Tumgik
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Wildnis
Passender Weise hatte sich die Zufallsfunktion seiner Playlist für “Into the Wild” von Bonaparte entschieden. Die Wildnis da draussen oder die Wildnis hier drinne, er war sich gerade nicht so sicher wo mehr Ungewissheit herrschte. Vielleicht war es auch keine Wildnis sondern Ödnis oder wilde Ödnis. Der größte Unterschied war die Geschwindigkeit. Während sich um hin herum alles wie auf einem rasenden Karussell zu drehen schien, so schnell das man jeden Sinn für rechts, links, oben oder unten verlor, stand er da, unfähig auf das Karussell zu steigen, zum zuschauen verdammt. Es herrschte eine unbewegliche Trägheit in ihm drin. Eine Ungewissheit von der man hoffte, dass sie mit der Zeit verschwinden oder sich zumindest auflösen würde, die aber genau das einfach nicht zu tun schien und sich als zähflüssige Masse um seine Seele gelegt hatte. Er sehnte sich nach Leere, in ihm drin nam diese Masse aber einfach zu viel Platz ein und draussen, da war Berlin. Wie jeder Mensch mit echten Problemen, hatte er seine eigenen unzureichenden Lösungswege eingeschlagen. Die lähmende Masse in ihm drin versuchte er regelmässig mit Alkohol zu bekämpfen. Das klappte zwar nur unzureichend, gab ihm aber immerhin das Gefühl zumindest ab und zu einen kleinen Kanal, durch die Masse, direkt zu seiner Seele öffnen zu können. Mit dem Alkohol schaffte er es seinen eigenen Puls zu füllen und so das Gefühl nicht zu verlieren noch am leben zu sein. Gestern war er um 7 Uhr morgens nach hause gekommen und hatte das starke Bedürfnis gespürt seinen Puls zu fühlen. Was Alkohol anging, war er nicht wählerisch, er musste nur stark genug sein und halbwegs sanft den Rachen hinunterlaufen. Der ukrainische Vodka den er vor einigen Wochen von Carla geschenkt bekommen hatte und der noch im Tiefkühlfach lag, tat das. „Tab! Das ist vernünftiger Ukrainischer Vodka! Ich hoffe du weisst mein Opfer zu schätzen“ hatte Carla gesagt. Es war eher ungewöhnlich von Carla mit Tab, der Kurzform seines Vornamens angesprochen zu werden. Das musste wohl an der echten Wertschätzung gelegen haben, die Carla diesem ukrainischen Vodka entgegenbrachte oder vielleicht machte sie sich auch ein wenig sorgen ob seiner relativen Lustlosigkeit und wollte reden. Wahrscheinlich hätte er ihn eher mit Carla als alleine trinken sollen, aber dafür war es nun zu spät. Er konnte dann ja bei Gelegenheit mal neuen besorgen und auch das mit dem Reden nachholen. 
Jetzt war es schon wieder 17 Uhr und ihm blieb ein leichter Kater und die Hoffnung, dass so wie die Enzyme den Alkohol in seiner Leber abbauten, auch seine Seele diese Masse abbauen würde.  In kaum wahrnehmbarer Langsamkeit wie es schien, aber er war sich sicher, dass es nicht so bleiben würde wie es war. Das tat es ja nie. Die Frage war nur was wohl als nächstes passieren würde. 
Aufstehen war schon mal der erste Schritt dazu. Die Freude, auch über kleine Dinge, gleich der Zweite. So besoffen wie er nach der Flasche Vodka gewesen war, hatte er seine blauen Froteesocken vor dem Schlafengehen natürlich nicht mehr ausgezogen. Damit war der erste Schritt aus dem Bett wesentlich weniger kalt, als er es auf den mintgrünen Fließen hätte sein können. Duschen, Kaffee und eine herzhafte Stulle mit Käse, Schinken und einem Spiegelei, vertrieben langsam auch die Alkoholschleier aus seinem Kopf und machten langsam Platz für einen neuen Tag. Wenn er sich seine kleine Wohnung so anschaute, wäre aufräumen wohl eine passende Tätigkeit für diesen nicht sehr einladenden Tag gewesen. So wie auch die letzten Tage und Wochen entschied er sich allerdings dagegen seine wertvolle Zeit des Selbstmitleid und der seelischen Regeneration, dieser temporären Ordnung seiner Umgebung zu widmen. Er war mit seinem Floß irgendwo auf einem unbenannten Meer verloren gegangen und obwohl er nicht wusste wohin, war doch klar, dass er sich in eine beliebige Richtung treiben lassen musste, um überhaupt eine Chance zu haben wieder Land zu entdecken. Da war sogar der herbstmontägliche, graue, von Nieselregen gefüllte, Berlin Wedding, in dessen tiefsten inneren er sich befand, eine bessere Option. Er entschloss sich also dem wilden Wedding da draussen, seine inneren Ungewissheit entgegen zu werfen und machte sich auf den Weg. Irgendwas würde schon passieren, das tat es ja immer. 
Das in den letzten paar Wochen nicht wirklich viel passiert war, erhöhte eigentlich nur seinen Glauben daran das nun sehr bald irgend etwas passieren musste. Mit ende zwanzig war er jung oder auch nicht mehr jung, je nach dem wie man das betrachten wollte. Er war aber in einem alter in dem Sachen passierten, davon war er überzeugt. Irgend etwas musste diese Leere vertreiben. Das Studium hatte er abgebrochen und die Gelegenheitsarbeiten hier und da waren zwar genug, um über die Runden zu kommen, ein erfüllendes Leben erbrachten sie aber nicht. Eine vernünftige Beziehung hatte er auch schon eine Weile nicht mehr geführt. Er war bei weitem nicht hässlich, verschiedene Menschen hatten ihm sogar ein überdurchschnittlich gutes Aussehen bescheinigt. Er war nicht besonders muskulös, doch seine regelmässigen und ausgiebige Spazierengehen, erhielt ihm eine gewisse Grundfitness die man ihm auch ansah. Reden konnte er auch ganz passabel und an seinem Benehmen war auch nicht viel auszusetzen. Es hatten sich also fast zwangsläufig Gelegenheiten für Beziehungen ergeben, aber er oder die Zeit waren noch nicht wieder reif dafür gewesen. Zumindest hatte es sich im besten Fall vielleicht mal nett, nie aber wirklich richtig angefühlt. Ab und zu hatte er mal mit einer Bekanntschaft geschlafen, doch bevor Gefühle ernsthaft verletzt werden konnte, hatte er es bisher immer geschafft sich mehr oder weniger elegant aus der Affäre zu ziehen.   
Jetzt musste er sich aber erstmal seiner Wohnung entziehen und den Weg raus in den Nieselregen finden. Drei Stockwerke ging es nach unten durch das alte, schon länger nicht mehr renovierte Treppenhaus und die ähnlich ramponierte Tür, nach draußen in den Nieselregen. Um sich dieser Welt nicht komplett schutzlos, auszuliefern, hüllte er sich in einen musikalischen Mantel aus Jill Scott und Emily King und klappte die Kapuze seiner Jacke über seine mit den Beats Pro Kopfhörern geschmückten Kopf. Eine bestimmte Richtung oder gar ein konkretes Ziel hatte er nicht. Er widmete sich nun regelmäßig der Kartographie. Erst hatter er mit seiner direkten Nachbarschaft angefangen, mittlerweile hatter er aber auch schon den Prenzlauer Berg und Teile von Mitte, Moabit und Pankow und Reinickendorf erschlossen. Dabei hatte er ein eigenes System entwickelt, bei dem es weniger um eine effiziente geographische Abdeckung einer möglichst großen Fläche ging, als darum die größt mögliche Menge an Leere zu finden. Das war es auch was er kartographierte, Leere. 
