Tumgik
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Kiffen (36)
Was habt Ihr bloß mit Eurem Rauchen plus?
Einmal war Mutter sehr böse. Als ich an einem Spätsommerabend nach Hause kam, saß sie im Wohnzimmer und sagte: „Wir müssen reden.“ Worüber wir dann reden mussten, war, dass ich mit meinen besten Freundinnen zum Kiffen rausgegangen war. Also sie hatten gekifft und ich hatte ihnen dabei zugesehen. Das wusste meine Mutter, aber trotzdem: Anderen beim Kiffen zusehen - geht auch nicht.
Mein Interesse am Kiffen hat seit meiner Pubertät nicht zugenommen. Sogar anderen dabei zuzusehen, ist mir völlig egal geworden. Selbst zu kiffen ist für mich so weit weg wie die AfD von einem Islambeirat. lch rauche nicht, ich trinke nicht, da werde ich doch nicht mit so was anfangen.
In den vergangenen Jahren haben Forderungen nach der Legalisierung des Kiffens auch den Mainstream erreicht. Jede Partei, die billigen Applaus will, spricht sich für die Freigabe aus. Aus medizinischen Gründen ist es schon zugelassen, völlig okay, aber das reicht den Befürwortern nicht. Sie wollen den Erwerb für alle erlauben. Klar kann man Kiffen legalisieren, man kann es aber auch lassen. De facto muss man sich ohnehin schon sehr dumm anstellen, um dafür bestraft zu werden. „Herr Wachtmeister, Sie glauben nicht, was ich in meinem Rucksack habe - sieben Kilogramm bestes Gras. Wollen Sie mal ziehen?“
Ich finde, es reicht, wenn sich ein Land auf ein paar legale Drogen geeinigt hat. Da brauchen wir nicht noch weitere. Alkohol und Nikotin richten schon genug Schaden an.
Vielleicht fehlt mir einfach das Bedürfnis nach Entspannung. Diese Kiffer-Zurückgelehntheit gepaart mit vorübergehend eingebildeter Weisheit macht mich aggressiv. Der ganze Vorgang des Kiffens hat etwas Pubertäres - eine Mutprobe, eine dezente Regelübertretung, die einem spätestens mit dem 20. Geburtstag albern vorkommen sollte.
Aber das Gegenteil ist passiert: Der Ruf von Gras ist mittlerweile besser als der von Rauchen. Rauchen ist Grau. Kiffen ist Grün. Neben Wein ist Gras die einzige Droge, die das Ansehen des Konsumenten steigert. Bei Rauchen denkt man an Krebs, beim Trinken an eine sehr hässliche Leber. Beim Kiffen aber an Rebellion.
Um das zu ändern, müsste schon Volker Kauder mit einem Joint erwischt werden.
Sebastian Dalkowski
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Eier (35)
Was ist weiß-gelb und schmeckt nicht?
Ein deutsches Hotel, Nordseeküste, genauer: Ostfriesland, der deutscheste Teil da oben. Die Tische gedeckt, die Kanne Kaffee kommt auf Nachfrage, Schwarzbrot, Graubrot, Müsli, Obstsalat, Orangensaft, alles am Buffet. Der Deutsche liebt Buffets. Überall: kleinkarierte Hemden, kurze kleinkarierte Hemden, kurze kleinkarierte Hemden in Hosen, am besten in Funktionshosen, denen ein Teil per Reißverschluss abgezippt werden kann, Brillen, Gürtel, Messer und Gabel. Alles perfekt. Okay, es könnte wärmer sein, und regnen müsste es auch nicht, aber Nordkorea mit seinen dämlichen Bomben ist weit weg, ganz weit weg, und auch dieser Schulz, der immer will, dass jetzt Wahlkampf ist. Hier drinnen regiert nur eins: das Ei.
Eiersalat, Rührei, Spiegelei, hartgekochtes Ei, weichgekochtes Ei, mittelhartgekochtes Ei. Überall Eier. Omelette auch, klar. Alle stürzen sich darauf, pflastern sich den Magen damit zu, als gäbe es nichts Vernünftiges mehr zu essen. Nichts, was nicht so streng riecht, nicht so unappetitlich glibbert und nicht so fürchterlich schmeckt. Der Deutsche ohne Eier ist ein Problem, der Deutsche ohne Eier hat gewaltige Probleme. Vor allem, wenn er sie nicht rechtzeitig am Hotelbuffet mit dem richtigen Garpunkt serviert bekommt. Was soll das?
Vor ein paar Wochen, da hat dieser Schulz auch schon gewollt, dass jetzt Wahlkampf ist, geisterte der Fipronil-Skandal durch die Gegend. Irgendein Pflanzenschutzmittel ist an die Eier in unseren Supermärkten gekommen, es war wirklich schrecklich. Schuld waren die Holländer oder Bulgaren oder sonst wer, auf keinen Fall aber die Deutschen. Wie kommt eigentlich Pflanzenschutzmittel durch die harte Schale? Egal.
Heute spricht natürlich kein Mensch mehr von Fipronil, höchstens, um sich darüber lustig zu machen, dass wir ja ohnehin mit Pferdelasagnen und Ehec-Gurken verseucht werden. Wahrscheinlich von irgendeiner geheimen Macht, die die Bevölkerungszahl auf Erden regulieren will. Oder von Xavier Naidoo. Wenn wir eins gelernt haben in dieser eierlosen Zeit: Du darfst dem Deutschen alles nehmen, aber niemals sein Frühstücksei.
Henning Rasche
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Smartphones (34)
Ein 500-Euro-Gerät, um zu checken, wann meine Bahn fährt?
Die von O2 wollen mir ein neues Smartphone andrehen, für nur 29,99 Euro im Monat. Also schlanke 719,76 Euro. Vielleicht waren es auch nur glatte 29. Also glatte 696 Euro.
Einerseits ist das bitter nötig. Mein derzeitiges Smartphone gibt nämlich den Geist auf. Seit Monaten schon schaltet es sich regelmäßig zwar nicht theoretisch, aber praktisch ab. Das Handy sieht aus wie immer, das ist ja das Tückische, aber keine SMS oder Anrufe dringen zu mir durch. Nur ein Neustart hilft. Manchmal merke ich das, wenn ich selbst eine SMS verschicken will, die dann aber nicht rausgeht. Manchmal erst Stunden oder Tage später.
