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#das dogma der großen trennung
fabiansteinhauer · 9 months
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the first cut is the deepest
nobody signs first, signing is secondary. the first cut is the deepest, signing is not the deepest. Signing is super- and official, it is of- and superficial. signing means something
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fabiansteinhauer · 9 months
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Vermehrung
1.
Das geschichtete Titelblatt des Kuttenberger Kanzionals zeigt eine archäologische Szene, oben tafeln die Reichen, unten arbeiten die Leute im Bergbau. Dieses Titelblatt ist bekannt und viel beschrieben und kommentiert worden. Jüngst ist ein Ausschnitt davon auf Andreas Friedolin Linggs Buch Die Entdeckung der Wirtschaft. Der mittelalterliche Bergbau und die Vermehrung der Welt gerückt. Lingg vertritt die These, dass der Vermehrungsdiskurs (der Diskurs der Vermehrung) im 15. und 16. Jahrhundert im Umfeld des Bergbaus entstanden sei.
2.
Kritik am Dogma der großen Trennung streift den Vermehrungsdiskurs. Die Kritik an dem Dogma sollte nicht darauf abstellen, dass es keine große Trennung gäbe, dass sie nicht erfolgt sei oder dass sie nicht erfolgen sollte, nicht, dass große Trennung falsch wäre. Sie sollte darauf abzielen, das Maß der Trennung entweder rastlos zu halten oder, falls es festgelegt ist, ausrasten zu lassen. Sie sollte auch darauf zielen, das Maß umkehren oder verkehren zu können, als Trennungen nicht unbedingt groß machen zu müssen, sondern auch klein machen zu können. Reproduktion kann auch in das Mindere, durch das Mindere gehen.
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fabiansteinhauer · 2 years
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Bildnis
1.
Vom Ornament geschluckt und mit einem Fußball, von dem Luhmann sagt, das sei (neben dem König) ein typisches Quasiobjekt. Der Fußball ist auch ein Polobjekt, insoweit unterscheidet er sich nicht von einem Globus oder einem sogenannten 'Reichsapfel'. Die Fotografie stammt von Omar Victor Diop, das ist moderne afrikanische Studiofotografie. In Daniel Bonilla Maldonados Arbeit zum internationalen Recht und zur Rechtsvergleichung werden diese Bilder zum Gegenstand. Völlig richtig unterstellt Maldonado, dass Subjektivierung auch eine fotographische, juristische und juridische Technik ist. Dieser Gedanke taucht nicht nur bei Lacan und Legendre auf, nicht nur dort, wo er psychoanalytisch zugespitzt wird. Der 'Streit' (ein kleiner Ikonoklasmus) zwischen Panofsky und Florenskij um die sogenannte Zentralperspektive und die 'umgekehrte Perspektive' ist auch ein Streit um solche symbolische Formen, die subjektivieren, also bestimmte historische und räumlich verortbare Subjekte hervorbringt, wie etwa den sog. Beobachter, der in der westlichen Kosmologie nicht nur bei Descartes, nicht nur bei Luhmann eine zentrale Stellung erhält.
Ginge es bei Bildern nur um Bilder, würde man nicht drum streiten. Ginge es bei Rechten nur um Rechte, würde man nicht drum streiten.
Die These, dass ein Subjekt etwas ist, was in den Blick genommen und 'fotographisch' erfasst ist, der ist auch bei Lacan und Legendre nicht nur metaphorisch, das aber auch. Insbesondere bei Legendre verdrängt die Beschreibung des Vorgangs der Subjektivierung als einer Bildgebung und als Einrichtung eines Blicks mit der Beschreibung juridischer Technik Hand in Hand. Es gibt also Theorien, die aus dem Umstand, dass etwas Fotografie ist, nicht schließen, dass es dann nicht juristisch oder juridisch sei. Ganz im Gegenteil, solche Vorgänge werden verknüpft gedacht. Ausdifferenzierung, das Dogma der großen Trennung: das können in der deutschen Rechtswissenschaft große Nummern sei. Es kann auch sein, dass deutsche Rechtswissenschaft inzwischen eine kleine Provinz ist. We will see.
2.
Es gibt nicht zu wenig Stellen, nicht zu wenig Literaturen über Bild- und Rechtswissenschaft oder darüber, wie Recht und Bildgebung kooperieren. Das Wissen über Recht und Bild ist kein knappes, seltenes Wissen und Denken. Das alles ist Fülle, Fülle und nochmals Fülle, die in Fülle vorkommt. Vor allem geht alles aus einem Feld der Übersetzbarkeiten hervor. Sicher kann man jede Literatur in ein Feld einordnen und sich diese Literatur damit auch vom Hals halten, es passiert ja auch dauernd, um zum Beispiel zu sagen, man bedenke nun, was vorher noch nie jemand anders bedacht habe. Das ist der Kolumbuskomplex. So fängt die momentan in deutschen juristischen Fakultäten kuriserende Medientheorie des Rechts 2010 mit der lustigen Behauptung an, die bisherige Masse an Literatur stelle selten spezifisch rechtstheoretische Fragen. Diese Theorie sagt natürlich nicht, was das Spezifische an der Rechtstheorie sein soll. Das heißt nur, dass ein Autor jetzt mal selbst loslegen, Autor sein will und sich von der Menge und Fülle nicht aufhalten lassen will. Man will kolumbianisch schreiben, insbesondere die jüngeren Theorie zu den Medien des Rechts sind ganz besessen davon, Amerika zu entdecken, am liebsten das Silikon Valley. Nicht alle wollen das, Vismann fing ihr Aktenbuch ganz anders an,. nämlich mit dem Haufen an Material, das vorliegt, mit Aktenstapeln, mit Haufenbildung als Strukturprinzip. Mir selbst ist dieser Zug sympathischer, aber letztlich ist das alles egal. Die Übersetzbarkeit in andere Literaturen, in anderen Wissen wird keine der gewählten Strategien beenden, so wie keine davon den Umstand auslöscht, dass jede Autonomie geschickt übersetzte, geschickt kaschierte Heteronomie ist.
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fabiansteinhauer · 9 months
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Scissor I and Scissor II
The first cut is the deepest. Bruno, one, only one out of two of the Fabians two Cicerones in Recife (the other one, the other cicerone and scissor too is Ana Maria), is signing something. Bruno, like me, is not believing in signing nothing. He believes in signing something, that made him one of my two cicerones.
Nobody signs first, signing is secondary, the signature and the contrasignatur are in form and out of form identical. Signing is not the deepest, the first cut is the deepest. Signing is super- and official, it is of- and superficial. Signing means something.
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fabiansteinhauer · 2 years
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Vergewisserung
Das Dogma der großen Trennung dient der Vergewisserung. Es führt die Vorstellung mit sich, daß der Westen eine Überkultur sei, genauer gesagt, eine Kultur zum Ausstieg aus der Kultur oder anders gesagt: Westen sei der Name einer Gesellschaft auf der Höhe der Zeit, deren Qualität in der Vermehrung des Wohlstandes, der Erzeugung neuen Wissens und elementarer Transformationsfähigkeit, also einer glücklichen Vermehrung nicht nur von Geld, sondern von Ressourcen, Möglichkeiten und des Menschenpotentials liege. Der Westen sei die Gesellschaft, der es gelungen sei, sich loszuwerden und treu zu bleiben und so das Menschengeschlecht oder aber eine große Assoziation für andere Assoziationen zu bereichern. Das Dogma der großen Trennung behauptet einen Take-Off und wie nebenbei läuft dabei eine Selbstvergewisserung mit.
Das Dogma der großen Trennung sitzt einer Kaskade von Trennungen auf und damit auch einer Kaskade von Austauschmanövern, in denen eine Trennung mit anderen Trennung assoziiert ist. Die Lateranverträge etwa führen die Trennung zwischen Gesetz und Gewalt durch, diejenige zwischen weltlicher Macht und geister Macht und so sind die Verträge unter anderem auch der Trennung zwischen Westen und Osten asoziiert.
Damit sind sie wieder anderen Trennung assoziiert, wie derjenigen zwischen Ego und Indiviuum. Im Westen sei, so liest man zumindest in Texten der deutschen Staatsrechtslehre, es gelungen, den Egoisten vom Individuum zu trennen. Das soll teilweise erklären, wie Individuum und Universalismus als zwei unterscheidbare und zusammenhängende Bausteine für den Aufbau einer Gesellschaft auf der Höhe der Zeit aka Überkultur namens Westen entstanden. Es soll sogar so sein, dass diese Auszeichnung bis an Ländergrenzen reiche. In Rußland zum Beispiel habe sich die Unterscheidung zwischen Egoist und Individuum nicht entwickeln können, das sei eine Gesellschaft der bis heute jedes Verständnnis für Freiheit fehle; der Westen sei eine Gesellschaft, der die Säkularisierung gelungen und der die Trennung von Kultur und Zivilisation, von Politik und Gesellschaft, der die Ausdifferenzierung gelungen sei. Das soll an Ländergrenzen enden. Das Dogma der großen Trennung ist ein Westphantasma mit seltsam zügen eines Staatsverbundes. Ich beschäftige mich aber nicht damit, um darüber zu streiten, ob es alles das, was das Dogma beschreibt gibt oder aber nicht. Ein Dogma muss nicht gefüttert werden, es muss auch nicht mit einer Diät augehungert werden.
