Tumgik
statpoet · 12 years
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[Ein Flügelschlag Berlin]
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statpoet · 12 years
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[aufschauen & vorausschauen]
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statpoet · 12 years
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Berlin-Ostkreuz, Freitagabend
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Die Luft ist noch hitzig. Ein Vorhang öffnet sich. Die Sonne flirrt wie ein Scheinwerfer knapp durch die gusseisernen, schmuddeligen Säulen des Bahnhofs hindurch, die das schäbig schöne Dach tragen und bereits lange Schatten wie Figuren auf das Pflaster werfen.
Ein Pärchen schmeißt einige Groschen in einen Münzschlitz und krabbelt Kopf einziehend in die übelriechende Farbfotobox. Neckisch schieben sie sich in die richtige Postion und ziehen die Gardine zu. Ein älterer Herr mit Violine und einer schweren, ledernen Aktentasche lächelt ihnen schwelgerisch hinterher. Der Zielanzeiger flattert. S3 nach Erkner. Eine Mutter mit Wickeltuchsäugling watschelt auf ihren noch verschwollenen Wasserfüßen vom Ring herunter an einer Schulclique Mädchen vorbei, die albern vor sich hingackern, direkt auf eine der hölzernharten Wartebänke zu und erdrängelt sich einen Platz. Ein Mann mit Schnauzbart stöhnt in seine graue, abgegriffene S-Bahnzeitung. Nervös leckt er sich die Finger feucht und grabbelt weiter durch die Seiten. Sie warten – beobachten verschwörerisch einen Buben in ihrer Nähe. Die verfilzten, blonden Haare auf seinem Kopf erinnern an alte, zu dick geschnittene Pommes und bereiten ihr sichtlich Unbehagen. Seine Wangen sind ganz bleich. Er knibbelt sich in den Hosentaschen herum, kaut auf seiner Lippe, wischt sich den Schweiß von der Stirn. Aus den Augenwinkeln hat er ihren aufdringlichen Blick bemerkt. Man spürt, dass er sich unwohl fühlt. Auch er wartet. Erkner ist noch nicht da. Am Gleis gegenüber stehen die Menschen dicht an dicht. Eine ältere Dame klemmt sich ihre Einkaufstüte zwischen die Beine, das Silbergrau ihrer Dauerwelle schillert im untergehenden Sonnenlicht. Der Herr mit der Geige wird aufmerksam, der schwelgende Blick wird zu einem träumerischen. Er macht diesen Augenblick zu ihrem Moment. Er setzt den rosshaarigen Bogen sanft an die zum Reißen gespannten Saiten. Sie fährt mit ihrer matten Hand über ihr Haar und richtet ihre konservative Frisur. Eine liebliche Melodie aus seiner Violine schleicht sich schmeichelnd an ihr Ohr. Damenhaft hebt sie das Kinn, streicht die Falten aus dem perfekten, purpurnen Kostüm, die Glasperlen an ihrem Dekolleté klingen flüsterleise aneinander, wenn sie den Hals nach ihm wendet. Er strahlt sie an. Sie räuspert sich genierlich und schlägt die Augen auf. Der Perlenglanz bricht sich darin. Er lässt die letzten Takte langsam ausklingen und applaudiert ihr mit einem Lächeln. Sie genießt das warme Gefühl der Scheinwerfer auf ihrer Haut. Lichtenberg fährt ein und beendet ihren Auftritt abrupt. Fünf graue Täubchen fliegen aufgeschreckt davon und landen auf dem Dach einer ramschigen Würstchenbude. Ein dicker Junge mit kurzer Hose bestellt sich gerade eine fettige Currywurst. Die Verkäuferin grinst und verschwindet hinter einem Regal prallvoll mit schillernden Keramikkatzen und staubigen Glaselefanten. Ein Lichtkegel fängt sie auf ihrer winzigen Bühne ein. Mit der Grazie einer adipösen Ballerina tanzt sie durch die drei Quadratmeter Verkaufsfläche, greift blind nach ihren Utensilien. Brutzelt, schnippelt und flatscht die Ingredienzien auf die Papppfanne. Hungrig reibt der Kleine sich mit seinen schmutzigen Fingerchen um den wässrigen Mund. Noch einmal dreht sie eine letzte Pirouette und wirft ein grünes Gäbelchen auf die in Ketschup ertrinkenden Fleischbrocken. Dann verneigt sie sich, blickt in die niedergehende Sonne und verlässt ihre Bühne. Es wird kühler. Lichtenberg ist rappelvoll, das