Tumgik
notizen-notes · 5 years
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Linke Weltanschauung
Stobbe: “Vor ein paar Jahren las ich, dass das durchschnittliche Ausstiegsalter aus der linken Szene 28 Jahre beträgt. Das ergibt Sinn, da kommen die meisten an das Ende ihres Studiums, die linke Szene ist ja eine Akademikerszene. Vor allem aber brauchen sie dann eine andere Welterklärung, eine andere Lebensideologie. Die linke Weltsicht - alles ist schlecht, alles müsste ganz und gar umgeworfen werden, ich kann nichts tun, muss aber dennoch permanent agitierend oder aktivistisch oder beides sein, das Leben ist bedeutungslos, entfremdet usw. - ist die Lebensideologie von orientierungslosen, mit sich und dem Leben überforderten Akademikerkindern in der Pubertät und in der früherwachsenen Depression. Sie rechtfertigt prima, nichts an seinem eigenen Leben zu verändern, sich für nichts anzustrengen, was das eigene Leben verbessert, weil ohnehin alles schlecht ist. Das heißt natürlich nicht, dass diese Kritik insgesamt falsch ist (vieles daran ist richtig), aber die eigene Unfähigkeit, das Leben in die Hand zu nehmen und die Möglichkeiten zumindest teilweise auszuschöpfen, die sich Abiturienten nach wie vor bieten, ein eigenverantwortliches Leben ohne Armut zu leben, wird politisch rationalisiert. Und damit machen die meisten dann halt Schluss, wenn sie merken, dass sie mal zuende studieren und einigermaßen Geld verdienen müssen. Eine Gesellschaftskritik ist keine, wenn sie auf dem Hass auf diese kleinen Lebensziele, die man wenigstens erreichen könnte, aufruht. Zu den Dingen, die ein erwachsener Mensch aushalten muss, gehört die Ambivalenz. Etwa Arbeit scheiße zu finden und dennoch einigermaßen auskömmlich zu arbeiten. Eine grundlegende Kritik zu haben, aber dennoch sein eigenes Leben so zu gestalten, dass es unter den gegebenen Umständen erträglich ist. Linke Politik und linke Politsekten haben ja gerade deswegen so einen sektenartigen Charakter, weil das Privatleben, die bürgerliche oder kleinbürgerliche Privatexistenz dort so verpönt ist. Statt sich ein etwas besseres Leben zu erarbeiten, muss man alles für die Sache geben. Eine Kritikerexistenz führen, in einer Szene-WG leben oder in einem besetzten Haus. Alles, nur nicht einigermaßen unabhängig sein, nur nicht irgendwie am Markt reüssieren und die eigene, schnöde Existenz verbessern. Darum auch dieser Hass darauf. Mich von solchen linken Wahnvorstellungen zu lösen und sie nicht als Rechtfertigung für irgendwas zu nutzen, daran arbeite ich bis heute. Das gehört zu den tiefsitzendsten Schäden, die linke Sozialisation jungen Menschen zufügt, dass sie nicht daran denken, wo sie bleiben, wovon sie wie leben und was sie in den verdammt vielen Jahren zwischen 30 und 70 eigentlich tun wollen und wie sie sich das vorstellen. Man trifft nicht wenige schon vollkommen vergreiste unter Dreißigjährige, die sich auf lebenslanges Leben vom Staat vollkommen eingestellt haben. Wie das eine Lebensperspektive sein soll, in der man nicht depressiv werden kann, hat mir noch keiner erklärt. “
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notizen-notes · 5 years
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Argelander
