26. April. Man sagt uns, dass man Verständnis dafür hat, wenn wir in einer achtundvierzigstündigen Blase um das Ereignis herum etwas merkwürdig sind.

25. April. Diese Hochzeit fühlt sich wie eine losfahrende Achterbahn an.

24. April. Am Hudson sind die Kirschbäume in ihrem Zenith. Die Blütenblätter sind so dick und dicht gepackt, dass die Bäume fast komisch überladen wirken. Währenddessen hat sich die Magnolie auf dem Broadway, wie über Nacht, in einen ganz normalen Baum zurückverwandelt. Es muss während der vielen Tage, die ich in den letzten Wochen in Newburgh verbracht habe, passiert sein.

23. April. Mein Denken hat immer gleich funktioniert – dieser allgemeine Zustand der Leere, Ärmlichkeit, und meine Verzweiflung darüber, unterbrochen von Anfällen von Sinn und Kreativität, die ich nicht willentlich herbeiführen kann, und die mich so sehr packen, dass ich nicht einmal merke, was überhaupt passiert. Das alles, die Tiefen und die Höhen der Intensität, sind genau so, wie sie vor Jahrzehnten waren. Ich bin nie ein reicherer, fähigerer Mensch geworden. Ja, ich habe ein paar Sachen gelernt, ja, ich habe mich mehr an mich gewöhnt. Aber nichts davon hat das, was ich bin, in irgendeiner grundlegenden Weise geändert.

22. April. Zum Abendessen ausgegangen, und dann, statt wie üblich nach Hause zu gehen, sind wir den Broadway rauf zum Game Store gefahren, J. hat Karten und Würfel gekauft und wir haben gespielt. Abenteuerlich. Keine Sorge, dieses Deck wirst du nie wieder spielen.

21. April. Wenn ich in einem Zimmer mit zwei anderen Leuten bin, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass ich nicht still werde und sie die Konversation bestreiten.

20. April, Rhinebeck, ein westliches Symphonieorchester spielt mit einer japanischen Koto. Du hörst etwas Fremdes, aber du weißt nicht, wie weit das Fremde dir bereits entgegen kommt. Gilt für jede Begegnung mit etwas Fremdem.

19. April. Mein Job besteht mehr und mehr darin, den richtigen Leuten zur richtigen Zeit die richtigen Wörter zu sagen. Wenn ich sie nicht schnell genug finde, ist die Gelegenheit vorbei. Wenn ich sie nicht im richtigen Zusammenhang sage, funktionieren sie nicht.

Nachmittags Tempo-Intervalle gelaufen. Dem Fitness-Graph von Strava zufolge bin ich am tiefsten Punkt der letzten zwei Jahre. Andere Graphen erzählen andere Geschichten. Es ist allerdings erstaunlich, dass ich die Geschwindigkeit, mit der ich vor zwei Jahren eine ganze Meile gelaufen bin, jetzt kaum eine Minute lang halten kann.

Meinem Sohn gesagt, dass ich noch nie eine Fliege getragen habe. Er findet das vollkommen unglaublich. Was, mein Vater hat noch nie eine Fliege getragen? Da mag eine wichtige Erkenntnis drinstecken. (Es kann auch ein kultureller Unterschied zwischen Europa und den USA sein.)

18. April. Ich hätte heute abend etwas über Barzini zu erzählen, aber ich muss damit anfangen, dass ich nicht einmal weiß, wer von den beiden Männern da unten im Lebensmittelladen, beide mittelalt, beide sich benehmend, als wären sie der Eigentümer, nun eigentlich Barzini ist. Und ich habe keine Möglichkeit, es herauszufinden, denn in den fünf Jahren, die ich hier wohne, habe ich nie auch nur den Funken eines Gesprächs mit ihnen gehabt, kein Lächeln, nicht einmal Blickkontakt. Es stimmt schon, dass ich mit niemandem reden will, und dass mein Verhalten das sehr deutlich ausstrahlt. Aber in fünf Jahren hätte ich normalerweise irgendwann mal meine Abwehr heruntergefahren, besonders bei Leuten, die keinen Grund sehen, mich anzulächeln. Aber in ihrem Fall scheinen sich die beiden Ausstrahlungen nur zu verstärken. Zurück in meiner Wohnung kann ich tatsächlich herausfinden, wer der richtige Barzini ist, denn im Instagram ihres Geschäfts gibt es, unter dutzenden von Bildern von Lebensmitteln, auch zwei von ihm, aber nicht von dem andern der beiden.

17. April. Wir sitzen am offenen Fenster in unserer Wohnung im 9. Stock und haben unsere Schreibgruppe per Zoom. Es ist April, der Krach eines Müllautos draußen auf dem Broadway ist seltsam laut, als würde er sich bei dem plötzlich warmen Wetter mit frischer Klarheit ausbreiten. Ich frage mich, ob Zoom das aus dem Audio rausfiltert, oder ob das ein authentischer Audio-Hintergrund für Manhattan ist, zu dem wir einfach stehen sollten. Als ich schließlich den Müll durch das offene Fenster riechen kann, schließe ich es.