Signal tönt und ein Türke stemmt sich zwischen die Türen der Bahn. Sein Freund hüpft gerade so herein, es rummst und Lichtenberg fährt ab. Verschwindet irgendwo hinter Häusern und hinterlässt einen geleckten Bahnsteig im rosarot der sich verabschiedenden Sonne. Erkner ist noch immer nicht da. Die Gruppe Schulmädchen schreit laut auf. Der Scheinwerfer richtet sich umgehend auf ihr melodramatisches Schauspiel. Füße trippelnd und immer lauter plärrend zeigen sie mit Fingern und panischen Mienen auf den Eingang des Imbisses, aus dem soeben ein mehrbeiniges Tier mit einem langen, kahlen Schwanz flüchtet. Grazil umflitzt es den bonbonbäuchigen Currywurstbuben, dem erschrocken das Toastbrot von der Pappe rutscht, vorbei an der Bank – mit gerollter Zeitung schlägt der Schnauz nach dem Tier, verfehlt es, die verängstigte Mutter kriegt die wässrigen Beine nicht schnell genug hoch. Kurz stippt das Untier in den alsgleich kreischenden Fotoautomaten – es blitzt –, weicht knapp einer fallenden Aktentasche aus, und verschwindet mit einem waghalsigen Sprung im Gleisbett. Zwei oder dreimal knallt noch wütend eine Zeitung auf die Lehne einer Bank. Dann wird es wieder ruhig. Ein wenig Wind kommt auf. Von ganz weit kann man Erkner im Gegenlicht der Sonne kommen sehen. Der Herr sammelt seine Notenblätter vom Boden, die beim Aufprall aus der Tasche stoben. Die Mädchen wenden sich ab und quasseln wieder gackernd vor sich hin. Der kurzhosige Junge tritt etwas unwillig die Scheibe Weißbrot auf die Gleise. Sogleich schwirren die Tauben vom Dach dem fliegenden Futter hinterher und picken sich wie in Trance große Krümel aus dem schmutzigen Toast heraus. Er freut sich ein wenig über die hungrigen Vögel und spießt das letzte Stückchen Wurst auf seine Gabel und steckt es sich zwischen die verschmierten Ketschuplippen. Erkner rauscht plötzlich unerwartet herein. Ein dumpfer Knall und vier Vögel, die in alle Richtungen entfliehen. Geschockt steht der kleine Mann mit der Wurst zwischen Zähnen seines offenen Mundes im grellen Licht des einsamen Spots, der nur auf ihn gerichtet ist und schaut perplex an die Stelle, an der sich noch eben fünf graue Täubchen das Abendessen friedlich mit ihm teilten. Die Türen öffnen. Das Wickeltuch stemmt sich behäbig von der Bank. Der Pommeskopf und die Mädchen steigen ein. Der Schnauz ist längst in den Waggon gestürmt und hat sich einen Doppelsitz reserviert. Das Abfertigungssignal tönt aus dem knisternden Lautsprecher. Der Geiger schließt seine Tasche und macht seinen letzten dramatischen Abgang. Die Türen schließen sich und Erkner fährt ab. Der Bahnsteig ist nun fast leer. Nur in der Imbissbude tänzelt noch immer die Ballerina und wischt den Staub von ihren glitzernden Keramikkatzen. Ein Fotostreifen fällt aus dem Schacht des Automaten. Vier Aufnahmen der selben verdutzten und aufgeschreckten Gesichter. Er küsst ihre Hand und sie steckt die Bilder ohne weitere Beachtung in ihre Handtasche, bevor sie die Treppen hinauf verschwinden. Der Vorhang schließt sich langsam und die Sonne grinst ein letztes Mal aus weiter Ferne. Lange, rote Fäden ziehen sich vom Horizont bis auf die Gleise herab. Die Schatten der eisernen Säulenallee verschmelzen mit dem Rest der Dämmerung und die nun kühle Sommerluft wischt taktlos um die nackten Beine eines dicken Jungen, der weinerlich ins Gleisbett schaut.
[August-J. Herbst]
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statpoet · 12 years
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Berlin, Humboldthain
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Mit etwas Eile laufe ich die Treppe hinunter, hinter einigen Türen rumort es. Es ist Nachmittag und langsam trudeln die Nachbarn wieder zuhause ein, beginnen zu saugen, zu putzen, zu kochen und den Fernseher aufzudrehen.
Vierunddreißig. Die Haustür schließt sich und ich breche auf Richtung Humboldthain. Die Straßen sind voller Menschen und ihrer Autos. Es dröhnt, lärmt, es pocht im Kopf.