Das Dogma der großen Trennung ist normativ, es ist Mythen so verwandt wie Gerüchten (wie einem 'Bachofenmaterial'). Seine Effektivität liegt in der zähen Masse, die sich aus der Kaskade von Trennungen und Austauschmanövern ergibt und von der manche behaupten, sie sei systematisch. Aber das ist die die zähe Masse nicht. Sie ist inkonsequent und inkonsistent, gelenkig, sprunghaft und elliptisch - und ist durchaus mit Warburgs Technik, Heterogenität zu sammeln und Wiederkehren zu lassen, was eben noch ungreifbar entfernt schien, verwandt, inklusive der 'ungewünschten Nebenwirkungen'.
Man kann zu meiner Beschrebung des Dogmas einwenden, was ich dort über den Westen schreibe behaupte doch so (!) keiner, das sei doch jetzt eine seltsame Verzerrung. Das Dogma der großen Trennung (von dem Jack Goody nahelegte, sein Kern sei der Anschluss aller möglichen Unterscheidung an eine fundamentale Unterscheidung zwischen selbst/fremd oder wir/andere oder Gegenwart/Unzeit ) ist effektiv, wegen der Kaskaden von Trennung und Austauschmanövern. Kaum schlägt man eine Trennung aus, stehen sieben andere Trennungen, eben noch anonym und zerstreut, parat. Das ist irritierend. Positiv ausgedrückt: damit passt sich der Westen jeder Lage an, transformiert, transfiguriert und transzendiert sich in einem Aufwisch, erklärt sich weiter seine Erfolge, identifiziert weiter seine Bedrohungen und wenn überrascht es da, dass das Wort Irritation schon nicht mehr reichte und darum auch das Wort von der Selbstirritation schon in Kontexten kursiert, in denen es um den Anfang des westlichen Rechts und seine anhaltende Ausdifferenzierung geht. Fremdirritation wäre ja noch schöner.
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fabiansteinhauer · 2 years
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fabiansteinhauer · 9 months
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3000 Einträge!
Schon wieder?
Einmal, das verlangte polare Wahrheit, habe ich hier die Beiträge aus drei Jahren in den privaten Zettelkasten verschoben. Da zählte Tumblr 7.000 Einträge. Die habe ich alle bis auf Weiteres vollständig privatisiert.
Das Verhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit ist überall porös, polar und verschlungen, aber immer anders, an anderen Stellen also anders als in einem Wissenschaftsblog, der das Subjektive auch dann ausspielt, wenn das Subjekt ein Denken des Außen außen durchläuft und der das Objektive ausspielt, wenn es dem Subjekt durchgeht.
Die Kritik am Dogma der großen Trennung soll nicht behaupten, dass etwas nicht getrennt oder nicht zu trennen sei. Das Schreiben auf diesem Blog zielt nicht darauf, das Private und das Öffentliche nicht zu trennen. Die Kritik zielt auf die Maße. Wenn man so will: sie richtet sich nicht an das, was Rudolf von Ihering die Scheidekünste nennt. Scheiden muss man sowieso, von Anfang an und bis auf weiteres, immer weiteres, weil Differenz nicht ausgeht. Die Kritik richtet sich ans Schichten und Mustern.
Wie dem auch sei, jetzt sind es doch schon wieder 3000 Beiträge: Veröffentlichungen, kleiner, minderer und niederer Art. Schreibt man die alle ins Verzeichnis der Veröffentlichungen, wird man vermutlich für verrückt erklärt, was ja nicht falsch sein muss.
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fabiansteinhauer · 5 days
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Halbgeschriebenes
Die Institutionen sind Züge, die aus Zügen bestehen, ein Training aus Trainingseinheiten. Jean Pierre Baud erzählt im Buch von den untranslaTables noch einmal diejenige Hälfte der Rechtsgeschichte, in der das Recht zwar mit Regierung und Reich, nicht aber mit dem Regen oder dem Reigen zu tun haben soll. Wem es beim Wähnen hilft, der soll in halben Portionen denken.
Da bringt die ganze Arbeit von Warburg nichts, aber Aby Warburgs Geschichte und Theorie eines Rechts, das zwar auch römisch ist, dazu aber noch unbeständig, polar und meteorologisch, ist auch nicht als Widerlegung der Phantasien zum Direkten, Geraden, zum Rektangulären und zur Rectitude angelegt. Da bringt auch nichts, dass Heidegger in seine Vorlesung zu Juridismus, d.h. zu Parmenides, daran erinnert hat, dass Rom nicht nur polis, sondern auch polos/ polus ist, also ein Ort, an dem sich und um den sich alles dreht und alles verkehrt. Heidegger legt seine Philosophie schon eher als Widerlegung an. Heidegger und Warburg teilen noch die archäologische Geste, Heidegger macht aber daraus auch die Geschichte eines Abfalls. Warburg macht daraus eine mehrspurige Geschichte. Baud teilt die archäologische Geste nicht, pflastert Pflaster, der erzählt direkt Legenden vom heilen und heiligen Recht.
Warum nun ausgerechnet Barbara Cassin und Jean-Pierre Baud im Buch von den untranslaTables alles auf die Karte Rektangulär und alles auf die Karte einer griechisch-römisch triumphierenden Verbindung zwischen Architektur und Recht setzen, warum sie die Geschichte nicht mehrspurig und nicht mit den Hinweisen auf die Meteorologie des Rechts erzählen? Gute Frage.
Gnomon ist ein Stab, der den Tag über seinen Sonnenschatten und in der Nacht den Mondschatten wandern lässt. Er stoppt das Wandern nicht. Von einem Stab zu sagen, er sei ein Botenstab oder ein Wanderstab, wie das Conrad Borchling rechtshistorisch entfaltete, als Warburg ihn zum Vortrag nach Hamburg in die KBW einlud, das ist eine Tautologie. Recht hat nicht nur eine immobile Seite, Recht hat auch eine mobile Seite, der Begriff bezeichnet schon Bewegung, ' die gerade nicht gerade' sein muss.
Warum halbiert Baud die Geschichte? Steckst'e nicht drin, kann man spekulieren. Legendre hat in dem Buch von Cassini und dem Text von Baud einen hohen Stellenwert. Ich rate einfach mal: da haben wir den Grund, das ist das Dogma der großen Trennung. Legendres mehr oder weniger leicht, mehr oder weniger schwer neurotische, auf jeden Fall pariserhafter Besessenheit mit dem Verwechslungsverbot und dem Austauschverbot treibt den Baud an. Das Buch, das Cassin herausgegeben hat, betreibt insoweit ein großes, römisches Kuratorium, klamme Sorgeliteratur, die sich im Licht appolinisch zeigen will, anders allenfalls nachts. Die beiden Flussseiten in Paris unterscheiden sich schon ordentlich. Cassin Baud würde ich wie Legendre auf der schicken Seite verorten, da, wo sich eher die Museen für Kunst und Kostüme als die naturhistorischen Sammlungen und Labore finden. Pinault wird das lieben.
Witzige Passage bei Baud: Es sei imperativ zu verstehen, was Rom meine. Wohl wahr, wohl wahr! Diese kurze Passage darüber, was imperativ sei, das ist die beste, nämlich quasi mathematische Definition eines Imperativs: Imperativ ist, zu verstehen, was Rom meint. Was Rom meint, das ist imperativ. Das ist eine bedingt empirische Angelegenheit und in den Einzelfällen eine Wahrheit, die über den Tisch gezogen wurde.
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fabiansteinhauer · 27 days
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Was ist (ein) Gesetz?
1.
Oskar Bülow beschreibt das Gesetz als eine gefundene Grenzlinie, die in ein Zukunftsbild eingetragen sei. Das Gesetz ist eine Eintragung. Diese Eintragung sei noch kein geltendes Recht, sondern nur ein Plan. Gesetze sind Zukunftsträger, eher Vorzeichen als Zeichen, weil das, was mit ihnen verbunden und dann verbindlich ist, sich erst später erfüllt, nämlich, wenn man etwas daraus macht. Gesetze sind graphisch zügige Formen einer Mantik - und wenn das, was das Gesetz zieht, Körper sind, die Körper wiederholen, dann sind es sogar choreographisch zügige Formen einer Mantik. Wir wollen das Gesetz einmal nicht auf das Zeichen oder die Spur zurückführen, sondern auf den Zug oder die zügige Form. Nicht die Unterscheidung zwischen Form und Inhalt interessiert uns, nicht die Dekonstruktion, es ist eine Bewegung, eine Regung und die Mimesis dazu, die uns interessiert. Uns interessiert das Vormachen und das Nachmachen, wie zügige Formen simulieren und simuliert werden; wie sie dissimulieren und dissimuliert werden.
