erzählungen vom Seebad Waukegan ein bisschen falsche Erwartungen geweckt. Andererseits, als Ottilie Ender der 50er in Mathon´s Seafood Restaurant gekellnert hat, war Waukegan wahrscheinlich noch ein bisschen schicker als heute. Heute steigst du hier aus dem Metra-Abteil und statt einer Seepromenade guckst du auf die Waukegan Water Filtration Plant, Maschendraht und die Bootsreparaturwerft. Mathon´s Seafood Restaurant ist vor ein paar Jahren abgerissen worden, nur der Mathon Drive erinnert an den griechischen Fischer, bei dem Ottilie damals Kellnerin war. Der Mathon Drive, der heute die Auffahrt zur Interstate ist. Über dem weißen Bretterpavillon vom Dockside Deli weht die amerikanische Flagge und unter dem Sonnenschirm, der Werbung für Mountain Dew macht, hängen alte Männer rum, karierte Hemden, Basecaps, altmodische Brillengestelle, vor sich riesige Plastikbecher mit Bier.
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„Sorry guys, no fries“, informiere ich die Hippos. Überflüssigerweise, denn erstens können sie den Hinweis selber lesen, der auf einem Zettel am Rahmen des Bestellfensters hängt, von dem der rote Lack absplittert, und außerdem habe ich ihnen ja ohnehin keine Pommes versprochen, sondern ein Waukang Taco. Während wir Jake durch das Bestellfenster dabei beobachten können, wie er im Zeitlupentempo einen Beutel Doritos aufreißt, eine Kelle Hackfleischpampe und Salsa auf die Chips klatscht und in die Mikrowelle schiebt, erzähle ich ihnen, wie wir früher immer eine Tüte Tortillachips unter unseren Anoraks ins Kino geschmuggelt haben, weil die im Cinestar für eine Portion Nachos gnadenlos sechs Euro verlangt haben. Hier schieb ich Jake drei Dollarscheine durch sein Fenster und kann dafür an der Selbstbedienungstheke so viel Gurkenrelish, Tomaten und Röstzwiebeln auf meinen Waukang Taco schaufeln, dass davon auch noch zwei Spielzeughippos satt werden. Ich schnappe uns drei kleine Gäbelchen und erkläre den Hippos, dass Zeitlupen-Jake wahrscheinlich Legastheniker ist und das Ding gar nicht Waukang Taco, sondern Walking Taco heißt, weil der ja zum Mitnehmen ist.
Ich bin am Wegdösen, Augen zu, Realität und Harolds Farbfilterseminar ausgeblendet, die Sonne wärmt mein Gesicht und das einzige Geräusch ist das Plätschern der Wellen und das friedliche Knurpseln aus dem Innern der Tacotüte. Einer von diesen Momenten, in denen Glutamat, Sonne und Überforderung diese betäubende Allianz eingehen, in der selbst der mieseste kleine Trigger keine Chance hat. Kein Eisprung, kein Containerinhalt, nicht mal eine provokativ vor deiner Nase geschwenkte Biomüllschüssel, die zum Kompost gebracht werden will, weil Lars Eidinger natürlich immer noch nicht aufgetaucht ist, um den Job zu übernehmen (und, ganz im Vertrauen, Lars Eidinger, falls du damit liebäugeln solltest: lass es. Den Job willst du nicht.) „Nur, weil du hier rumträumst, bringt sich das Altglas noch lange nicht selber weg. Muss großartig sein, die Augen vor der Realität zu verschließen, solange man einen nützlichen Deppen hat, der sich für alles zuständig fühlt... Ich möchte einmal nachhause kommen und der Müll ist ausgeleert oder die Wäsche aufgehängt.“ Mamas Stimme aus dem Off. Wie auf Kommando, sobald ich entspannt irgendwo rumsaß. Diese ewige Vorwurfshaltung. War ja auch echt gestraft mit mir, wo doch alle anderen Söhne mit der Werkseinstellung geboren werden, ihren Müttern das Leben zu erleichtern. Hat lange gebraucht, bis ich gemerkt hab, was sie da eigentlich macht. Dass nicht ich für ihre Entscheidung verantwortlich bin, sich von Papa zu trennen und mich alleine groß zu ziehen. Dass es keineswegs die Mutter-Sohn-Standardeinstellung ist, dass eine die wackere Enttäuschte gibt und der andere den Enttäuscher. Dass manche Mütter ihre Kinder anlächeln, wenn sie sie sehen. Weil sie sich freuen, sie zu sehen, und nicht den schon-wieder-Enttäuscher in ihnen sehen. Als ich noch kleiner war, hab ich alles für dieses Lächeln getan. Aber es hat nie genügt. Und dann hab ich halt aufgehört, mit dem Genügen. Hab aufgehört, mich meiner Existenz zu schämen, nur, weil man sie mir zur Verfügung gestellt hat.
 „Hey Jungs, rutscht mal ein Stück und macht Platz für ein paar morsche Knochen.“ Die Stimme aus dem Off unterbricht einen bei mir überaus seltenen Moment, in dem ich mich außerhalb der historischen Zusammenhänge im Allgemeinen und meiner reproduktiven Verpflichtungen im Besonderen wähne. Offenbar habe ich unterschätzt, dass die historischen Zusammenhänge über ein weitaus größeres Repertoire an um Aufmerksamkeit heischenden Momenten verfügen als meine Mutter und Oranges Eizellen. Ich wünschte, ich hätte ein „out of order“-Schild umhängen und könnte bis in alle Ewigkeit unsichtbar auf meiner Bank sitzenbleiben, gelegentlich einen Schwall Tacowürzsalz aufstoßen, ohne mich zu schämen, wenn ich dabei rülpse oder mir beim Wegnicken der Sabber aus dem Mund läuft. Aber außer den Chipskrümel aus der Tacotüte pickenden Hippos und mir sitzt niemand auf der Bank. Bleibt mir also kaum was anderes übrig, als die Augen aufzumachen.
Ist dann aber zum Glück niemand, der mir die Schüssel mit dem Biomüll entgegenstreckt. Ist auch nicht Lars Eidinger, der sich erkundigen will, warum ich ihm von dem Job abrate. Mit der dunklen Sonnenbrille und dem Cordhütchen wirkt der alte Mann eher wie aus einem dieser 60er-Jahre Filme entsprungen, die Augenbraue von Lino Ventura, der Blick von Telly Savalas, ein bisschen Marlon Brando in „Der Pate“, so die Kategorie. Steht da, auf seinen Stock gestützt, und obwohl man durch dunkle Sonnenbrilllengläser nicht wirklich viel erkennen kann, habe ich den Eindruck, dass er mich freundlich mustert. Ob ich das seinem Alter zuschreiben soll oder meiner Sehnsucht, keine Ahnung, aber etwas an ihm erinnert mich an Ottilie. Ich nicke ihm zu und ziehe die halbleere Chipstüte und ihr knurpselndes Innenleben ein bisschen näher zu mir, um ihm Platz zu machen. Beim Hinsetzen erinnert er mich an meine Bionicle-Figur von früher, umständlich winkelt er jedes Gelenk einzeln an, bis der Winkel passt und sein Hintern auf der Sitzfläche landet. Er streicht sich die Hosenbeine glatt und seufzt. Als er den Kopf in den Nacken legt, knackt es ein bisschenKeine Ahnung, ob er von hier ist, aber er ist auf jeden Fall aus einer Zeit, in der man bei Mathon´s noch frischen Fisch gekriegt hat. Mathon´s Seafood Restaurant, in dem Ottilie als Kellnerin gearbeitet hat, als sie nach dem Krieg in die USA ausgewandert ist. Was ich mir übrigens bis heute nicht vorstellen kann, obwohl ich durch dieselben Straßen laufe wie Ottilie damals und sie bestimmt auch mal am Seeufer gesessen hat. Ich kann mir ja schon meine eigene Mutter schwer als junge Frau vorstellen, wie sie Papa kurz nach der Wende in Leipzig kennengelernt hat, und davon gibt es sogar Farbfotos. Richtig schwer wird es, wenn ich mir Menschen in einer Vergangenheit vorzustellen versuche, die ich nur aus Schwarz-Weiß-Filmen oder Geschichtsbüchern kenne. Also nicht, dass ich mich darauf nicht einlassen würde, im Gegenteil, eine Zeit lang hab ich das alles verschlungen, um irgendwie den Nationalsozialismus zu verstehen, aber Ottilies Erzählungen und Schindlers Liste und die Schwarz-Weiß-Fotos von abgemergelten KZ-Häftlingen zusammenzukriegen, ist mir nie gelungen. Also vor allem, mir eine Vorstellung vom Alltag und den Beziehungen zu machen, was weiß ich, zum Beispiel, wie die damals ihren Müll entsorgt haben, oder wie Paare ausgehandelt haben, wie sie im Bett angefasst werden wollen oder was sie voneinander im Leben erwarten. Ich meine, ich bin nicht naiv, ich weiß schon, dass Rollen früher anders verteilt waren und Menschen weniger Spielräume hatten, dass sie ihre Beziehungen damals nicht über Mini-Donuts in Lebensmittelcontainern ausgehandelt, nicht die Konsistenz ihres Zervixschleims in Apps eingepflegt, sich nicht mit Sperma in der Hose vor Spülbecken haben stehen lassen. Aber über bestimmte Dinge müssen sie doch gesprochen haben. Was sie wollen. Was sie nicht wollen. Nur, weil es zu bestimmten Zeiten noch kein Glow, kein Frauenwahlrecht und keine Elternzeit gab, heißt ja nicht, dass Frauen keine Wünsche und Bedürfnisse gehabt hätten.
„Glaubst du eigentlich, dass ich mich zum Schweigen neben dich gesetzt habe? – Hi. Ich bin Jerry.“ Der Mann mit dem Cordhütchen und dem Geruch nach Vergangenheit streckt mir seine Hand entgegen und weist mit dem Kinn auf die Chipstüte. Aus dem Innern der Tüte ist ein Knurpseln zu hören und von Gino nur das dicke grüne Hinterteil zu sehen. „Deine Freunde?“ Der Typ gefällt mir. Mit so einem Einstieg katapultiert sich Jerry Savalas-Ventura-Brando sofort in unsere Gunst, sodass ihm ohne Umschweife erzähle, dass wir drei quasi ein Remake von Konrad Lorenz und seinen Graugänsen sind, und ihm schildere, wie ich die beiden in einer dramatischen Befreiungsaktion vor den Augen eines Zollbeamten aus ihren Schokoladeneierhälften befreit habe, und wir seitdem alles miteinander teilen, bis hin zu unserem Befremden über die eigenartige amerikanische Angewohnheit, zerbröselte Chips mit Tomatensalsa und Sour Cream in einer mikrowellenerhitzen Alutüte zu servieren. Woraufhin sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitet und eine stattliche Anzahl an Goldkronen enthüllt. Er nimmt seine Sonnenbrille ab und beugt sich über die Chipstüte. „Deutsche also, alle drei? Nicht gerade häufig, dass hier Deutsche auftauchen. Aber unsere absonderliche Ernährungsgewohnheit scheint euch ja zu schmecken. Ich bin mit dem Zeug nie richtig warm geworden. Ihr wisst schon, dass sich das eine ganz gewiefte Nonne aus Chicago ausgedacht hat, als sie mit einer Horde Waisenkinder hier am Lake Michigan unterwegs war?“
Den Hippos stehen Fragezeichen in den Gesichtern, zu Waisenkindern fällt ihnen nicht viel ein, muss man ihnen nachsehen, die sind ja sowas von einundzwanzigstes Jahrhundert und Waisenkinder total old school, erkläre ich Jerry, der sein Cordhütchen abgenommen und den Look-alike-Contest damit eindeutig zugunsten von Telly Savalas entschieden hat. Sein breiter Schädel ist komplett kahl und glänzt. Er kratzt sich mit den kurzgeschnittenen Fingernägeln über die Kopfhaut. Ob wir denn nicht Oliver Twist gelesen haben? Haben wir nicht, stattdessen will Eddie, der sich offenbar plötzlich selbst ein bisschen als Waisenkind identifiziert, wissen, wie das denn so läuft mit den Nonnen und den Waisenkindern und ob man Kinder heute immer noch bei Nonnen abgibt, wenn die Eltern beide tot sind. Ich kenne mich da nicht aus, aber mir fallen die ganzen Broschüren und Spendenaufrufe ein, die wir in der Vorweihnachtszeit immer im Briefkasten hatten, also murmele ich was von SOS-Kinderdörfern und Plan International.