S. 33: “Eine letzte abgrenzbare und offensichtlich im Zunehmen begriffene Gruppe bildet den Typus des aufgeklärten Patienten. Seine Motivation wird von seinem Wissen, dem Grad seines Aufgeklärtseins und seinem Bedürfnis nach Wissen bestimmt. Er hat meistens schon an sich selbst gearbeitet und benutzt ein entsprechendes Vokabular, das aus der Literatur, seinem Beruf oder früheren Behandlungen stammt. Im Gegensatz zum anspruchsvollen Patienten kokettiert er nicht mit diesem Wissen, sondern meint es ernst. Sein Wissen wird von stark intellektuellen Bedürfnissen getragen, strebt nach Vervollkommnung, manchmal nach absoluter Perfektion. Dieser hochgezüchteten und meist sehr differenzierten Intellektualität steht ein abgeriegeltes, verkümmertes und schwer zugängliches Gefühlsleben gegenüber. Bei seiner Begabung und seinem geschulten Intellekt ist sein Anspruch gerechtfertigt und entspricht seiner persönlichen Einsatzbereitschaft. Einmal überzeugt, stellt er sich auf alles ein, was erforderlich ist. Er läßt sich die Behandlung etwas kosten und ist ehrlich bemüht, seine eigenen Möglichkeiten für sie einzusetzen. Vielen erscheint dieser Typus als der ideale Patient, bis sich herausstellt, daß hinter seiner geistigen Beweglichkeit, seinem echten Interesse und seinen überzeugenden bewußten Motivationen fast unüberwindliche Schranken das Gefühlsleben abschirmen - unüberwindlich, weil die von Gefühlen getragenen Objektbeziehungen frühzeitig niedergehalten und noch mit den sie begleitenden infantilen Ängsten verhaftet sind. So erlebt man es sehr häufig, daß Trennungsängste die Befriedigungsmöglichkeiten in der Objektbeziehung zurücktreten lassen zugunsten der Bewunderung der strahlenden Intelligenz und der Dokumentation seiner Macht. Diesen Typus findet man häufig in hohen und verantwortlichen Stellen. Die Patienten lernen aus dem Gespräch, nutzen ihr Wissen aber zur Festigung ihrer narzißtischen Position. Häufig haben sie gefühlsbetonte Partner, die sich an der Unzulänglichkeit ihres Gefühlslebens reiben, ihnen Mangel an Spontaneität vorwerfen, andererseits jedoch ihre Kontrolliertheit und verständnisvolle Überlegenheit bewundern. Die Patienten überfordern den Psychotherapeuten im Allgemeinen nicht, wenn sie von der Qualität seines Vorgehens überzeugt sind. Sie spüren meist selbst die Unzulänglichkeit ihrer Gefühlswelt und sind deshalb für jede ernsthafte Hilfe dankbar.”
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notizen-notes · 5 years
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“Man mag bei all diesen Vorgängen an folgende Anekdote denken: Als Jung Freud von einer Vortragsreise in den USA schrieb, die Psychoanalyse komme glänzend an, telegraphierte Freud umgehend zurück: "Was haben Sie weggelassen?" Freud war überzeugt davon, dass da, wo Psychoanalyse ist, es auch Widerstand gibt, dass also die Psychoanalyse die Wissenschaft ist von dem, was wir partout nicht wissen wollen. Wir müssen nun fragen: Wo ist der Widerstand in den fast schon hagiographischen Artikeln über Freud und die Psychoanalyse geblieben? Was wird weggelassen? Was wird vergessen gemacht?”
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/was-haben-sie-weggelassen
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notizen-notes · 5 years
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Heinrich Heine
Ich habe die friedlichste Gesinnung. Meine Wünsche sind: eine bescheidene Hütte, ein Strohdach, aber ein gutes Bett, gutes Essen, Milch und Butter, sehr frisch, vor dem Fenster Blumen, vor der Tür einige schöne Bäume, und wenn der liebe Gott mich ganz glücklich machen will, lässt er mich die Freude erleben, dass an diesen Bäumen etwa sechs bis sieben meiner Feinde aufgehängt werden. Mit gerührtem Herzen werde ich ihnen vor ihrem Tode alle Unbill verzeihen, die sie mir im Leben zugefügt - ja man muss seinen Feinden verzeihen, aber nicht früher, als bis sie gehenkt werden.