Wenn Aby Warburg das Recht von seinen graphischen und choreographischen Zügen her denkt und einen Zug als Trakt, Träger oder Tracht versteht, dann spielt er nicht bloß mit Worten. Die Vorstellung schöpft aus Beschreibungen wie denen von Bülow. Tracht ist auch ein anderes Wort für Plan. Trakt ist ein Wort für Träger. Trakt, Träger, Tracht sind drei Versionen eines Wortes, das ist ein pendeldes Wort. Es ist eine Übersetzung und kann übersetzt werden, zum Beispiel in das Wort Zug (draught and draft sind wieder Pendler der Worte Trakt, Tracht und Träger). Ein Vertrag, die Lateranverträge: die sind Träger, Trakte und Tracht. Das Gesetz, das Grenzlinie und Teil eines Zukunftsbildes ist, ist gezogen, hat einen Zug, ist ein- und ausgerichtet, richtet ein- und aus. Das ist auch Richtung und Richter. Auf der Grundlage spricht Bülow über die Verwandtschaft zwischen einem graphischen Zug und einem Richteramt. Bülow unterscheidet Gesetz und Richteramt. Zwischen beidem gibt es Verhältnisse, ich interessiere mich für die choreographischen und mimetischen Verhältnisse zwischen Gesetz und Richteramt, für die Kopien, die Simulationen und Dissimulationen.
2.
Die deutsche rechtswissenschaftliche Literatur, die in den letzten 30 Jahren auf das Verhältnis zwischen Recht und Bild eingegangen ist, daran noch einmal das Dogma der großen Trennung ausgespielt hat , versucht hat, Medien, die dem Recht eigen seien von Medien zu unterscheiden, die dem Recht fremd seien und die dann noch die angebliche Stabilität, Eindeutigkeit und Präzision von Schrift gegen eine angebliche Instabilität, Vieldeutigkeit und Ungenauigkeit von Bildern auszuspielen, die hat Verzerrung geliefert und Kanäle verstopft, den Leuten Flausen in den Kopf gesetzt. Geht mir auf den Sack und lässt mich am liebsten unter dem Radar des universitären Betriebes arbeiten, man kommt gegen Brachialköpfe nicht an, man kann aber um sie herumtänzeln oder zwischen ihren breitgestellten Beinen durchkrabbeln.
3.
Wenn Bülow das Gesetz eine gefundene Grenzlinie nennt, dann kann der eine oder andere glauben, das sei eine Metapher und eine Metapher sei kein Begriff. Unterscheidungen, die in einer großen Anzahl anderer Unterscheidungen wieder auftauchen, die tragen das Dogma der großen Trennung. Wenn Metapher und Begriff sich so unterscheiden sollen wie zum Beispiel Bilder und Sprache, Frauen und Männer, Wilde und Zivilisierte, Naive und Raffinierte, Primitive und Fortschrittliche, Unbeständige und Beständige, dann wird eine Linie, sagen wir so: eine Wellenlinie des Dogmas großer Trennung ausgelegt. These ist: solche Schleifen gibt, sie lassen manchen Leuten die eigene Gesellschaft wie ein Geschenk erscheinen. Warum sollte man sonst die Frage nach dem Nebenbuhler umkehren, also fragen, was man selbst hätte und einen groß gemacht hätte, den anderen aber fehlen würde? Man trifft an unterschiedlichen Unterscheidungen auf die Unterscheidung zwischen Unbeständigkeit und Beständigkeit, zwischen Gefährdung der Herrschaft und ihrer Beherrschung: Die Unterscheidung zwischen Metapher und Begriff wiederholt diejenige zwischen Unbeständigkeit und Beständigkeit, sie wiederholt sich in der anderen Unterscheidung, die schleifen sind rekursiv angelegt. Und vor dem Hintergrund glauben manchen, die Beschreibung des Gesetzes als gefundener Grenzlinie sei die unbeständige, nur metaphorische, nur bildliche Version einer Definition, deren begriffliche Version beständiger wäre und in begrifflicher Fassung lauten würde, dass das Gesetz ein vom Staat verabschiedeter Rechtssatz sei.
Ich gehe nicht davon aus, dass Bülow die Beschreibung des Gesetzes als gefundener Grenzlinie erstens metaphorisch und damit zweitens nicht begrifflich meint. Ich sehe dafür keine Indizien. Ich glaube, er meint das so, wie er sagt - und ich denke, dass das eine Beschrebung ist, von der man unterstellen muss, dass sie präzise ist, obschon sie vage ist, allerdings in Warburgs Sinne vage, also: verschlungen und verschlingend oder aber: pendelnd.
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fabiansteinhauer · 6 months
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Sorge/ Gorge des images
1.
Das deutsche Wort Sorge wird als Übersetzung des lateinischen Wortes cura verstanden, es soll ein Druck oder Sog sein, manche nennen die Sorge oder cura einen inneren Druck oder einen inneren Sog. Seit dem 11. Jahrhundert, eine Zeit, die in der Rechtswissenschaft auch als Anfang einer papalen Revolution bezeichnet wird, nennt man den römischen Verwaltungapparat mit seiner Kanzleikultur die Kurie: Sorgeverwalter mit einem Sorgeapparat. Das ikonophobische Projekt Warburgs übersetzt etwas. Ikonophobie kann nicht nur als Bildklamm, als Bildfurcht oder Bildfurche übersetzt werden, sondern auch als Bildkur oder Bildsorge. Die Ikonophobie in Warburgs Atlas ist freilich die Ikonophobie, die nicht die Angst oder die Furcht, sondern deren leuchtendes und dämmerndes Treiben noch hin zur Wut, Raserei, zum Zorn, zur Ruhe oder zur Liebe hin und wieder zurück ist.
La gorge des images: Warburgs Atlas ist als Bildklamm/ Bildfurcht/ Bildfurche/ Bildsorge eine Memme, eine weibliche Brust, eine Rille oder Zurückhaltung, die gerüchteweise d.h. in der Weise eines Gerüchtes (nämlich durch normatives Material) den Leser und Betrachter bildet. Muss man sich um den Atlas und seine Leser Sorgen mache? Sie leben und tun euch nichts: man kann sich Sorgen machen, muss aber nicht.
2.
Exkurs: Giovannia Targia ist heute eine der Forscherinnen, die zu Warburgs Bildwissenschaft forscht und dabei wie selbstverständlich davonausgeht, das alles das, was am, im, mit oder durch Bilder(n) stattfindet, auch an, in, mit oder durch Worte stattfindet, schon weil es Bilder im Medium der Sprache oder der Schrift, Bilder in sogenannten nicht-sichtbaren oder nicht für das Auge bestimmten Medien gibt und weil es Sprache, Schrift und überhaupt alles mögliche, sogar Unsichtbares , Verhülltes, Blindes und Blendendes auch im Medium des Bildes gibt.
Giovanni Targia geht einerseits den Verbindungen nach, die Warburg explizit ausgelegt hat, wie etwa seine Referenz an die sogenannten Junggrammatiker (also vor allem an Hermann Osthoff) die man heute witzgigerweise als diejenigen Linguisten bezeichnet, die vor den Strukturalisten waren. Targia geht auch den Verbindungen zwischen der Pathosformel und der Rhetorik nach. Sie ist ein Beispiel für eine Forschung, die zwar Wort und Bild trennt, aber daraus kein Dogma der großen Trennung ableitet. Man kann Wort und Bild trennen und dann in präziser Unterscheidung, Abschichtung und Musterung Worten in Bildern und Bildern in Worten nachzugehen.
3.
Worten passiert, was Bildern passiert, schon weil sie so passieren, wie das Bilder tun. Sie sind Effekt eines Distanzschaffens, das die Distanz, die es schafft, nicht zurücklegt. Die Entfernung pendelt nur und wandert nur. Hier vorne geht sie unter und kehrt von hinten zurück, wie es bei Heine heißt. Die Distanz wird portraitiert, der Zug macht eine Retraite, aber alles Agieren und Reagieren bleibt Aktion und Reaktion, die ins Bild und ins Wort eingehen und sowohl das Bild als auch das Wort weiter regend, anregend und aufregend machen.
Bilder wandern und pendeln: sie kommen aus der Regung und bleiben in Regung. Ihre Formen wechseln sie, Schritt für Schritt. Und sie wechseln auch die Formen, die hinter ihrer Form liege sollen und aufgrund ihrer hinteren Stellung wie beschirmt und beschützt nicht mehr Form, auch nicht Hinterhalt, sondern plötzlich Inhalt genannt werden. Das Bild einer weiblichen Wesen pendelt, so wie das eines springenden Pferdes, wie das eines toten Kindes oder der Gerechtigkeit eines Fürsten. Warburgs Protokolle verzeichnen sorgsam und sorgfältig, wie Bilder auf sogenannten Wanderstraßen der Kultur gewandert sind und dabei das, was sie berührten transformierten und transfigurierten. Worte taten das auch.