Und dann beschäftigen wir uns eine Weile wieder selbst. Jerry, indem er eine Pfeife aus seiner Jackentasche zieht, deren Kopf ein bisschen Ähnlichkeit mit einer Walnussschale hat, und bröselt den Tabak, den er aus seinem Tabakbeutel geholt hat, zwischen zwei Fingern in den Pfeifenkopf. „Maiskolbenpfeife“, kommentiert er den neugierigen Blick der Hippos, die mit Chipsbröseln an den Mäulern auf dieses Wesen mit dem polierten Kopf starren, das sie mit einer Selbstverständlichkeit miteinbezieht, als sei es das Normalste der Welt, mit Plastiknilpferden zu sprechen. Ich versuche, mir diese Nonne vorzustellen, wie sie in einem der plastikgepolsterten Metra-Zugabteile sitzt, ihre Hände umklammern die riesige Handtasche mit den gestanzten Fahrscheinen auf ihrem Schoß, auf den Sitzreihen um sie rum eine Horde Waisenkinder, die ihre Nasen an die Scheiben pressen. Am Bahnhof hebt sie eins nach dem anderen die steilen Trittstufen auf den Bahnsteig runter und weist sie an, sich in einer Reihe aufzustellen, immer zwei nebeneinander und haltet euch bei den Händen, guckt mal, da unten könnt ihr schon das Wasser sehen, und dann im Gänsemarsch die zweihundert Meter runter zum Ufer. Und dann steht sie vor der Bretterbude, die Kinder schmeißen Kiesel ins Wasser, was sollen sie sonst tun, sie sind Waisen und was anderes hat man ihnen nicht ins Drehbuch geschrieben, es riecht nach Chips und Bratfett und die gestreifte Flagge mit den Sternen flattert auch damals schon über der Holzterrasse, Land of the Free, heute hat sie keine Peanutbutter-Sandwiches in der Küche schmieren lassen, heute sollen ihre Kleinen den Geschmack der Freiheit schmecken, einmal Taco mit Salsa für alle, hat sie versprochen. Und dann merkt sie, dass sie einen Fehler gemacht hat. Dann sieht sie, was die Menschen, die in der Schlange vor ihr stehen, zwischen den Händen balancieren. Sieht an zwei Seiten offene, brüchige Tacoshells, aus denen Hackfleisch, Tomatensalsa, schwarze Bohnen und Sour Cream tropfen. Vor ihrem inneren Auge erscheinen zwei Dutzend mit Hackfleisch, Sour Cream und Tomatensauce verschmierter Kinderhände auf weißen Hemdchen, blauen Kunstledersitzen und Waggonscheiben. Und dann sieht sie die kleinen Alubeutel mit Dorito-Chips in der Imbissauslage. Und wird zur Schöpferin des Waukang Taco.
Nonnen hab ich hier noch nie in freier Wildbahn rumlaufen sehen, aber bevor ich dazu komme, mich auch noch der überlebenswichtigen Frage zu widmen, ob amerikanische Nonnen wohl auch in Nonnenkluft rumlaufen, selbst, wenn sie eine Horde Waisenkinder zum Lake Michigan karren, lässt Jerry einen Speicheltropfen auf seine Fingerkuppen fallen. Es zischt, als er die Streichholzflamme darin ausdrückt. Er lässt das Streichholz fallen und zerreibt die verbliebenen schwarzen Krümel zwischen seinen Fingern. Ich mag den Geruch. „Hab ich nie drüber nachgedacht. Waisenkinder, Nonne, Ausflug, fertig ist der Waukang Taco. Mir hat die Geschichte so genügt. War spektakulär genug, wenn du mein Baujahr bist. Ich komme ja noch aus einer Welt ohne Imbissbuden und Chipstüten. Ich komme aus einer untergegangenen Welt. Eine Welt, in der du als Kind die Stelle kanntest, wo du die besten Blaubeeren aller Zeiten findest, und die Stelle kanntest du, weil deine Mutter mit dir in den Wald gegangen ist und sie dir gezeigt hat. Kindheit war damals noch ein bisschen einfacher als heute. In dieser untergegangenen Welt in Polen, wo direkt hinter meinem Blaubeerparadies ein kleiner Waldsee lag. Da konntest du von einem Ufer aus zum anderen gucken. Und überall Bäume.“ Jerry hält inne, schirmt die Augen mit der Handfläche ab und misst die glitzernde Wasseroberfläche ab. Fast kann ich sehen, wie seine Erinnerungen über den Lake Michigan flitschen wie kleine Schlittschuhläufer.
Ich denke kurz drüber nach, ob es nötig ist, ihn in die Post-Post-Moderne einzuführen, die ich zwar kein bisschen zu verstehen vorgebe (ich hab ja nicht mal die Postmoderne verstanden), aber von der Mama immer behauptet, dass wir dort angekommen sind. Ziehe kurz in Erwägung, ihn an meinen Kämpfen teilhaben zu lassen. Ihm vom wahren Feind zu erzählen, dem wir den Kampf erklärt haben. Dem wahren Feind, der längst nicht mehr der Russe ist, nicht der Islam und auch nicht der internationale Terrorismus mit seiner asymmetrischen Kriegsführung. Der wahre Feind, der auf Augenhöhe im Supermarktregal steht. Industriezucker. Weißmehlprodukte. Genetisch modifizierte Scheiße. Angetreten, deinen Körper zu entzünden, zu vergiften, zu zersetzen. Wie sie alle Hand in Hand arbeiten, die Lebensmittelindustrie, die Pharmaindustrie und die Gesundheitsindustrie. Gentechnisch verarbeitete Organismen in jedem zweiten Supermarktprodukt, Organschäden, Magen-Darm-Störungen, Krebs, von Unfruchtbarkeit ganz zu schweigen. Und halte doch die Klappe. Jammern auf hohem Niveau. Ich lasse die Menschen, denen doch die Nummer mit dem Ast, auf dem wir sitzen, längst klar sein müsste, auf ihrem Ast sitzen. Schleppen doch alle längst ihre wiederverwertbaren Kaffeebecher mit sich rum. Verwenden schon seit Jahren kein Haarspray mehr. Versuchen doch schon seit Jahren, nur noch eines ihrer beiden leider unverzichtbaren Autos zu nutzen. Tragen doch auf gar keinen Fall zur Ungerechtigkeit der Verteilung von Rohstoffen und Ressourcen auf dieser Erde bei, weil sie ihr Fleisch, wenn überhaupt, nur beim zertifizierten Händler ihrer Wahl erwerben. - Ich verzichte darauf, die glatzköpfige Telly-Savalas-Gestalt mit all diesen Bullshit-Argumenten zu belangen. Und werde belohnt.
 „Den Wald, den vermisse ich. Auch wenn meine Erinnerung nicht damit endet, dass ich mir den Mund mit Blaubeeren vollgestopft habe und danach nackt in den See gesprungen bin. . Der war da nämlich zugefroren. In meiner letzten Erinnerung an meinen Wald schäle ich in viel zu großen Soldatenstiefeln Rinde von Baumstämmen und nage erst die Rinde und dann meine Fingernägel.“ Der Mann mit der Glatze und den Bionicle-Gelenken pafft kleine Rauchwölkchen aus. Sein Blick abwesend in die Ferne gerichtet. Hinter uns rattert ein Güterzug vorbei, dann herrscht wieder Stille. Selbst das Knurpseln ist verstummt. Gino hat sein Hinterteil rückwärts aus der Tüte bugsiert und starrt mit seinen großen Glupschaugen auf diesen Mann mit dem polierten Kahlkopf, aus dessen Mund abwechselnd wohlriechende Rauchwölkchen und unerhörte Geschichten kommen.
„Baumrinde und Fingernägel sind nahrhafter als du denkst. Bemerkenswert eigentlich, dass da noch niemand Kapital draus geschlagen hat. Konzentriertes Rinden-Horn-Extrakt in kleinen handlichen Schraubcontainern bei Walmart. Na jedenfalls hat der Wald den verlausten Fünfjährigen mit den verfilzten Haaren und viel zu großen Stiefeln durchgebracht, bis die Deutschen aus dem verlausten Fünfjährigen in den viel zu großen Stiefeln, die er einem Toten ausgezogen hatte, ein Terroristen- und Banditenkind gemacht und es in ein Jugendverwahrlager gesteckt haben. Bisschen was anderes als ein Waisenhaus, keine Strandausflüge, keine Imbissbuden, keine Nonnen. Stattdessen dann irgendwann Russen, die die Deutschen in die Wälder vertrieben haben und mich vom Banditenkind zum Unaccompanied Displaced Child und damit zum Fall für die International Refugee Organization gemacht haben. Ich kenne dein Land ganz gut, Zehlendorf, Eschwege, Ulm, Föhrenwald, Bad Aibling, alles gut dokumentiert, wenn du als unbegleitetes Vertriebenenkind in die Hände der internationalen Organisationen gerätst, die Eltern laut Vermerk im Ansiedlungsantrag „während des Krieges verfolgt und aller Voraussicht nach tot“. Und dann sitze ich im Flugzeug.“ Er guckt kurz, ob wir noch gucken, aber als er sieht, dass wir alle drei mit offenem Mund an seinen Lippen hängen, kehrt sein Blick zurück auf die Wasseroberfläche, als spiegelte sich dort die Vergangenheit, in die er uns gerade einlädt.