Das Reisebüro das auf seinem Weg zur U-Bahnstation Voltastraße lag war so ein Beispiel. Vielleicht 30qm groß war es, an einer kleinen Nebenstraße im Wedding gelegen. Mit seiner schlechten Lage und seiner 80er jahre Einrichtung, hatte so ein freies Reisebüro heute eigentlich keine Chance mehr. Das hatte wohl auch die Besitzerin einsehen müssen und es im letzten Monat verlassen. Im Schaufenster hing noch die Werbung für Reisen nach Süd-Ost Asien und Mexiko, aber im Inneren herrschte nur eine verstaubende Leere. Bemitleidenswert wie ein Hund der an einer Bundesstraße angebunden und nicht wieder abgeholt wurde, stand es nach vielen treuen Jahren nun verlassen und alleine da. Bei der Lage war auch schwer zu sagen was hier einziehen sollte. Vielleicht ja ein kleines Büro oder vielleicht auch ein Cut&Go Friseur. Haare wuchsen den Leuten ja schließlich ständig, unaufhaltsam. Die Friseurdichte war ja im Wedding recht hoch, hier gab es aber komischer Weise noch keinen in der direkten Nachbarschaft.    
In seine Karte hatte er das Reisebüro natürlich schon längst, samt Entdeckungsdatum und aktuellem Zustand eingetragen.  Es war wirklich erstaunlich wie viele dieser leeren Orte es so gab. Vier Notizbücher hatte er schon voll und dann musste er natürlich auch noch regelmässig seine Übersichtskarte auf den aktuellen Stand bringen. Das Ganze hatte einfach damit angefangen, dass ihm Spaziergänge mit Musik auf den Ohren ganz gut halfen seinen Kopf durchzuspülen. Bei einem seiner Spaziergänge hatte er in einer dieser Telefonboxen die jetzt zum Austausch von gebrauchten Büchern benutzt wurden, ein Buch mit dem Titel Tokyo Void, gefunden, in dem es um leere oder unbenutzte Orte in Tokyo ging. Das Buch hatte ihn dazu angespornt sich mal nach solchen Orten in seiner Umgebung umzuschauen. Als nächstes begann er dann die Orte die er da fand in sein Notizbuch einzutragen und bevor er wusste warum, kartographierte er die Leere seiner Umgebung. Zu Begin gab die Suche nach den vakanten Orten ihm einfach ein Anlass zum spazieren gehen, mittlerweile war das Ganze aber schon wesentlich mehr geworden. Irgendwie halfen ihm diese ganzen leeren Orte dabei sich ein wenig weniger leer zu fühlen.
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Der Waschsalon
Es war ein trauriger Tag! Die älteste Frau der Welt war gestorben. Eine Überraschung war das zwar nicht gerade, aber traurig blieb es trotzdem. In den letzten 2 Monaten war die älteste Frau der Welt schon drei Mal gestorben. Immer eine andere natürlich, aber die Auszeichnung schien wohl oder übel verflucht zu sein. Der einzige Weg diesen Titel abzugeben war der Tod. Es war also sozusagen eine Auszeichnung auf Lebenszeit. Abgesehen vom Tod der ältesten Frau der Welt war alles wie schon die letzten 3 Wochen, die Tetsu hier am Fenster in Berlin Wedding verbracht und den Waschsalon im Erdgeschoß gegenüber observierte hatte.
Das Licht in der Ecke des Salon wo der Mann saß war trüb, so dass er nur undeutlich zu erkennen war. Ansonsten war der Laden aber eigentlich ganz gut ausgeleuchtet. Die vergilbten Glühbirnen gaben dem ganzen ein etwas gelbstichiges, warmes Licht. Jemand hatte Kaffeefilter als behelfsmässige Lampenschirme über die Birnen gestülpt, was den Gelbstich noch ein wenig verstärkte. Da der Großteil des Laden ansonsten weiß gefließt war, reichten die paar Birnen aber für brauchbare Lichtverhältnisse. Der Mann schien sich in seiner trüben Ecke wohl zu fühlen. Er und seine langen Rastalocken waren quasi mit ihr verschmolzen, so als ob diese Ecke ohne ihn ihre Existensgrundlage verlieren würde. Man würde die Ecke ohne den Mann betrachten und sich denken „ irgendwas stimmt da nicht, irgendwas fehlt doch da“. Da er aber dort saß war die Ecke völlig intakt. Wen Leute in den Laden kamen war der Mann dort nicht deutlich zu erkennen, dass machte ihn noch geheimnisvoller als er sowieso schon war. Außerdem konnte man von der Ecke aus auf die Straße vor der Tür schauen. Es war zwar quasi ein Keller, aber die quadratischen Fenster im oberen drittel der Wand, waren auf Straßenhöhe und so konnte man von der Ecke aus genau auf den Bereich vor der Tür blicken. Von draußen konnte man ihn hier allerdings nur sehr schwer sehen, was auch so gewollt schien. Es war ziemlich eindeutig, dass dies hier sein Ort war. Wenn Leute den Mann finden wollten, taten sie das in der Regel hier. Hauptsächlich war er hier aber allein. Da der Laden in einer kleinen, unbelebten Nebenstrasse lag und die Außenwandwand ein meterdickes, bombenerproptes Stück Baukunst war, gelangte von draußen sicherlich auch kaum ein Ton hier hineine. Hier rauchte er Nachmittags sein Grass und schrieb seine Notizen. Seinen echten Namen kannte keiner,  da es aus praktischen Gründen sinnvoll war einen Namen zu haben, nannten ihn alle einfach Karpfen. Warum ein halbjapanischer Rastafari von allen Karpfen genannt wurde, wusste hier niemand so genau, es war aber einfach zu merken und so blieb es dabei. Seine Gesichtszüge hatten auch nicht gerade etwas von einem Karpfen. Sie waren eher fein und sehr präzise. Die einzigen Ungenauhigkeiten in Karpfens Gesicht stammten von den angedeuteten Lachfältchen die sich um Augen und Mund ein zuhause gesucht hatten. Tetsu konnte sich den Ursprung des Namen halbwegs denken, deswegen war er ja hier in Berlin, weit entfernt von seiner Heimat. Karpfens Tagesablauf war strickt geordnet. Um genau 5.15 war er im Laden und begann den Tag mit Meditation. Danach absolvierte er sein Trainingsprogramm, welches aus einem Satz einfacher Kraftübungen, für die verschiedenen Teile des Körpers und ausführlichen Dehnungsübungen bestand. Der Laden hatte auch eine Dusche. Es war eigentlich nur ein Duschkopf der an den Wasseranschluss in der Toilette gekoppelt war und recht orientierungslos auf dem Boden lag, aber da es auch einen Abfluss im Boden gab konnte man hier duschen. Tetsu hatte die Gelegenheit genutzt mit einer größeren Gruppe unauffällig in den Laden zu kommen. So hatte er sich zumindest einmal einwenig dort umsehen können und wusste auch, dass es im Laden nach feuchter, frisch gewaschener Wäsche roch. Im kleineren hinteren Raum standen drei alte Miele Waschmaschinen, in denen Karpfen nach der Dusche seine Wäsche wusch wärend er vorne saß und in seinen Büchern stöberte. Ab und zu kamen mal Leute und ließen ihre Wäsche bei ihm. Manchmal redete Karpfen mit seinen Kunden während die Wäsche sich in der Trommel drehte, manchmal auch nicht, dann hatte er mehr Zeit zum lesen. Er hatte ein breites Spektrum was Texte anging. Er lass Garvey, Mandela und King, Lefebvre, Kant und Hegel, Borges und Murakami und natürlich auch seine Buddhistische Schriften. Sein Essen kochte er auch hier auf der antik anmutenden elektrischen Kochplatte die auf dem Boden stand.