4.
Der Atlas als Bildkur, als ein Sorgeapparat für dasjenige, was die Römer anima und wir Seele nennen: Eine Bewegungsverarbeitungsinstanz, die sogennante Seele oder anima, ist von allem dem betroffen, was bleibt, auch wenn man den Atlas anders nennt, wenn man ihn also nicht eine Bildkur, nicht eine Bildklamm, nicht eine Bildfurcht oder etwa eine Bildfurche, ein Bildpomerium oder etwa ein imaginäres Rom nennt. Heute will ich den Atlas Bildsorge oder Bildgorge, ein Bildkehle nennen, es ginge (denn ich kann das) und es wäre klar, was gemeint ist: der Atlas spricht uns an.
Gibt es eine Verwandschaft zwischen der deutschen Sorge und dem französische Wort gorge oder Gorge oder Gorges? Ja sicher gibt es die, und wie jede Verbindlichkeit und wie jede Verbindung auf der Welt besteht die Assoziation über und durch Trennung zwischen Sorge und Gorge.
Die Menschen sprechen, um etwas loszuwerden, sie wollen gleichzeitig ihr Sprechen oft nicht loslassen und bewachen oft ihr Sprechen, dass es ihnen nicht entwendet werde. Es gibt heute strenge Disziplinen eines künstlich oder kunstvoll verknappten Sprechens (just talk!). Die deutsche Rechtswissenschaft tut sich da international mit Spitzenstellung wie die AEG oder Mannesmann hervor. Heinz Dürr, Zugprofi und eine Art der Nachfolger von Emil und Walter Rathenau, unser Nachbar mit der Frau im schnellen Porsche und den drei kessen, wunderschönen Töchtern in Sils Maria, ist übrigens gerade gestorben, aber wir wollen das Thema nicht wechseln und tun es auch nicht.
Sorge habe mit Gorge nichts zu tun, das wäre ein wichtiger und besonders wertvoller Hinweis dieser wertvollen deutschen Wissenschaft: Der Atlas sei doch keine Schlucht, aus ihm sprudele keine Milch. Das kann man so sehen, wenn man will, wertvoll wäre es. Muss man aber nicht.
5.
Wie Giovannia Targia, so interessiere ich mich auch für alles das, was am Atlas passiert und auch an der Sprache und der Schrift, an den Worten oder Gesten passiert. Die Kulturtechnikforschung, die Bild- und Rechtswissenschaft ist, unterscheidet zwar Medien, das auch möglichst präzise, unterstellt aber nicht, dass ein neues Medium den Fragen alter Medien entgehen kann und sich von alten Medien lösen, ablösen oder gar erlösen kann.
Dass es in der Mediengeschichte oder in der Geschichte der Medien des Rechts einen Distanzgewinn, eine größeren Abstand zu den Dingen oder seinem Gegenüber, einem anderen Menschen, oder eine größere Trennung von sich selbst gegeben hätte, das würde ich nicht widerlegen, ich kann das gar nicht widerlegen. Ich werde zwar manchmal vom Wuppertaler zum Neandertaler, aber von mir aus ist das meine private und damit auch privatrechtliche Angelegenheit. Ich würde die Thesen zur großen Trennung nicht widerlegen, aber bestreiten und damit das Maß, das Muster, die Skala der Größe ganz grundsätzlich in Frage stellen, auch mit dem Ziel, aus der größten Trennung einen kleinsten Witz zu machen. Im Hinblick auf Fortschritt oder Geschichtsphilosphie, auf revolutionäre oder gar evolutionäre Errungenschaften (Luhmann) bin ich nicht nur skeptisch, ich bin in der Beziehung fundamental und orthodox pessimistisch - aber fröhlich dabei, solche Figuren mache ich komödiantisch gerne mit. Wenn alle falsch liegen, dann funktioniert eins: Die Komödie und nur die Komödie, sonst nichts.
6.
Wie ist das G zum S geworden, wie das S zum G? Wie hat man die französische Sprache und die deutsche Sprache getrennt und dann über den Rhein hinweg solche Schmuggelein zugelassen? Die Frage lässt sich nur durch sorgfältige Protokolle entfalten und dadurch, dass man berücksichtigt, was Rudolf von Ihering für die Rechtswissenschaft empfohlen hat, nämlich sie als zersetzende, analytische Scheidekunst zu betreiben, die die kleinsten Objekte sucht, also zum Beispiel Buchstaben oder Letter, kleine minore Objekte, die etwas auslassen (zum Beispiel jeden Zusammenhang mit einem anderen Buchstaben) und die daher ausgelassen sind (weil sie zum Beispiel von der Wissenschaft übersehen werden).
Die Geschichte und Theorie Os ist in meinem Zettelkasten die Geschichte und Theorie eines minoren Objektes, das man unter anderem o oder aber O oder 0 schreibt oder aber mit einem geöffneten Mund auspricht oder aber mit zwei aufgerissen Augen anzeigt oder dadurch, dass man einen Stein ins Wasser schmeisst (um, wie es bei Hegel heißt) der Welt ihre spröde Fremdheit zu nehmen. Mimesis zieht durch, durch das Distanzschaffen in alle Richtungen, selbstverständlich in alle Richtungen, wohin denn sonst? Wäre Mimesis so schön kanalisiert wie ein Fluss in den frühen Siebziger Jahren, dann gäbe es sie nicht.
In der Geschichte und Theorie Os lassen sich Stellen markieren, an dem ein O zu einem S wurde und an dem es zu einem G wurde, weil irgendwer dasjenige, was er mit einem O loswerden, zum Beispiel sagen wollte, an dem Ort und zu dem Zeitpunkt nur mit einem S oder einem G loswerden konnte. Buchstaben auszutauschen ist keine Fehler, wenn man Zeichen austauscht, das ist zum Beispiel Sprechen, eine Übersetzungstätigkeit.
Wie kam nun die Sorge nach Sorges, einem kleinen Dorf im Perigord, über den Jakobsweg? Ging sie über den Fluss, die Sorgues? Kam sie durch eine Gorges? Bestimmt, auch wenn es anders auch gegangen wäre.
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fabiansteinhauer · 5 months
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Norm und normativ
1.
Normativ ist der Effekt operationalisierter Differenz. Wir beschreiben Kulturtechniken, die Differenz operationalisieren, um einen Umgang mit Differenz zu ermöglichen, als normative, juristische oder juridische und als dogmatische Kulturtechniken. Diese vier Begriffe unterscheiden wir: normativ meint den Effekt operationalisierter Differenz, juristisch meint die Qualifizierung als Eigenheit einer großen Assoziation (zum Beispiel eines sozialen Systems, Standes oder akademischer Organisation), die historisch das Wissen vom Recht beansprucht. Groß heißt: Die Operationalisierung soll in einer großen Anzahl von Operationen wiederholbar sein, ohne die Assoziation zu verkehren.
Juridisch meint alles das, was dem juristisch qualifizierten ähnlich ist oder dabei kooperiert, mit juristischer Qualifikation vorzugehen. Anders gesagt: Juridisch ist alles das, was am Juristischen vorkommt nur ohne Anspruch auf Eigenheit, Exklusivität, Unersetzlichkeit und Unaustauschbarkeit, ohne Anspruch auf Wesentlichkeit. Eine rechtsquelle ist juristisch qualifiziert, das Papier und die Tinte, das Schreiben und die Begriffe kooperieren juridisch mit. Eine Verurteilung des Mörders ist juristisch qualifiziert, seine Handlung kooperiert dabei juridisch. Nicht nur seine Anwälte, Ankläger und Richter wissen etwas vom Mord. Er auch, und schon in diesem Wissen tauchen Juridismen auf. Wer morden will, muss schon wissen, wie das geht, wer es nicht will, muss wissen, wie das geht.
Dogmatik meint: auf effektive Weise zur Erscheinung gebracht, also in und mit Form wahrnehmbar und ausübbar gemacht. Den Begriff des Dogmas verbinden wir mit dem der Erscheinung und des Scheins, der Wahrnehmung und der Ausübung, des Effektes. Wir tragen mit der Verwendung des Begriffes Dogma Geschichte Rechnung, den der Begriff kursierte, bevor wir angefangen habe, uns über Normen und Technik Gedanken zu machen.
2.
Wir behaupten, dass Dogmatik und Kulturtechnik stellen- und phasenweise vollständige Synonyme, im übrigen unvollständige Synonyme bilden. Dogmatik und Kulturtechnik operationalisieren Differenz, in dem sie etwas formulieren, formatieren und formalisieren. Sie geben oder nutzen Form, zum Beispiel in Form des Begriffes oder eines Objektes, eines Dinges, sogar in Form eines Subjektes.