„An der Stelle setzt meine neue Zeitrechnung ein. Mit einem gepolsterten Sitzplatz und einem Langstreckenflug über den Atlantik. Meine amerikanische Zeitrechnung. Mit täglich warmen Mahlzeiten, gelben Schulbussen und Walt-Disney-Filmen. Wenn der Nachwelt irgendwann nichts anderes übrig bliebe als die Fotoalben meiner Pflegefamilie, könnte man meinen, die 50er-Jahre bestünden ausschließlich aus Hot-Dog-Buden, Barbecue im Park, Zuckerwatteverkäufern, Softeismaschinen und Popcorn. Bis dann später, als ich ausgezogen war, ein paar Jahre lang ziemlich viele Schnellrestaurants und Mac´n´Cheese-Packungen das Bild prägen. Hat dann noch ein ganzes Stück gedauert, bis ich bereit war, mich auf meine polnischen Wurzeln einzulassen“, die Folie knistert, als er mit den Fingern in die leere Chipstüte sticht, „Tacos in der Mikrowelle und Spielzeug in Schokoladeneiern gab´s damals jedenfalls nicht.“ Selbst die kleinen Wölkchen, die aus seiner Pfeife steigen, scheinen aus einer anderen Zeit zu kommen. Fehlt nur noch die Kapitänsmütze, dann würde er aussehen wie Popeye, der Seemann. „Die einen sagen, nach Auschwitz dürften keine Gedichte mehr geschrieben werden. Die anderen stecken Chipstüten in Mikrowellen und Plastikspielzeug in Schokoladeneier. Wie man halt versucht, dem Leben nach ‘45 was abzutrotzen. Ich zum Beispiel sitze seit bald vierzig Jahren auf dieser Bank und denke darüber nach. Und ausgerechnet heute sitzt auf meiner Bank ein deutscher Junge, der mit Plastiktierchen spricht.“
Heikler Moment. Ich überlege, ob ich die Finger auf die Lippen legen soll, weil ich sehe, wie Gino und Eddie sich auf die Hinterpfoten stellen und ihnen die Fragen aus dem dummen kleinen Kunststoffhirn platzen. Bitte macht jetzt nicht alles kaputt, Jungs. Aber ich mache mir unnötig Sorgen, sie gucken mich nachsichtig an und signalisieren mir, dass sie nicht auf der Nudelsuppe hergeschwommen sind und wissen, wann es gilt, die Klappe zu halten. Unser neuer Freund scheint von unserem Austausch nichts mitzukriegen, er ist wieder in seinen eigenen Film zurückgekehrt. „1975 hab ich dann endlich die amerikanische Staatsbürgerschaft bekommen und konnte aufhören, mich wie ein Amerikaner zu ernähren. Da war ich 39 und hab für einen polnischen Fleischer Würste und Fleisch ausgeliefert. Meine Freitagstouren hab ich immer so geplant, dass Pulaski Polish Deli & Bakery meine letzte Station war, die konnten Angel Wings, die haben dir die Tränen in die Augen getrieben. Ich hab da immer noch eine Weile an der Theke rumgehangen und das Wochenende rausgezögert, das ging 1975 bei Pulaski ganz gut, Anfang des Jahres haben wir über Bier und polnischen Würsten jeden Kopf diskutiert, der in der Watergate-Affäre gerollt ist, im Frühling haben die Magnolien geblüht und die Thekenfrauen hatten Tränen in den Augen, als sie mir von den toten Kindern der „Aktion Babylift“ über Vietnam erzählten, und im Oktober wollte jeder polnische Fleischer mit mir Wodka auf den Jahrhundertkampf trinken, Muhammed Ali gegen Joe Frazier, aber da war ja längst alles zu spät, da hatte ich mich längst in den Cheesecake bei Pulaski verliebt und dann in die Frau, die den Cheesecake gebacken hat. Für mich war der Januar 1975 nicht Watergate, sondern Cheesecake, und der April nicht Babylift und Vietnam, sondern Blanche und Spaziergänge im Pulaski Park, und im Oktober wollte ich mich nicht zwischen Muhammed Ali oder Joe Frazier entscheiden, sondern für ein Leben mit Blanche. In einer Zeit, als alle auf Convenience Food umgestellt haben, haben wir Eicheln gesammelt und daraus Blini gebacken und versucht, die Puzzleteile meiner Herkunft zusammenzusetzen.“
Der Mann, der aussieht wie Kojak ohne Lolli, der zwei Kunststoffnilpferde ernst nimmt und mich in polnische Blaubeerwälder, deutsche Vertriebenenlager und zu seiner großen Liebe mitnimmt, hat sich innerhalb einer halben Stunde in die oberste Liga gespielt. In die Liga der Menschen, bei denen jeder Umweg überflüssig ist. Dem du ohne Umschweife erzählen willst, wie du dich als Kind nach Zaubereicheln gesehnt hast, die Wunder geschehen lassen können. Dessen erst-Käsekuchen-dann-Käsekuchenbäckerin-Geschichte macht, dass du ihm von dem Mädchen erzählen willst, die einem Container entstiegen ist und dich dazu gebracht hat, zum Konsistenzexperten für Zervixschleim zu werden. Von der Food Salvation Army und vom Lousy Liberty. Und von Ottilie willst du ihm natürlich erzählen, von Ottilie, die ihre Rosenstöcke nach Wehrmachtsoffizieren benannt hat.
Die Teletubbies. Pittiplatsch und Schnatterinchen. Ernie und Bert. Das sind so die Kaliber, die meinen Freunden einfallen, wenn sie an die Serienhelden ihrer Kindheit denken. Captain Buzz Lightyear. Anakin Skywalker. Yoda und Jar Jar Binks. Ich kann da nicht mithalten. Die Zeit, in der andere vor dem Abendbrot Fernsehserien gucken durften, hab ich bei Ottilie im Garten verbracht. Mir fallen Hans Lüters und Oberst Blaskowitz ein. Und wie gut sie gerochen haben. Fünf oder sechs war ich, als ich mit meinem Astgewehr durch Ottilies Garten marschiert bin und von irgendwelchen unsichtbaren Stimmen Befehle erhalten habe, den Feind niederzumachen. Bis Ottilie meinen unsichtbaren Stimmen ihre eigene entgegengesetzt hat. Sie hat meine Kinderhand genommen und mich zu ihren Rosenstöcken geführt. „Anatol“, hat sie gesagt, „ich möchte, dass du Oberst Blaskowitz und Major Lüters guten Tag sagst und dir ganz genau überlegst, ob du schießt, wenn irgendwelche Stimmen das von dir verlangen. Oberst Blaskowitz und Hans Lüters“, und dabei hat sie die beiden Rosenstöcke ganz zärtlich angeguckt, „haben es ihren Soldaten freigestellt, an Erschießungskommandos teilzunehmen oder nicht.“
Nichts habe ich damals verstanden, ich hatte keine Ahnung, was ein Erschießungskommando ist, geschweige denn eine Befehlskette. Aber entscheidend war vor allem eines: Dass Ottilie mir diese Männer als Helden verkauft hat. Männer, die nicht mitgemacht haben. Die nicht steif und fest behauptet haben, man habe ja nicht anders gekonnt. Männer, von denen Ottilie findet, dass ihre Namen dringend in die Geschichtsbücher gehören. Die ihre Rosenstöcke nach diesen Männern benennt, solange sie nicht in den Geschichtsbüchern stehen. Davon will ich Jerry erzählen. Dass man nämlich nicht zum Mitmachen verdammt ist. Aber dann hab ich mich doch gerade noch beherrscht. Weil ich mir plötzlich nicht mehr so sicher bin, ob wir nicht doch ziemlich hervorragende Mitmacher abgeben würden, Eddie, Gino und ich. Also erzähle ich ihm nur den Teil mit dem Astgewehr.
„Klingt nach einer interessanten Person, deine Ottilie. Auch wenn mir das Vertrauen in die aufklärerische Kraft von Denkmälern, Geschichtsbüchern und symbolischen Handlungen ziemlich abhandengekommen ist. Du hast keine Vorstellung davon, wie viele kluge Bücher ich darüber gelesen habe, was ganz gewöhnliche Menschen dazu bringt, sich mit einer Schusswaffe in der Hand an Todesgruben wiederzufinden. Ich habe sehr genau verfolgt, wie man Gedenkstätten mit Schuhstapeln und Brillengestellen bestückt hat und dachte, das könne das Grauen nicht nur abbilden, sondern irgendwie auch gegen eine Wiederholung immunisieren. Wie man sich selber glauben wollte, man müsste nur „nie wieder“ auf Denkmäler schreiben und Skelette auf LKW-Ladeflächen in Geschichtsbücher drucken. Nie wieder. Als wäre das der magic spell, der nur keinem rechtzeitig eingefallen ist. Als hätten vorher alle gesagt: „War mir ein Vergnügen. Jederzeit wieder. Ready when you are“. Aber soll ich dir was verraten? Menschen können zu Bestien werden. Genau aus dem Grund haben Blanche und ich auch keine Kinder bekommen. Gegen Grausamkeit gibt es keinen Impfstoff. Nicht mal die Geschichte deiner eigenen Eltern. Weil die Bereitschaft, sich historischen Grausamkeiten auszusetzen, sich bei den meisten darauf beschränkt, auf anderer Leute Großväter zu gucken. Diese Generation, die sich pflichtschuldig „Tätervolk“ in den Pass stempeln lässt und gleichzeitig ganz genau weiß, „Opa war kein Mörder.“ Immer schön mit dem Finger auf der Fernbedienung, um uns jederzeit wegzuschalten, wenn wir mal wieder vom Krieg anfangen.Schon mal drüber nachgedacht, wer diese ganz gewöhnlichen Menschen wohl gewesen sind, von denen Ihr so sicher wisst, dass es nicht eure Opas waren, die mit der Schusswaffe an einer Todesgrube standen? Und wer das dann war, wenn nicht ihre Opas?“ Er spricht von Mama. Von Mamas Opa, meinem Uropa. Schon an meinen eigenen Opa, also Mamas Papa, kann ich mich kaum erinnern, der ist aber auch schon gestorben, als ich in der dritten Klasse war, und ich weiß nur noch, dass er mir als Kleinkind mal Wassermelonenstückchen in den Mund geschoben hat, aber auch das nur, weil Mama davon jahrelang ein Schwarz-Weiß-Foto am Kühlschrank hängen hatte.
„Eigentlich müsstest du dir diese Fragen stellen, du kommst doch aus dem Land derer, deren Opas es alle nicht waren... Dann würdest du vermutlich rausfinden, warum deine Ottilie ihre Rosenstöcke nach Männern benannt hat, die merkten, wie sie zu Mördern wurden, die sie nicht sein wollten. Kann allerdings auch passieren, dass es dir dabei ergeht wie Blanche. Dass du rausfindest, was du lieber nicht rausgefunden hättest.“ Und dann hat er lange an seiner Pfeife gesogen. Hat das eine ganze Weile im Mund behalten. Dann kleine Wölkchen in die Luft entlassen. Den Wölkchen lange hinterhergeschaut. Ich dachte schon, da kommt nichts mehr. Kam dann aber doch noch was. Etwas ganz Entscheidendes sogar.
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crowdbabe · 8 years
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(4) Wer sich zu lang unter Stinktieren rumtreibt, fängt an wie eins zu riechen
Auf dem Foto, das Orange in der Hand hält, ist eine vietnamesische Mutter,  die ihren Sohn in einer Blechschüssel wäscht. Der sichtbare Teil des Jungen endet ungefähr auf Hüfthöhe am Schüsselrand, er ist vielleicht zehn oder elf, und die Schüssel so groß wie die Salatschüssel vor mir. Da hat kein Unterkörper eines Zehn- oder Elfjährigen Platz. Der Junge auf dem Foto kann keinen Unterkörper haben. Von meinem Platz hinter der Küchentheke sehe ich durch den breiten Durchgang, wie die anderen die Köpfe über weitere Fotos beugen, Bilder von brennenden vietnamesischen Kindern,  Nahaufnahmen von verbranntem Fleisch und deformierten Körperteilen.
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 „Das 24-D macht sie alle platt.“ Den Blick herausfordernd in die Kamera gerichtet, preist der geplagte Maisfarmer im aktuellen Werbespot Enlist Duo an, während ich hinter meiner Küchentheke den Dosenöffner in Gurkenglasdeckel kloppe und über die Konsistenz von Tofu nachdenke. Das Superunkraut, berichtet der Farmer, das den Mais überwuchert, lässt sich fast nur noch mit Macheten vernichten und droht seine komplette Ernte zu vernichten. Gegen das erst im Vorjahr eingeführte Konkurrenzprodukt RoundUp, mit dem Monsanto den Superweeds den Garaus zu machen, ist es längst resistent. Die Chance konnte sich Dow Agro Sciences ja schlecht entgehen lassen. Jetzt also Enlist. Jetzt also Fotos von verätzten vietnamesischen Kindern, um die EPA dazu zu bringen, die Enlist-Zulassung zu widerrufen. Jetzt also Schulen zählen wie in Michigan, wo in einem 200-Fuß-Umkreis der einer Enlist-Behandlung ausgesetzten Mais- und Sojafelder allein 658 Schulen liegen. Das ist politisch, dafür sollte ich mich interessieren, denke ich, oder denkt zumindest Orange, während ich hinter meiner Theke am Spülbecken den Dorn des Dosenöffners in Gurkenglasdeckel kloppe und die Luft entweichen lasse.
 Aus mir wird nie ein Radikaler, denke ich, während Orange die Schädlichkeit von Glyphosat zu einem Fliegenschiss erklärt im Vergleich, wenn man weiß, dass es sich bei diesem 24-D, das alles platt macht, um Dichlorphenoxyessigsäure und bei Dichlorphenoxyessigsäure um den Hauptbestandteil von Agent Orange handelt, das im Vietnamkrieg zur Entlaubung eingesetzt wurde. Entlaubt hat es dann auch knapp eine Million Vietnamesen, 400.000 hat es direkt getötet, 500.000 später mit Geburtsdefekten auf die Welt entlassen. Aus mir wird nie ein Radikaler. Ich schiebe mir eine Gurke in den Mund, Orange hält das Schwarz-Weiß-Bild einer vietnamesischen Mutter hoch,  die ihren Sohn in einer Blechschüssel wäscht, und erklärt den Zusammenhang zwischen dem Entlaubungsmittel, das für den Zustand der auf den Schwarz-Weiß-Fotos abgebildeten Menschen verantwortlich ist, und dem neuen Unkrautvernichtungsmittel, mit dem Dow Chemical jetzt die amerikanischen Farmer ein für allemal von der Superweed-Plage befreien will. Es wird wohl auf Seitan hinauslaufen. Tofu fällt wegen seiner bröckligen Konsistenz aus und Sojagranulat funktioniert vielleicht als Hackfleischersatz, aber ganz bestimmt nicht für ein  vegetarisches Pastrami Reuben Sandwich. Geschmacklich muss es eh die Pökelmischung richten, Muskat, Knoblauch und Nelkenpfeffer, und was das Brot angeht, bin ich auch auf der sicheren Seite, der letzte Beutezug hat uns zwanzig Packungen geschnittenes Roggenbrot German Style beschert, und Sauerkraut haben wir schon vor Wochen eingelegt. Ottilies Gurkenglastricks. Ottilie, die übrig gebliebenes Sauerkraut am nächsten Tag immer mit Butter, Zucker und Apfel angebraten hat. Das sind so meine Themen.