Von außen betrachtet schien Karpfens Leben ziemlich spartanisch und langweilig zu sein. Die meisten Leute fanden das Ganze hier zwar irgendwie cool, verstanden es aber nicht. Wie auch. Karpfen hatte seine Gründe und ihm schien recht zu sein, dass die Leute das nicht unbedingt begriffen. Im Prinzip war es ihm egal. Er hatte schon vor langer Zeit die Gewohnheit abgelegt, sich damit zu beschäftigen was Leute über ihn dachten. Es war ganz einfach irrelevant. Er brauchte einzig ein wenig Platz an dem er in Harmonie mit sich und der Welt leben konnte ohne, dass ihn sein altes Leben einholen würde. Zumindest war das Tetsu’s interpretation von Karpfen.
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Alexanderplatz
Spaziergänge mitten in der Nacht hatten etwas sehr erholsames für Tab. Insbesondere die Ruhe, eines Ortes, der tagsüber grade zu vor Aktivität überschäumte, nun um kurz vor vier an einem Mittwoch Morgen bewegungslos da lag, im gelblich gefärbten Halblicht der Straßenlaternen und von ein paar Neonreklamen. Seine kartographischen Tätigkeiten hatten ihn heute mal in die Mitte der Stadt, zum Alexanderplatz geführt.   
Wir trugen alle unsere Vergangenheit mit uns rum. Sozusagen ein Rucksack voller Erinnerungen, die wir ab und zu mal rausholten und fragend anschauten. Manche wogen schwer und belasteten uns, manche konnten jederzeit ein Lächeln in unser Gesicht zaubern oder unser Herz ein klein wenig schneller schlagen lassen. Mit der Zeit schrumpften diese Erinnerungen allerdings in sich zusammen, manche schneller andere langsamer, unzweifelsfrei schufen sie aber Platz für Neue Erinnerungen im Rucksack, die wir dann auch unaufhörlich nachlieferten. Desto schneller wir lieferten, desto schneller schrumpften die alten, aktuell konnte ihm das Schrumpfen allerdings nicht schnell genug gehen. Er hatte da ein paar Sachen im Rucksack die er ganz gerne einfach irgendwo auf die Strasse stellen und hinter sich lassen würde, leider tauchten genau diese Sachen jedes mal wieder im Rucksack auf, wenn er gerade gedacht hatte, dass er es geschafft hatte sie in einer dunklen Ecke von Moabit zu verstecken. Da war z.B. diese Milchflasche. Die Milch war erfrischend und unglaublich lecker, als sie frisch und unverhofft aus dem Kühlschrank gekommen war. Leider hatte er es aber nicht geschafft sie auszutrinken als sie noch frisch war und zurück in den Kühlschrank hatte es die Milch auch nicht geschafft. So war der Großteil der Milch einfach sauer und ungenießbar geworden. Mittlerweile war sie schon zu einem undefinierbaren Klumpen verkommen der anfing alle möglichen Farben anzunehmen. Farben von denen man niemals annehmen würde, dass sie im Bereich der Möglichkeiten von Milch liegen würden.   
Am Besten waren solche nächtlichen Spaziergänge im Hochsommer wenn die Tage ein wenig zu heiß und die Nächte gerade richtig für T-Shirts waren. Heute war zwar nicht eine solche Nacht, gut war der Spaziergang aber dennoch. Der leere Alexanderplatz erinnerte in ein klein bisschen an die Hachiko-Kreuzung in Shibuya, Tokio. So richtig vergleichbar waren die Beiden zwar nicht, aber die pure Präsenz der nächtlich abwesenden Menschen, war es was ihn an beiden Orten faszinierte. Es war es ein wenig so als würde die Zeit stehen bleiben. Die Ruhe der Nacht hatte die Geschwindigkeit für einen Moment von diesem Ort vertrieben, der sonst so voll von Menschen, Geräuschen und  vor allem Bewegung war. Die Ruhe hatte sich mit ihrem gesamten Gewicht auf ihn gelegt und wartete nun darauf das er sich schüttelte, aufstand und die Tretmühle wieder in Bewegung setzte. Jetzt waren es nur ein paar vereinzelte Gestallten die ab und zu mal durch die Leere glitten und die Abwesenheit des täglichen Gewimmels noch verstärkten. Bei einem dieser nächtlichen Spaziergänge war ihm auch klar geworden, dass er natürlich auch Tageszeiten in seiner Karte brauchte. Es gab kaum Orte die leerer waren als ein Schwimmbad in der Nacht oder ein Club um 12 Uhr mittags. Das waren natürlich abgeschloßene, nicht öffentliche Räume, er hatte mit der Zeit aber einiges darüber gelernt wie man trotzdem so seine Wege in diese Orte fand. Wenn er also einen geheimen Weg kannte ins Schwimmbad zu kommen, dann trug er es mit in seine Karte ein, inklusive des Weges natürlich. Verlassene U-Bahntunnel, Versorgungsschächte, Bunkerreste oder auch begehbare Teile der Kanalisation die er entdeckt hatte, waren alle in seiner Karte eingetragen. Von allem gab es weit mehr in Berlin als er je gedacht hätte bevor er mit seiner Erkundungsmission angefangen hatte. Auf eine gewisse Art hatte er sich eine alternative Realität erschloßen. Eine eigene Welt der leeren Orte, die nur er kannte und verstand. Er wusste natürlich, dass diese eigene Welt nur eine Illusion war, aber für den Moment war ihm die Illusion ganz lieb. Es vereinfachte ungemein, wenn man sich einfach darauf verlassen konnte seine eigene Welt innerhalb dieser großen unüberschaubaren und ihm in den meisten Punkten unverständlichen Welt zu haben. Zumal die Welt hier drinnen im Kopf, meist auch nicht so wahnsinnig viel verständlicher war.   