In dem, was man als Natur beobachtet kommt eventuell auch unabhängig von der Beobachtung und Beschreibung schon genau das vor, was man als Dogmatik und Kulturtechnik versteht. Eier haben eine Schale und Hunde ein dickes Fell: auch in der Natur kann Differenz operationalisiert werden, um mit Differenz umzugehen. Ich in der Natur trifft man Form. Natur wird eventuell nicht nur kultiviert, sie ist eventuell auch schon kultiviert und kultiviert auch, bevor die Wesen die Szene betreten, sie sich selbst erstens als Teil der Kultur und damit zweitens als mehr oder weniger getrennt von der Natur verstehen. die Unterscheidung wischen Natur und Kultur beschreiben wir als normativ und die Techniken, mit denen diese Unterscheidung getroffen wird, beschreiben wir in ihren dogmatischen, juridischen, juristischen Dimensionen. Wir gehen davon aus, dass jede Referenz Norm ist, eine getrennte Stelle, deren Effekt durch Trennung wahrnehmbar und effektiv ist. Referenz Selbstreferenz zu nennen, um zu sagen, dass diese Referenz nicht an etwas anderes gebunden sei, halten wir für tautologisch. Eine Selbstreferenz ist nicht ungebundener oder getrennter als Referenz oder Fremdreferenz. Referenz ist das, was getrennt ist, so wie normativ ist, was getrennt ist. Eine Referenz ist nicht verbindlich, weil sie verbunden ist, sie ist verbindlich, weil sie durch ihre Trennung für Assoziation genutzt werden kann. Sie ist verbindlich, weil sie nicht verbunden ist und kann assoziiert werden, weil sie nicht verbunden ist.
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fabiansteinhauer · 6 months
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Bild- und Rechtswissenschaft
Anfang Oktober 2023 haben Roberto Ohrt, Axel Heil eine kleine Austellung zu dem Forschungsprojekt über Warburg Staatstafeln im achten Salon in Hamburg organisiert, ich habe dort eine Vitrine zu Bildgeschichte des römischen Verwaltungsrechts und diplomatischen Protokolls sowie zu Aby Warburgs Arbeitsmaterialien in Rom aufgebaut. An einem Tag habe ich in einem Vortrag die Forschungsergebnisse vorgestellt, die man kurz so zusammenfassenkann:
Die beiden Tafeln 78 und 79 bilden Staatstafeln, mit denen Aby Warburg die Summe seiner rechtswissenschaftlichen Arbeiten vorgelegt hat. 1896 hat er angefangen, die Kunstgeschichte zur Bildwissenschaft zu erweitern und gleichzeitig das Recht als Gegenstand dieser Bildwissenschaft zu behandeln. Das ist eine Bild- und Rechtswissenschaft die ihren Ausgangspunkt in der Regung/ Bewegung, dem Akt, der Unbeständigkeit und der Affektion (anstoßender und/oder anstößiger Körper) nimmt, sagen wir so: in kleinen Aufwirbeleien. Warburgs zentrale Begriffe sind zum einen das Distanzschaffen als Kulturtechnik sowie Polarität als spezifische Weise der Regung/Bewegung. 1929 nimmt Aby Warburg die Gründung eines neuen römischen Staates und die Restitution einer alten Idee, nämlich der Idee von einer Assoziation (wie der Kirche oder dem Staat) als Körperschaft, zum Anlaß, seine Wissenschaft als Geschichte, Theorie und Praxis der Deutung vorzuführen. Jede historische Episode oder Phase der Rechtswissenschaft bringt auch ihre spezifische Bildwissenschaft mit, in der Moderne ist das wieder einmal passiert, diesmal durch die Arbeiten von Aby Warburg.
2.
Mit dem Projekt zu Warburgs Staatstafeln lässt sich das Dogma, das die deutsche Rechtswissenschaft eine Textwissenschaft und auf "natürliche" (Röhl) Weise keine Bildwissenschaft sei, die Bilder in ihr eine Ausnahme bildet sollten, nicht widerlegen. Denn ein Dogma lässt sich nicht widerlegen.
Es lässt sich relativieren und bestreiten, es lässt sich kitzeln und kratzen - bis es irgendwann wie eine leere Zigarettenpackung neben dem Mülleimer einer Bushaltestelle wirkt. Die Vorstellungen von modern rationalisierten, logifizierten, systematisierten, ausdifferenzierten und funktionierendem Recht und von der Verdrängung aller minoren Objekte sind eine Spielart des Dogmas großer Trennung, wie es sich insbesondere in protestantisch erzogenen Wissenschaftskulturen entwickelt hat.
Jedes Dogma ist kontrafaktisch stabilisiert, auch das Dogma der großen Trennung und die Vorstellung von der Bildfreiheit des modernen Rechtes. Gegenbeispiele widerlegen also das Dogma nicht, sie rufen es eine zeitlang hervor, bis die Leute vergessen haben, warum das Dogma jetzt nochmal so wichtig gewesen sein soll.
Einem Wissenschaftler wie Aby Warburg lässt sich schon eine Passage aus den römischen Recht entgegenhalten, nämlich Novelle 146: Er würde wie verrückt interpretieren und das solle und dürfe nicht sein. Warburgs Beispiel kann Anlaß geben, das dogam zu bestätigen und daran festzuhalten, dass jemand, der so so arbeitet, auf keinen Fal Juristen ausbilden oder aber juristisch arbeiten dürfe, denn sonst drohe der Wahnsinn, der Mord und der Zusammenbruch der Gesellschaft. Die bricht zwar ohnehin dauernd zusammen, aber es ist klar, was gemeint ist: sicher ist sicher.
3.
Ich gehe davon aus, dass es sein soll und sein darf, sprich: Dass eine Bild- und Rechtswissenschaft, die von Aby Warburg lernt, sein soll und sein darf. Vor allem in Geselschaften, die als polar, zum Beispiel polarisiert oder multipolar vorgestellt werden und in denen das Wissen vom Recht nicht monopolisierbar und nicht nationalisierbar ist, gibt Aby Warburgs Methode eine Anleitung dafür, Konflikte plastisch und vielfältig zu deuten. Die praktische Verwertung von Warburgs Wissen ist wichtig, schon aus zwei Gründen: Erstens weil Warburgs Bild- und Rechtswissenschaft aus der Praxis, nämlich der Praxis einer Kanzleikultur und des Wechsegeschäftes kommt und sich als private Praxis öffentlicher Dinge bewährt hat. Zweitens weil Warburg sich mit seiner Bild- und Rechtswissenschaft aus dem totalen Asyl einer geschlossenenen Anstalt in Gesellschaft zurückbegeben hat, er ist aus dem isolierten, privatisierten und pathologisierten Wahn in eine Assoziation teilbarer- und übertragbarer Illusionen zurückgekehrt, das ist eine praktische Lehre zur Subjektivierung und Lebensform, die gerade in ihrem unsystematischen und idiosynkratischen Aspekten verdient, publik zu werden. Selbst wo Aby Warburgs Bild. und Rechtswissenschaft aber aufhört, praktisch verwertbar zu sein, bleibt die Faszination für einen reiche, luxuriösen und verschwenderischen Umgang mit der Welt des Rechts.
4.
Im Zuge des Aufbaus der Austellung habe ich eine Hamburger Institution näher und persönlich kennen gerlernt, nämlich Roberto Ohrt, der ein so etwas wie ein Instant-Vorbild ist, der wird nämlich innerhlab von Sekunden des ersten Gespräches zu einem Vorbild. Der achte Salon in Hamburg ist so ein bisschen sein Kind, seine Institution, seine Schule, seine Universität, seine Akademie und sein überdachter Garten. Vielen Dank für füllhornartige Hilfe!
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fabiansteinhauer · 6 months
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Vor dem Kuratorium
Von Benno Wagner kann man lernen, dass die amtlichen Schriften von Franz Kafka das Amtlichste sind, was Kafka je produziert hat.
Letzte Woche saß er mir im kleinen bürokratischen Paradies, dem Beirat der Österreichischen School of Government am Tisch gegenüber - und alleine die kurzen Beobachtungen seiner blitzenden Augen bei einer im übrigen stoisch busterkeatonartigen Körperstellung hat die Reise ins Paradies (das schreibt man prds) gelohnt.
Als ich noch auf ein katholisches Gymnasium ging, erzählten die Lehrer vom Dogma der großen Trennung: Der Schriftsteller Kafka sei kein Jurist gewesen, der habe einen großen Schalter umgelegt um große Kunst zu produzieren und keine kleinen Schriftsätze. stellte man das in Frage, kamen die Lehrer mit den Nazis: Hitler habe Künstler sein wollen und die Romantik sei ein Deal mit dem Teufel.