Zweitausendachthundertvierzehn. Die knallvolle Straßenbahn läutet zur Abfahrt und zischt dann davon. Meine Beine bewegen sich, biegen in die nächste Seitenstraße ein und tragen mich nordwärts fort. Im Rücken stehen mir nun der Fernsehturm und eine laute Gruppe türkischer Jugendlicher. Zwei der Jungen starren mir nach, die anderen klicken und wischen auf ihren piepsenden Smartphones herum. Der Rhythmus meiner Schritte liefert den Hintergrund zu dem tragischen Chanson in meinen Ohren, das von dem Musikspieler in meiner Hosentasche klirrt. Rechts ziehen die Autos an mir vorbei, rasen und knattern abwärts Richtung Mitte und aufwärts zum Gesundbrunnen. Ein Stückchen weiter werkelt und hämmert ein Mann zwischen ein paar pflanzenlosen Blumenrabatten mit ölverschmierten Händen an zwei kopfstehenden Fahrrädern herum. Offensichtlich liefert das schäbigere der beiden dem weniger ramponierten Kette und Radschläuche als Ersatzteile. Ich schreite an ihm vorbei, er blickt kurz auf, doch sein Blick ist fern. Er ist ganz versunken in seiner Arbeit.
Dreitausendzweihundertsechzig. Eine Frau schiebt ihren Einkaufswagen unter Ächzen über die Kreuzung auf meine Straßenseite, die Räder knallen über den Bordstein den Gehweg hinauf. Der Wagen ist prallvoll beladen mit Zentnern an Mehl, Zucker und Butter und Dutzenden Eiern. Sie will enorm viel Kuchen machen oder Waffeln, denke ich mir. Sie rückt sich ihr Kopftuch zurecht und schiebt die Ärmel zurück, hustet, dann ruckelt sie mitsamt ihres Wagens davon.
Dreitausendneunhundertzwölf. Die Bäume auf den Wiesen rechts und links sind noch kahl, die Sonne prahlt schal durch die blätterlosen Zweige auf den erdigen Boden. Vereinzelt haben sich ein paar Menschen kleine Picknickdeckchen ausgebreitet. Eine junge Frau balanciert einbeinig und barfuß im Gras, die warmen Strahlen scheinen ihr ins zierliche Gesicht, das völlig harmonisiert ihr entspanntes Chi nach außen trägt. Der staubige Weg zwischen den Bäumen steigt sanft an und führt an einem kleinen, plätschernden Wasserlauf vorbei, über den mehrere Brücken gespannt sind. Am Rande unter einem hölzernen Pavillon auf einer Bank lächelt glücklich ein bärtiger Mann – auf seinem Schoß sitzt seine hübsche, lockige Freundin und küsst ihn. Ich schreite weiter.
Fünftausendvierhundertdreiunddreißig. Vom Flakturm des Humboldthains sieht man über die ganze nördliche Stadt. Von Weißensee über Reinickendorf bis Tegel und von dort noch viel weiter über die westliche Stadt bis hin zum Grunewald und nach Schöneberg. Mehrere Flugzeuge kreisen am Himmel. Es ist menschenleer und luftig hier oben. Durch die Sicherheitsgitter fegt der Wind, der weite Stoff meines Hemdes flattert vor mir her. Am Zoo dreht sich ein Stern. Von den Kuppeln des Teufelsberges bis rüber zum Gasometer ist es diesig. Tiefschwarze Wolken ziehen heran. Wahrscheinlich wird es in der Nacht noch regnen. Es wird eh schon dunkel. Neben mir auf einem kleinen Podest wärmen sich zwei blonde Frauen Rücken an Rücken und knacken Sonnenblumenkerne. Die Spreu fliegt im Wind davon, segelt an den Betonwänden des Turmes hinab. Da unten zischen gerade zwei S-Bahnen aneinander vorbei. Einmal den Ring herum. Von hier oben ist Berlin winzig und anonym. Und es hält endlich mal die Gusche – es ist still.
Siebentausendeinundneunzig Schritte weit bin ich gelaufen und stehe nun wieder am Fuße und am südlichen Ende des Humboldthains. Ich blicke noch einmal kurz zurück – dann werf ich mich wieder in die laute Stadt.