Er fragte sich ob die Menschen die hier ab und zu so vereinzelt ihrer Wege gingen, ob diese Menschen alle ein klareres Bild der Welt und von sich selbst hatten? Er konnte es sich irgendwie nicht vorstellen. Das einzige was er sich vorstellen konnte war, dass alle diese Menschen auch ihrer eigenen erfundenen Welten mit sich rum trugen und einige von ihnen waren vielleicht auch ein wenig stärker von der Echtheit dieser Welten überzeugt, aber wirkliche Klarheit konnte ja wohl niemand wirklich haben. Maximal für einen kurzen Moment vielleicht. Einen Moment in dem alles irgendwie Sinn ergab. Wenn man frisch verliebt war, wenn ein Plan genauso aufgegangen war wie man sich das vorgestellt hatte oder auch wenn ganz ohne Plan die Dinge passiert waren, die man sich gewünscht hatte ohne vorher überhaupt gemerkt zu haben was man sich gewünscht hatte. Das waren Momente in denen für einen kurzen Moment alles einen Sinn ergab, doch bevor man es sich versah, waren die Momente auch schon wieder vorbei und man saß mitten in einem Schlamassel den man sich noch kurz zuvor niemals hätte ausmahlen können. Die Beiden Obdachlosen Polen, mit ihrer gelehrten Vodkaflasche, die nun in einem der Eingänge zum Bahnhof schliefen, hatten bestimmt nicht von langer Hand geplant dort heute zu liegen und ihre Sinne mit Alkohol ab zu stumpfen um die schmerzen zu verringern. Vielleicht waren sie auch genau so, mit ihrem Schlafsack, dem Vodka und ihrer persönlichen Freiheit, die glücklichsten Menschen auf der Welt. Wer konnte das schon so genau sagen. Er selbst konnte es nicht, und wenn er mit seinen Theorien recht hatte, konnten es die Beiden genauso wenig.   
Vor ein paar Minuten war ein Pärchen aus dem U-Bahnaufgang der U8 nach oben gekommen und stand nun schon eine Weile am Rand gegenüber vom verlassenen Taxistand und unterhielt sich. Worüber unterhielt man sich zu dieser Zeit zu zweit auf dem Alexanderplatz? Es sah nicht so aus, als ob die Beiden ein echtes Paar waren. Zumindest schienen sie nicht zusammen zu sein. Beide waren wohl nicht mehr ganz nüchtern. Sie stritten nicht, aber so richtig nach flirten sah es auch nicht aus. Ihnen fehlte auch diese typische Erscheinung von Pärchen auf dem ersten oder zweiten Date. Wenn einer schon fest gestellt hatte, dass er oder sie Interesse hatte, der andere aber erstmal versuchte ein wenig Abstand zu wahren, um rauszufinden was er davon hielt. Die Beiden die da Standen redeten einfach angeregt und zwischendurch lachten sie auch mal. Es sah also einfach nach einer Unterhaltung unter guten Freunden aus. Wer sonst würde sich betrunken am sehr frühen morgen hier auf dem Alexanderplatz unterhalten ohne es nach einem romantischen Abtasten aussehen zu lassen. Nach einer Weile umarmten sie sich dann und er brachte sie rüber zum Taxistand, wo mittlerweile auch wieder ein Taxi wartete. Sie stieg ins Taxi und fuhr in den kommenden morgen, er kreuzte die Karl-Liebknecht-Straße und machte sich wohl auf seinen eigenen Heimweg. Zwei Menschen waren sich begegnet und hatten geredet. Das passierte unendlich oft jeden Tag und doch waren manche Begegnungen und Unterhaltungen bedeutsamer als andere. Er fragte sich, ob diese die er beobachtet hatte eine solche gewesen war oder, ob sie in ein paar Tagen schon vergessen war. Vielleicht würden die Beiden sie auch schon längst vergessen haben und nur er würde sich später dann ab und zu mal daran erinnern und fragen, wie sich wohl die Beziehung der Beiden entwickelt hatte. Waren sie noch Freunde oder nicht, verabschiedeten sie sich noch immer ab und zu früh morgens am Alexanderplatz mit einem ausgiebigen Gespräch? Das waren Fragen, die er sich wahrscheinlich nie beantworten können wird und es noch viel wahrscheinlicher auch gar keinen Anlass dazu geben würde, sie zu beantworten. 
Wie üblich machte er sich nun trotzdem wieder mit mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen im Kopf auf den Heimweg in seinen Weddinger Kiez. Zumindest blieb ihm die Unterstützung seiner Vergesslichkeit, die unbemerkt dafür sorgte das ähnlich viele Fragezeichen in den Dunst der Vergangenheit verschwanden, wie sich neue am Horizont auftaten.
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Kater
Es hatte vor und Nachteile eine Hauskatze zu sein. Essen und Logie ohne jeglichen Aufwand dafür treiben zu müssen war sicherlich der größte Vorteil. Einer der Nachteile war, dass man sich seinen Namen nicht selber aussuchen konnte. Man musste mit dem Namen leben, der einem gegeben worden war, egal wie bescheuert der auch war. YOLO, wer nannte seine Katzte den schon YOLO. Es gab bestimmt schlimmere Namen, Pink die Sängerin hat ihre Katze zum Beispiel "Fucker" genannt, persönlich fand sie so was wie Pitschie allerdings schlimmer. Zumindest mochte sie den Klang von Yolo, das ganze "You Only Live Once" gehabe konnte sie allerdings gar nicht ab. So ein Blödsinn. So total offensichtliche Sachen in einer pseudo coolen Abkürzung zu verpacken und sie dann als total hip oder Jugendkultur oder was auch immer zu verkaufen. Totaler Schwachsinn. LOL, wobei, eigentlich sogar ROFL. Manche Tage konnten echt lang sein. Yolos gütige, essenspendierende Mitbewohnerin war viel unterwegs und den ganzen Tag in der Bude hocken war jetzt nicht gerade aufregend. Sie zog ihre Runden vom Schlafzimmer in die offene Küche, wo auch ihr Wasserspender stand, am überdimensionierten Tisch vorbei zur Couch, ins Büro und zurück ins Schlafzimmer. Ab und zu schaute sie mal im Bad nach dem Wasserhahn, der jetzt schon seit ein paar Wochen defekt war und aus dem an der Seite, sehr langsam, aber kontinuierlich, das Wasser quoll. Fernsehen war so eine Sache die ihr Spaß machte, aber wenn der Fernseher nicht lief, konnte sie auch nichts daran machen und beschäftigte sich mit essen, schlafen, spazieren gehen und dem Kratzbaum. Wenn ihr richtig langweilig war ging sie auch einfach ein paar mal öfter auf Toilette, das brachte immerhin ein paar extra Minuten. Die Frau die hier mit ihr wohnte schien oft ähnlich gelangweilt oder vielleicht eher ein wenig Ziellos. Wenn sie das richtig deutete, war Wein ein hilfreicher Ansatz, um mit dieser Situation umzugehen. Yolo half das natürlich nicht so richtig weiter, da sie auch wenn sie clever und geschickt war, es nicht fertig brachte eine Weinflasche zu öffnen. Abgesehen davon endete der Wein dann auch ab und zu mal mit Tränen oder wenn Leute da waren mit lauten Diskussionen, die manche wohl als Streit bezeichnet hätten.  Das alles fand Yolo auch irgendwie nicht cool, dann doch lieber ein paar mal öfter das Klo besuchen.   