Ja, ja, „SMS“ statt „Whatsapp“, aus Gründen. Der Mark von Facebook und seine Kumpels wissen ohnehin schon viel zu viel über mich, Danke. Ich könnte mir ja eine Konkurrenz-App zulegen, „Signal“ oder „Threema“, aber die hat dann wieder nur jeder 289. andere.
Andererseits würde ich am liebsten auf ein nicht-onlinefähiges mobiles Endgerät umsteigen, von Nokia oder so. Ein bisschen natürlich wegen des Retro-Weirdo-Charmes, vor allem aber, weil es so viel angemessener und günstiger wäre, sehr viel entspannter sowieso ohne Mails und Messenger und das ganze Gedöns. Wer mich unheimlich dringend erreichen wollte, ach was, müsste, weil es natürlich um Leben und Tod ginge, mindestens, der könnte mir dann immer noch eine SMS schicken oder mich anrufen. Das wäre möglich.
Im Ernst: Was würde ich vermissen ohne ein 500-Euro-Gerät, um zu checken, wann meine Bahn fährt?
Nichts anderes tun Menschen wie ich mit ihrem Smartphone, die sich von Whatsapp und Instagram fernhalten sowie sich selbst die Facebook-Nutzung als tapferen, wenn auch weitestgehend bedeutungslosen Akt wenigstens unterwegs untersagen.
Und nichts anderes würde mir fehlen.
Aber erstens schrecke ich vor diesem radikalen Schritt doch zurück, aus Gründen, die sich mir selbst nicht erschließen. Und zweitens wäre ich auch nicht besonders bewundernswert, falls ich es doch schaffte – ja, nicht einmal für meine Ablehnung des iPhones gebührt mir ein wenig Applaus. Die Gründe lauten iPad und MacBook.
Tobias Jochheim
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Wasser (33)
Wie kann einem etwas, das schlicht nach nichts schmeckt, am besten schmecken?
Ich trinke jeden Tag anderthalb Liter Wasser. Jeden einzelnen Tag. Mit Sprudel. Früher habe ich stilles Wasser getrunken, aber seit einigen Monaten bin ich auf Sprudel umgestiegen.
Ich hasse Wasser. Wirklich. Ich trinke es nicht aus Vergnügen, sondern weil ich muss. Weil es ja so viel gesünder ist als Cola. Weil es entschlackt. Weil der, der wenig Wasser trinkt, Kopfschmerzen bekommt, und da ich dazu neige, Kopfschmerzen zu bekommen, und ich das natürlich nicht möchte, trinke ich Wasser. Jeden Tag.
Für die meisten Menschen ist das selbstverständlich. Weil sie damit aufgewachsen sind. Bei mir ist das nicht so: Weil ich als Kind viel zu dünn war, gab es für mich mindestens immer Apfelschorle. Wenn jemand Geburtstag hatte, ein Glas Cola. Ich bin nicht sozialisiert worden mit Wasser. Ich muss mir die Gewohnheit jetzt im Erwachsenenalter mühsam antrainieren.
Meine beste Freundin sagt, das ist nicht so schwer. Sie trinkt nur Wasser. Sie sagt: „Mir schmeckt Wasser einfach am besten. Das glaubt mir aber nie jemand.“ Wie auch? Wie kann einem etwas, das schlicht nach nichts schmeckt, am besten schmecken? Das Nicht-Existente schmecken können - das hat etwas Mythisches.
Aber egal wie lange man versucht, es sich einzureden: Das Leben ist nicht wie in der Bibel und aus Wasser wird niemals Wein. Also muss ich mich zwingen. Jeden Tag. Das geht so: Jedes Mal, wenn ich trinke, muss ich mindestens zehn Schlücke nehmen. Dann ist die Flasche irgendwann leer. Wenn keiner hinguckt, verziehe ich dabei das Gesicht.
Ich möchte bitte eine Cola.
Laura Ihme
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Hobbys (32)
Frag mich nicht, was ich in meiner Freizeit mache.
Wenn ich aus dem Büro nach Hause komme, falle ich nicht tot ins Bett. Auch ich habe Zeit zu überbrücken, selbst wenn ich noch einkaufen fahre. Ich jogge, ich lese, ich fahre Rad. Nichts davon möchte ich als so genanntes Hobby missverstanden wissen.
Das Konzept „Hobby“ machte in meinem Leben früh auf sich aufmerksam. In jedem Freunde-Buch sollte ich Auskunft darüber geben, welchen Hobbys ich nachgehe. In jeder Fernsehsendung, in denen Kandidaten wie du und ich auftreten, haben diese aufzusagen, was sie beruflich machen und was danach.
Gegen die Aktivitäten habe ich nichts, bloß habe ich etwas dagegen, sie als Hobbys zu bezeichnen. Denn das trifft es nie. Radfahren ist für mich eine fortschrittliche Art der Fortbewegung. Joggen eine reine Notwendigkeit. Lesen eine Leidenschaft. Gerade im letzten Fall klingt „Hobby“ abwertend. Das Wort kommt vom englischen Hobby Horse, dem Steckenpferd. Ein Hobby ist also etwas, das einen nicht von der Stelle bringt. Ein Steckenpferd reiten, heißt: sich einzureden, auf einem Pferd zu reiten. Ein Hobby haben, heißt: sich einzureden, etwas zu tun. Deshalb ist Lesen kein Hobby. Ich verdiene zwar kein Geld damit, aber wert-voll ist es trotzdem beziehungsweise völlig unabhängig davon.