Und dann stehe ich an diesem lauwarmen Juniabend in geschmolzenen Butterschwaden und lasse Gino und Eddie die Reste von den Tellern picken, Eichelblinis mit Sauerrahm und Löwenzahnkapern, mit denen wir gerade die Vertreter des lokalen Community Supported Agriculture-Verbands abgefüttert haben.  Anstelle von Orange und ihr Schwarz-Weiß-Foto mit dem verkrüppelten vietnamesischen Kind hat Kevin vom Horticultural Science Department der University of Illinois die Deutungshoheit übernommen, gerade lässt er per Funksignal einen animierten Monarchschmetterling durch seine Powerpoint fliegen. Die dickrandige schwarze Nerdbrille, die Kevin trägt, legt viel Wert darauf, ihn nicht als Nerd auszuweisen und hat bestimmt viel Geld gekostet, erkläre ich den Hippos. Seit unsere Anti-Enlist-Kampagne dazu beigetragen hat, dass die EPA die Zulassung für Enlist widerrufenhat, können wir uns vor Aufmerksamkeit kaum noch retten. Plötzlich will die halbe Lebensmittel- und Agrarindustrie best Buddies mit uns sein. Im Januar, als uns der Schweiß unter unseren Wollmützen über die Stirn gelaufen ist, während wir im völlig überheizten Copyshop auf unsere wetterfesten RollUp-Banner gewartet haben, hätten wir uns nicht träumen lassen, dass wir mit überlebensgroß vergrößerten verkrüppelten vietnamesischen Kindern mit fehlenden Beinen, Armstümpfen und schweren Verbrennungen die GMO-Industrie das Fürchten lehren würden. Dass der Traum wahr werden würde. Plötzlich waren wir die neuen Gallier. Wir, die Salvation Army aus Waukegan, Michigan. Ein Trupp durchgeknallter Freaks, die Lebensmittel aus Container klauben und Eicheln sammeln. Aber klar, wir hatten den Zaubertrank, wir hatten die Street Credibility, auf die die Marketingstrategen so scharf sind, seit sich mit Fernsehwerbung und Wurfsendungen höchstens noch die Silver Ager und klassische Ökos erreichen lassen. Aber zur Nachwuchssicherung, zur Wildwuchssicherung, für die Armee verfilzter Wollmützenfreaks mit implantiertem Verantwortungschip für die Welt, die ihre Eltern mit Coffee-to-go-Bechern, Industriefleisch, FCKW-Gasen  und SUVs runtergewirtschaftet haben, brauchen sie uns, uns und unsere Filterblase, die Social-Media-Crowd der Freegans, Dumpster Diver und Vegan Straight Edger. Unsere Credibility ist ihre Währung und an den 13 k Followern, die der Food-Salvation-Army-Account der David-gegen-Goliath-Nummer gegen Dow Chemical verdankt, kommen sie nicht mehr vorbei.
Wir haben uns auf die Schultern geklopft und den durchschlagenden Erfolg in unserer wollmützigen Naivität unserer Brillanz und Unkorrumpierbarkeit zugeschrieben und uns die Nächte um die Ohren geschlagen, um über Food Waste und GMOs aufzuklären und Reichweite zu erzeugen, die kritische Masse zu erreichen. Die Augäpfel hingen uns sonstwo, die Aschenbecher sind übergequollen, wir haben uns um Kopf und Kragen getwittert und alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, social-media-zwangsrekrutiert. Wir waren wie berauscht, an einem der kältesten Tage haben wir ein Lagerfeuer angemacht und mit Glühwein aus Blechtassen den tausendsten Follower gefeiert, einen Monat nach der EPA-Entscheidung waren es plötzlich schon knapp 8.000. Wir haben wirklich geglaubt, wenn wir die richtigen Tasten treffen, ändern wir die Welt, und unsere Welt, das waren eure Likes, die uns haben glauben lassen, den entscheidenden Unterschied zu machen. Mit der 24-D-Kampagne haben wir dann ja auch die richtigen Tasten getroffen. #DowChemicalKnew. Irgendwann hat sich das Ding zum Selbstläufer entwickelt, #DowChemicalKnew hat innerhalb von drei, vier Stunden landesweit getrendet und auf der Welle sind wir mitgeschwommen. @LousyLiberty ist zu everybody´s darling avanciert und die Food Salvation Army zum ernstzunehmenden Player.  
Plötzlich waren wir keine abfällig gemusterten Freaks mehr, die gammlige Lebensmittel aus Containern klauben. Plötzlich hat man uns Mikrofone ins Gesicht gehalten und sich von uns die Welt erklären lassen. Naja, zumindest die Schädlichkeit genetisch modifizierter Lebensmittel. Plötzlich haben Dokumentarfilmer auf unseren selbstgebauten Sperrholzbänken rumgelungert, Fotografen haben ihre Kameras in unser Containerbeutelager und in meine Kochtöpfe gehalten, die Waukegan Post hat eine Serie mit unseren Rezepten und Resteverwertungstipps eingeführt und jede Woche hat irgendwer von uns einen Anruf aus Kalifornien oder von der Ostküste gekriegt, weil irgendwer aus seiner Familie ihn in einem Beitrag über die GMO-Rebellen vom Lake Michigan gesehen hat. Yep. Wir haben uns kaufen lassen. Wir waren Analphabeten. Literally. Jeder wollte plötzlich mit uns sprechen, über GMO, über Food Waste, über Alternativen, über Kooperationen, ich weiß nicht, in wie vielen Gremien Orange zu dem Zeitpunkt schon mitgewirkt hat, jedenfalls haben wir im Plenum selbstverständlich zugestimmt, als sie uns die Anfrage des örtlichen Community Supported Agriculture-Chapters angetragen hat, ob die eine Informationsveranstaltung bei uns durchführen können. Wir standen ja schon seit der Enlist-Kampagne mit denen im Austausch, wie man mehr lokale Farmer einbinden und irgendeine Form der Zertifizierung erstellen könnte.
Nach dem massiven Blow, den der Rückruf der Zulassung von Enlist Duo ihnen zugefügt hat, standen Dow Chemical und Bayer ganz schön unter Druck, plötzlich sind auch die konventionellen Farmer auf die Barrikaden gegangen und die Kommunen, Eltern, Schulen, also echt eine kritische Masse, die die Konzernstrategen nicht mehr als eine Handvoll radikaler Ökofreaks abtun konnte. Da war Flurschadensbereinigung angesagt. Genetic Literacy Project, Was die Öffentlichkeit braucht, haben sie gedacht, ist eine Alphabetisierungskampagne in Sachen genetisch manipulierter Organismen, und haben mal eben das Genetic Literacy Project gelauncht, um die besorgte Öffentlichkeit zu überzeugen, dass durch GMO keinem Schmetterling auch nur ein Flügel gekrümmt wird. Dabei konnten sie so einflussreiche Akteure wie die Community-Supported-Agriculture-Verbände natürlich nicht ignorieren. Warum also nicht bei uns im Lousy Liberty, da können wir uns gleich mal mit deren Denke und Argumentation auseinandersetzen.  Hat Sharon vom lokalen CSA-Chapter vorgeschlagen. Warum also nicht bei uns im Lousy Liberty, da können wir gleich mal einen GMO-Aufschlag für Catering und Raummiete  veranschlagen, haben wir gedacht. Warum also nicht bei uns im Lousy Liberty, da lassen sich Schwachstellen für die psychologische Kriegsführung eruieren, müssen die Spin Doctors der Kampagne gedacht haben. (Und Gino und Eddie, die dazu bestimmt auch eine Meinung gehabt hätten, konnten nicht eingreifen, weil sie über die Wiese gerannt sind und Löwenzahnknospen für die Löwenzahnkapern gepflückt haben.)
Und so stehe ich an diesem warmen Junitag in Butterschwaden hinter meiner Theke und spüle Sauerrahm und Blinireste von den Tellern und ahne nicht, dass die Schwachstelle gleich ihren Hintern in meinem Spülschaum versenken wird. Eichel-Blini aus selbst gemahlenem Eichelmehl mit Sauerrahm und Löwenzahnkapern, das sollte unser Beitrag zur Alphabetisierungskampagne sein, unser Alphabet gegen ihres, hab ich mir gedacht und nicht kapiert, dass von Waffengleichheit überhaupt keine Rede sein kann, wo die einen Think Tanks, Old Guys Networks und Allianzen auffahren, während die anderen in Container klettern, über den Waldboden kriechen und Eicheln aufklauben.
Ich stehe also mit den Unterarmen im Spülschaum in Schwaden geschmolzener Butter hinter der Spüle. Auf dem Gasherd neben mir schmoren die zwei Fingerbreit mit Wasser befüllten Gusseisenpfannen, um die festgebackenen Blinireste zu lösen, vor mir auf der Theke der kunterbunte Wiesenblumenstrauß, den Gino und Eddie vorhin noch gepflückt haben, Sumpfschafgarbe, schwarzäugige Susanne, Sonnenhut, Seidenpflanze, lilabommliger wilder Schnittlauch, was halt so in freier Wildbahn zu finden ist, wo noch kein Herbizid gewütet hat.  `Here´s to the land you´ve torn out the heart of, oh Dow Chemical, find yourself another country to be part of...´, singe ich leise meine umgedichtete Phil-Ochs-Coverversion, begleitet vom leisen Schaben der beiden Mokkalöffelchen, mit denen Gino und Eddie auf der Arbeitsfläche Eichelschalen zu kleinen Häufchen zusammenschieben. Das Gemurmel, das den Speiseraum erfüllt hat, als wir die Teller abgeräumt haben, verstummt und nach einem kurzen Mikrofonfiepen schickt sich hi-mein-Name-ist-Kevin-ich-komme-vom-Horticultural-Sciences-Department-der-University-of-Illinois an, die Anwesenden von ihrem genetischen Analphabetismus  und ihrem ankonditionierten Misstrauen gegenüber genetisch modifizierten Organismen zu befreien. Sein Oberkörper unterhalb der schwarzen Hipsterbrille deutet auf eine teure Fitnessclub-Mitgliedschaft hin. Vielleicht rudert er auch einfach nur und ich muss ihm den Fitnessclub unterstellen, damit er in mein Feindbild passt.