Gestern hatte es zwar keine Tränen aber viele Menschen mit vielen lauten Worten gegeben. Yolo hatte sich die meiste Zeit im Schlafzimmer versteckt und versucht zu schlafen. Zwischendurch, als ihr doch ein wenig langweilig gewesen war, hatte sie sich mal umgeschaut und ein paar Streicheleinheiten von den Leuten hier eingesackt. Das war eigentlich ganz angenehm, es war nur schreklich wenn die dann anfingen ihr hinterher zu rennen oder sie hochheben wollten. Dann musste sie mal kurz in den Agromodus wechseln, um sich wieder ein wenig Abstand zu verschaffen. Heute morgen sah die Bude nun so aus als hätte ne Bombe eingeschlagen. Vielleicht hat auch eine Bombe eingeschlagen, zumindest brummt ihr der Kopf so als ob das der Fall sein könnte. Jemand hatte eine ordentliche Menge Weißwein verschüttet und da konnte Yolo nicht anders als mal zu probieren. Wenn sie jetzt so überlegte, hatte sie sich dann doch gar nicht die ganze Zeit im Schlafzimmer versteckt sondern war unter die Couch geschwankt und hatte versucht zu verstehen warum sie nicht mehr klar sehen und denken konnte. Auch hatte sie eine große Lust überkommen den Kater aus dem ersten Stock aufzusuchen. Komisch das alles. Viele Menschen waren da gewesen und laute Worte hatte es gegeben, da war sie sich sicher. Erst sehr viele fröhliche, später ziemlich viel verletzte Empfindlichkeiten wie es schien. Danach hatte sich das Gehirn auf Autopilot geschaltet, bis die Wirkung des Wein es dann komplett ausgeschaltet hat. Die Leute waren jetzt alle Weg, wobei ein paar lagen hier noch rum, bewusstlos, also vielleicht doch eine Bombe? Verletzter Stolz kann ja bekanntlich zu allerlei Blödsinn führen, da konnte man eine Bomben jetzt nicht direkt ausschließen. Diese leblosen Körper hier, schnarchten allerdings deutlich hörbar, es gab also zumindest keine Verluste zu beklagen. Wobei, los werden würde sie diese Altlasten hier schon gerne, die meisten kannte sie ja nicht mal und ein paar rochen auch nicht gut. Die andere Sache die sie gerne los werden würde, war dieser dumpfe, brummende Schmerz an der Hinterseite ihres Schädel, aber den hatte sie sich gestern wohl reiflich verdient. 
Ihre Mitbewohnerin schien ähnliche Probleme zu haben, zumindest brauchte sie drei Anläufe, bis sie es endlich schaffte auf den Alarm ihres Handy zu reagieren. Leicht erschrocken und mit Sicherheit noch nicht wirklich wach, schaute ihre noch immer nicht ganz nüchterne Mitbewohnerin auf das Handy. Sie hatte sich die Haare beim schlafen ihn eine interessante zerzaust, aufstehende Form gelegen. Ohne Kopf hätten die Haare bestimmt eine interessante abstrakte Skulptur ergeben, so waren es einfach nur zerzauste Haare an einem verkatertem Kopf. Immerhin hatte sie es geschafft in ihrem eigenen Bett zu schlafen. Oft genug schlief sie an solchen Abenden einfach auf der Couch, im Sessel oder auch mal in der Mitte des Wohnzimmers auf dem Boden. Mit einer plötzlichen Bewegung sprang sie auf, schnappte sich ein paar Klamotten aus dem Schrank und verschwand in der Dusche. Kaum 10 Minuten später war sie komplett angezogen wieder draussen. Normaler Weise folgte nun ein klassisches Kaffee und Zigaretten Frühstück, dafür schien aber wohl keine Zeit mehr zu sein. Auf dem Weg zur Tür steckte sie sich immerhin noch die Zigarette an und verschwand so plötzlich wie sie wach geworden war durch die Tür nach draussen und lies Yolo allein mit diesen halbtoten Körpern in der Wohnung. Yolo konnte nur hoffen, dass sich diese Körper möglichst schnell auch aus dem Staub machen würden und sie endlich die Ruhe und Zeit haben würde sich selbst für ihren Kater angemessen selbst zu bemitleiden. Zumindest herrschte jetzt eine relative Ruhe. Der leichte Nieselregen der an der Balkontür hinunterlief war nicht stark genug um Geräusche zu machen, einzig die unregelmässigen Schlafgeräusche der verbleibenden Körper unterbrachen die Stille. Beinahe hätte Yolo ihr Timing verträumt, aber noch sollte es reichen. Schnell sprintete sie auf die Fensterbank im Schlafzimmer und schaute ihrer Mitbewohnerin stumm hinterher, wie sie mit der übergestülpten Kapuze der Regenjacke durch die Einfahrt nach draussen in diese andere Welt glitt. Wäre Yolo ein wenig aufmerksamer gewesen, wäre ihr auch der Schatten aufgefallen, der kurz nach ihrer Mitbewohnerin, unter der Treppe am Eingang des Nebenhaus hervor kroch und ihr durch die Einfahrt in diese andere Welt folgte.
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YOLO
Manche Leute nannten ihn den saubersten Rastafari auf dem Planeten andere nannten ihn den Zen Meister der Wäsche. Ihm war das alles recht gleich, er war halt, wer er war. Wörter waren nur temporäre Hilfskonstrukte um einen Zustand begreifbar zu machen. Da er für sich selber alles greifen konnte was ihm wichtig war und niemandem sonst etwas greifbar machen musste, berührten ihn diese Konstrukte nicht weiter. Es stimmte schon, dass er einen nicht ganz unwesentlichen Teil seiner Zeit damit zubrachte Wäsche zu waschen. Er verdiente ja auch seinen Lebensunterhalt damit. Wobei es dabei nicht unbedingt um Geld ging. Er akzeptierte alles was die Leute ihm als Gegenleistung für seine Dienste gaben. Sehr gerne nahm er Gemüse oder auch Grass aber er hatte auch schon Bustickets oder auch Rubellose bekommen. Vor einem Jahr hatte ihm jemand mal eine Katze gebracht. Er mochte sie die Katze. Da er aber nicht den Anspruch erheben wollte oder konnte ein lebendes Wesen zu besitzen, die Katze aber auch nicht sich selbst überlassen wollte, hatte er sie nach ein paar Monaten einer Frau überlassen, die bei einem der Treffen hier gewesen war. Kurz nachdem sich die Frau gesetzt hatte war ihr die Katze auf den Schoß gesprungen und hatte den Rest des Abend dort verbracht, was der Frau, die sich Rasa nannte, auch sehr zu gefallen schien wie man an ihrem breiten Lächeln absehen konnte. Es schienen also Liebe auf den ersten Blick gewesen zu sein. Es war ein Treffen der Besitzer gewesen. Sie besassen nicht wirklich etwas, nannten sich aber so. Sie vertraten die Ansicht, dass die Stadt nicht einer Regierung, Firmen oder einzelnen Menschen gehörte, sonder allen Menschen die in ihr lebten gleichermassen. Dieses Recht auf die Stadt vertraten sie mit verschiedenen, zu großen Teilen illegalen Mitteln. Ihn persönlich störte das nicht. Die Leute machten was sie machen mussten und woran sie glaubten, auch wenn es in großen Teilen Energieverschwendung war. Rasa schien nicht sonderlich involviert zu sein und beschäftigte sich mehr mit der Katze als mit irgendwas anderem. Da Karpfen nichts besseres zu tun hatte und die Lauten Diskussionen auch nicht gerade taugten um dabei zu schreiben oder lesen, gesellte er sich zu Rasa. 