Das Konzept „Hobby“ ist stark mit dem Konzept „Freizeit“ verknüpft. Wenn der TV-Moderator den Kandidaten nicht fragt, welche Hobbys er hat, fragt er, was dieser in seiner Freizeit tut. Was eigentlich heißt: Was tun Sie, wenn Sie tun dürfen, was Sie wollen? Der Feierabend ist die Grenze zwischen dem Leben, das man führen muss, und dem Leben, das man führen will. Der Deal unserer Arbeitswelt ist: Du stellst täglich acht Stunden deine Arbeitskraft zur Verfügung, und weil wir wissen, dass das wirklich öde sein kann, kriegst du sechs Stunden Freizeit, Wochenende und Urlaub, in denen du deinen Hobbys nachgehen kannst.
Dieses Konzept ist Mist, weil Unternehmen eigentlich dafür sorgen sollten, dass Jobs sich immer weniger wie Jobs anfühlen. Freizeit ist auch nur etwas, das sie erfanden, als ihnen klar wurde, dass sie uns die Freiheit nicht geben wollen.
Sebastian Dalkowski
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Ein anderer Friseur (31)
Erzähl mir bitte ausführlich vom Goa-Festival.
Das Schönste ist ja die Eröffnung: „Und, was machen wir?“ – „Alles bisschen kürzer und kein Undercut.“
Ein guter Friseur kann natürlich auch Undercut und fragt darum nur zur Sicherheit, und weil er dir das Gefühl geben möchte, sich an deinen letzten Haarschnitt zu erinnern: „Die Seiten haben wir nicht mit der Maschine geschnitten, oder?“ — „Nee, haben wir nicht." Haben wir einmal gemacht und danach nie wieder.
Einen guten Friseur erkennst du auch daran, dass du nicht erst noch auf einem Sofa Platz nehmen musst, um in Zeitschriften von vergangener Woche zu blättern oder in einem Buch aus der Reihe „Sehr kurze Geschichten“ von Twitter. Ein guter Friseur weist dir gleich einen Platz zu und fragt, ob du was trinken möchtest, und du siehst den Kühlschrank von „Monster Energy“ oder „Charitea“ und lehnst ab. Nein, auch kein‘ Kaffee, bitte. Lieben Dank aber.
Einen guten Friseur gibt es nicht überall, aber es ist ein Missverständnis, dass der Name des Salons etwas über das Handwerk aussagt. Auch in Läden, die „Haarscharf“ oder „Hairlich“ heißen, gibt es sehr gute Leute. Wichtig ist ja, dass sie möglichst stumm ihr Werk verrichten oder aber vom letzten Goa-Festival erzählen, je nachdem, was du für ein Typ bist und was sie für Typen sind und ob das eine gute Geschichte ist, die vom Goa-Festival. Einen guten Friseur erkennst du daran, dass ihr euch findet, und dann willst du keinen anderen mehr. Nie wieder. Außer du ziehst um oder dein Friseur ist unpässlich, und du musst zur Vertretung, und die ist viel besser. Aber mit dem Neuen kannst du auch nicht einfach so zusammenkommen, denn der arbeitet ja im gleichen Salon wie sie, oder sie im gleichen wie er, oder er im gleichen wie er, oder sie im gleichen wie sie. Es ist kompliziert. Dir bleibt nur, ganz zu wechseln. Ohne Tschüss zu sagen. Ghosting.
Ein guter Friseur hält dir den Spiegel vor, bis heute hat kein Mensch verstanden, was das soll, weil du im Spiegel hinter dir, der sich im Spiegel vor dir spiegelt, ohnehin nicht sehen kannst, ob hinten nun ordentlich geschnitten wurde oder nicht. Mechanisch sagst du bloß: „Okay.“ Einem guten Friseur vertraust du blind.
Klas Libuda
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Untertöne (30)
Sag doch einfach, was du meinst.
Weltweit wird die deutsche Sprache gepriesen für ihr Potenzial, auch die speziellste Situation oder Emotion mit einem präzise passenden Ausdruck zu beschreiben. Entsprechend konsequent wäre es, jubilierend loszuziehen gen Kneipe oder Stripclub, Stadion oder Schlachtfeld, wenn die zuvor konsultierte bessere Hälfte ein "Klar, geh du nur!" gefaucht oder unter Tränen ein "Ist schon okay..." hervorgebracht hat.
Beschweren dürfte sich jedenfalls keiner, der dermaßen passiv-aggressiv kommuniziert. Wer "Nein" meint, sollte auch "Nein" sagen, idealerweise gefolgt von einer Begründung. Jedes "Nein" versuche ich gern zu verstehen, ein schnippisches "Ja" indes interpretiere ich im Zweifelsfall bloß als "Ja" - aus pädagogischen Gründen. Communication usually fails ohnehin schon, unter anderem eben, weil es schwierig genug ist, sich korrekt auszudrücken. Absichtliche Verkomplizierung ist grober Unfug - je subtiler, desto schlimmer. Der GAU ist ein "Ja", das "Sowas-von-Nein" heißen sollte, vom ahnungslosen Gegenüber aber als "Ja" verstanden werden musste.
In Kürze: Von seinem Gegenüber permanent zu verlangen, sich gefälligst als Dolmetscher zu betätigen, indem er kontextbezogen und unter Beachtung noch der kleinsten nonverbalen Signale nach Subtext forscht, ist eine selbstgerechte Zumutung.
Wer seine Meinung verstanden wissen will, möge sie - Life hack! - höflich, aber dabei so unmissverständlich wie möglich aussprechen. Die so gesparten Massen an Energie und Nerven lassen sich nicht zuletzt hervorragend darauf verwenden, mit- statt gegeneinander über die Dinge zu sprechen, die auch bei bestem Willen unheimlich schwer in Worte zu fassen sind: Ansichten über anstehende Lebensentscheidungen etwa. Oder die Gründe für die eigene Anti-Haltung zu einem Solo-Ausritt des Partners.
Tobias Jochheim
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Nacktheit (29)
Lass die Hose an.
Weitgehend überein hält es die Gesellschaft für eine gute Idee, an öffentlichen Plätzen Hosen und dergleichen zu tragen. Das führt dazu, dass man nur selten auf den Straßen der deutschen Innenstädte oder aber im Supermarkt nackte Oberkörper, Oberschenkel oder gleich die primären Geschlechtsmerkmale der Mitmenschen zu Gesicht bekommt. Das nennt man zivilisatorischen Fortschritt, den ich ausdrücklich begrüßen möchte.