[August-J. Herbst]
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statpoet · 13 years
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Tod am Ostkreuz – Eine Anthologie
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»Wie die vorangegangenen Schreibwettbewerbe gezeigt haben, ist das Ostkreuz eine zuverlässige Quelle der Inspiration, und die Vermutung, dass es auch dort eine Stelle gibt, wo der finstere Mann mit der Sense und dem Stundenglas ab und zu gern ein wenig verweilt und übers Leben nachdenkt, kann so abwegig nicht sein.«
[Quelle: RuDi]
Der Ostkreuz-Schreibwettbewerb hat schon längst Tradition. Seit 2002 erscheint recht regelmäßig ein Band mit Geschichten und Begebenheiten, die allesamt ihren Ursprung, ihren Spielort oder ihre Inspiration an diesem Bahnhof gefunden haben. Am gestrigen Tage wurde wieder eine ganze Reihe wunderbarer Texte in einer Anthologie vom RuDi-Nachbarschaftszentrum herausgegeben. Ich konnte leider nicht anwesend sein bei der Preisverleihung des Schreibwettbewerbs und der anschließenden Lesung der prämierten Texte. Ehrlich gesagt, ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass mein Text so überzeugen würde. Umso stolzer bin ich ob der Anerkennung und Würdigung, die die Jury mit der Zweitplatzierung meinem Text »Berlin-Ostkreuz, Freitagabend« zukommen lässt. Es war sehr schön, als ich nach der Verleihung vom Erfolg meines Textes hörte. Dass ich nicht selber lesen konnte, tut mir Leid. Mein Streetpoetryprojekt Statpoet speist sich aber eben auch aus einer anonymen und geheimnisvollen Identität des Schriftstellers. Ich bin sehr dankbar, Teil der Anthologie zu sein. Ich hatte bereits Zeit, den Großteil der anderen Beiträge zu lesen und möchte bemerken, dass die ganze Anthologie wieder ein sehr hohes und vor allem qualitatives Maß an Kreativität beweist, die offenbar vom Ostkreuz her ausströmt! Danke!
August-J.Herbst
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statpoet · 13 years
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Lebewohl
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Er fürchtete sich auf dem Weg zu ihr, weil er sich hilflos vorkam. Das Auto tuckerte durch den Schnee, rumpelte auf dem Kopfstein, aber vor allem rumorte es in seinem Kopf. In Gedanken verschwamm alles, dort fiel weder Schnee, noch war es kalt, er fror nicht mehr, er fühlte sich jung mit einer enormen Kraft, von Liebe und Sonne genährt. Der Wagen hielt. Er dankte und stieg aus, seine Stiefel versanken bis über die Knöchel in pulvrigem Weiß. Die Tür schlug zu und er stapfte los, sobald das Auto abgefahren und seine Rücklichter im dichten Schneefall nicht mehr zu erkennen waren. Vor ihrem Zimmer hielt er inne, zupfte sein Taschentuch aus der Manteltasche, tupfte sich die Wangen trocken und schnäuzte die Nase. Dann drückte er schwermütig die Klinke. Sie lag und schlief, leise schloss er die Tür. Er stellte einen Stuhl neben ihr Bett und setzte sich. Das Blumengesteck auf ihrem Nachttisch duftete noch immer angenehm. Seinen Hut absetzend und ans Fußende legend, lehnte er sich zurück. Ihr Atem war sehr leise gerade noch hörbar, die Decke hob sich regelmäßig sachte an, die Hände lagen unbedeckt auf ihrem Bauch. Er fühlte sich schläfrig. In ihrem Gesicht sah er viele zufriedene Jahre, sie lächelte im Schlaf. Er wischte sich die Augen und dachte wieder an eine zeit ohne Schnee, mit lauter Musik, mit grünen Bäumen, früher, früher. Er grinste und schlummerte ein. Als er wieder zu sich kommt, ist sie bereits wach, schaut ihn liebevoll durch ihre müden Augen an. Schnarrend rückt er den Stuhl etwas näher. Er weiß nichts zu sagen und so lächelt er sie einfach an. Er sieht verschmitzt aus, wenn er so schaut, wie ein kleiner Bub. Sie genießt es, ihn so zu sehen und ihn bei sich zu haben. Plötzlich hat dieser Moment etwas Magisches. Leise pfeifend treibt der Wind Flocke für Flocke wattig weich zu Boden, Lichter wandern die dämmrige Zimmerwand entlang, Kerzenschein flackert im Fenster, zaubert jede Falte aus ihrem Gesicht und lässt sie rosig jung strahlen. Er lauscht ihrem Atem und bestaunt ihre Anmut. Draußen wird es bereits finster, sie streckt ihren Arm nach ihm aus und versucht ihren Kopf anzuheben. Mit Anstrengung räuspert sie sich und in der Ruhe ringsum hört er ihre hauchende Stimme deutlicher als würde sie schreien: »Liebst du mich noch?« Wehmütig und zärtlich fasst er ihre kühle Hand, beugt sich hinab und flüstert ihr: »Ein Leben lang, mein Schatz, ein Leben lang«. Er küsst zum Abschied ihre Stirn, streichelt ihre Wange und wartet bis sie selig schläft. Es hat aufgehört zu schneien und es wird winterstill. Er nimmt seinen Hut, hält ihn ehrfürchtig vor der Brust, sieht sie noch einmal an: Als ob sie schläft. Dann dreht er sich, den Kopf gesenkt, und geht.