„Hallo. Magst du die Katze?" „Ja sehr. Es fühlt sich irgendwie ein wenig so an, als ob wir uns schon sehr lange kennen würden, wenn sie verstehen was ich meine? „Ja das verstehe ich. Sie scheint dich auch sehr zu mögen. Normalerweise ist sie eher scheu bei fremden Menschen und insbesondere wenn es hier so voll ist wie heute" Rastas lächeln wurde noch ein wenig breiter „Wie heißt sie denn?" „Mmm, einen Namen hat sie eigentlich noch nicht. Sie wohnt erst seit ein paar Monaten hier"  „Oh, aber einen Namen braucht sie doch finde ich!" „Das würde einiges vereinfachen, aber selbst kann sie sich ja keinen aussuchen und ich wollte mir nicht anmaßen ihr einen auszusuchen" „Oh, das klingt irgendwie nach einer Art von radikalem Veganismus oder so"  „Hahaha, vielleicht. Habe mir auch noch nicht die Mühe gemacht einen Namen für meine Überzeugungen zu suchen. Wenn man es mit einigen bekannten Bezeichnungen versehen müsste, wäre es vielleicht eine Mischung von Zen Buddhismus und Rastafari." „Wow! Das klingt ja mal abgefahren. Da gibt es bestimmt nicht so viele von!" „Na ein paar gibt es schon, wobei das jeder etwas anders lebt. Hauptsächlich geht es um das Bewusstsein fürs Bewusstsein. Ist aber natürlich keine offizielle Kirche oder Institution oder so, ist einfach eine Mischung von Überzeugungen und Lebenswegen die mir ganz gut zu passen scheint"   „Klingt recht abstrakt. Passen die Beiden denn zusammen? Waren Rastafaris nicht so eine Art afrozentrische Christen und Buddhisten glauben ja nicht gerade an Gott oder gar Haile Selassie" „Ah! Ich sehe, du kennst dich ein wenig aus! Na ja an Götter oder Könige glaube ich auch nicht, was den Aspekt angeht bin ich dann wohl eher Buddhist würde ich sagen" „Dann also Wiedergeburt? Vielleicht kennen ich und die Katze uns ja aus einem vergangenem Leben. Glauben sie das so was sein kann?" „Eigentlich nicht. Ich glaube, dass wir jetzt leben und das wir nur einmal Leben. Ich finde es keinen guten Ansatz ist zu hoffen dass man später in einen Himmel kommt wenn man sich benimmt oder als Regenwurm wiedergeboren wird wenn man das nicht tut und wie wird man dann überhaupt wieder vom Regenwurm zum Menschen? Na ja. Ich glaube auf jeden Fall dass wir nur einmal leben.” „YOLO sozusagen" „Wie bitte?" „You only live once, das ist so nen Jugendspruch. Ist aber auch schon wieder aus der Mode glaub ich" „Na siehst du! Mein Lebensweg ist ja sogar Jugendkulturkonform!" „Sieht ganz so aus" „Sag mal, da sich die Katze ja so wohl bei dir zu fühlen scheint und ich sowieso schon überlegt habe was ich mit ihr anstellen soll, willst du sie nicht behalten?" „Oha! Echt jetzt? Na ja, ich denke schon. Ich würde mich eigentlich sogar sehr freuen wenn ich mir das so überlege" „Na das freut mich dann doch wieder. Und eine Erleichterung ist es für mich noch dazu" „Ich müsste ihr dann aber auch einen Namen geben denke ich" „Das ist schon OK. Ich bin nicht beleidigt wenn andere Menschen nicht ganz genauso denken wie ich." Rasa kniff die Augen zusammen, spitze die Lippen und betrachtete die Katze konzentriert. Nach ein paar Momenten schaute sie Karpfen an und sagte „Mir fällt nichts gutes ein" „Nicht so einfach das mit den Namen. Aber vielleicht ist er ja auch nicht so wichtig?" „Ja, aber er sollte schon irgendwie gut sein" „Also ich mochte zumindest den Klang von diesem Yolo. Außerdem würde es ja zu unserer Unterhaltung und eurer ersten Begegnung passen" „Mmm, YOLO…, na warum eigentlich nicht." Rasa blickte jetzt wieder mit weit geöffneten Augen und einem breiten Grinsen auf die Katze „Hi Yolo! Willst du bei mir einziehen? Ich weiß, dass geht alles sehr schnell und so, aber ich würde mich echt freuen. Na was denkst du?" Yolo schmiegte sich einfach nur weiter in Rasas Schoss und schnurrte leicht, was Rasa einfach mal als ein klares Ja interpretierte. „Jetzt wo die Katze schon einen Namen hat, wie heißt du eigentlich? Nur damit ich weiß nach wem ich Fragen muss wenn ich Yolo in Zukunft mal besuchen gehen mag" „Ah klar! Rasa heiß ich. Kommen sie immer gerne vorbei!" „Das werde ich eventuell mal machen" „Sie sind Karpfen oder?" „So nennen mich die meisten hier, ein richtiger Name ist das aber auch nicht wirklich." „Ja wie es scheint sind sie kein großer Fan von Namen" „Das könnte man so sagen. Ich freue mich aber das Yolo jetzt jemanden hat dem es wichtig ist, dass sie einen Namen hat. So lange sie sich nicht beschwert nimm sie einfach nachher mit wenn du gehst. Ich muss jetzt erstmal nach der Wäsche sehen. Wir sehen uns aber bestimmt wieder. Bring Yolo gerne mal mit wenn du wieder in der Gegend bist." „Das werde ich machen! Und tausend Dank noch mal. Das ist wirklich eins der schönsten und unerwarteten Geschenke die ich je bekommen habe" „Na da musst du dich bei Yolo bedanken, sie hat sich ja schließlich dich ausgesucht." „Danke Yolo!" „Wir sehen uns!“ Sagte Karpfen und verschwand nach hinten zu den Waschmaschinen. 