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notizen-notes · 5 years
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Freud bei Kardiner
“Freud war immer wütend, wenn ich zu ihm sagte, mit der Psychoanalyse könne man keinen Schaden anrichten. Er sagte: “Wenn Sie das sagen, sagen Sie auch, daß man nichts Gutes damit tun kann. Denn wenn Sie keinen Schaden anrichten können, wie können Sie dann Gutes tun?” (S. 82)
“Ich habe Freud einmal gefragt, was er von sich selber als Analytiker halte. ‘Ich bin froh, daß Sie mich fragen, denn offengestanden interessiere ich mich nicht sehr für therapeutische Probleme. Ich bin heute viel zu ungeduldig. Ich habe mehrere Nachteile, die mich zum großen Analytiker ungeeignet machen. Einer davon ist, daß ich zu sehr der Vater bin. Zweitens bin ich die ganze Zeit viel zu sehr mit theoretischen Problemen beschäftigt, so daß ich bei jeder Gelegenheit an meinen eigenen theoretischen Problemen arbeite, anstatt auf die therapeutischen Probleme zu achten. Drittens habe ich nicht die Geduld, Leute lange zu behalten. Ich werde ihrer müde, und ich möchte meinen Einfluß ausbreiten’ - wahrscheinlich hat er deshalb viele Leute nur kurze Zeit behalten.” (S. 81)
S. 87 Mann mit Erektionsproblemen, der seine Frau betrügt
S. 50 zu der Erziehung von Kardiners Vater
S. 52 die Annäherung von Kardiner an die unglückliche Liebe
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notizen-notes · 5 years
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Trump als Reformator
«Donald Trump will den Status quo des Politbetriebs ändern»
Je grösser die Bevormundung durch den Staat, desto grösser der Widerstand der Bürger: Germanist und Stanford-Professor Russell Berman ist überzeugt, dass in den USA der Aufstand gegen das normierte politische Denken und Handeln begonnen hat. Angeführt werde er vom US-Präsidenten. Donald Trump als Reformer – wirklich?
https://www.nzz.ch/feuilleton/trump-als-reformator-gegen-die-logik-der-verwalteten-welt-ld.1482709?mktcid=smsh&fbclid=IwAR1w6xC82wQN8RIPFRU-mfwAbwW0MisuZdnjUitxWL_znaY-biEuob96No4
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notizen-notes · 5 years
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Diverse Missverständnisse
Für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau definieren, gibt es das "dritte Geschlecht". ZEIT-Recherchen zeigen, es sind viel weniger als angenommen. Sind für sie eigene Toiletten, Sportwettbewerbe und das Gender-Sternchen nötig?Eine Analyse von Martin Spiewak
Dieser Entscheid des Bundesverfassungsgerichts war mutig, die Bedeutung des Urteils historisch, seine Reichweite bemerkenswert. Bis zum 10. Oktober 2017 gab es in Deutschland zwei Geschlechter, seither gibt es offiziell eine dritte Option. Denn die Richter in Karlsruhe beschlossen: Menschen, die sich dauerhaft weder als Mann noch als Frau definieren, haben das Recht, sich dies amtlich beglaubigen zu lassen. Rund 160.000 Menschen, schätzten die Hüter der Verfassung, könnten von ihrem Spruch betroffen sein.
Seitdem fragen sich viele Behörden, Unternehmen und Vereine, welche Konsequenzen das Urteil nach sich zieht. Überraschend viele haben darauf schon eine Antwort:
• Die bayerischen Gemeinden Pullach, Garching und Taufkirchen erwägen, neu zu bauende Grundschulen mit drei Toilettenarten auszustatten. Schließlich werde es in Zukunft, argumentierte eine Schulberaterin, Kinder geben, "die sich stolz mit dem dritten Geschlecht identifizieren werden".
• Um Diskriminierungsklagen abzuwenden sowie neue Mitarbeiter zu gewinnen, empfehlen Personalberatungen, für neue Stellen neben männlichen und weiblichen auch geschlechtlich "diverse" Mitarbeiter zu umwerben. Viele Unternehmen und Behörden folgen dem Rat. So sucht die Müllabfuhr in Gießen per Anzeige eine "Mülllader*in", Siemens wirbt für seinen Betriebsnachwuchs genderneutral um Elektroniker (m/w/d).
• Die Stadt Hannover rät ihren Mitarbeitern per Sprachleitfaden dringlich dazu, möglichst "geschlechtsumfassend" zu formulieren ("Redepult" statt "Rednerpult"). Ist das nicht möglich, sollen die Beamten in Vordrucken und Rundschreiben das Gender-Sternchen ("Wähler*innen") verwenden für alle, die sich durch die bisherige binäre Geschlechtszuweisung nicht angesprochen fühlen.