Freilich gibt es noch immer Kommunen oder ganze Dörfer, die der Nacktheit frönen. Wenn sich Nachbarn dort beim Bäcker treffen, sind die Mohnbrötchen das einzige, das sie tragen. Das hat sicherlich etwa auch ganz praktische Vorteile, man muss zum Beispiel seltener Unterwäsche kaufen oder waschen.
Es gibt aber eine zivilisatorische Bastion des Bildungsbürgertums, an dem mit großer Vorliebe Männer ihre Hosen fallen lassen: das deutsche Theater. Nun mag es etwa 15 Jahre her sein, dass sich das erste Mal ein Mann, ja irgendwie sind es sehr oft Männer, auf der Bühne entblößt hat. Hoppala, ein Skandal.
Ich stelle mir die Frage, wozu das Wissen dienlich sein soll, dass auch Danton oder Richard III. über Geschlechtsteile verfügen. Dass Georg Danton eine Menge herumgehurt hat, erschließt sich auch nicht aus dem Umstand, dass er, um das Wort nun doch einmal zu sagen, einen Penis hat. Wollte man dies darstellen, so müsste man mindestens zwei kopulierende Figuren zeigen.
Den Intendanten und Regisseuren geht es aber auch heute, im Jahr 2017, wo bereits jeder 12-Jährige problemfrei an Pornos im Internet kommt, um etwas vollständig anderes. Es geht um den Tabubruch, noch immer, aber auch um die Selbstvergewisserung, etwas Modernes, etwas Neues zu schaffen. Der Tod des splitterfasernackten Danton - brillant. Nur: Es ist eben nicht modern oder neu, sondern schlicht sinnlos.
Henning Rasche
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Gesiezt werden (28)
Du mir doch bitte einen Gefallen.
Neulich saß ich mal wieder mit panischer Angst im Flugzeug. Am schlimmsten ist es beim Start. Neben mir saß eine junge Frau, 19 Jahre alt, wie ich später erfuhr. „Sie müssen keine Angst haben”, sagte sie. Ich nickte. „Danke dir.” Das Flugzeug flog eine Kurve.
Moment mal, Moment mal: Hat die mich gerade gesiezt? Wir sind doch gleich alt. Okay, ich bin 26, aber SO weit ist das nicht weg von 19. Zumindest ist 26 kein Alter, in dem das Siezen zum Standard gehört. Also ich sehe das so. Mein Umfeld leider nicht.
Denn wenn ich so recht nachdenke, werde ich inzwischen überall gesiezt: im Büro sowieso, im Supermarkt, beim Arzt, im Kino - und jetzt auch im Flugzeug von diesem armen Mädchen, das mich doch nur trösten wollte, weil ich so in Panik war, und das ich nun mit finsterer Miene anschaue.
Das mit dem Siezen verstehe ich nämlich nicht. Dass ich meinen Chef sieze, ist schon okay. Auch die Bundeskanzlerin würde ich vermutlich nicht mit einem flotten „Na, Angie, alles gut?“ begrüßen. Der Respekt und die gute Erziehung und so. Andererseits hätte ich überhaupt kein Problem damit, wenn sie mich duzen würde. Ja klar, das ist so wie in der Schule, ich sieze und werde dafür geduzt - aber es fühlt sich für mich nicht wie ein Rückschritt an. Eher wie Vertrautheit.
Ein „Sie“ dagegen schafft immer Distanz. Es zeigt Hierarchien an - Sie sind jünger als ich, Sie sind nur meine Angestellte. Und auch die vermeintliche Höflichkeit, die es ausdrückt, zeigt doch viel mehr: Sie sind mir fremd, und deshalb halte ich Sie auf Abstand.
Das Spiel mit dem Siezen ist außerdem ein Tanz um einen Parcours voller Fettnäpfchen: Duze ich den? Oder siezt er mich? Dann verwendet man immer so komplizierte Konstruktionen wie „Man muss heute einen Schirm mitnehmen, sonst wird man nass“ oder wird völlig unpersönlich „Geht's gut?“
Ausgenommen von diesem albernen Spiel sind bloß Kinder und Jugendliche bis 18 und jene, die man auch mit über 18 für so jung hält, dass man sie duzen kann. Ich dachte bislang, ich gehöre noch zu dieser Gruppe, und dass mich jetzt jemand in einer vergleichsweise privaten Situation (ich meine, ich dachte immerhin, ich sterbe gleich bei einem Flugzeugabsturz) siezt, zeigt wieder einmal, dass ich jetzt erwachsen bin. Wie blöd. Duzt mich doch alle weiter. Dann ist das Leben viel freundlicher, vertrauter. Ein „Du“ bringt selbst in langweilige Gespräche über Küchenmaschinen ein wenig Wärme. Ein „Sie“ kann das niemals schaffen.
„Du kannst mich ruhig duzen, ich bin noch nicht so alt“, sage ich zu dem Mädchen. Sie lächelt. Wir schweigen ein paar Minuten. „Und was machen Sie so beruflich?“, fragt sie.
Laura Ihme
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Die Simpsons (27)
Was dein Bankberater schaut, kann nicht subversiv sein.
Ich gucke die Simpsons immer nur mit. Sitzt jemand vorm Fernseher, und die Simpsons laufen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass ich mich dazu setze. Ist ja auch gut gemacht. Böse Witze, unverwechselbare Protagonisten, das Infragestellen der USA als moralischer Anführer der Welt, getarnt als Zeichentrickserie für Kinder. Und das aus dem Hause Fox. Ausgerechnet Fox mit seinem ultrakonservativen Fox News.
Vermutlich habe ich auf diese Weise mehr als 50 Folgen mitgeguckt, doch Fan bin ich nicht geworden. Ich habe nie mit Freunden in der Schule über die neue Folge gesprochen, mir nicht das Gesamtwerk aus dem Internet heruntergeladen und den Kinofilm (oder sind es schon mehrere?) habe ich mir auch nie angeschaut. Die Simpsons sind für mich wie die Beatsteaks. Würde ich mir nie ne Platte von kaufen, aber wenn‘s im Radio läuft, pfeife ich mit.