 „Lassen Sie mich einen der Lieblingsbegriffe unserer Opponenten aufgreifen: organisch. Die Verbreitung des sogenannten organischen Anbaus hat auch den Begriff mutieren lassen. Mutiert zu lediglich einem weiteren Marketinginstrument in der undurchschaubaren Flut der so willkürlichen wie inhaltslosen Zertifizierungen.  Der Begriff `organisch´ beinhaltet keinerlei, und ich betone, keinerlei Aussage zu Lebensmittelsicherheit, Nährwert oder Qualität.“  Kevin vom Horticultural Science Department legt exakt die kleine Kunstpause ein, die es braucht, damit Ray den Kopf nach hinten werfen, seine Rastas zum Fliegen bringen und den Raubvogel geben kann, der sich auf seine Beute stürzt. Seinen nackten Oberkörper, der unter der Küchenschürze hervorragt, zieren Schwanzflossen und Flügelspitzen eines Drachens, Ray kellnert konsequent mit nacktem Oberkörper, sein Drache reicht vom Hüftknochen bis zum Schlüsselbein, muss beim Stechen irre weh getan haben. Wir sind schon eine schräge Armee, wenn ich mir die durchtrainierte Genindustrie im flaschengrünen Polohemd da drüben so angucke, der sich weder von Rays nacktem Oberkörper noch von seinem Drachen aus dem Konzept bringen lässt. „Sie können davon ausgehen, dass keine der Provokationen, mit denen Sie die Veranstaltung hier zu unterminieren gedenken, mich aus der Bahn werfen wird. Ich verfüge über ausreichend Menschenkenntnis, um Ihren entschlossenen Gesichtsausdruck,  Ihre Kriegsbemalung und die Pflegebedürftigkeit Ihrer Haare dahingehend zu entschlüsseln, dass es sich bei Ihnen um einen Vertreter derjenigen Fraktion handelt, die sich mit missionarischem Eifer dem Auftrag verschrieben hat, der unmündigen Öffentlichkeit klarzumachen, dass die industrielle Lebensmittelproduktion, Massentierhaltung und die gentechnische Steigerung der Widerstandsfähigkeit  von Nutzpflanzen einzig und allein der Profitmaximierung einiger weniger skrupelloser Chemiekonzerne und ihrer Aktionäre dient.“
 Ich muss den Blick nicht heben, nicht über den Thekenrand durch den Durchgang gucken, um das Lächeln zu sehen, das Kevin in der dramaturgischen Pause auf seinem Gesicht ausbreitet, bevor nach zwei dezenten Schluckgeräuschen das Aufsetzen eines Wasserglases den Start der Folgeoffensive signalisiert. „Lassen Sie sich bitte nicht zu voreiligen Schlüssen hinreißen. Ich bin kein Vertreter der Lebensmittelkonzerne, ich bin kein Agent der Aktionäre, ich stehe nicht hier, um die Fronten zu verhärten. - Ich schlage Ihnen einen Deal vor: Sie versuchen für die kommenden zwanzig Minuten, Ihre Vorbehalte zurückzuhalten, und ich verspreche im Gegenzug, dass keines Ihrer Anliegen, keiner Ihrer Einwände am Ende unbeantwortet geblieben sein wird. - Seien Sie darüber hinaus versichert, dass Ihr unermüdliches Engagement uns mitnichten entgangen sind, im Gegenteil, Sie sehen uns tief beeindruckt ob der Hartnäckigkeit und Entschiedenheit, mit der Sie noch dem unkritischsten Konsumenten die entscheidende Frage direkt auf dem Esstisch platziert haben: Können wir davon ausgehen, dass gentechnisch modifizierte Organismen auf lange Sicht ungefährlich sind? - Zum derzeitigen Zeitpunkt können wir uneingeschränkt sagen, dass wir davon ausgehen - auch wenn ich Ihnen den wissenschaftlichen Nachweis dazu zum jetzigen Zeitpunkt schuldig bleiben muss.“ Wie er aus der Nummer wieder rauskommen will, interessiert mich ja jetzt doch. Ich hebe den Blick. Und bleibe an einem Hindernis hängen, das sich so unvermittelt wie besagte Frage auf dem Tisch noch des unkritischsten Verbrauchers in mein Blickfeld geschoben hat und den Blick auf Kevins durchtrainierten Oberkörper auf der anderen Seite des Durchgangs verdeckt. Neben den wilden Schnittlauchbommeln schiebt sich Oranges Silhouette ins Bild. Sie winkelt die Ellbogen an, schwingt sich durch die aufgestützten Unterarme auf die Arbeitsfläche und landet mit den nackten Oberschenkeln in Ginos und Eddies zusammengeschobenen Eichelschalenhäufchen. Sie grinst mich aufreizend an. Ich schlucke. Lege den Finger auf die Lippen und gestikuliere in Richtung Hornbrillen-Kevin.
„Bevor Sie aufgrund meiner Einschränkung in voreiligen Jubel und Häme ausbrechen, lassen Sie mich das Vorbeugeprinzip in den Zeugenstand rufen. Das Vorbeugeprinzip, das garantiert jeder der hier Anwesenden bewusst oder unbewusst für jeden anderen Alltags- und Gebrauchsgegenstand gelten lässt: Ihr Mobiltelefon, unverzichtbar, um Ihr Anliegen auf den Social-Media-Kanälen zu verbreiten, Ihr Mobiltelefon also, ist Ihr Mobiltelefon ungefährlich? Oder PKWs. Ich wette, ein Großteil der Anwesenden wird auf ein eigenes Auto nicht verzichten, wenn Sie also nachher auf dem Parkplatz Ihr Auto besteigen und den Motor anlassen, hat Ihnen der Händler beim Kauf den Nachweis erbracht, dass Autofahren ungefährlich ist? - Den finalen Nachweis, dass etwas ungefährlich ist, kann Ihnen kein Hersteller, kein Produzent, keine unabhängige Kommission erbringen, die nicht auf der Stelle ihrer Glaubwürdigkeit verlustig gehen möchte. Valium, in den 60ern noch als Mother´s Little Helper in jeder Hausapotheke zu finden, heute für schweres psychisches und körperliches Abhängigkeitspotenzial und Missbrauchsgefahr geächtet. So viele einst als heilsbringend gepriesene Medikamente, heute auf der Liste schwer gesundheitsschädlicher Substanzen aus dem Handel verbannt. Letztendlich macht die Dosis erst das Gift.“
Orange legt ihre Handflächen an meine Schläfenknochen und zwingt meinen Blick mit leichtem Druck wieder zurück in ihre Richtung. Mit einem Ausdruck, den ich nicht deuten kann, starrt sie mich unverwandt an, während sie von meinem Gesicht ablässt und ihre Hände stattdessen auf meinen Schultern ablegt. Bevor ich etwas sagen kann, gräbt sie die Finger in in meine Schulterblätter und schiebt sich über den Küchencounter in Richtung Spülbecken. Die Eichelschalen rascheln leise, bevor sie über die Kante der Arbeitsfläche rutschen und fast geräuschlos auf dem Boden landen. Orange kauert jetzt nur noch eine Handbreit von meinem Oberkörper entfernt auf dem Spülbeckenrand. Sie lässt sich nach hinten rutschen. Versenkt den Stapel mit Eichelbliniresten und Sauerrahm verschmierter Teller im Spülschaum.
„Kommen wir zu Ihrem Lieblingsobjekt. Wir wissen, dass man zur Vermarktung von Mode, Autos und anderen Gebrauchsgegenständen gerne der Devise `Sex sells´ folgt. In Sachen Umweltschutz und Industriebashing kennen wir einen anderen Schlüsselreiz. Das vordergründig besorgte `und die armen Tiere?´ Ganz weit oben im Besorgnis-Ranking: die vermeintliche drohende Vernichtung unersetzlicher Arten. Bienen. Auch gerne genommen: Robbenbabies, wenn es um die Pelzindustrie geht. Delfine bei Thunfischkonserven. Aber kommen wir zum Tier der Wahl für genetisch veränderte Organismen: Der Schmetterling. Genauer gesagt: der Monarchschmetterling und seine drohende Ausrottung durch genetisch modifizierte Organismen.“
Orange hat meine Handgelenke aus dem Abwaschwasser gezogen, den Spülschaum an ihren Oberschenkeln abgewischt und meine feuchten Finger unter ihr eng anliegendes T-Shirt direkt auf die erigierten Nippel gelegt. Es fällt mir nicht ganz leicht, mich weiter auf Kevins Ausführungen einzulassen, ich hoffe, Gino und Eddie, die uns den Rücken zugewendet und die Vase mit den Wildblumen zwischen sich und Orange und mich gebracht haben, hören aufmerksam zu.
„Natürlich wird bei der Bestellung von Ackerboden auch Unkraut vernichtet. Insofern müssen wir dafür sorgen, dass an den Wanderwegen des Monarchschmetterlings der Anteil seiner Futterpflanzen steigt. Das kann aber auch außerhalb von Ackerflächen geschehen.“ Ich versuche mich noch einmal zusammenzureißen, ziehe meine Hände von Oranges Brüsten weg und konzentriere meinen Blick demonstrativ auf die gegenüberliegende Seite des Durchgangs, auf der gerade ein Schmetterling flügelschlagend von der Leinwand entschwindet und sich an seiner Stelle ein Küchentisch mit einer Kaffeekanne, einem Salzstreuer und einer Packung Aspirin ins Bild schiebt. „Ohne Kaffee kommen Sie nicht in den Tag, Sie salzen Ihr Frühstücksei und wenn Ihnen die Gerüchte über die Toxizität von Glyphosat Kopfschmerzen bereiten, darf es auch mal eine Aspirin sein? Dann dürfte es Sie interessieren, dass der Schadstoffgehalt von Glyphosat niedriger ist als der von Koffein, Salz, Aspirin oder Nikotin. Wäre Koffein ein Pestizid, würde es in Kanada schon heute wegen seines grenzüberschreitenden Schadstoffgehalts nicht zugelassen.“
Orange braucht keine Zulassung. Orange überschreitet einfach Grenzen, ohne sich über Schadstoffgehalt und Nebenwirkungen Gedanken zu machen. Mit der rechten Hand packt sie mich an den Haaren und zieht meinen Kopf in den Nacken, ihre geöffneten Lippen an meiner Kehle, ihre Linke mit leichtem Druck auf Reißverschlusshöhe über meine Hose kreisend. Ich ziehe Luft durch die Zähne ein und klappere lautstark mit Messern und Gabeln im Spülwasser, bevor ich sie mit Schwung auf die Arbeitsplatte fallen lasse. „Woher dann aber die Angst, wenn sich doch keines der vorgebrachten Argumente gegen GMO als haltbar erweist?“, höre ich Kevin noch zur finalen Attacke ansetzen. Ich bin bereit, aufzugeben. Soll sie machen. Soll sie haben, was sie will. Ich schließe die Augen. Und höre plötzlich ganz klar Kevins Botschaft.
„Angst ist der perfekte Verkäufer. Hochpreisige Spezialprodukte und Bio-Lebensmittel verkaufen sich leichter, wenn die Konsumenten verunsichert und eingeschüchtert sind, was die Produktion ihrer Lebensmittel angeht. Wir sprechen von schätzungsweise 2.5 Milliarden jährlich, die eine Handvoll Akteure, die sich der Diskreditierung von Landwirtschaft und Genforschung verschrieben haben, einwerben, indem sie ganz spezifisch Ängste schüren, um ihre Hochpreispolitik für Nahrungsmittel durchzusetzen.“
Mein Hinterkopf wird plötzlich freigegeben. Lippen lösen sich von meinem Hals. Orange braucht beide Hände, um sich vom Spülbeckenrand zu stemmen. Als sie sich auf den Boden gleiten lässt, drückt ihr Unterleib für den Bruchteil einer Sekunde gegen meine Hose, bevor sie sich abwendet, die Wiesenblumen aus der Vase zieht und in Richtung Rednerpult aufbricht. Ihr nasser Hintern scheint sie nicht zu stören. Mein Schwanz zuckt traurig und entlässt klebrig in meine Hose, was unser Kind hätte werden sollen. Es riecht nicht mehr nach geschmolzener Butter. Es stinkt nach Stinktier. If you spend enough time with skunks, you start to smell like one.
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crowdbabe · 8 years
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Irgendwie schräg, dass meine Erinnerungen heute immer mit meinem Sperma enden. Vielleicht, weil sich die ganzen Monate zuvor immer alles um Oranges Zervixschleim drehen musste. Was weiß denn ich. Jedenfalls war der Tag, an dem Orange mit Spülschaum am Arsch und einem Strauß Wiesenblumen in der Hand aus der Küche gerauscht ist und mich mit zuckendem Schwanz und klebrigem Sperma in der Hose hat lassen, der Tag, an dem sich mein Status geändert hat. Auf #Ex. Nur dass ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste.  Dass es gar nicht um meinen Status und mein Sperma und meine Gene ging, sondern um ihren Status. Der hat sich wenig später nämlich auch geändert.
Wollt ihr den Rest auch noch wissen? Oder wollt ihr nur die Version, die die 7 k Follower von @RealLifeSuperOrange  kennen? Dann wäre hier der richtige Zeitpunkt, noch auszusteigen. Ansonsten: Welcome to the other half of the story. Einen Monat, nachdem Spülschaum-am-Arsch-Orange Sperma-in-der-Hose-Anatol vor dem Spülbecken im Lousy Liberty hat stehen lassen, um Hornbrille-im-Gesicht-Kevin einen Wildblumenstrauß zu überreichen, hat @RealLifeSuperOrange ihren Empfängnisstatus geändert. Von #ttc - trying to conceive - auf #schwanger. Nur eben nicht von mir. Nicht von demjenigen, der die Konsistenz ihres Zervixschleims kurz vor dem Eisprung kennt. Nicht von dem, der diese Schwangerschaft finanziert hat.