[August-J. Herbst]
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statpoet · 13 years
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Wien-Mariahilf, Samstagnachmittag
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Die Straße wie ein staubiger Teppich, der zwar abgeklopft, aber dennoch nie wieder seinen zu erahnenden Glanz zurück bekommen wird, egal wie sehr man mit den Hacken darauf eindrischt. Im Radius meines Augenblicks mindestens zwei Dutzend zertretene, schwarze Kaugummis am Boden, jeder ein Zeichen eines je vergessenen, unbedachten Moments. Die Laternen verschandelt von Unmengen daran hängender Gratispresse. Der Weg ist schmutzig, Mist in allen Ecken. Millionen Kopflose drängeln, lassen fallen, schubsen und denken nicht. Blaue Flecken an der Hälfte aller Schultern als Souvenirs einer Einkaufssackerl schleudernden Rücksichtslosigkeit, die über den Bordstein rempelt. Bummeln. Die Arme hängen an klumpenschweren Waren. Hamstern. Die Sohlen brennen ob des notlosen Gewichts. Kaufen. Kopf einziehen vor den scharf über die Theken schießenden Münzen. Kaufen. Die Kassen piepsen heiser vor sich hin. Kaufen. Die übervollen Beutel werden maßlos an ihren eigenen Henkeln erhängt über das Pflaster geschleift. Die Rückgrate spießen stumpf aus ihren Rümpfen. Der patentierte Wiener Charme liegt röchelnd zu Füßen der tretenden Meute. Kollisionsträchtige Flucht entgegen dem Strom – fäustelnd, bogelnd, verzweifelnd. Hyposensibilisation. Nach einer Seite abgebogen – Ruhe! Keine Anspannung mehr, kein Lärm. Die touristischen Atemzüge hinausblasen, die Lungen frei machen vom Mief der Allgegenwärtigkeiten für den zierlichen Duft der Einzigartigkeiten der Stadt. Der Röstgeruch von Kaffee schleiert hinter der Abbiegung hervor, legt sich um mich wie eine Leine und zieht mich die Gasse hinauf bis zu einem angekippten Fenster, aus dem sich ein Muttchen mit Zigarette beugt. Die Gasse so schmal, man fantasiert sie mit den Händen an beiden Seiten zeitgleich zu fassen, die Dächer sich voreinander verneigen und der Kuss eines jungen Paares aus den Fenstern gelehnt eine Brücke zwischen den Häuserfronten schlagen. Von irgendwoher klingt das Tonleitertönen eines Klarinettenschülers. Die Schaufenster mäßig dekoriert: Schauer eines vergangenen Jahrzehnts. Ein Plüschtapir schnuppert an einem orangefarbenen Schatten einer Rechnertastatur. Ein einst lilafarbener, sonnenbleicher Strauß Kunstblumen wirkt fast verwelkt. Modefiguren mit geplatzten Füßen und spröden Perücken. Ein Mädchen sitzt auf den Stiegen zum Eingang einer Trafik, liest in einem abgegriffenen Buch und dreht sich in den fast schwarzen Locken. Von drinnen ein plötzliches Rumpeln, sie sieht erschrocken auf und horcht auf etwas. Nichts – dann sinkt ihr Gesicht geschmeidig wieder zurück zwischen die Zeilen. Drei Radfahrer trollern aus einem Hauseingang. Tranceartig mit Tempo 20 schwebt ein Mann abgeschirmt in seinem beigen Chevrolet vorbei. Er bohrt sich ungeniert in der Nase – die Radler lachen laut auf, als sie ihn erblicken – und verfehlt mit seinem aus dem Auto geschnippsten Rotz nur knapp ein von einem klassischen Stetson behütetes Cowgirl, das den leichten Anstieg der Straße ein paar Schritte vor mir hinaufstiefelt. Ihr Westernhemd ist bis zu den Brüsten aufgeknöpft, die Sporen an ihren Lederstiefeletten krächzen auf den Gehwegplatten. An der Straßenecke hält sie inne – man meint, sie hadere damit, sich einen Grashalm aus den Fugen der Asphaltplatten zu pflücken, zwischen die Lippen zu stecken und ihr Outfit zu komplettieren. Sie tut es nicht und verlässt die Geschichte mit einem unbestimmten Lächeln.