Mein fehlendes Fantum hat nur geringfügig damit zu tun, dass die Simpsons Mainstream sind, also jedenfalls nicht damit, dass sie sich jeder anschaut. Eher mit den Gründen, warum es jeder tut.
Denn in Wahrheit sind die Simpsons nicht böse und nicht subversiv, weil sich schließlich schon jeder darauf eingestellt hat, dass sie böse und subversiv sind. Ein Safari-Park mit wilden Tieren, denen es aber unter keinen Umständen gestattet ist, diesen Park zu verlassen. Fox hält sich diese Serie, um zu zeigen, dass sie auch anders können, so wie vom Sparkassenmitarbeiter bis zum JU-Vorsitzenden alle mit der täglichen Simpsons-Folge demonstrieren wollen, dass sie auch anders können. Dass in ihnen doch ein kleiner Rebell schlummert. Und freitags geht‘s mit Chucks ins Büro (die längst zu Nike gehören).
Überhaupts nichts dagegen habe ich, wenn Leute mit Qualität Erfolg haben und sogar Geld verdienen. Warum soll immer nur Scheiße Profit abwerfen? Aber die Simpsons und ihr Merchandising sind mittlerweile Teil der Warenwelt wie ein Disneyfilm. Wenn du nicht an die Kohle der Leute kommst, mach sie einfach glauben, dass sie kein Produkt erwerben, sondern eine Haltung. Das aber ist nicht subversiv, das ist einfach nur öde.
Sebastian Dalkowski
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Lücken im Lebenslauf (26)
Lass ma ne Leerstelle.
Der schlimmste Tag ist der, an dem du dir wie jedes Jahr das Kicker-Sonderheft kaufst und die Spieler zum ersten Mal jünger sind als du. Dann weißt du, dass es das jetzt wohl war, und mit jedem Jahr wird es schlimmer. Bald stehen nur noch irgendwelche Früchtchen auf dem Platz, 97er-Jahrgänge mit 14 Länderspielen in der U21. Die haben schon alles erreicht: zweimal Deutscher A-Liga-Meister und Abitur am Schalke-Internat. Ein Jahr bei Stuttgart in der zweiten Liga, Aufstieg, jetzt mal sehen, auf jeden Fall in der Sommerpause ins Tattoo-Studio.
Wer so vorlegt, hat in zwei oder drei Jahren nicht nur den gesamten Unterarm bemalt, sondern schon eine Karriere hinter sich. Kein Wunder also, dass die meisten Fußballspieler immer schon drei Jahre älter aussehen als ihre Altersgenossen und auch so reden.
Wenn dann doch mal jemand Anfang-20-jährig aus der Reihe tanzt und nachts um drei betrunken durch die Innenstadt stolpert oder sein Portemonnaie mit 15.000 Euro im Taxi vergisst, gibt das gleich ein großes Hallo. Dabei ist gar nicht mal der sogenannte Fehltritt so erstaunlich, sondern dass er so selten geschieht. Man sollte meinen, dass Menschen, die schon immer darauf vorbereitet wurden, abzuliefern, noch viel häufiger ausflippen.
Abliefern müssen dabei nicht nur zu Profis erzogene Jugendliche, sondern auch alle anderen, sogar solche, die beim Pfingstturnier in der Kreisliga B nicht mal in der Startelf aufgestellt waren. Menschen, die mit 18 Abi machen und mit 21 ihren Bachelor, aber dann keinen Master, weil der Berufsberater auf der Jobmesse gesagt hat, dass das nicht unbedingt notwendig ist. Zwischendurch auch mal so gucken, zweimal das Studium abbrechen oder meinetwegen nach Neuseeland — eher schwierig, weil: Lücke im Lebenslauf. Außer natürlich, die Reise wird als interkultureller Austausch verbucht. Lustig ist am echten Leben, dass hier immer eins aufs andere folgen soll, während Fiktionales uns vor allem auch wegen der Leerstellen interessiert.
Raus kommen wir da eh nicht, schön wäre darum, wir würden uns mal alle nicht so stressen. Neulich bekam ich Bescheid über mein Renteneintrittsalter, seitdem weiß ich: Es bleibt sehr viel Zeit.
Klas Libuda
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Autos (25)
Was will ich mehr, als dass es fährt?
Ich war ein schlechter Junge und bin ein noch schlechterer Mann, denn neben Bier lässt mich auch die zweite heilige Kuh des gemeinen männlichen homo sapiens kalt: das Auto.
Dabei habe ich aus Lego Technic immer gern welche gebaut und will auch mein eigenes nicht mehr missen, egal wie mies die Öko- und die Finanz-Bilanz (Versicherungen, Steuern, TÜV, Sprit) ausfallen. „Freiheit“ ist ein großes Wort, aber von A nach B kommt man mit einem Automobil tatsächlich ziemlich gut, weil flexibel und meist schnell. Dafür also steht das Auto nicht zu Unrecht, hinzu kommen Schutz vor den Elementen (Kälte, Regen, Blitze), Gewalt über das akustische Geschehen (wo sonst ist „Ruhe“ ist eine reelle Option?) sowie die Abwesenheit des Duftcocktails Alkohol-Schweiß-Urin-Parfüm-Tabak-Energydrink, der Freunden des schienengebundenen Personennahverkehrs so vertraut ist.
Wenn man in absehbarer Zukunft endlich keine zu Erdöl geronnenen Dinosaurierleichen mehr verfeuern muss, sondern auf demselben Komfortniveau wie bislang mit Wind-, Wasser- oder Sonnenenergie fahren kann, ist das Auto endgültig ein gutes Werkzeug.
Was mich abwechselnd belustigt, irritiert und alarmiert, ist, dass es zu ungleich mehr gemacht wird. Fachsimpelt über Keilriemen, Zylinderkopfdichtungen und MacPherson-Federbeine, so viel Ihr wollt – dass ich nur Bahnhof verstehe, ist ja irrelevant. Was mir nicht in den Kopf will, ist die inbrünstige Liebe, die hemmungslose Fetischisierung, die Aufladung mit lachhaft viel Bedeutung, jahrzehntelang das Chiffre für mehr oder weniger Autorität, Macht, Reichtum, Erfolg, Potenz. Nichts anderes demonstrieren die Audi und BMW, Mercedes und Porsche von Anwälten, ekligen Zuhältern und braven Beamten. „Pferd und Rüstung zugleich“ sei ein Auto, schreibt der große Henning Sußebach, Visitenkarte, Identität in a nutshell.