Gino und Eddie gucken bedröppelt. Das hätten sie von ihrer Real-Life-Superheldin nicht erwartet. Sorry to disappoint you, guys, ging mir ja nicht anders. Weil der Opferstatus, den Orange für sich in Anspruch nimmt, natürlich nur seine Wirkung entfaltet, wenn man ein paar Informationen gezielt unter den Tisch fallen lässt. Nur leider hab ich sie da gefunden, unter dem Tisch. Ich höre schon den Aufschrei. Dass ich hier intime Details an die Öffentlichkeit zerre. Aber ist der Zervixschleim, dessen Konsistenz monatelang all deinen Instagram-Followern präsentierst, wirklich ein intimes Detail? Ist es wirklich unlauter, sich einer Information zu bedienen, den man mit 7 k weiteren Followern teilt? Kann eine, die mit einer App ins Bett geht, einer App, mit der sie selbst ihre intimsten sexuellen Vorlieben teilt, sich wirklich auf die Verletzung ihrer Intimsphäre berufen? Und außerdem, unsere Beziehung war von Anfang an intim. Ich hab euch mit in unser Bett genommen und in 142 Zeichen zu erklären versucht, woran man fruchtbaren Zervixschleim erkennt. Ihr habt mit mir den Dauerauftrag über 50 Dollar zur Absicherung meines Familientraums eingerichtet. Ich hab nichts ausgelassen oder beschönigt. Hab selbst in peinlichen Momenten die Kamera nicht ausgeschaltet, sondern bin auf Sendung geblieben, selbst wenn die Szene sich unschön entwickelt hat. Wir haben ihn gemästet, den Big-Data-Kraken, mit unserem Leben, unseren Wünschen, unseren Gewohnheiten, unseren Hoffnungen, und wir nicht nur ihn, auch euch haben wir großzügig an allem teilhaben lassen, was unsere kleine selbstproduzierte Soap so hergegeben hat. Nur das Material, in dem meine Freundin zur Zuchtsau mutiert ist und sich mein Traum von Familie in genetisch modifizierte Scheiße aufgelöst hat, das hatte ich rausgeschnitten. Aus Verantwortungsgefühl.  Ich habe die Schuld immer bei mir gesucht. Hab Teile ausgelassen. Aber jetzt schulde ich euch das vollständige Material. Der Verlierer des ganzen Spiels bin ich eh schon.  Ich will nicht auch noch als Monster dastehen.
Also auf zu Zuchtstuten und Spenderherden >>
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crowdbabe · 8 years
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(5) Zuchtstuten und Spenderherden
Kurz nachdem das Schwarz-Weiß-Foto von einem vietnamesischen Jungen in einer Blechschüssel die Environmental Protection Agency dazu veranlasst hat, die Enlist-Zulassung zurückzurufen, hatt Orange in einem Thrift Store eine Ringelmütze aus der 50 Cent-Kiste gezogen. So eine, wie sie ihr ehemaliger Biolehrer immer aufhatte, ihr erster Held, der den Fox River runtergeschippert ist, Umweltsündern die Abwasserrohre verstopft und tote Stinktiere auf die Schwelle gelegt hat. Längst war der auch zu meinem Helden geworden. Wir wollten ein bisschen feiern, haben Gino und Eddie vor der letzten Mad-Men-Staffel geparkt, eine Flasche Chianti eingepackt, uns die Wollmützen ins Gesicht gezogen und this land is your land schmetternd ein bisschen unser erobertes Terrain erkundet. Seit der Anti-Enlist-Kampagne wollten ja plötzlich alle mit uns kuscheln, auch die sonst eher konservativen Farmer, was natürlich weniger mit unserem Robin-Hood-Ansatz zu tun hatte als damit, dass wir der Schlüssel zu den Zielgruppen der Zukunft sind. Also führt unser Ausflug uns aufs Gelände dieser Gemüsekooperative, strictly organic vegetables, der wir durch unsere Mitgliedschaft zu irgendeiner Zertifizierung verhelfen sollen. Und wie wir so mit unserer geteilten Flasche, aus der wir abwechselnd trinken, unser Terrain besichtigen und an einem runtergekommenen Schuppen eine kleine Pause einlegen und ich Orange gerade fragen will, ob ich meine kalten Hände unter ihrem Norwegerpulli aufwärmen darf, hören wir von der Rückseite des Schuppens dieses gequälte Schnauben, gefolgt von einem unterdrückten Wiehern.
Gemüse wiehert nicht, nicht mal strikt organisches. Pferde wiehern. Unterdrückt und qualvoll wiehern unterdrückte und gequälte Pferde. Zuchtstuten zum Beispiel. Künstlich dauerschwangere Zuchtstuten, deren Blut PMSG enthält. Pregnant Mare Serum Gonadrotropin. Ein Hormon, dessen hervorstechendste Eigenschaft darin besteht, die Ovulation von Zuchtsäuen termingerecht zum Zeitpunkt einer geplanten künstlichen Befruchtung stattfinden zu lassen, weswegen es vorzugsweise zur Ertragssteigerung bei der Ferkelzucht eingesetzt wird. Brunstsynchronisation nennt sich das dann. Und weil besagtes Hormon nur in bestimmten Phasen der Schwangerschaft produziert wird, bedeutet das, dass nur eine schwangere Stute eine gute Stute ist. Bis zu 10 Liter Blut werden schwangeren Stuten wöchentlich abgezapft. In einem Land, in dem sich Abtreibungsgegner vor Kliniken aufbauen, die Schwangerschaftsabbrüche praktizieren, um schwangere Frauen als Mörderinnen zu beschimpfen und zu bespucken, werden Stuten bis zum Ablaufdatum ihrer Fruchtbarkeit in Dauerschwangerschaft gehalten und die Fohlen als unfreiwilliges Nebenerzeugnis abgetrieben. Damit die Abtreibungsgegner, sobald sie mit dem Beschimpfen und Bespucken fertig sind, sich in ihr Autos schwingen und im nächsten Diner ihren mächtigen Hunger mit Rührei mit ausreichend Speck stillen können, den sie Zuchtsäuen verdanken, die dank dauerschwangerer Hormonspenderstuten die Kunst der Synchronovulation beherrschen. Statt also meine Hand unter Oranges Wollpulli zu schieben, haben wir uns durch das Gatter gezwängt und standen plötzlich zwischen sieben Stuten mit aufgeblähten Bäuchen. Vor einer Spenderherde. Zu dem Zeitpunkt war ich viel zu schockiert und viel zu sediert, um zu kapieren, dass auch ich mich zum Zuchthengst habe programmieren lassen. Dass auch ich mich auf die vorprogrammierte, termingerechte Verfügbarmachung seiner Spermien habe abrichten lassen. Da ist Orange längst durch den Zaun geklettert und hängt den Stuten in den Mähnen, hat ihnen zärtlich in die Ohren geflüstert, wer weiß, was sie ihnen versprochen hat.
Natürlich ist mir die Szene hochgekommen, als ich ihre Statusänderung auf Twitter gesehen habe. Von #ttc auf #pregnant. Der Status, dem wir zehn Monate lang Wäscheleinen aus Zervixschleim gesponnen, an die wir unsere Hoffnung geklammert haben. Nur, dass unsere Glow-Profile da schon seit drei Monaten nicht mehr miteinander verknüpft waren. Vom echten Leben ganz zu schweigen. Orange will halt was erreichen im Leben. Und das geht an der Seite von Hornbrillen-Kevin wohl besser. Bestimmt, hab ich gedacht, weiß sie nichts von seinen unsauberen Machenschaften mit der GMO-Industrie. Hat er ihr nicht verraten, wer sein Stipendium gezahlt hat. Das muss ihr doch jemand sagen, hab ich gedacht. Und ihr meine Informationen zukommen lassen. In der idiotischen Hoffnung, dass sie dann geläutert und schockiert zu mir zurückkommt.
„It´s all because I grew up with a compulsive liar.” Eine zwanghafte Lügnerin, so hebt die zwanghafte Lügnerin an, das habe sie mir doch gleich zu Anfang anvertraut, sei ihre Mutter gewesen. Die zwanghaft schmerzhafte Ehrlichkeit, mit der sie mich verletzt habe, diese verletzende Radikalität, mit der sie durchs Leben gehe, sei doch nur wegen der traumatischen Lügen, denen sie in ihrer Kindheit ausgesetzt gewesen sei, wegen ihres nie entwickelten Urvertrauens, weswegen sie beschlossen habe, andere nie, nie, niemals zu belügen, selbst wenn der Preis dafür in schmerzhaft verletzender Offenheit besteht. Und jetzt liegt dieses Mädchens, das mich zehn Monate lang in einen Fruchtbarkeitsfonds hat einzahlen lassen, mit mir auf meinem Bett, ihr Hinterkopf auf meinem Schwanz und irgendwie erregt mich das, auch wenn das eher unpassend erscheint, weil das Mädchen, das seine Schwangerschaft demselben Hormon verdankt, das zur Ertragssteigerung bei der Ferkelzucht verwendet wird, nur hier liegt, um mich davon abzuhalten, dass ich gemäß der Werte und Überzeugungen handle, die sie mich erst gelehrt hat. Die mich davon abhalten will, Informationen über den Mann zu veröffentlichen, der versucht hat, Zweifel an der Unschädlichkeit von GMO der Lächerlichkeit preiszugeben. Informationen über die Auftraggeber, in deren Interesse und auf deren Kosten er reist, forscht und veröffentlicht. Die mich doch um nichts weiter bittet als diesen lächerlichen Gefallen, im Interesse des größeren Ganzen auf die Veröffentlichung dieser Informationen zu verzichten.
Ein Kreter sagt, alle Kreter lügen, denke ich und streichle der zwanghaften Lügnerin über die Haare, die weich und fest und glatt sind, ganz anders als Mamas und meine, die irgendwie strohig sind und nicht gestreichelt werden wollen, aber während Mama irre Mühe darauf verwendet, ihre möglichst kämpferisch wirken zu lassen, machen sie das bei mir von alleine. Auf Abwehr gebürstet. Oranges Haare sind anschmiegsam. Wie alles an ihr. Ihre Storys, mit denen sie sich in mein Vertrauen geschmiegt hat, eine Heimat wollte ich ihr geben, eine Decke ausbreiten, die Heizung anstellen, damit sie sich endlich aufwärmen kann. Damit sie zu dem Menschen werden kann, der sie sein wollte, ein Mensch, der einen Unterschied macht in dieser kranken, verlogenen Welt, in einer Welt, in der Mütter ihren Kindern verbieten, runtergefallene Brötchen wieder aufzuheben, und denselben Kindern ohne mit der Wimper zu zucken Burger servieren, die die Pisse panischer Schweine beinhalten und Keime stecken, die sich in den Mastbetrieben eine Antibiotikaresistenz antrainiert haben. Damit dieses Mädchen einen Unterschied machen kann. Und dieses Mädchen verlangt jetzt von mir, meine Liebe unter Beweis zu stellen. Und hat ziemlich präzise Vorstellungen davon, wie das auszusehen hätte.
„Du sagst, du liebst mich. Aber das reicht nicht. Das ist Besitzdenken. Menschen haben kein Recht aufeinander, solange es darum geht, dem größeren Ganzen zu dienen. Du gibst vor, dass es dir um die Sache ginge. Um sauberes Essen, um eine Alternative, um eine Utopie. Behaupten kannst du das sehr überzeugend, jetzt gilt es, den Beweis zu erbringen. Dahinzugehen, wo es wehtut. Wo Verzicht gefragt ist. Entsagung. Opferbereitschaft.“  Schluchzt die notorische Lügnerin in meinen Schoß, in dem es jetzt zu allem Überfluss auch noch heiß und feucht wird, weil sie ihren Kopf herumwirft, mit ihren Tränen meine Hose nässt und ihr Atem durch den feuchten Stoff dringt. Ich schiebe die Hand unter ihren Hinterkopf, lege ihn auf der Überdecke ab und stehe auf, ein Tee, vielleicht tut ein Tee uns jetzt gut. Während der Wasserkocher anfängt, zu zischen, drehe ich meine Erektion zum Fenster und rauche in den Regen. Vom Bett her kommt ein Schluchzen. Das Schluchzen kommt aus Orange. Orange schluchzt, ich presse meine Erektion an die Heizung.