Benno Wagner sieht das anders, aber nicht total anders, und zeigt es auch. Eine schöne Passage, die in Folge von Benno Wagners Edition der amtlichen Schriften enstand lautet "Kafka ist h.M." und stammt von Andreas Fischer-Lescano. Der Sekretär meint beherrscht, die Schreiber verwalten die Meinungen.
Aby Warburg hat auch amtliche Schriften produziert. Das Bank-, Kredit- und Wechselwesen hat er entgegen der Lesart der Gründungslegende der KBW (die von Max Warburg indie Welt gesetzt wurde) nie verlassen. Er war immer in Familiengeschäft involviert, musste regelmäßig Rechenschaft ablegen und auch bei Kreditieren helfen - mit seinem Sinn für entfernte Ähnlichkeit. Er wurde zu Rat gezogen und hatte Pflichten zu erfüllen. Entgegen dem Gerücht, das Daniel Damler in seiner Arbeit zum Bild der juristischen Person in der Moderne wieder aufgegriffen hat gibt es sehr wohl Leute, deren Herzen sowohl für das große Geschäft als auch für die Kunst schlagen und deren Nerven bei den kleinsten Regungen zwischen Kunst, Krieg und Kurs zittern. Warburg ist nicht einer von denen, die nicht in die Legenden von Recht und Links, Kunst und Recht, Krieg und Frieden, oben und unten passen. Er ist quasi ein Heiliger in diesem Bereich.
Vor dem Kuratorium ist der Titel des letzten amtlichen Schreibens, das Aby Warburg im Sommer 1929 nach seiner Rückkehr aus Rom verfasst hat und das in den Schreiben von Warburg schon ediert und publiziert wurde. Dieter Wuttke, einer aus dem luxuriösen Füllhorn der nimmersatten Warburgwiederentdecker hat das Schreiben vor vielen Jahren herausgegeben.
Vor dem Kuratorium ist ein Brief, a letter, was sonst, der zur Kur gesendet wird. Warburg erzählt auch in diesem Brief, den er als Rechenschaftsbericht der Bank gegenüber verfasst, eine Gründungslegende. Hier ist es nicht ein Sandkasten und ein Deal, die ihn dazu gebracht haben, zu tun, was er tat. In dem Brief für das Kuratorium ist es die Lektüre von Lessings Laokoon, der kanonischen Text des 19. und 20. Jahrhunderts zum Verhältnis zwischen Wort und Bild sowie zu Fragen der Bewegung und des Pathos, die sein Forschungsinteresse initiiert hätten. Ist Warburg plötzlich zum Lessingianer konvertiert? Das sagt er nicht, er weist ja nur darauf, dass die Lektüre ihm anstoßend oder anstößig wirkte. Das Kuratorium hat seinen Namen von der Klamm, einer Furche oder einer Furcht. Jede Kanzlei braucht ein Kuratorium, wenn sie nicht selber Kuratorium ist. Warburg schreibt in dem Brief aus einer Kanzleikultur heraus für eine Kanzleikultur. Wovon schreibt er besonders viel in diesem Brief? Vom Pendeln und vom Polaren, wovon sonst, es ist doch ein Brief und der Brief verkehrt, weil er verkehrt ist, er kann das, weil er Verkehr mitmachen kann.
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fabiansteinhauer · 3 months
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Fünf-Minuten-Terror-Mienen
1.
Ein Muster: In den ersten fünf Minten will es keiner glauben, ab dann ist die Erklärung da. Russland wird nie in die Ukraine einfallen, dann fünf Minuten ungläubiges Staunen, dann ist die Erklärung da. Das ist ein Teil der Schize, die das Dogma trägt. Alexander (diesmal nicht Nawalny) Литвиненко, deine Pressekonferenz und deine Behauptung, du würdest jetzt verhaftet oder ermordet, das bildest du dir nur ein, bis man wieder mal die Fünfminuten-Terrormienen serviert bekommt, weil wir deinen Schädel und uns noch selbst darin fassungslos gespiegelt sahen. Magnitskij wird nicht im Gefängnis sterben, das gilt als Paranoia, bis er stirbt, dann gibt es fünf Minuten Fassungslosigkeit und dann heisst es unter anderem, es würde nur den Gegner des Staatsapparates nutzen, wenn die Gegner des Staatsapparates ermordet würden, weil der Staatsapparat dann als Mörder da stünde. Dann stünde er zu stark da und das nütze ihm nicht, wenn die Leute den Staat für allmächtig halten würden. Immer wieder rote Linien, wie das berühmte Tröpfen, das ein mit apokalyptischem Bräu gefülltes Heidelberger Faß zum Überlaufen bringt, wenn die Einschläge einem selbst näher kommen. Die Überläufer wie Skripal werden vergiftet? Nie! Bis sie es werden, dann ist klar, dass die Beweise nur deswegen so drückend sind, weil sie von den Engländern gefälscht wurden, denn in Russland gibt solche Beweise nur, wenn sie gefälscht sind. Ein gigantisches Tu-Quoque kann zum Monument der dogmatischen Schize gerinnen, vermutlich ist das schon irgendwo passiert. Politkowskaja, wer sollte die den töten, die labert doch nur. Nie wieder ein Toter im Umfeld der Oligarchen und des FSB, der letzte Tote ist immer der letzte Tote, damit der Staat endlich für Ordnung gesorgt hätte. Prigoshin war kurze Zeit der letzte, der weggeräumt werden musste, damit der Apparat legal wird. Nawalny der letzte, damit die Demokratie nicht so extrem wird. Der Tod nutzt immer nur dem Toten, weil er doch die Mörder blöd da stehen lässt. Man schlürft die Fünfminuten-Terrormienen schnell aus und spült mit totaler Margarita nach.
Nemzow wird ermordet? Nie! Bis es dann passiert und dann ist auch nach fünf Minuten die Erkälrung da: Der Staatsapparat würde das nie direkt vor dem Kreml machen, denn dann stünde der Staatsapparat ja plötzlich da, als würde er keine Oppositionellen akzeptieren, und das würde doch einen blöden Eindruck machen. Sonst stünden Putin und der FSB doch da, als würden sie klare Botschaften senden, dass würden sie doch nie tun. Prigoshin wird mit dem Flugzeug öffentlich in die Luft gejagt? Quatsch! Nawalny wird verrecken? Aber nein! Das würde doch nur dem Staat schaden! Wir unterbrechen die Sendung, damit sie 5 Minuten fassungslos sein können, kurz mal auf den Balkon eine rauchen, dann geht es weiter mit unserer Sendung und die totale Margarita wird ihnen scharfe Analysen zur Situation servieren oder wir werden mal wieder zwei lustige Mitarbeiter präsentieren, über die dann sogar alle Russen lachen können, wenn sie behaupten, sie seien doch nur zwei unschuldige, kirchenbauinteressierte Touristen und hätten aber auch gar nichts mit dem russischen Staatsapparat zu tun.
2.
Es gibt die These, der Westen habe Institutionen, die der Osten nicht habe, im Westen gäbe es ein Verständnis für Freiheit, das es im Osten nicht gäbe. Diese These ist ein Dolch, vor allem dann, wenn sie vom Dogma großer Anreicherung, großer Trennung oder eines großen Resets getragen wird. Erstens gibt es genug Leute im Westen, die Putin bewundern. Zweitens genug Leute im Osten, die die These für Billshut halten. Die im Westen und die im Osten sind in jedem Detail unterscheidbar, aber die Unterscheidungen sind durchgehend skalierbar, ins kleinste Detail hinein und bis in das größte System hinein.
Alles, was hier vorkommt, das ist die anthropologische Erfahrung, die Aby Warburg 1895 und 1896 an einem Reigen und später mit Informationen zum Regen gemacht und zu Gesprächen über das römische Recht angeregt hat, lautet insoweit, dass alles das, was hier vorkommt, auch da vorkommt, nur in anderen Reihenfolgen, an anderen Stellen, durch andere Operationsketten, in anderen Schichten und anderen Mustern, durch anders verlaufende Trennungen und anders verlaufende Assoziationen. Das ist der Ausgangspunkt für eine Bild- und Rechtwissenschaft, die sich auf die Rigidität und Flexibilität des Unbeständigen, Meteorologischen und Polaren einstellt, nicht auf Garantien oder Schutzonen für Institutionen, sondern auf das Training des Instituierens, eines Mitmachens, das an allen Stellen auf Negation oder Affirmation, auch auf Flucht oder Angriff schalten kann - und dabei lässig zu bleiben versucht. Man kann das diplomatisch nennen, man kann es die private Praxis öffentlicher Dinge nennen, die man im Wechselgeschäft lernt, wenn einem gesagt wird, es sei bloß Geschäft, doch nur ein Handeln und Händeln und man dann lernt, dem Nur nicht so ohne weiteres zu vertrauen, ihm sicherheitshalber ein fröhlich unruhiges Nicht-Nur-Sondern-Auch entgegenhalten zu können, nicht unbedingt eine Philosophie des Als-Ob, eher eine Kulturtechnik des Sowohl-Als-Auch. die Stimme dazu liefert einem am besten Jon Stewart oder aber Larry David, die kennen nicht nur das lex satyrica, sie kennen auch die Routinen dazu und wissen, dass wenn alles falsch ist, nur die Komödie gut läuft.