Aber wären Autos dazu gebaut worden, um etwas über ihre Fahrer auszusagen, dann wären sie Bücherregale. Meins muss bloß zuverlässig anspringen und Platz bieten, spritsparsam sein, pannenfrei und sicher. Deshalb fahre ich einen Ford Focus. Dass der Rennfahrer Colin McRae einen über die Rallye-Strecken dieser Welt jagte – und es ihm Millionen Kinder in der nach ihm benannten Videospiel-Serie nachmachten –, hatte auf diese Entscheidung null Einfluss.
So pragmatisch, wie ich gern wäre, bin ich aber wohl doch nicht. Einen ästhetischen Totalausfall wie den Pontiac Aztek von Walter White in „Breaking Bad“ würde ich nicht mal fahren, wenn man ihn mir schenkte – egal, wie sparsam, wendig und rundum praktisch er offenbar ist. Und falls ich tatsächlich einmal erwähnenswerte Geldmengen erstens besitzen und zweitens für ein Auto ausgeben würde, dann für eines, das nicht mal Servolenkung hat: der DeLorean DMC-12, das erste und letzte Modell einer bizarren Kleinstfirma, unsterblich durch „Zurück in die Zukunft“. Der vom Jahrhundertdesigner Giorgetto Giugiaro gestaltete Edelstahl-Keil so kompromiss- und zeitlos, die Flügeltüren herrlich dekadent – und die Rücklichter cooler als jede Zeitmaschine.
Pure Vernunft darf niemals siegen.
Tobias Jochheim
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Dein Gehalt (24)
Echt jetzt, müssen wir über Geld reden? Hört auf.
Wenn das Studium vorbei ist, hört der Spaß auf. Dann geht es um die 37,5-, 40-, 45-, 60- oder, für die Hardcore-Boys unter euch da draußen, auch um die 70-Stunden-Woche. Es geht um Urlaubstage, freie Tage, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld, um bezahlte und unbezahlte Überstunden, um auszahlen lassen oder abfeiern. Es geht nicht darum, was ihr seid. Es geht darum, was auf eure Konten prasselt. Der Kapitalismus hat euch endlich kleingekriegt. Zum Kotzen.
Bei Leuten unter 30, heißt es, ist der Idealismus noch nicht so abgeschliffen. Die Leute kämpfen noch um etwas, manchmal auch für etwas, aber am häufigsten, das ist doch wahr, kämpfen diese Leute für ihr Konto, diese Leute sind wir. Es ist unerträglich geworden, dass sich Berufsanfänger mit Konsumgütern zuschütten, in Konsumurlaube fahren und sich darüber freuen, dass es gar keine Rolle spielt, was all das kostet. Hört endlich auf, über euer Gehalt zu reden. Das interessiert niemanden. Nur euch.
Es gibt natürlich zwei Lager. Die einen verdienen viel zu wenig, die beklagen sich dann, jammern. Die anderen verdienen sehr gut, sind sehr glücklich, haben keine Geldsorgen und lassen es dich wissen. Der Clou: das Gehalt beider Gruppen ist gar nicht so unterschiedlich. Dahinter steckt einfach eine unterschiedliche Mentalität. Was dahinter auf keinen Fall steckt, ist Empathie. Keine andere Währung ist so eiskalt wie das Gehalt. Es bemisst deinen Wert, will man dich glauben lassen, aber das ist natürlich Bullshit.
Glaubst du wirklich, deine Arbeitsleistung ist 2400 Euro brutto im Monat wert? Oder 5200? Oder 3700? Oder 1600? Und glaubst du wirklich, es ändert irgendetwas in dieser Welt, wenn du das mitteilst?
Letztens hab ich ein Gespräch geführt über Jobs, das machen junge Leute immer häufiger, weil sie es immer häufiger müssen, weil ihre Verträge immer häufiger befristet sind und sie immer häufiger im Schleudersitz hängen. Mein Gesprächspartner hatte eine Stelle im Blick, die Arbeit dort fand er super. Ich fragte - wie bescheuert - was mein Gesprächspartner dort verdienen würde. Keine Ahnung, sagte der. Gott sei Dank.
Henning Rasche
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Die beste Freundin (23)
Du. Und du. Und du. Und du.
Das hat wunderbar mit uns funktioniert in der achten Klasse, oder? Du, ich - wir beide waren die Neuen, und die Neuen rotten sich ja immer zusammen, weil sie dann gemeinsam einsam und dann also nicht mehr einsam sind. Wir gegen die anderen. Wir als Einheit. Wir, die erste Verbindung in einer neuen Welt. Und aus der Zweckgemeinschaft wird dann Freundschaft. 
Eine gute Freundschaft. Eine sehr gute Freundschaft. Eine mit so einem Freundschaftsheft, wo so herrliche Dinge drinstehen wie „Du bist volle ölle in dem Bork verknallt, oder?“ (Stimmt!) oder „Ich lasse mir bald die Fingernägel machen!“ (Gottlob, hast Du das nicht getan!). Abends haben wir dann telefoniert. Stundenlang. Auch die mahnenden Worte unserer Eltern könnten uns nicht davon abhalten. Deine Nummer von damals kann ich noch immer auswendig. 
Dann waren wir beste Freundinnen. Das haben wir gesagt. Und es wurde kompliziert. Denn jetzt war ja klar, dass Du mir alles zuerst erzählen MUSST und dass ich Dir alles zuerst alles erzählen MUSS, erst dann dürfen die anderen das erfahren. Dich muss ich als Erstes anrufen, mir musst Du immer zuerst zuhören. In der Schule sitzen nur wir nebeneinander. Auf Partys gehen wir nur gemeinsam. An Karneval entscheiden wir zusammen, welches Kostüm wir tragen. Du bist meine beste Freundin, und indem wir das festgelegt haben, haben wir auch diesen uralten unausgesprochenen Pakt geschlossen, den nur beste Freundinnen verstehen.