Keine Verletzung der Welt, behauptet das Mädchen, dessen Zervixschleimkonsistenz ich monatelang protokolliert habe, und zieht trotzig die Nase hoch, wird sie davon abhalten, weiter der Mensch zu bleiben, der zu sein sie sich vorgenommen hat, nur weil ihre Aufrichtigkeit sie angreifbar und verletzlich macht. Schwach, sagt das Mädchen, die weiß, auf welche 32 amerikanischen Großstädte man die jährlich bei Smithfield geschlachteten Schweine verteilen müsste, damit jeder Einwohner eines abbekäme, schwach sind doch die, die es nötig haben, kompromittierendes Wissen aus egoistischen Rachemotiven auszuspielen und Intrigen anzuzetteln. Ein bisschen Rotz schwingt noch in ihrer Stimme mit als sie, inzwischen wieder aufgerichtet im Schneidersitz, die heiße Teetasse entgegennimmt. Dass  ihr klar ist, dass sie mein Vertrauen verspielt hat (hey, ich meine, sie hat sich schwängern lassen. Mithilfe von Hormonen, die ich bezahlt habe. Hättet ihr da noch Vertrauen?). Verdammt, ihr könnt mir glauben, wie gerne ich Orange abnehmen würde, dass es die Wahrheit ist, die sie in meine Überdecke heult (immerhin taugt die Wahrheit ja noch, mir einen Ständer zu verursachen, rein technisch ist die Wahrheit also durchaus noch brauchbar), aber Oranges Wahrheit ist inzwischen ein ganz schön gerupftes Huhn, weil sie bei Orange immer dann zum Einsatz kommt, wenn sie davon ablenken will, dass sie es selber mit ihren hohen moralische Ansprüchen nicht so genau nimmt. Dass für sie andere Regeln gelten. Die Opfer-Regel, ihr erinnert euch.
Tja, in ihrem Fall besteht die lächerliche kleine Opferbereitschaft, die sie von mir erwartet, darin, über ein paar unwesentliche Fakten hinwegzusehen. Lächerliche, triviale Fakten. Fakten wie die Tatsache, dass der Direktor der Abteilung Crop Biometrics bei Monsanto zusammen mit Partnern in der Lebensmittelindustrie Forschungsstipendien in unbekannter Höhe ausgelobt hat, um die landesweite Reisetätigkeit zur Verteidigung gentechnisch modifizierter Lebensmittel zu ermöglichen. “Wir wissen unabhängige Wissenschaftler zu schätzen, die sich der Aufklärung der Öffentlichkeit verschrieben haben”, ergeht die schmeichelnde Einladung an einen promovierten Molekularbiologen, der regelmäßig zugunsten von Gentechnologie argumentiert, gefolgt von der offiziellen Anfrage, der Desinformationskampagne der Anti-GMO-Lobby wissenschaftlich fundierte Argumente entgegenzusetzen. “Es handelt sich bei dieser Maßnahme um einen neuen Anlauf, Vertrauen, Dialog und Unterstützung für Biotechnologie in der Landwirtschaft zu gewinnen, der anhand einer unabhängigen Stimme erklärt, wobei es sich bei GMOs handelt,” erklärt man dem Molekularbiologen, und dass man ihm typische Fragen weiterleiten werde, zum Beispiel, ob genetisch veränderte Lebensmittel Krebs verursachen. Es sei, so verteidigt der Molekularbiologe auf Nachfrage, doch Teil seiner  Aufgabe, seine Expertise öffentlich zu verbreiten. Bezüglich zu erbringender Forschungsergebnisse habe man ihm keinerlei Vorgaben gemacht. Allerdings, so räumt er nach Vorlage unwiderlegbarer Nachweise ein, habe man es nicht dabei belassen, ihm Fragen weiterzuleiten. Zu verschiedenen Anlässen habe man ihm auch Entwurfsvorlagen für die Antworten geliefert. Derer er sich dann fast buchstabengetreu bediente. Ein Schritt, den er heute sehr bedaure. Weswegen seine Fakultät, um den Vorwurf auszuschließen, er habe sich von der Nahrungsmittelindustrie instrumentalisieren lassen, die Monsanto-Zuwendungen einer gemeinnützigen Organisation spenden werde.
Warum ich Orange mit diesen lächerlichen, trivialen Fakten kommen musste? Weil Details wichtig sind. Weil Ihr drei Mal raten dürft, wie der Molekularbiologe mit Vornamen heißt. Und was er für eine Brille trägt. Dann sieht das nämlich schon ganz anders aus. Dann wird aus lächerlichen, trivialen Fakten die feindliche Übernahme der Mutter des durch mich finanzierten Kindes durch einen durch die Genindustrie finanzierten Typen. Lächerliche, triviale Fakten wie die Fruchtbarkeitsbehandlung mit einem Hormon, dessen Gewinnung  ein prächtiges Motiv für überlebensgroße Schwarz-Weiß-Bildern gequälter Zuchtstuten böte. Und so stehe ich mit einer Erektion, die ich gerade nicht gebrauchen kann, am Fenster, das mal wieder geputzt werden müsste, vor zwei Plastiknilpferden, die schon längst ausgestiegen sind. Mir fallen partout keine nilpferdgerechten Worte ein, mit denen ich ihnen erklären kann, warum das Mädchen, das jetzt schwanger ist, weil es sich mit Ferkelzuchthormonen hat behandeln lassen, bezahlt aus einer Versicherung, in die ich eingezahlt habe, auf meinem Bett liegt und heult, um mir zu erklären, warum ich zum Verräter werde, wenn ich Dinge, die ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, veröffentliche?
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crowdbabe · 8 years
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Draußen wird es hell. Europäischer Morgen. Gleich setzt der Sinkflug ein. Ach Leute. Fugazi. Fucked up Got Ambushed Zipped in. In der Scheiße sitzen, in einen Hinterhalt geraten, im Leichensack landen.
Ich hab echt verbrannte Erde hinterlassen. Krater. Was ich jetzt gebrauchen könnte, wär eine Handvoll Zaubereicheln. Wie bei Asterix und Obelix, hab ich glaub ich schon mal erzählt, ja?
Ruben legt mir die Hand auf die Schulter und deutet mir an, den Tisch hochzuklappen. Ich drücke ihm den leeren Kaffeebecher in die Hand, schließe den Sicherheitsgurt und summe im Sinkflug die Schnulze mit, die die Mariachis gestern Abend in diesem mexikanischen Schnellimbiss gespielt haben.
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crowdbabe · 8 years
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(6) FUGAZI Fucked up, got ambushed, zipped in
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„Te he prometido que te he de olvidar, sabiendo que mañana irás con otro al altar“, die Mariachis erwischen mich völlig aus der Kalten, ich hab nicht mitgekriegt, wie sie reingekommen sind, weil ich ja dicken schwarzen Bohneneintopf löffle und mit meinem Schicksal hadere, während Jerry die Jalapeños aus seinem Burrito zieht und auf der Papiertischdecke arrangiert. Noch eine knappe Stunde, bis ich am Flughafen sein muss. Kann sein, dass ich etwas rausfinde, was ich lieber nicht herausfinden würde, hat Jerry bei unserem Kennenlernen auf der Bank am Lake Michigan gesagt. Wie prophetisch. Nur, dass mir nicht klar war, dass ich etwas rausfinden würde, was mich schneller nach Deutschland zurückbringt, als ich gedacht hätte. Die drei kastenförmigen kleinen Männer mit zurückgeföhnten Pomadehaaren und wettergegerbter Haut, Geige und Gitarre spielen sich zwischen den Tischen und den schmuddeligen, orangenen Holzpaneelen entlang, bis sie vor unserer gepolsterten Sitznische stehen bleiben, „no podrás ser feliz con ningun otro pues conmigo conociste el amor…“ Ich wische mir die Sour-Cream-Reste aus den Mundwinkeln und werfe Gino und Eddie, die hingerissen an ihren Lippen hängen, einen misstrauischen Blick zu, aber sie scheinen damit nichts zu tun haben.
Der Sänger, Schulterpolster, breites Revers, fette blütenförmige Silberknöpfe, wie ein Frack mit abgeschnittenen Frackschößen, tritt einen Schritt vor, die hellgraue Anzughose fällt ihm auf die viel zu kleinen Füße, während er von der verlorenen Liebe singt. Keiner wird dich je lieben wie ich, singt der trostlose Kubaner, während der Kellner sich mit dem vollbeladenen Tablett an ihm vorbei zwängt, meine zusammengeknüllte Papierserviette vom Tisch klaubt und zu den schmutzigen Tellern schmeißt, auf dem die Eiswürfel in den halbvollen Bechern im Takt meiner Sentimentalität aneinander klackern.Lloraras, lloraras por tu capricho, ja, du wirst schon noch weinen über deine Launenhaftigkeit, mit mir hast du die Liebe kennengelernt. Wortlos zieht Jerry eine neue Serviette aus dem kleinen Blechspender. Erst da merke ich, dass sich auf der Papiertischdecke unter mir ein feuchter Fleck ausbreitet. Der trostlose Kubaner hat mir die Traurigkeit in die Augen gelockt. Jetzt tropft sie auf die Tischdecke.Fugazi. Fucked up, got ambushed, zipped in. Scheiße gebaut, in die Falle getappt, eingesackt worden. Ich hab echt verbrannte Erde hinterlassen. Krater. Was ich jetzt gebrauchen könnte, wär eine Handvoll Zaubereicheln.
 Ich bekenne mich schuldig. Schuldig, zu den Menschen zu gehören, die an Magie glauben wollen. So sehr, dass sie bereit sind, den Geschmack gefärbter Zuckerkügelchen für Liebe zu halten. So sehr, dass sie ein Mädchen mit orangefarbenen Haaren zu ihrer Real-Life-Heldin machen. Dem konnte sie natürlich nicht standhalten. Wie kein Mensch dem Anspruch eines anderen, für ihn den Helden abzugeben, gewachsen ist. Ich bekenne mich schuldig, diesem Mädchen Zuckerkügelchen aus der Hand gefressen und mich für berechtigt gehalten zu haben, ein Kind von ihr zu bekommen. Mich zum Rächer aufgeschwungen zu haben, als sie ihrer Verpflichtung mir gegenüber nicht nachgekommen ist. Als sie unser Kind mit einem anderen bekommen wollte. Ihren Status auf #pregnant geändert und Ultraschallbildchen gepostet hat. Mich zum Rächer aufgeschwungen und sie so lange gedemütigt und an den Pranger gestellt zu haben, bis sie aufgehört hat mit dem Posten . Keine Ultraschallbildchen mehr. Kein #trimester1. Ich habe nicht aufgehört, ihren kostbaren Ruf als Real-Life-Heldin zu verbrennen, bis sie ihren Status erneut geändert hat. Von #pregnant auf #healingfromloss. Was sind wir immer betroffen zusammengezuckt, wenn der Hashtag in unserer Glow-Chatgruppe aufgetaucht ist. Healing from loss. Den Verlust verschmerzen. Wenn das Kind sich noch vor der Geburt wieder verabschiedet hat.