Konsequent gedacht, lassen sich die Anwendungsfälle der neuen Geschlechtergerechtigkeit beträchtlich ausweiten: Welche Polizisten dürfen eine intersexuelle Person durchsuchen? Wie sieht es mit Obdachlosenhilfe aus, wo es bloß Unterkünfte für Männer oder Frauen gibt? Und braucht es für Förderpreise, Sportwettbewerbe und paritätisch besetzte Gremien nicht ebenso drei Kategorien?
Im Prinzip vielleicht – praktisch eher nicht. Denn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden sich keine Kandidat*innen eines dritten Geschlechtes melden. Auch die Toiletten für intersexuelle Nutzer werden so gut wie immer ungenutzt bleiben. Und das Wetteifern vieler Firmen um "diverse" Bewerber dürfte meist ins Leere laufen – ähnlich wie alle gut gemeinten Bemühungen, in Reden und Schreiben per Gender-Sternchen auch ein zwischengeschlechtliches Publikum anzusprechen.
Der Grund: Die Zahl der intersexuellen Menschen, die sich weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zuordnen, ist sehr viel geringer, als allgemein angenommen wird. Weder handelt es sich um 160.000 noch um 16.000 Personen: Womöglich sind es nicht einmal 1600 – in ganz Deutschland.
Rund 150 Fälle in ganz Deutschland
Konkrete Hinweise dazu liefern die Standesämter. Sie sind für den Geschlechtseintrag zuständig. In seiner Entscheidung 2017 verpflichtete das Verfassungsgericht den Gesetzgeber, im Geburtsregister eine neue Kategorie zu schaffen. Bis dahin gab es nur die Einträge "männlich", "weiblich" sowie "offen". Geklagt hatte Vanja, eine intersexuelle Person, die sich weder als Mann noch als Frau fühlt und das unbestimmte "offen" als diskriminierend empfand. Die Richter gaben Vanja recht und forderten eine "positive" Bezeichnung. Seit Ende 2018 gibt es sie. Menschen wie Vanja können sich nun als "divers" eintragen lassen; auch Eltern, deren Kinder mit unbestimmtem Geschlecht geboren werden, können diese Kategorie nutzen.
Nach gut vier Monaten lässt sich sagen: Es gibt nur sehr wenige Vanjas. Eine Nachfrage der ZEIT bei den Standesämtern der elf größten deutschen Städte ergibt: Insgesamt haben 20 Personen beantragt, ihren Geschlechtseintrag auf "divers" ändern zu lassen (Stand Mitte April). Neun von ihnen leben in Berlin, zwei in München. Rechnet man die Zahlen, die von ähnlichen Umfragen bestätigt werden, auf ganz Deutschland hoch, sind es rund 150 Fälle. Eltern intersexueller Neugeborener, die ihr Kind als divers eintragen ließen, gibt es in den befragten Städten bislang keine.
Gewiss könnten sich in Zukunft mehr Intersexuelle entscheiden, das neue Gesetz zu nutzen. Schließlich benötigen die Betroffenen ein medizinisches Gutachten, das ihnen eine "Variante der Geschlechtsentwicklung" bescheinigt. Das Thema galt zudem lange Zeit als tabu, einige Betroffene könnten sich noch scheuen, ihre Intersexualität öffentlich zu machen. Doch selbst wenn man all dies mitrechnet: Mit einer Fallzahl von über 1000 Betroffenen rechnet kaum jemand.
160.000 vermutete versus einige 100 reale Menschen, die sich dem dritten Geschlecht zuordnen: Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Was bedeutet das Votum des Verfassungsgerichts konkret, wenn der Kreis der Betroffenen nicht 0,2 Prozent der Bevölkerung umfasst, sondern eher 0,002 Prozent? Und wer ist dafür verantwortlich, dass sich das biologische Phänomen der Intersexualität und die öffentliche Debatte darum so weit entkoppeln konnten?
Die Antwort lautet: die oberflächliche Recherche des höchsten deutschen Gerichts, die gute Lobbyarbeit der wirklich Betroffenen sowie das weit verbreitete Unverständnis für ein extrem komplexes medizinisches Syndrom.