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fabiansteinhauer · 1 year
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Wozu Bildwissenschaft?
1.
In Bezug auf das Bild kann sich die Rechtswissenschaft nicht auf einen Punkt oder hinter einer Linie zurückziehen, an dem oder hinter der sie zu sich käme. Es gibt ab und zu den Rat, sich als Rechtswissenschaftler auf die eigenen Kompetenzen zurückzuziehen und die Autonomie zu schärfen, an ihr zu feilen anstatt anderem Wissen hinterherzurennen. DieJuristen kämen eh immer zu spät, wenn sie versuchen würden, mit anderen Disziplinen oder Wissenschaften mitzuhalten, so ein Rat wird teilweise gegeben. Die Beobachtung mag stimmen, der Rat kann trotzdem falsch sein, allein schon, weil Verspätung, Verzögerung oder auch Zaudern eine andere Form der Zeitschöpfung ist, nicht die schlechteste zumal, wenn es um's Wissen geht. Hinterher ist man vielleicht nicht immer, aber oft schlauer. Wenn man keine Zeit habe, dann solle man, so heißt es in Pingyao, einen Umweg machen.
In Bezug auf das Bild stimmt die Beobachtung mit der Verspätung nicht, weil, seitdem es Bilder gibt, juristisches und juridisches Wissen dabei kooperiert, etwas als Bild erscheinen zu lassen. Seitdem es Bilder gibt, gibt es sie, weil sie bestritten oder gehändelt werden. Spätestens seit den Verknüpfungen zwischen den monotheistischen Religionen und dem römischen Recht ist Rechtswissenschaft auch Bildwissenschaft.
Das Bild ist als Objekt interessant, weil an ihm Trennungen und Austauschmanöver, wenn man so will: Wechsel, zum Problem werden. Das bringt Klaus Röhl in seiner Bildtheorie auf den Punkt, auch die Illusion, die das Dogma der großen Trennung liefert, nämlich mit dem Begriff sei die Rechtswissenschaft das Bild losgeworden und in gesicherter Reservoiren der Stellvertretung vor Wechseln, vor Verwechslungen gefeit.
Kurz gesagt: Am Bild lodert die Sorge um Verwechslung. Wozu Bildwissenschaft, eine juridische und juristische noch dazu? Das ist eine Wissenschaft an Objekten, an denen Repräsentation ihre Unruhe behält. Man kann dem nachgehen, wie das einige tun, mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen Grund und Abgrund, Anwesenheit und Abwesenheit. Man kann dem aber auch mit Tabellen, Tafeln, Akten, Listen und mit Protokollen nachgehen, die aufzeichnen, wie etwas von einer Stelle zur anderen rückt, ohne dabei gleich die Vernunft bedroht und Wahnsinn drohend zu sehen. Eine Wahrheit, die gefällt ist (falsa), weil sie über den Tisch oder die Tafel gezogen wurde, weil sie dort rüber zieht: man muss das nicht so grundsätzlich abwehren, wie man es mit dem Dogma der großen Trennung tut.
2.
Nec spe nec metu: In Jarmans Film von oder über Caravaggio steht das auf Messers Schneide. Gebe nie auf, so übersetzen das einige. Kein Hoffen, kein Bangen andere. Kein hüpfendes Herz, kein Zittern (egal warum)! So würde ich das übersetzen, wenn es auf Messers Schneide steht, dann würde ich es auch ganz brutal zu einem Ratgeber für Messerstecher machen, die nicht wollen, dass ihr Opfer wieder aufsteht oder aber für Schlachter, die nicht wollen, dass das Tier lange leidet. Dann hieße das schlicht: Mache einen schnellen, sauberen Schnitt. Wenn du schon stichst, dann richtig.
Der lateinische Satz, von dem dies nur der Anfang ist, geht allerdings weiter, vollständig lautet das stoische Motto nec spe, nec metu, mediis tranquillus in undis. Seit der frühen Neuzeit wird dieses Sprichwort in Stücken, also zerschnitten überliefert.
Die zweite Hälfte, bezieht sich auf vage Bewegung, nämlich auf Wellen oder Wogen, in denen man ruhen oder ruhig sein sollte, vielleicht ist gemeint: mit denen man gehen sollte, in deren Bewegung man lässig bleiben sollte, gegen deren Bewegung man nicht angehen oder ankämpfen sollte. Versuche nicht, in Wellen zum Stehen zu kommen, lasse dich auf den Wellen treiben. Mache die Brandung mit, nicht dagegen halten. Jarman hat (vielleicht vorsorglich, vielleicht kannte er nur die berühmtere erste Hälfte) die Teile dieser stoischen Passage auseinandergeschnitten, damit aber letzlich das Problem, auf das dieser Satz reagiert, einfach weggelassen. Das ist das Problem, in welchen Maß man mitmacht, was bewegt, um gegenüber dieser Bewegung Distanz zu schaffen. Auf die andere Seite des Messers hätte er gut die zweite Hälfte dieses Spruches schreiben können. So ist die Szene fast verschenkt. Aber immerhin hat er ein Stück dieses Satzes auf Messers Schneide gesetzt.
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fabiansteinhauer · 9 months
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Unbeständigkeit
1.
Die Flagge Brasiliens ist barock, barock wie Neresheim und barock wie der Himmel an der Decke in Neresheim, an dem die Ellipsen kreisen und eiern (ab ovo).
Man hängt immer seine Fahnen in den Wind, denn dazu sind die Fahnen da. Sie flattern immer, auch wenn sie manchmal, wie Hölderlin beschreibt, klirren. Nationalflaggen sind flatterhaft, aber nicht nur Nationalflaggen, alle Flaggen sind flatterhaft, das sind windige Objekte.
Nationale Flaggen sind nicht das einzige, das gesetzlich geregelt, teilweise sogar in der Verfassung eines Landes bestimmt werden und damit dasjenige sind, das flatterhaft und wendig in den Wind gehängt und trotzdem oder gerade deswegen gesetzlich und verfasst sein soll. Flaggen sind das nur implizit, deutlich - und in Brasilien auch explizit. Ich bin mit nicht sicher, ob Brasilien das einzige Land der Welt ist, das eine warburgeske Flagge hat, weil Sternenbilder dort das Modell der Bildgebung bestimmen. Kann sein.
Aber es wundert mich nicht, dass die brasilianische Flagge dank eines Sternenbildes explizit warburgesk ist. Dann kommt es auch nicht auf Einzigartigkeit, Einzelheit, Eigentümlichkeit und Eigenheit an. Meine These lautet nämlich, dass das anthropologisch-anthropofagische Paradigma, das in Brasilien nicht (s)einen einzigen Ort gefunden und das Brasilien nicht eigen ist, nur von Brasilien geteilt wird, Warburgs Paradigma der Polarforschung affin ist. Und Warburgs Polarforschung ist Warburg nicht eigen, der polare Charakter hat die Welt im Rücken, er ist, wie Melle sagt, der entfremdete Charakter. Die Forschung zu den Staatstafeln von Aby Warburg wurde schließlich in Brasilien auch zu einer Forschung über die Anthropofagie. Zufall ist das biographisch, im übrigen ist das Geschichte, sedimentäre(s) Geschichte.
2.
Warburgs Polarforschung bekommt durch den Besuch eines Pols beider Amerika einen Schub, aber die Polarforschung ist dem anthropologisch-anthropofagischem Paradigma nicht deswegen affin. Es gibt diese Affinität durch einen Umgang mit Unbeständigkeit, der den Nationalstaaten und der Genealogie von Wissenschaften des großen Eigenen, der großen Trennung und des großen Austausches fremd bleiben muss. Selbst wenn die Wissenschaft des Eigenen und der Eigenkraft und die große Trennung nicht mehr dem Staat oder jener Gesellschaft, die durch Durkheims Totem der Totalität getragen wird und darum mit Namen identifizierbar ist ("Der Westen"), selbst wenn sie also das Eigene nicht mehr Deutschland, nicht mehr Europa, nicht mehr dem Westen,sondern einem Netzwerk großer Anreicherung, großer Trennung und großen Austausches zuschreibt, sondern Systemen, wird ihr das anthropologisch-anthropofagische Paradigma entweder ärgerlich oder als spinnert ausgedachter Quatsch erscheinen, der etwas durcheinanderbringe.