16. April. Eine Lizenz zum Heiraten abzuholen ist ziemlich genauso wie zum Department of Motor Vehicles zu gehen. Man kriegt eine Nummer, man wartet darauf, an einen Schalter gerufen zu werden. Okay, das Gebäude ist tatsächlich etwas festlicher als das übliche DMV, und hinter den Schaltern sind glitzernde Herzen an den Wänden. Man zeigt seine Dokumente, sagt seine Social Security, und man kriegt die Lizenz, die bei der Hochzeit unterschrieben und in Kraft gesetzt wird, wofür wir gerade einen Justice of the Peace buchen, von einer Firma namens Judges For Love. Wir machen die ganze Zeit Witze darüber.

Die City Hall ist außerdem da, wo der Prozess gegen den Ex-Präsidenten gerade läuft, deswegen ist da alles voll mit Polizei und Barrikaden, obwohl kaum Leute da sind, außer anderen Paaren, die auch ihre Heiratslizenz abholen. Ich bin jetzt Spouse B und hätte mir das auch als T-Shirt kaufen können.

15. April. Und wieder: Ich wünschte ich hätte nicht geschrieben, was ich gestern geschrieben habe, aber wiederum: Das habe ich geschrieben, und es muss raus, so ist die Regel.

Gleißender Frühlingstag, viele Leute am Fluss abends um sieben, als ich gelaufen bin.

Ich hätte nie gedacht dass eine Hochzeit so ein kritischer Pfad ist. Und wir haben viele der Dinge weggelassen, die man normalerweise bei einer Hochzeit macht. Trotzdem ein Countdown, wir haben mindestens während der letzten 180 Tage täglich darüber gesprochen. Morgen holen wir unsere Lizenz in der City Hall ab.

14. April. Beim Schreiben akzeptiere ich keine Grenze. In allen anderen Bereichen, in meinem Job, in der Musik, beim Sport könnte ich mehr tun, tue es aber nicht.

13. April. Bei J neue Couchmodule zusammengebaut. Es gab eine Zeit in meinem Leben, als ich über den Gedanken, eine Couch zu haben, wütend geworden wäre. Wenn ich das jemals zulassen würde, wäre alles verloren und ich könnte mir nicht mehr im Spiegel begegnen. Heute würde ich vorschlagen: Man sollte an sovielen Dingen arbeiten, dass man davon ernsthaft erschöpft wird, und wenn man sich diese Dinge ansehen und sagen kann, ja, das sind die Dinge, an denen ich arbeiten will, dann ist eine Couch eine prima Sache. Wir haben unsere besten Gespräche auf unseren Couchen und nie Zeit, den Fernseher einzuschalten.

12. April. Auf dem Dach mir gegenüber – das zu einem ziemlich kleinen Gebäude gehört, nur sechs Stockwerke hoch, ich sehe von oben darauf herunter – ist über der Tür, die auf das Dach führt, eine Lampe installiert worden. Es ist eine ziemlich helle Lampe, und sie geht alle paar Minuten für ein paar Sekunden an, vermutlich ist sie mit einem Treppenhauslicht oder Fahrstuhllicht in dem Gebäude verbunden. Ich wünschte, sie würden die Lampe ein bisschen abdecken, denn sie ist ziemlich auffällig, wenn ich aus meinem großen Fenster gucke. Aber natürlich: das hier ist Amerika, und es ist Manhattan, und eine Lampe, die alle paar Minuten an und aus geht, ist nichts, worüber jemals jemand eine Beschwerde machen oder eine Beschwerde ernst nehmen würde. Ist alles bestens. Verliert sich im Geflimmer, im Unterbewusstsein. Ich kann mich ja auch nicht erinnern, ob diese Tür auf dem Dach vor ein paar Wochen überhaupt da war, oder ob sie neu ist, denn es wird gerade eine Menge an diesem Gebäude gearbeitet, es ist komplett eingerüstet.

11. April. »Mach dich im Zweifelsfall lächerlich« bleibt eine ausgezeichnete Regel fürs Schreiben. Außerdem: »Je mehr Zweifel, desto besser«.

10. April. Nur für's Protokoll, ich schäme mich zutiefst für das, was ich gestern geschrieben habe, und der einzige Grund, warum ich es raushaue, ist, weil das die Regel dieses Blogs ist. Ich wollte es ein paar anderen Finsternis-Guckern zeigen, wollte es auf Threads kopieren, aber ich kann mich nicht dazu durchringen, es ist einfach zu peinlich. Man sollte meinen, dass ich über sowas inzwischen raus bin. – Und ich habe es also doch zu Threads rüberkopiert, aufgrund der Erfahrung, dass dann, wenn ich am meisten überzeugt bin, mich lächerlich zu machen, oft etwas tatsächlich Gutes passiert. Und wenn ich mich täusche, was macht das überhaupt.