Diesen Pakt, der Dich zu meiner Nummer Eins und mich zu Deiner Nummer Eins macht.
Bloß, dass dieser Pakt immer vom Faktor zwei ausgeht. Drei ist immer eine zu viel. Noch mehr geht gar nicht. Aber so ist ja das Leben nicht. Nie hat frau nur eine Freundin. Die Idee dieser einen, unumgänglich wichtigsten Person in deinem sozialen Leben, kann wie jede Form der freiwilligen Selbstverpflichtung nur zum Scheitern führen - vor allem, wenn später ein Partner, eine romantische Beziehung dazukommt. Beste Freundinnen sind nur in den seltensten Fällen für die Ewigkeit. 
Irgendwann hast Du dann gesagt, wir seien nicht mehr DIE besten Freundinnen. Aber ich sei eine beste Freundin. Eine von vielen. Mit Mädchen und Jungs zusammen. Das war einer der klügsten Sätze, die Du je zu mir gesagt hast. Und ich halte es seither genauso - bis heute. 
Ich habe viele beste Freundinnen. Die eine, die immer schon da war, mein Leben lang, und es immer sein wird. Dich, die aus der Schule, die mit mir gemeinsam einsam war. Die Unkonventionelle, die ganz weit weg wohnt, und mich in allem so nimmt, wie ich bin. Die Durchgeknallte, die mir im Innersten ähnlicher ist als jeder andere. Die, die immer zuhört, auch wenn das, was ich sage, noch so abstrus ist. Ich habe Euch. Was brauche ich da die eine beste Freundin?
Laura Ihme
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Marathon laufen (22)
Mein Körper ist mein Freund, nicht mein Gegner.
Es wurde schlecht, als die Leute anfingen, ihr Hobby als Lebensinhalt zu betrachten.
Vielleicht nicht mit Begeisterung, aber doch von einem gewissen Bedürfnis getrieben, gehe ich dreimal in der Woche nach der Arbeit joggen. Drei Runden um den Stadtrandwohnblock, die nach einer Stunde absolviert sind. Dazu trage ich Laufschuhe, die ich nach einem Beratungsgespräch erworben habe, sonst bloß ein altes T-Shirt und eine Jogginghose, die mehr bedeckt als betont. Ich variiere nicht das Tempo. Ich variiere nicht die Streckenlänge und die Strecke schon gar nicht.
Das Schöne am Laufen ist, dass ich danach immer weiß: War ne gute Idee, Kopf ist wieder frei, Leben kann weitergehen.
Leute sehen das anders. Ich begegne ihnen nicht auf meiner Strecke, denn die ist ihnen viel zu öde. Aber ich begegne ihnen bei der Arbeit, wenn sie davon erzählen. Ich begegne ihnen auf Facebook, wo sie ihre mit Zeitmessungen verzierten Fotos posten. Und ich begegne ihnen, wenn ich sie mit dem Auto überhole. Leute, die nicht einfach laufen wollen, denn das wäre einfach zu einfach.
Das Laufen ist für sie keine Ausgleichstätigkeit, sondern ein Kampf, den sie gewinnen müssen. Nicht mal so sehr gegen andere Läufer, sondern gegen ihren eigenen Körper. Denn der ist nicht das Vehikel, mit dem sie ein besseres Gefühl erlaufen, sondern vor allem ein Hindernis, das der nächsten Bestleistung im Weg steht und deshalb permanent überwunden und ausgetrickst werden muss.
Durch Steigerungsläufe, durch eine Uhr, die jeden Schritt und jeden Herzschlag misst, durch Hosen für den nächsten Bobbahn-Weltrekord, durch Energieriegel von 4000 Kalorien pro Biss, durch Schuhe aus der Raumfahrttechnik. Und dann bitte noch ein Höhentrainingslager in den Anden.
Und das alles dient nur einem Ziel: endlich einen Marathon zu laufen. Und danach: noch einen. Und danach: jeden Monat einen. Und danach: nur noch von Marathon zu Marathon denken. Aus dem Gelegenheitsraucher ist ein Heroinjunkie geworden, so dürr, dass man fürchtet, gleich bricht er in der Mitte entzwei.
Das Problem sind ja nicht die Drogen. Das Problem ist, dass sie am Rest deines Lebens nichts ändern.
Sebastian Dalkowski
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Jetzt schon in den Park (21)
Fall nicht wieder auf die Unerschrockenen herein.
Ich glaube wirklich nicht, dass alles seine Zeit hat, ich gehe schon davon aus, dass man sein Glück auch erzwingen kann. Wenn es zum Beispiel Samstagabend ist und du in Düsseldorf auf der Couch sitzt, obwohl in Bochum viel mehr los ist, aber du wirklich keine Lust hast, hinzufahren, und du es dann doch machst, weil dir die Bochumer geschrieben haben, Komm, mach mal, dann hast du meistens einen Abend der Spitzenklasse.
Rückfahrt ist halt Mist, dauert 43 Minuten, du bist müde, pennst ein und dir klaut einer das Handy aus der Tasche. Und vom Bahnhof musst du dann nach Hause laufen, es ist bitterkalt, dabei waren es tagsüber 21 Grad. Das wirklich großzügig belegte Margherita-Stück vom Pizza Hut wärmt zwar dein kaltes, kleines Herz, aber die Knochen schlottern trotzdem, denn du hast nur dieses dünne Jäckchen von Ben Sherman an, dabei ist eigentlich Mütze-und-Schal-Wetter. Bisschen übertrieben jetzt, okay, Mütze-und-Schal-Wetter ist nicht mehr, aber T-Shirt-Pulli-Jacke-Wetter mindestens, nicht nur T-Shirt-und-Pulli oder T-Shirt-und-Jacke.