Und dann hatte ich plötzlich selber einen Status. #IdentityTheft. Bestellung von Waren oder Dienstleistungen unter fremden Namen. Corned Beef hab ich bestellt, Industriefleisch aus der Hormel-Hölle. In Handelsabgabegrößen. Auf Oranges Namen bestellt und ans Lousy Liberty liefern lassen. #Namensmissbrauch. Veröffentlichung von Äußerungen und Falschaussagen unter fremden Namen bei Twitter, Facebook, Instagram & Co. #Datenmissbrauch. Widerrechtliche Verknüpfung von Nutzer-Profilen. Genau im passenden Moment hatte Glow diese Sicherheitslücke. Brauchtest nur die Mailadresse eines anderen Nutzers oder einer anderen Nutzerin zu kennen, um die beiden Profile verknüpfen. Und zwar ohne dass der andere dem zustimmen musste. Sie hätte bestimmt nicht zugestimmt. Da war sie ja schon längst mit Kevin verknüpft. Also hab ich nicht gefragt. Wozu auch. Ich hab das als Wink des Schicksals verstanden – Glow wollte, dass Orange erneut nackt vor mir lag. Ihr Aufenthalt in einer Glow-Vertragsklinik. Der Erfolg ihrer Fruchtbarkeitsbehandlung. Offen lesbar wie ihr Zervixschleim.Aber natürlich hat sie sich das nicht kampflos gefallen lassen. #healingfromloss hat sie nicht davon abgehalten, sich eine Anwältin zu nehmen. Und jetzt hat eine dritte Instanz ihr Profil mit meinem verknüpft.„Aufgrund der Dauer und Intensität der Beziehung, die meine Mandantin zwischen September 2015 und April 2016 mit dem Angeklagten geführt hat, erklärt sie sich bereit, unter bestimmten Voraussetzungen von einer strafrechtlichen Verfolgung Abstand zu nehmen. Sollte der Angeklagte gegen die im Mediationsprotokoll der zivilrechtlichen Schlichtungsvereinbarung festgehaltenen Auflagen verstoßen, behalten wir uns vor, vom gesamten Ausmaß strafrechtlicher Konsequenzen – Schadensersatzforderungen, Schmerzensgeld – Gebrauch zu machen. Hiervon ist insbesondere die Auflage betroffen, die Vereinigten Staaten von Amerika innerhalb von vierzehn Tagen zu verlassen.“
 #Ausgewiesen.
 Jerry legt seinen angebissenen Burrito auf den Teller und nimmt mich ins Visier. Ich senke den Kopf und nehme Jerrys Teller ins Visier. Rechts und links aus seinem angebissenen Burrito quillt zähflüssige rote Salsa. „Ganz groß, mein Freund. Hat dich ja weit gebracht, deine Rache. Fühlst du dich jetzt wohler, jetzt, da du die Welt aufgeklärt und es dem Mädchen, das dir deine Bilderbuchfamilie verweigert hat, , heimgezahlt hast? Sitzt hier in Gesellschaft eines alten Grantels und zweier Spielzeugnilpferde und lässt dich von einer kubanischen Folkloreband zum Heulen bringen. Ist es das, was du erreichen wolltest?“
Er streicht sich die Hosen glatt und lässt ein paar Münzen Trinkgeld zwischen die aussortierten Jalapeños auf das Papiertischtuch fallen. Ich spüre Ginos und Eddies flehentliche Blicke. Die Zeit geht uns allmählich aus. Wenn wir jetzt aufbrechen, bleibt uns nur noch die gemeinsame Autofahrt zum Flughafen. Du kannst ihn doch jetzt nicht so einfach aus unserer Geschichte entlassen, scheinen meine beiden Kunststofffreunde zu flehen. Als ob ich´s nicht versucht hätte. Hab ihn ja selber schon fast mit Ottilie in der Hollywoodschaukel gesehen. Wie sie zusammen Quittenraki trinken und Ottilie versucht, ihn beim Schiffeversenken zu besiegen. Hab ihn mit seiner Pfeife im Mund unter dem Walnussbaum stehen sehen, wie er die Leiter festhält. In meiner Vorstellung kann Ottilie die natürlich wieder hochklettern. Aber es nutzt ja nichts. Jerry hat sich das angehört, einen Rauchkringel über die Wasseroberfläche geschickt und sich in aller Ruhe eine Handvoll Erdnüsse in den Mund geschoben. „Meine polnischen Wälder haben jetzt schon sechzig Jahre ohne mich überlebt und deine Ottilie kommt seit Jahrzehnten alleine mit ihren Walnüssen klar. O.k., reizvolle Vorstellung, meinen Blaubeeren noch mal guten Tag zu sagen, aber warum sollte ich mir meine schönen Erinnerungen durch die Realität verderben lassen? Es vergeht kein Tag, an dem mich der Brandfleck auf meinem Couchtisch nicht an Blanche erinnert. Aber es vergeht auch kein Tag, an dem ich mich nicht zusammenreißen und aufraffen würde. Dann lasse ich Couchtisch Couchtisch und Vergangenheit Vergangenheit sein, gehe raus, drehe meine Runde am Wasser und lande schließlich auf meiner Bank rauche. Und dabei wollen wir es auch belassen, mein Freund.“Der Chevy ist direkt vor dem Imbiss geparkt, und er wird nicht mit mir ins Terminal kommen, sondern mich am Bordstein rausschmeißen. Keine tränenreiche Verabschiedung, so lautet unsere Vereinbarung. Er nimmt seinen Anorak vom Garderobenhaken und drückt sich das Glencheck-Hütchen auf den kahlen Schädel. Als könnte er Gedanken lesen, lächelt er uns liebevoll an. “So Freunde, dann wollen wir mal dafür sorgen, dass ihr euren Flug erwischt. Nicht, dass ich euch jetzt für den Rest meines Lebens auf der Tasche liegen habe.” Auch die Kubaner haben ihre Vorstellung beendet, die Tische abgeklappert und ihre Münzen eingesammelt. Gemeinsam mit uns drängen sie in Richtung Ausgang. Während Jerry in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel wühlt, gucke ich ihnen hinterher, wie sie langsam den Hügel hinunterlaufen, , ihre Instrumente an den bunten Umhängegurten auf dem Rücken. Wir sitzen schon auf den zerschlissenen Polstern und Jerry lässt den Motor an, da dreht mein trauriger Sänger mit den viel zu kleinen Füßen sich noch einmal um und winkt mir aufmunternd zu.
 „Ich hatte die große Liebe. Und trotzdem hab ich sie kampflos gehen lassen.“ An den Fenstern ziehen flache Gebäude vorbei, die Taco-Buden, die Baumärkte, die Malls und Drugstores mit den riesigen Parkplätzen davor, alle flach an den Boden gedrückt wie liegende Streichholzschachteln. Als dürften in Flughafennähe keine Hochhäuser den Flugzeugen im Weg stehen. „Ich hab dir erzählt, warum Blanche und ich uns gegen Kinder entschieden haben.“ Ruhig und fest liegen Jerrys große Pranken auf dem Lenkrad, sein auf die Fahrbahn gerichtetes Gesicht zeigt keine Regung. Trotzdem scheint er meinen irritierten Blick zu spüren. „Was ich dir nicht erzählt habe, ist, wie gerne ich Vater geworden wäre. Wie gerne ich dem ewigen Täter-Opfer-Geschacher Einhalt geboten hätte, das mit dieser verdammten Fernsehserie, mit dieser verdammten Familie Weiss auch bei Blanche und mir Einzug gehalten hat. Dem hätte ich gerne ein Leben entgegengesetzt.“ Jerry also auch. Hätte mir eigentlich klar sein können, dass er es nicht dabei belassen würde, zum Abschied Jalapeños auszusortieren und ein sentimentales Folkloretrio auf mich anzusetzen. „Ein Kind, dessen Eltern dem Wissen um eine kaum tragbare Schuld etwas entgegenzusetzen gehabt hätten: die Liebe. Eine Holzbank im Pulaski Park. Rote Finger vom polnischen Weihnachtsborschtsch.“ Ich unterdrücke den Impuls, nach seiner Hand zu greifen oder ihm auf die Schulter zu klopfen. „Wie wir wissen, hat Blanche sich anders entschieden. Wie deine Orange. Menschen tun das.“ Wir schweigen für den Rest der Mannheim Road, wir schweigen auch noch, als wir die Mannheim Road verlassen und wir schweigen das kurze Stück über den Kennedy Expressway. Die Parkplatzschilder fliegen rechts und links an uns vorbei und die schildkrötenpanzerartige Außenhaut des Kontrollturms ist schon mit bloßem Auge erkennbar, als er über meinen Schoß hinweg ein Päckchen Zigaretten aus dem Handschuhfach zieht. Er drückt den Knopf im Armaturenbrett und saugt ein paar Sekunden trocken auf der Zigarette herum, bis der Zigarettenanzünder rot glüht.„Ein Kind von jemandem nicht zu bekommen, ist ein ziemlich deutliches Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass etwas anderes wichtiger ist. – Ich habe lange darüber nachgedacht, was das für Blanche wohl gewesen sein mag. Ich habe viele mögliche Motive gefunden. Mal hatte es etwas mit ihr zu tun, mal mit mir. Klarheit über die Motive anderer werden wir unser ganzes Leben lang nicht gewinnen können.“
Die Ampel springt auf Grün. Jerry hebt den Blick und konzentriert sich auf die blauen Anzeigetafeln am Fahrbahnrand, auf denen die Abflugterminals ausgeschildert sind. „Ist ja nicht so, dass Blanche das nicht auch versucht hätte. Einen langen Brief hat sie mir noch geschrieben. Und ein paar Wochen später kam dann noch diese Videokassette. Ich hab nie rausgefunden, welche Geschichte sie mir darin erzählt. Konnte ich 1981 gar nicht abspielen. Europäische PAL-Codierung.“ Er drückt die halbgerauchte Zigarette in den Aschenbecher, blinkt und lenkt den Chevy in eine Lücke am Bordsteinrand vor dem United-Abflugterminal. Jerry wird nicht mit aussteigen. Die Bordsteinkante vor dem Abflugterminal ist eine reine Rausschmissangelegenheit, Drop´n´Go, rausschmeißen und weiterfahren. Außerdem kenne ich ja seine Bionicle-Gelenke. Den Motor hat er gar nicht erst abgestellt. Auf meinen Daumendruck schnappt die Zunge aus dem Gurtschloss. Ich beuge mich über die Mittelkonsole. Jetzt klopfen wir einander doch unbeholfen auf die Schultern. Ich hab ihm schon den Rücken wieder zugedreht und die Hand an der Beifahrertür, da spüre ich noch einmal den Druck seiner Hand auf meiner Schulter. Da kann sie von mir aus für immer liegen bleiben. Vielleicht hält er mich ja jetzt doch noch zurück.
“Klar hab ich gehofft. Aber jeder Briefumschlag bleibt eben nur ein Briefumschlag, egal wie viel große Gefühle drin stecken. Ich wollte keine Gesten. Ich wollte nicht die Erinnerung an ihren Käsekuchen, ich wollte ihren Käsekuchen. Ich wollte eine Frau, die mit mir auf unserer Bank sitzt. Alt wollte ich mit ihr werden und jedes Jahr Weihnachtsborschtsch mit ihr kochen. Ganz einfach. Und ab irgendeinem Punkt wird es dann auch belanglos, ob du die Motive von jemandem verstehst. Dein Leben musst du trotzdem weiterleben.” Er schiebt mich in Richtung Beifahrertür und gibt dem hinter uns wartenden Fahrer ein Zeichen, dass er gleich wieder ausparken wird. “Und was dich angeht: nimm dir ein Beispiel an deiner Ottilie. Die hat dir doch beigebracht, was wirkliche Helden auszeichnet.“ Und dann stehe ich mit offener Jacke vor dem Abflugterminal, drop´n´go, auf dem Bordstein abgestellt, unschlüssig, wohin mit meinen Gefühlen. Aber ich kann ja schlecht den rauchenden Wachmann an der Drehtür ansprechen, entschuldigen Sie bitte, ob Sie vielleicht mal ein Feuerzeug für mich hätten, und am besten auch noch eine Schraube oder irgendeinen anderen metallischen Gegenstand, ich muss gerade ein bisschen meinen Schmerz betäuben? Fafickte Ferletzungen. Fafickter Monsterkoffer. Sind die Paybackpunkte doch noch zu was gut, hat Mama gesagt, und dass ich noch dankbar sein würde für die vier Rollen, meine Beine zucken, am liebsten würde ich ihren fafickten Paybackkoffer mit seinen fafickten Rollen mit den Füßen traktieren. Stattdessen ziehe ich den Reißverschluss zu und die Nase hoch, da fährt Jerry das Seitenfenster neben mir noch einmal runter. „Flieg nach Hause, Anatol. Geh´ Eichhörnchen füttern. Dein Leben weiter leben. Auf dich warten andere Geschichten.“
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