Intersexualität ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Diagnosen und Unterdiagnosen. Die internationale medizinische Klassifikation ICD-10 nennt rund fünfzig verschiedene Syndrome, von denen die meisten extrem selten vorkommen: mal fehlen Chromosomen, mal sind welche überzählig, bei anderen Betroffenen versagen bestimmte Hormonrezeptoren. Anders als bei Transsexuellen, die im falschen Körper leben, deren Geschlechtsidentitätsstörung aber bislang wissenschaftlich nur schwer erklärbar ist, hat Intersexualität also stets eine konkret benennbare biologische Ursache. Nicht selten äußert sich diese schon bei der Geburt. So kommen einige Betroffene mit auffällig geformten Genitalien zur Welt, mit einem sehr kleinen Penis oder einer übergroßen Klitoris. Andere Intersex-Formen machen sich erst später bemerkbar, etwa wenn auffällt, dass die äußeren nicht zu den inneren Geschlechtsmerkmalen passen. Oder wenn bei Frauen Testosteronwerte wie bei Männern gemessen werden. Aktuell geriet die südafrikanische Läuferin Caster Semenya deswegen erneut in die Schlagzeilen, ein Sportgericht entschied vergangene Woche, dass die Doppelolympiasiegerin aus Fairnessgründen ihre Hormonwerte mit Medikamenten senken müsse.
Fachleute fassen all diese Phänomene unter den Sammelbegriff "Störungen oder Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung" (englisch abgekürzt DSD) zusammen. Wie viele Kinder mit einer dieser Auffälligkeiten auf die Welt kommen, ist umstritten. Die Verfassungsrichter nannten die Häufigkeit von einem Fall auf 500 Neugeborene (und kamen so auf 160.000 Betroffene in Deutschland). Die Zahl stammt aus einem Artikel aus dem Pschyrembel, einem allgemeinen medizinischen Lexikon. Spezielle Fachartikel allerdings gehen – je nachdem, welche Befunde man unter die DSD-Kategorie fasst – von einer Häufigkeit von 1:2500 oder 1:5000 aus. Auf diese Zahl etwa kamen Lübecker Wissenschaftler, als sie die Intersex-Fälle in deutschen Geburtskliniken zählten.
Hier also liegt das erste Missverständnis: Die Gruppe der von einem DSD-Syndrom Betroffenen ist deutlich kleiner als gemeinhin angenommen. Das zweite ist folgenreicher. So gut wie alle, die sich in Politik und Öffentlichkeit mit dem Thema Intersexualität befassen, gehen davon aus, dass ein großer Teil der medizinisch Betroffenen sich weder als Mann noch als Frau definiert, sondern als etwas "Drittes". Das jedoch ist keineswegs der Fall. "Menschen mit einer Besonderheit der Geschlechtsentwicklung ordnen sich fast immer einem der beiden Geschlechter zu", sagt Olaf Hiort, DSD-Experte an der Uni-Klinik Lübeck.
Eine Minderheit innerhalb einer kleinen Minderheit
Anders formuliert: Wer medizinisch als Intersexueller gilt, ist es gendermäßig noch lange nicht. Die meisten Betroffenen meiden das Wort vielmehr, so wie sie früher den Begriff "Zwitter" gemieden haben. Um das zu erfahren, reicht ein Anruf bei der AGS-Eltern- und Patienteninitiative. Sie vertritt Menschen mit dem Adrenogenitalen Syndrom, einer hormonellen Störung, die relativ häufig vorkommt.
Doch kaum hat man das I-Wort am Telefon ausgesprochen, heißt es mit genervtem Unterton: "Sie sind bei uns falsch, wir sind keine Intersexuellen!" Ähnliche Reaktionen erlebt, wer sich bei anderen größeren Betroffenenvereinen erkundigt, etwa jene für das Turner- oder das Klinefelter-Syndrom.