August-J. Herbst
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statpoet · 13 years
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From statues of David to crypts of Dante, Michelangelo and Elizabeth Barrett Browning I have wandered the streets of Firenze kissing history and embracing the art and culture[...]
[Quelle: bar none group]
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statpoet · 13 years
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I was walking in Brooklyn the other day, contemplating life, as it was, when this poem appeared pasted onto a light post. I couldn’t have picked a more perfect poem to encounter on that day by writer Marge Piercy. This is when New York is at its most inspiring[...]
[Quelle: Cathryn's World]
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statpoet · 13 years
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Donauodem Linz
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Auf mickrige Berge schau ich hinauf – steinstarr und grasgrün sitzen sie dort drüben am Ufer der Donau und zeugen von einigen früheren Zeiten als Du noch andere Namen trugst. Als man Dich noch die Gekrümmte nannte und nordische Stämme sich hier niederließen. Als Dich Römische  Feldherren einnahmen und Dich fortan Lentia tauften. Als braune Tyrannen in Deinen Straßen den Geruch von verbranntem Fleisch verleugneten. Wirbelnde Wolken und Scharen von Spatzen durchkreuzen meinen Augenblick, lenken meinen Kopf sich senken. Unten regt sich's – Schiffe schießen grazil über den so stillen Fluss. Fischlein verfolgen sich spielerisch, das Schilf schunkelt völlig ohne Taktgefühl. Die Donauoberfläche ist glatt – nur hin und wieder sieht man eine verwaiste Welle in irgendeine Richtung fliehen. Man denkt, man könne auf ihr gehen: Den Fuß anheben, ausstrecken über den Wasserspiegel, den Ballen aufsetzen – kühl könnte es sein – und die Augen schließen. Dein Fluss atmet ein. Ich trete auf und stehe einbeinig auf der Donau wie auf Glas, unter mir schwimmen einstweilen Forellen und lassen feine Bläschen steigen, stoßen sich die Mäuler beim Auftauchen. Sie atmen ein und verharren plötzlich wie in Eis erfroren. Ein Segelboot steckt nur wenige Schritte von mir im Wasser fest. Der Wind bläht sanft die Segel, aber vermag das Boot keinen Fuß voranzutreiben. Dein Wind nimmt einen tiefen Atemzug und auch das Segeltuch wird darauf völlig schlaff. Ich setze den zweiten Fuß noch immer etwas zarghaft neben den anderen. Eine Deiner grauen Tauben trödelt vorüber, landet in einem ollen Gestrüpp am jenseitigen Ufer und schaut verwirrt zu mir hinüber, knabbert sich ungeniert an den Krallen, atmet ein und bewegt sich keinen Deut mehr. Wie ausgestopft und präpariert ist sie drüben aufgestellt. An meinen Zehen kitzelt die Donaukälte, ich hebe das Bein und mache einen Schritt. Ich laufe los. Bis mitten auf den Fluss.Von der anderen Seite staunen zwei oder drei Angler bewegungslos hinüber, atmen einmal durch und bleiben weiterhin regungslos staunend. In der Ferne die Nibelungenbrücke, Autos knattern unentwegt von links nach rechts und zurück. Eine Bim rattert entlang. Einige Menschen marschieren, andere knipsen Bilder von Deinen Bergen und Deinem Fluss, der sich dazwischen hindurchfrisst. Sie alle nehmen einen langen Atemzug. Der Verkehr erliegt, wie Statuetten säumen Spaziergänger und Freizeitfotografen das Geländer Deiner Brücke. Ich auf der Donau, schaue um mich – Linz, Du stehst ganz still und um mich kein Ton. Nirgendwo auch nur ein Wimpernschlag. Kein Wipfel fliegt, kein Vogel wankt, kein Zirpen, kein Wispern, kein Sprudeln – Die Stadt ist erstarrt. Es ist ein atemberaubtes Panorama. Ich atme ein, die Augen noch immer geschlossen und um meine Füße spült knöchelhoch Dein eiskaltes, blaues Donauwasser.
[August-J. Herbst]
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statpoet · 13 years
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Lyrik an der Strassenlaterne.
[Foto & Quelle: Berlin & I]
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statpoet · 13 years
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Kaffeehaus Wien
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Mit süßlichem Charme
fasst er mich am Arm,
sprach bedacht und dezent
österreicher Akzent:
'Herr Ober, Kapuziner, hams den im Haus?
Un verzahns mir bittschee, wenn i sag,
heut sahns wieder ganz reizend aus'.
Drauf bracht ich ihm Kaffee mit extra Schlag.