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Zwei Enden einer Welt
Manchmal kletterte sie hier ganz nach oben. Diese Beton Ruinen sahen mittlerweile vielleicht so aus, als ob sie zerfallen wären, hohle Zähne ohne Inhalt oder Funktion, die jeden Moment einstürzen könnten. Von hier oben hatte man eine gute Aussicht in fast alle Richtungen. Im Norden konnte man Nakanoshima, dahinter auch das zirka drei Kilometer entfernte Takashima sehen. Wenn das Wetter gut genug war, gab es im Osten den Südzipfel von Nagasaki zu bestaunen. Der Westen war gefüllt von der endlosen Weite des Ostchinesischen Meer, das heute bei ruhigem Seegang in der Sonne blitze. Hier war man südlich genug um sich wenige über den Namen des Meeres, sehr wohl jedoch den Inhalt streiten zu müssen. Man konnte und wollte sich nicht darauf einigen können wem hier welcher Teil der Region gehörte. Nur die Zugvögel, die zogen unbeeindruckt wohin es ihnen am besten gefiel. Als Fischer sollte man sich mit seinem Boot besser sehr genau an die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln halten, sonst war man sehr schnell in einen internationalen Konflikt verwickelt, ganz egal ob man jetzt ein politisch interessierter Fischermann war oder auch einer dem die Fische wichtiger als Linien auf Karten waren. Die Gebäude sahen brüchig aus, waren allerdings gesichert und stabil. Einiges hatte die James Bond Filmcrew für ihre Dreharbeiten gesichert, ein paar andere Bereiche waren von der Präfektur Nagasaki für den Tourismussbetrieb hergerichtet und frei gegeben worden, den Rest hatten sie selbst ausgekundschaftet und gesichert wo nötig. Die Touristenbote kamen bei gutem Wetter mit japanischer Pünktlichkeit, sammelten ihre menschliche Ladung aber auch genau so pünktlich nach einer Stunde wieder für die Rückfahrt ein. Den Rest der Zeit hatten sie die Insel hier für sich alleine, was auch ganz im Sinne der Operation war. Wenn es Orte für Geister der Vergangenheit gab, dann war dies sicherlich einer davon. Einst war das hier der am dichtest besiedelst Ort der Welt, zu Hochzeiten lebten hier mehr als 5000 Menschen auf 6000 m2. Nach dem Krieg Japanische Minenarbeiter, davor koreanische und chinesische Zwangsarbeiter, die in der Kohlemine unter der Insel schuften mussten. Mehr als tausend dieser zwangsrekrutierten Arbeiter überlebten die von japanischer Seite geschaffenen Beschäftigungsbedingungen nicht. Von Folter bis zu Sexsklavinen hatte die Insel die volle Bandbreite der Grausamkeiten der Zeit erlebt. Seit den siebziger Jahren war die Insel verlassen, die Wohnungen, Spielhallen, Restaurants und Kantinen dem Zahn der Zeit überlassen. Ein grauer verlassener Betonklotz der hier als fest gewachsenes Geisterschiff im Meer lag. Hier und da hingen noch die Bilder, standen die Radios und andere zurück gelassen Alltagsgegenstände. Dichte Nebelschwaden hätten das Bild vielleicht noch komplettiert, das war der Sonne allerdings herzlich egal die weiter fröhlich schien.
Niemand wusste von ihrer Anwesenheit hier und so sollte es auch bleiben. Es war nicht der komfortabelste Ort und das Einrichten von Elektrizität und Internetverbindungen hatte einige Anstrengungen und natürlich auch Geld gekostet, mehr Ruhe und Abgeschiedenheit konnte man sich aber wohl nicht wünschen. Die alten Kohlemienen unterhalb der Insel hatten sie aus und umgebaut, so dass sie kaum von einem beliebigen Start-up Campus zu unterscheiden waren. Nur die Abwesenheit von Fenstern war da unten nicht zu beschönigen, immerhin konnte man hier oben Luft schnappen, zumindest wenn nicht gerade die Touristen ihren sauber eingegrenzten Bereich bevölkerten. Ewig würde ihre Abgeschiedenheit hier hoffentlich auch nicht mehr dauern. Bald sollte die Zeit gekommen sein für ein öffentlicheres Umfeld. Ihren Teil des Projektes trieben sie mit stetiger Geschwindigkeit voran. Google, Facebook und Amazon dominierte zwar den Onlinewerbemarkt und die intelligente Einschätzung davon wer was kaufen oder sehen wollte, sie feierten aber mit einer ähnlichen Software die sie an Rakuten und andere weniger prominente Internetfirmen lieferten große kommerzielle Erfolge, was ihnen erlaubten mehr Geld in ihr Kerngeschäft zu investieren. Manche Leute glaubten ja, dass man für große Softwareprojekte auch große Mengen an Entwicklern bräuchte. Natürlich war absolut das Gegenteil der Fall. Man brauchte nur eine Handvoll, dafür aber brillante Menschen. Als verschworene Gemeinschaft verbrachten sie hier unten in der Mine ihre Zeit und kamen dem Ziel jeden Tag ein gutes Stück näher. Ihren Teil des Unterfangen trieben sie also voran, für das fehlende Gegenstück mussten sie sich auf Karpfen verlassen. Der aufkommende Wind und die plötzlich von Westen heranziehenden Wolken erinnerten sie an die Wechselhaftigeit und Unvorhersehbarkeit des Wetter hier draußen. Ein Blick auf ihre Wetterapp ergab, dass es in exakt 12 Minuten anfangen würde zu regnen und so machte sie sich auf den Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz. Die 15 Minuten endlose Weite hier oben mussten als Ausgleich für die nächsten 15 fensterlosen Stunden unten reichen.
Zur gleichen Zeit am anderen Ende der Welt brütete ein Mann nachdenklich über einem 2 mal 2 Meter großen Kasten. Eine weiße Box auf drei Seiten eben und glatt and der vierten zeigten sich mindestens 40 verschieden geformte Behälter für Flüssigkeiten, Pulver und Granulate. Mangels eines besseren Namens wollen wir dieses Objekt vorerst mal das Gegenstück nennen. An der Oberseite des Gegenstück gab es zwei kleine Griffe über die man es wohl von oben öffnen konnte. Der Raum selbst war ein einfaches Zimmer in einem einfachen Holzhaus, skandinavischen Stiels. Die Fenster gaben durch ihre weißen Rahmen den Blick frei auf eine saftig grüne Wiese, die in einem leichten Bogen hinunter zum Meer abfiel. Es war eine Aussicht die einem Ferienhauses gebührt hätte, der Mann mit seiner Kiste schien allerdings keinerlei Interesse an der Aussicht zu haben. Der Raum selbst war zu einem erstaunlich professionell ausgestatteten Chemielabor ausgebaut. Klimaschränke, Glasgefäße, ein Mikroskop, eine Zentrifuge und noch allerlei andere Gerätschaften. Nur die einfachen Holzbretter die Boden, Wände und Decke bildeten, passten nicht so richtig in das Bild eines Labor. Karpfen war weit und breit nicht zu sehen.
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Museumswärter
Tab war heute früh, wie an den meisten Arbeitstagen, durch seine Frühstücksroutine gegangen. Um 9 Uhr weckte ihn das Telefon und nach ein paar vergeblichen versuchen schaffte er es sich so gegen 9.30 ins Bad und dann in seine kleine Küche zu bewegen. Dort kochte er mit der kleinen Bialetti, auf seinem antik anmutendem Gasherd, einen Kaffee und aß In der Regel die Reste vom Vortag. Heute war das ein Stück kalter Salami Pizza. Man konnte ihn wohl nicht so recht als Feinschmecker bezeichnen, aber immerhin machte ihm seine Toleranz gegenüber mittelmäßigen Essen, das Leben ein Stück weit einfacher und oft auch günstiger. Nach dem Frühstück duschte er kurz und heiß, putzte sich die Zähne exakt 5 Minuten, so wie es ihm in der Grundschule eingebläut worden war und erreichte somit eine Art Bereitschaftszustand für den vor ihm liegenden Tag. Er war dann quasi im gleichen Zustand wie seine Bialetti, wenn sie geputzt, mit Kaffeepulver gefüllt auf dem Herd stand und nur darauf wartete das jemand den Herd auch einschaltete. Auf den Kaffee hatte er allerdings mehr Lust als auf die Arbeit. Wenn er sich dann endlich überwand seinen persönliche Herd an zu machen, packtet er alles was er für den Tag brauchte in seinen großen Deuter Rucksack und machte sich auf den Weg. Heute hatte er hauptsächlich dreckige Wäsche im Rucksack.  Auf dem Rückweg von der Arbeit wollte er noch im Waschsalon vorbei, eine Waschmaschine fehlte ihm nämlich in seiner Wohnung.