Noch besser sind ja die Leute, die jetzt schon (und überhaupt) in kurzen Hosen rausgehen, nur weil mal die Sonne scheint. Das sind dieselben unaufhaltsamen Freaks, die sich jetzt schon in den Park setzen, in deren Köpfen es eine blitzschnelle Verbindung geben muss: Sonne, alles klar, lass ma’ Park.
Jedes Jahr fällst du auf diese Unerschrockenen herein, und bald erwischt du dich mit langer Hose, wie du so in den Stadtgarten spazierst und das Allerduseligste überhaupt machst: in die Hocke gehen und mit der Hand fühlen. Du hörst dich ernsthaft sagen: „Ist trocken.“ Und schon hast auch du deinen Platz eingenommen. Erst Mitte Mai und im Park. Toll! Aber wurde auch Zeit — dass du dich da mal nicht vertust. Der Park ist tückisch. Der Park ist gnadenlos.
Du bist nun gänzlich unbekümmert, öffnest deine Rhabarber-Limo mit dem Feuerzeug, und jetzt rauchst du auch mal eine mit, warum auch nicht. Vive le moment. Natürlich habt ihr keine Thermo-Picknickdecke von Tchibo dabei, und darum merkst du es zunächst einmal an den Händen, kurz nachdem du dich aus deinem Schneidersitz gelöst hast, weil der eben doch in die Knie geht und die Jeans dabei auch so spannt. Jetzt: Beine ausgestreckt, mit den Armen abstützen. Maximal unbequem. Aber im Park gibt es nur diese beiden Sitzposition.
Langsam wird der Boden unter deinen Händen weich, und kurz darauf wird’s auch am Hintern kalt. Jemand sagt: „Doch noch ein bisschen feucht.“ Und du denkst: Ja, bisschen ist gut. Trotzdem bleibt ihr mindestens noch eine halbe Stunde sitzen. Es scheint schließlich schon so schön die Sonne, und es gibt hier in der Nähe auch nichts anderes, außer einer Gaststätte, die sich auf Konfirmationsfeiern spezialisiert hat, und einem sogenannten Biergarten.
Du trinkst aus, klopfst dir halbherzig, halb enttäuscht das nasse Gras von den Sachen, du stellst die leere Flasche neben den Mülleimer und erinnerst dich an die Erkenntnis vom vergangenen Jahr im Mai: Nicht alles hat seine Zeit, aber der Park hat eine andere. Frühestens im Juli. Eher im August.
Klas Libuda
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Mode (20)
Diese unerbittlich entblößten Knöchel.
Zugegeben, es hat 20, wenn nicht 25 Jahre gedauert, bis sich mir Konzepte wie „Look“ oder „Stil“ zumindest im Grundsatz erschlossen haben. Dass weite Klamotten die Bohnenstangigkeit eines Körpers genauso unvorteilhaft betonen wie das Gegenteil – dass also Größe und Schnitt der passenden Kleidung am Ende schlichtweg vom eigenen Körperbau vorgegeben sind. Dass es vorteilhaft ist, wenn sich die Farben von Schuhen, Hose, Hemd und/oder Pullover, die man zeitgleich trägt, irgendwie zueinander verhalten. Dass „Outfittery“ und Co. trotzdem überflüssig sind, weil harmonische Farbkombinationen simplen Regeln folgen – Komplementär-, analoge und triadische Farben, Bruder, du weißt!
Bleibt der Faktor des eigenen Geschmacks. Wobei ich persönlich als Freund des Zeitlosen (unicolor, keine Schriftzüge, keine Risse, Flicken, Waschungen, keine Muster, die über einen Stern oder ein paar Streifen auf Sneakers hinausgehen) praktisch auf Jahrzehnte hinaus gerüstet bin, wenn und falls ich nur bemerke, ab wann Schuhe in allzu kräftigen Farben – oder, Gott bewahre, Sneakers generell – lächerlich berufsjugendlich wirken.
Nachdem ich also all das erkannt zu haben glaube, ist mir das Konzept „Mode“ ein größeres Rätsel denn je. Modisch oder trendy sein ist doch die vorauseilende Absage an jeden Look oder Stil, jeden Rest von Individualität im Erscheinungsbild, die komplette Unterwerfung unter das Diktat der „Influencer“ (anstelle eines lahmen Grippe-Gags sage ich lieber, dass man diesen Begriff als Warnhinweis verstehen sollte). Der Mode folgen heißt doch: Ganz plötzlich fällt mir auf, dass mir etwas, von dem mir sogenannte Journalisten oder Promis vorschwärmen oder das die coole Sau mit dem gelangweilten Blick trägt, die aus der In-Bar oder bei Instagram, ganz schön gut gefällt. So gut, dass ich es un-be-dingt haben und tragen muss – und konsequent wieder ablegen, bevor das Tragbarkeitsdatum überschritten ist. Und all das im Bewusstsein, dass ich dasselbe Zeug vergangenes Jahr nicht mal mit der Kneifzange angefasst hätte (verdrängt man das?).
Wann immer ich Grundschülerinnen mit Make-Up und Handtaschen sehe, die Armee von Jungs mit Camouflage-Klamotten und Fußballerfrisuren oder das Heer von Mädchen mit ihren Lederjacken und Dutts oder Pferdeschwänzen sehe, alle in den immergleichen hellblauen, rissigen Jeans in weißen oder schwarz-weißen Nikes, die Knöchel unerbittlich entblößt, und wenn sie im Schneesturm blau anlaufen, denke ich an die Scherzfrage, die mir einst jemand im Schüleraustauschjahr stellte: „Yo, German dude, you see that chick over there, the one with the green skirt?“ Es herrschte Schuluniformpflicht, fast jeder hasste sie mit Inbrunst. Den Fashionistas sei Dank ist sie auch bei uns längst eingeführt, in einer Variante ohne jeden ihrer Vorteile, und alle lieben sie, oder tun sehr angestrengt so. Primark gefällt das, Umwelt und Näherinnen weniger. Aber yolo!
Will sagen: Armes Deutschland! Doch der Dank geht nicht an Angela Merkel, das kann man ihr nun wirklich nicht vorwerfen. Stattdessen: Danke, Dagi Bee und Bibis Beauty Palace!
Tobias Jochheim
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