Warburgs Polarforschung wird dem Dogma großer Trennung (das auch Dogma des großen Austausches genannt werden kann, auch wenn das völlig unterschiedliche, aber symbiotisch verbundene Positionen im Phantasma besetzt) allenfalls als ärgerlich, spinnert ausgedachter Quatsch oder als Durcheinanderbringerei erscheinen. Das muss nicht falsch sein. Warburg ist ein Wechsler, auch ein Verwechsler, das muss nicht falsch sein.
3.
Die Flagge Brasiliens markiert noch nicht das Manifest der Anthropofagie, aber immerhin schon Polarforschung. Die Flagge zeigt eine Konstellation, ein Sternenbild, das ist ein Bild, das sich dem Betrachter dreht, weil der auf einem Objekt steht, das eine Achse und zwei Pole hat und um diese Achse sich dreht und dieses Objekt dazu noch auf einer Ellipse durch einen Zeitraum sich bewegt (Zeit und Raum, die relativ sind).
Das Sternenbild ist nie weg, das ist manchmal im Rücken, immer rückt es, aber manchmal rückt es so, dass man es nicht sieht. Solche Bilder, die nie weg sind, nie weg bleiben und nie weg kommen, die sollen keine Abwesenheit meistern und sie sollen keinen Abgrund überbrücken. Durch sie soll Bewegung gehen. Den kulturtechnischen Vorgang darin kann man in Formeln und Protokollen beschreiben: Bewegung soll gehen (soll möglich sein), indem der Bewegung Wort, Bild, Orientierung und Handlung gegeben wird. Das ist Aby Warburgs Vorschlag, nicht meiner, aber ich finde, dass das gut gedacht und durchdacht ist.
4.
Die Flagge von Brasilien zeigt heute ein Sternenbild. Der Entwurf der Flagge ging mit einer Beratung einher, einer der Berater war Manuel Pereira, den nennt man einen Astronomen. Das Sternbild soll, so schreibt das Wolfgang Paul, den Anblick des Himmels in Rio de Janeiro am Morgen des 15. Januar 1889 wiedergeben. Zu dem Zeitpunkt wurde die Republik ausgerufen, im Verfahren einer Republikation, die Antike lebte derweil nach. Man spricht von einer astronomischen Beratung, wenn man sagen will, das sie eine Beratung über solche Bilder war, die sich auf das rationale, formelle, mathematische und leicht berechenbare beschränkt habe. Sprich: Man sagt das, wenn man dasjenige meint, an dem man leicht erkennt, dass diese Konstellation sich so am Morgen eines 15. Januars von einem bestimmten geographischen Punkt aus zeigt. Leicht berechenbar? Relativ leicht! Das ist relativ leicht, aber immerhin sind die Routinen so sicher, dass niemand mehr daran zweifelt, dass am nächsten 15. Januar wieder ein 15. Januar sein wird, und an dessen Morgen ein Morgen. Man traut inzwischen und insoweit den Kalendern und den Computisten.
Dieses gesicherte Wissen wird astronomisch genannt. Man weiß damit schon sehr viel, aber nicht alles. Was an diesem Tag noch so sein wird, ist schwerer zu sagen. Die Beratung dazu, zu dem schwerer oder unsicher Sagbarem wird astrologisch oder meteorologisch genannt. Nicht nur, Kreditberater und Juristen sagen ja auch was über die Zukunft aber sie nennen das nicht Astronomie oder Meteorologie, müssen sie auch nicht. Astrologie wird auch genannt, was ein Wissen über die Form der Zeitmessung materialisieren soll. Manche begreifen diese Materialisierung der Form einer Zeitmessung als inhaltliche Bestimmung und halten der Astrologie insofern vor, irrational, mythologisch, fetischistisch , reine Phantasie zu sein. Ganz falsch ist das vielleicht nicht (allenfalls die Reinheit ist blöd gedacht), auch wenn der Vorwurf mit seiner Voraussetzung, nämlich dass die Materialisierung eine Inhaltsbestimmung sei, unfair verkuppelt ist. Wenn man das so voraussetzt, dann kann man auch so folgern. Die Materialisierung muss aber keine Inhaltsbestimmung sein. Man muss die Astrologen nicht beim Wort nehmen. Man muss mitmachen, wie sie Formen an Formen binden, indem sie Distanz schaffen. In dem, wie sie es machen, muss die Übertragung nicht anfangen und nicht aufhören. Mit Ratzinger gesprochen: Nicht nur der Gläubige kennt den Zweifel, nicht nur der Rechtgläubige kennt den Zweifel. Die Ungläubigen, Magier und Wahrsager kennen ihn auch. Wie dem auch sei.
4.
Die brasilianische Flagge hatte Vorgänger, unter anderem soll sie von etwas inspiriert worden sein, das man in der notitia dignitatum findet. Bingo, genau dort, also dort, wo das römische Verwaltungsrecht genau das macht, was Aby Warburgauf Tafel 78 macht.
In dem Material 'notitia dignitatum' findet man Bilder des diplomatischen Protokolls, der römischen Studio- und Bürokratie, des Schreibzeugs und immer wieder Bilder von Tafeln auf Tafeln. Dort finde man heraldische Zeichen, coats of arms: das sind alles schwache, technische, mindere Graphiken, das sind Tabellen und Listen, die Warburg kennt, die aber alle Bürokraten gut kennen, sie haben die Kalender ja immer auf ihren Tischen liegen.
Die Flagge von Brasilien soll von der Bandeira do Principado do Brasil von 1645 inspiriert worden sein, siehe oben. Das ist ein heraldisches Zeichen, das ein Polobjekt zeigt, ein Objekt, das einem ermöglichen soll, Zeiträume zu berechnen: nämlich den Sternenhimmel und den Kalander. Holbein malt so ein Objekt auf sein berühmtes Bild der Diplomaten, auf das Bild der Gesandten, wo man jenen Protonotar sieht, den man auch auf Tafel 78, also auch auf den Staatstafeln sieht. Bei Holbein steht der Protonotar Roms rechts im Bild (ich habe ihn nicht markiert, er ist nicht zu übersehen), auf den Staatstafeln sieht man ihn mehrfach, ich habe ihn oben auf einem der Bilder markiert. Der Protonotar führt den Kalender, der legt nämlich den Terminfest, bereitet nämlich den Termin vor und stellt nämlich sicher, dass am Termin alle Urkunden zur Unterschrift bereit liegen. Der Protonotar ist der Vorbereiter schlechthin und darum hat er gelernt, Zukunft lesbar zu machen. Er kann vorher sagen, was stattfindet und kann insoweit und wie nur limitiert, vorhersagen. Der Protonotar operiert auch protosprachlich, probegrifflich, durch Formeln/ Formulare, durch das Protokoll, das symbolische Handlung sein soll und das Leute wie Savigny für das ältere und das intensiver archaische römische Recht halten.
Gasparri ist der Kardinal Staatssekretär, der hat zu vielen Verfahren am Hals, als das er in jedem einzelnen Verfahren sich um die Details kümmern könnte. In einem Verfahren sorgt der Protonotar für die Details eines Verfahrens, der Kardinal sorgt nur dafür, dass es ein Verfahren gibt, nicht wie es im einzelnen dann vollzogen wird. Man sieht oben, wie dem Gasparri serviert wird, was er signiert.
Holbeins Bild ist ein Bild, das schon Unbeständigkeit zum Thema macht, und das Bild macht die Unbeständigkeit zum Thema, indem dieses Bild ein klassisches Motiv der Unbeständigkeit, nämlich den Schädel, der Fragen wie to be or not to be oder Tupi oder not Tupi (de Andrade) nicht gleichermaßen, aber als selbe Fragen aufwirft, auf das Bild oder ins Bild nimmt.
Holbein geht aber einen Schritt weiter, weil er den Betrachter auch gehen oder schreiten lässt, der muss sich nämlich vor dem Bild bewegen, um an einem Punkt das Beständige lesen zu können und um von einem anderen Punkt aus das Symbol des Unbeständigen lesen zu können. Holbei verwendet zwei Perspektiven, eine davon so, wie Alberti es vorschlägt, eine davon anamorphotisch verkehrt und vor allem verzerrt, und das ist verzehrt, das ist vague, das ist anthopologisch-anthropofagisch, und polar ist es ohnehin, denn es findet in drehenden und verdrehten Welten statt.
Weil man an der brasilianischen Flagge etwas findet, was Warburgs Staatstafeln und einem Bild von Holbein affin ist, aber niemals das Gleiche und doch immer das Selbe, ist das kein Fall substantieller Identität, das ist ein Fall relationaler Affinität, das ist sym- und diabolisch, da sitzt etwas, was manche den Dämon des Selben nennen könnten, wenn die den Foucault und Klossowski gelesen haben. Der Protonotar ist nie der Gleiche, immer der Selbe, das ist ist prototypische Figur eines Notariats, das immer, egal was es tut, Linien zieht, Tag und Nacht und nie ohne Wellen.
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