Beim Adrenogenitalen Syndrom zum Beispiel produziert der Körper zu viele männlich wirkende Sexualhormone. Das führt bei den betroffenen Mädchen oft dazu, dass sie mit einer vergrößerten Klitoris geboren werden – bei einigen kann sie sogar einem Penis ähneln. Vagina und Harnröhre sind manchmal verschmolzen. Zurzeit tobt ein erbitterter Streit darüber, ob man diese Auffälligkeiten per Genital-OP korrigieren darf. Wenig Zweifel gibt es jedoch daran, dass Betroffene nur äußerst selten mit ihrem Geschlecht hadern. Die AGS-Mädchen erlebten eine normale weibliche Pubertät, viele von ihnen bekämen später selbst Kinder, sagt Oliver Blankenstein, Kinderarzt und Hormonexperte an der Berliner Charité. "AGS-Mädchen verhalten sich oft jungenhafter. Einige wenige wechseln später das Geschlecht", sagt der Mediziner. "Ich kenne aber keine aus der Gruppe, die sich als zwischengeschlechtlich definiert."
Experten wie Blankenstein und Hiort schätzen die Zahl derjenigen, die sich selbst in Deutschland von der geschlechtlichen Ausrichtung als intersexuell sehen, auf einige Hundert. Als ein europäisches Forscherkonsortium 2015 für eine umfassende Studie (DSD-Life)Personen mit einem intersexuellen Syndrom nach ihrem Gesundheitszustand befragte, erhob es auch Daten zur Geschlechtsidentität. Von den insgesamt 1040 DSD-Befragten definierten sich zwölf als "intersexuell", die übergroße Mehrheit kreuzte "männlich" oder "weiblich" an.
Solche Studien spielen bei der Diskussion um das dritte Geschlecht überraschenderweise keine Rolle. Unter den Experten, die das Bundesverfassungsgericht für sein Urteil befragte, war keiner der Mediziner und Wissenschaftler, die sich mit dem Thema tagtäglich beschäftigen. Die öffentliche Debatte dominieren vielmehr Gendertheoretiker, Kulturwissenschaftlerinnen sowie eine kleine Gruppe Aktivisten, die sich tatsächlich weder als Mann noch als Frau sehen.
Viele dieser Menschen verbinden schlimme Erfahrungen mit der Medizin. Sie wurden als Kind in ein Geschlecht gepresst, ohne Zustimmung an ihren Genitalien operiert, mitunter ihrer Fruchtbarkeit beraubt. Trotz unzähliger Arztbesuche erklärte ihnen oft niemand, was ihre vermeintliche Krankheit sei.
Betroffenen, wie etwa den im Verein Intersexuelle Menschen organisierten, gebührt das große Verdienst, all dies öffentlich gemacht zu haben und das Thema aus der Tabuzone befreit zu haben. Deren ehemalige Vorsitzende, Lucie Veith, wurde vor zwei Jahren von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem Preis geehrt. Ohne ihren Kampf hätte das Verfassungsgericht kaum das "dritte Geschlecht" etabliert. Selten hat eine so kleine Gruppe von Menschen in so kurzer Zeit politisch so viel erreicht.
Nur sollte ebenso klar sein: Diese Aktivisten können nicht für alle Menschen sprechen, die mit der Diagnose Intersexualität geboren wurden. Denn sie bilden eine kleine Minderheit innerhalb einer kleinen Minderheit. Zwar ist das Recht auf geschlechtliche Identität keine Frage der Zahl der Betroffenen. Doch die Bedeutung eines Themas in der Öffentlichkeit hängt schon davon ab, ob es um die Hälfte der Menschheit geht oder um ein Promille. Jeder Mensch soll sich – gerade in seinem Pass – als das bezeichnen dürfen, was er meint zu sein. Die dritte Geschlechtsoption ist deshalb eine notwendige und hilfreiche Kategorie, gegebenenfalls auch für Menschen, die biologisch nicht intersexuell sind, die traditionelle Mann-Frau-Einteilung aber für sich trotzdem ablehnen. Selbst dann werden es allerdings sehr wenige bleiben.
Das sollte man wissen, bevor die Toiletten der Republik umgebaut, neue Umkleideräume und Duschen eingerichtet und sämtliche Formulare und Gesetze verändert werden. Bevor man jeden Schreib- und Sprechakt, in dem Männer und Frauen, Mädchen und Jungen vorkommen, um das dritte Geschlecht erweitert – etwa per Gender-Sternchen. Und bevor jene gerügt werden, die all dies häufig für übertrieben halten.