[August-J. Herbst]
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statpoet · 13 years
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Gesprächsnotizen
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A: Gerade hatte er einen Artikel über das Schreiben gelesen.     T: »Schreiben heißt: Sich selbst zu lesen«, sagt Frisch. A: Er liest es nur. Schreibt später.     T: Über seine Schulter blickt er nach draußen. A: Keine Sonne, aber aufbrechende Knospen.     T: »Burleske Blätter«, grinst er. A: Dreht den Kopf wieder zurecht.     T: Nach Bleistift kramen. A: Nach Notizbuch kramen.     T: Nach Worten kramen.        A&T: Dann schreibt er über das Schreiben. Meta.Schrift.Stellerei – A: Schreiben heißt:     T: Lesen, was nicht geschrieben steht.        A&T: Ungeschriebene Schrift. A: Gedanken.     T: Alles. A: Immer.     T: Nur.        A&T: Gedanken!     T: Und Gefühle. A: Gefühle und Gedanken.     T: Ich fühle, ich denke, ich glaube, ich hoffe. A: Geht das nicht präzise?     T: Präzise        A&T: Worte A: Sprechen –
A: Worte sind erfunden.     T: Phonetische Artefakte. A: Von Menschen erfunden.     T: Artifiziell konstruiert. A: Erfundene Artefakte.     T: Konstruiert von Menschen. A: Erste Folgerung –     T: Alles Geschriebene ist erdacht. A: Zweite Folgerung –     T: Es ist fiktiv und unwahr. A: Dritte Folgerung –     T: Lüge. A: Schlussfolgerung –        A&T: Schreiben heißt lügen. A: Seine Stirn wirft Falten     T: Er lässt den Stift sinken. A: Sein Kinn folgt.     T: Die Augenlider sinken. A: Er sinkt in sich zusammen.     T: In sich versunken. A: Er denkt, er fühlt, er glaubt, er weiß –     T: Geht das nicht Präzise? A: Eindringen in die Fiktion.     T: Sich der Wahrheit entziehen. A: Eine Geschichte schreiben.     T: Worte lügen. A: Lügen.        A&T: Lügen –     T: »Ich probiere Geschichten an wie Kleider«. A: Frisch.     T: Schreib dir eine Geschichte. A: Deine!     T: Schreib dir deine Geschichte. A: Ich spiele mit Gedanken.     T: Bis sie mich kleiden. A: Und Gefühlen.     T: Bis sie mich leiden. A: Alles.     T: Immer. A: Nur.     T: Gedanken!        A&T: Gefühle und Gedanken.     T: Ich fühle, ich denke, ich glaube, ich hoffe. A: Er denkt, er fühlt, er glaubt, er weiß –        A&T: Geht das nicht präzise?     T: Präzise.        A&T: Worte. A: Sprechen.     T: Schreiben! A: Schreiben.        A&T: Ungelogene Schrift?     T: Wir lügen – A: Lügen um nicht zu leiden.     T: Leiden an dem, was nicht geschrieben steht.        A&T: Ungelogene Schrift. ��   T: Schreib dir eine – A: Deine!     T: – deine Geschichte. A: Gedanken.     T: Alles. A: Immer.     T: Nur.        A&T: Erfunden! A: Gelogen.     T: Geht das nicht Präzise? A: Eindringen in die Fiktion.     T: Sich der Wahrheit entziehen. A: Eine Geschichte schreiben.     T: Worte lügen.        A&T: Das heißt Schreiben.     T: Das heißt Schreiben.
[August-J. Herbst]
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statpoet · 13 years
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[Oberbaumepos]
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statpoet · 13 years
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Berlin-Kreuzberg, Kottbusser Tor
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Meine Augen suchen nach Glanz. Der spröde Beton auf dem ich stehe, die staubige Fassade der Häuser, die schmutzigen Dächer der Gemüsestände. Der Platz hat keine Ausstrahlung. Ich schleiche mich in ein Treppenhaus. Ein Fahndungsbild eines gesuchten Totschlägers an der Wand. Oben ein Automatenkasino. Von der Terrasse aus sehe ich auf den bröckelnden Asphalt der Kreuzung unter mir. Taxis zischen vorbei, drinnen nur Menschen auf der Durchreise. Aussteigen möchte hier keiner. Drinnen in der Spielhalle blitzt es in Neonfarben. Kein Glanz, nur greller, künstlicher Blinkblink. Jemand beobachtet mich. Der ganze Platz ist ummauert von tristen Hochbauten. Ihr Anstrich mosig und versmogt. Von den Tausend immer gleichen Balkonen glotzen graue Satellitenschüsseln auf die Straßen. Hier und da wackelt stumm eine Gardine. Die Fenster sind so verschmiert, dass man keine Reflexionen sieht. Ein bärtiger Türke steckt den Kopf aus der Terrassentür, ruft mir zu, bietet mir Kaffee an. Mit Milch. Ohne Zucker, bitte. Mein Blick verfolgt ihn, als er wieder im Kasino verschwindet. Die Stimme eines aufgebrachten Mannes schlägt unten polternd über den Platz. Ein paar jugendliche Mädchen bleiben erschrocken stehen, schauen ihm verständnislos und fragend hinterher. Man versteht ihn nicht – es ist zu laut. Die Ampeln springen von rot auf grün. Ein Lastwagen brettert um die Kurve, die Achse scheppert und quietscht. Er hupt, der Schreihals springt strauchelnd auf den Bürgersteig zurück. Jetzt versteh ich ihn. Derbe flucht er. Mein Freund kehrt aus der Spielhalle zurück, auf einem Papptablett balanciert er Gebäck und den versprochenen Kaffee. Ich lege mein Schreibzeug beiseite. »Is kalt heut, wa?! Mussdu heiß trinken, dass nix krank wirst.« Der Kuchen verschwindet schnell. Er ist gut. Der Kaffee ist nicht gut, aber warm. Wir genießen. Der Genuss bleibt teilweise in seinem Bart hängen. Dabei erzählt er von seiner Familie, von Heimat und vom Kotti. »Erst trinken Kaffee, dann wir rauchen schön ein Zigarette. Das is Beste!« Er streicht sich die Krümel aus dem Gesicht. Diesmal rauchen wir nur, schwatzen wenig. Als er mein Notizheft bemerkt, scherzt er, ich solle eine Geschichte über ihn schreiben. Vom Imbiss unter uns wehen triefende Fritten herauf, penetrant spritzen bildhaft Mayonnaise und Curryketschup fontänengleich in unsere Nasen. Es tropft, kleckert, schwappt aufs gute Wachstuch. Mir wird übel von der schlechten Luft hier oben. Es riecht nach Abgasen, Essen und Sinnlosigkeit. Langsam wird es dunkel. Die schreienden Leuchtreklamen brutzeln schon. Ich gebe dem Alten meine Hand um mich zu verabschieden. Wir sehen uns wahrscheinlich nicht wieder. Ich dreh mich um. Die Stufen sind mit einem zerschlissenen, roten Teppich bedeckt. Ein Fahndungsbild ist von der Wand gefallen. Unten der staubige Platz, Menschen, die im Erdboden verschwinden, Autos, die vorbeihecheln. Diese Stimmung sollte auf Papier stehen. Ich blicke noch einmal nach oben auf die Terrasse. Dort steht er und winkt. Er lacht mir zu und irgendetwas glänzt golden hinter seinem dichten Bart hervor.
[August-J. Herbst]
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statpoet · 13 years
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[Zeit im Mauerpark]
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statpoet · 13 years
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Es wiederholt sich
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Ein einsamer Junge. Zittrig hockt er auf einem tiefen Tischchen. Dient ihm als Sitz. Es zieht. Das Fenster oben auf. Die nackigen Füße obenauf, damit sie nicht kalt werden. Vom Wind, der unsichtbar über den Boden schwemmt. Er trägt nur seine Unterwäsche. Gerade erst aufgestanden. Noch Sand in den Augenwinkeln, noch Schlaf, der überall an ihm hängt. Er gähnt. Schüttelt sich. Der Wind, der Wind. Zieht über seinen schmalen Rücken hinab. Gerade noch hat Sonne durch den Vorhang geblitzt. Wieder vorbei. Nur eine Stippvisite. Vor ihm ein Brief. Er schreibt. Sein Brief. Ein Brief an ihn. An Ihn. Ihm schreibt er. Er schreibt, dass er ihm fehle. Dass er allein sei. Nackt auf seinem Nachttisch hocke. Der Wind, der kalte Wind. Ihm durch seine aufgestellten Härchen wehe. Dass er friere, dass er gewärmt werden wolle. Der Schlaf hinge noch in ihm und er wolle ihn hinausgähnen. Sonne, gerade habe die Sonne seinen Rücken gestreichelt. Nun wieder der eisige Wind, der durchs offene Fenster komme. Sich über den Boden ergieße. Seine Füße habe er aus der Flut gezogen. Er vermisse ihn. Nur Ihn. Das schreibt er. Hockt noch immer auf seinem Tischchen. Nichts hat sich verändert. Nur ein paar Zeilen mehr liegen vor ihm. Brief an einen Toten. Ein einsamer Junge.
[August-J. Herbst]
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