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notizen-notes · 5 years
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Männlichkeit
https://www.zeit.de/2016/05/maennlichkeit-maenner-beschuetzer-gender-gleichberechtigung/komplettansicht?fbclid=IwAR01ogy9Jxt48Ev2sZjzC14M5m2U4d9ZrKcUJ1EqOeLQ3qgk4t2D5iKu-NM
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notizen-notes · 5 years
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►2016: Steinmeier gratuliert Trump nicht zum Wahlsieg ("Hassprediger") ►2018: Steinmeier gratuliert Putin zum Wahlsieg ►2018: Steinmeier gratuliert Erdogan zum Wahlsieg ►2019: Steinmeier gratuliert Mullahs im Iran zu 40 Jahren Gottesstaat.
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notizen-notes · 5 years
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transgender people taking hormone therapy have twice the heart risks
https://www.dailymail.co.uk/health/article-6718295/Transgender-people-taking-hormone-therapy-TWICE-risk-heart-attack.html?fbclid=IwAR3-1RgG7t39Rv68bpuES7DYAAccUOMuwRNk6aoTdZ55oYXd469F-b6vO_s
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notizen-notes · 5 years
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"Stein des Anstosses ist eine Studie von Lisa Littman, Assistenzprofessorin für Angewandte Verhaltensforschung und Sozialwissenschaften an der Brown University. Im Artikel «Rapid-onset gender dysphoria in adolescents and young adults: A study of parental reports» kommt Littman zum Schluss, dass die plötzliche geschlechtliche Umorientierung zum Transmann während der Pubertät, insbesondere von biologischen Frauen, die im Mädchenalter keine Transgender-Anzeichen erkennen liessen, eine Folge von sozialen Interaktionen mit Freunden und Bekannten innerhalb der Trans-Community sein könnte. Mit anderen Worten, Transgender-Identität könnte einfach ein Konstrukt sein, ein Hirngespinst von Pubertierenden, die sich gegenseitig bestätigen und bestärken." [10.9.2018] https://www.nzz.ch/…/wenns-um-transgender-geht-brennen-die-…
Lisa Littman - Rapid-onset gender dysphoria in adolescents and young adults: A study of parental reports: https://journals.plos.org/plosone/article…
https://www.nzz.ch/feuilleton/wenns-um-transgender-geht-brennen-die-sicherungen-zuverlaessig-durch-ld.1418233?fbclid=IwAR1NCQZGdcSZduI-A-6ZBUVgK7BKcxihZOiz2wQGQBhY5lE_MYPY_4prgBc
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notizen-notes · 5 years
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notizen-notes · 5 years
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Fake hate crimes
http://nypost.com/2019/02/21/the-list-of-bogus-hate-crimes-in-trump-era-is-long/?fbclid=IwAR3BqhCbf7gO_pxG8BiXrWNocIktTC5qhMK7mvkAxC4S1uYTdSYqUr-ieQM
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notizen-notes · 5 years
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Gay Travel Index
https://www.welt.de/reise/nah/article189383665/Gay-Travel-Index-2019-Risiken-fuer-homosexuelle-Urlauber.html?fbclid=IwAR337mIRPVsNqskOjGM4aei6E1zkxLrl3jsasGxAX4m53pxfPO42ly4-3ZI
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notizen-notes · 5 years
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Innensenator Geisel: Islamisten sollen Islamisten auffangen
https://www.tagesspiegel.de/politik/debatte-um-is-rueckkehrer-innensenator-geisel-islamisten-sollen-islamisten-auffangen/24019128.html?fbclid=IwAR2onKmeuJqBu1ANcdBVrRDcZx8dPbAUeb_xnnbxvyCYcZ2uOpmoicT1aYc
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notizen-notes · 5 years
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That’s my shot
https://www.facebook.com/watch/?v=2592339674141025
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notizen-notes · 5 years
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Adoleszenz zwischen Höllenangst und Sehnsucht nach dem Paradies – eine Annäherung an die psychischen Innenwelten salafistisch radikalisierter junger Menschen
https://www.ufuq.de/adoleszenz-zwischen-hoellenangst-und-sehnsucht-nach-dem-paradies/?fbclid=IwAR08T5BDvJEm7clTUX1y2Jls4SPh9z0o2WN4biqtEsOTsyna04ZmviLaVw4
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