Seine Tätigkeit als Kartograph der leeren Orte, brachte einige Vorteile mit sich. So hatte er zum Beispiel vor einigen Monaten diesen Laden im nördlichen Wedding, nicht weit von der Panke entfernt gefunden, der mittlerweile zu seinem Waschsalon geworden war. Der Laden lag halb im Keller und von außen sah er einfach aus wie ein verlassener Laden. Neben der Tür hing ein Schild, dass ein Nagelstudio versprach, welches es hier dem Anschein nach schon länger nicht mehr gab. Routinemäßig hat er die Türklinke gedrückt, allerdings nicht wirklich erwartet, dass die Tür daraufhin nachgeben würde und ihm eine dunkle, gelblich schimmernde Öffnung präsentieren würde. Zunächst musste er jetzt aber erst mal zur Arbeit. Er hatte schon allerhand verschiedenes ausprobiert, aktuell hatte er zwei Jobs. Heute war er Museumswächter in der Alten Nationalgalerie. Das war nicht der aufregendste Job denn man sich vorstellen konnte, aber es war einfach, man hatte seine Ruhe und kaum Stress mit Menschen. Ab und zu musste man mal jemandem sagen, dass er doch ein wenig mehr Abstand von einem Bild halten solle oder sich mit seinen Kollegen absprechen wie man rotierte und Pausen machte, aber im Großen und Ganzen hatte man ziemlich viel Ruhe.
Es war auch ein Job bei dem man einiges über über Menschen lernen konnte. Als Wächter hatte man die Rechtfertigung die Leute zu beobachten, ohne dass es komisch war, zumindest solange man nicht anfing einzelne Leute penetrant anzustarren. Hübsche Frauen und alte Männer, es war völlig OK wenn man sie mit ein paar ausführlichen Blicken belegte. Es gab da einige sehr unterhaltsame Phänotypen. Die offensichtlichsten waren die Pärchen, von denen ein Partner eigentlich nur hier im Museum war weil die bessere Hälfte hier hin wollte. Sie hatten eigentlich kein Interesse, versuchten aber irgendwie das Beste daraus zu machen. Zumindest am Anfang schauten sie sich noch halbwegs aktiv die Bilder an und versuchten etwas interessantes zu finden, desto mehr Räume sie aber gesehen hatten, desto weniger Hoffnung blieb ihnen, dass sie doch noch plötzlich ihr Interesse für die klassische Malerei entdecken würden. Sie gingen schneller und wann immer sie einen guten Ort zum warten fanden, setzten sie sich hin bis ihr Partner wieder aufgeschlossen hatte. Die desinteressierten Partner waren es auch die allerlei Dinge zum Zeitvertreib unternahmen. Mittlerweile starrten die meisten einfach ihr Smartphone an, es gab aber auch interessanter zu beobachtenden Tätigkeiten. Er hatte schon Leute schlafen, schreiben, popeln und auch tanzen gesehen. Einige versuchten auch einen der Wächter in ein Gespräch zu verwickeln, was meist eine sehr angenehme Abwechslung war. Wenn man das Gespräch nicht mochte, konnte man sich als Wächter ja immer einfach entschuldigen und in einen anderen Raum wechseln. Die meisten dieser Gespräche waren aber belangloses Zeug. Fragen nach Restaurants in der Umgebung und ob es nicht langweilig wäre den ganzen Tag hier rum zu stehen. Der interessantere Teil bei der Beobachtung dieser Pärchen war eigentlich die Interaktion miteinander. Wie die Betrachtungsgeschwindigkeit der Bilder verhandelt wurden. Wie Paare auf einander versuchten Rücksicht zu nehmen oder wie sie genau das nicht taten. Manche Paare waren perfekt aufeinander abgestimmt und passten sich fließend an ohne, dass einer von beiden irgendwie Zeichen von Unzufriedenheit zeigte. Bei anderen dominierte ein Partner und der Andere passte sich ganz offensichtlich so weit wie möglich an. Manche waren über beide Ohren verliebt, andere stritten offen oder auch nur passiv aggressiv über ihre Körpersprache. Es gab Teenagerpärchen und auch Paare die wahrscheinlich schon fünfzig Jahre verheiratet waren.
Paare waren wirklich mit das interessanteste was es im Museum zu beobachten gab. Was die Kunst anging, da hatte er ein gewisses Grundinteresse, aber sehr detailliert oder tief war weder sein Wissen noch sein Interesse. Hier in der alten Nationalgalerie wechselten die Werke auch nicht so häufig und die Art der Kunst bot auch nicht viel Abwechslung. Im Hamburger Bahnhof oder der Neuen Nationalgalerie war das ein wenig anders. Immerhin gab es ab und zu mal Gastausstellungen, dann hatte er auch mal einen Grund sich die Werke anzusehen. Die nächste Gastausstellung die anstand war die persönliche Sammlung des Japanischen Kaisers von japanischer Kunst aus der Vorkriegszeit des 1. Weltkrieges. Das war so ungefähr das Maximum an Abwechslung, dass es hier zu erwarten gab. Normalerweise ging er ja immer sehr viel Spazieren. Im Museum ging das natürlich nicht so gut, zumindest nicht physisch, aber dafür konnte man in Gedanken wandern. Ecken der eigenen Gedankenwelt erkunden, für die man sonst keine Zeit fand. Zunächst musste er jetzt aber erst mal die U-Bahn erkundend und sich auf den Weg zur Arbeit machen.
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U-Bahnfahrmomente
Wenn Tab zu spät dran war, musste er mit der U-Bahn zur Arbeit fahren. Normaler Weise versuchte er genug Zeit zu haben, um laufen zu können und eventuell auch noch ein paar Straßen und Orte zu kartographieren, heute war es dafür allerdings zu knapp. Im Grunde musste er ja eigentlich gar nicht mehr zur Arbeit. Vor zirka sechs Monaten hatte ihm sein Vater plötzlich eine sehr beträchtliche Summe Geld überwiesen. Es war schon recht ungewöhnlich, er sah aber auch keinen Anlass bei seinem Vater nachzufragen. Er hatte eine Kreditkarte von seinem Vater, die er im Notfall benutzen konnte, aber noch nie benutzt hatte, ansonsten hatte er schon seit längerer Zeit mehr kein Geld von seinem Vater bekommen. Wenn er gefragt hätte wäre es sicherlich kein Problem gewesen, er sah allerdings keine Veranlassung dazu. Die Kartographie beschäftigte ihn und kostete nicht viel, die restliche Zeit war er mit seinen Jobs beschäftigt und verdiente damit auch genug zum Überleben, also warum sollte er nach Geld fragen. Früher hatten seine Jobs damit zumindest den Sinn seinen Lebensunterhalt zu sichern. Jetzt war dieser Sinn weggefallen. Zu einem großen Teil aus Gewohnheit und weil er auch keine wesentlich bessere Verwendung seiner Zeit identifizieren konnte, arbeitete erst mal weiter wie gehabt. Die Sinnlosigkeit war ihm bewusst und ein paar Ideen zur besseren Verwendung seiner Zeit hatte er zwischenzeitlich schon gehabt, nur waren diese Ideen bisher immer wieder sehr schnell kollabiert. Bis sich das änderte war er also in dieser ungewissen, nicht wirklich bequemen Wartestellung eines Sprinter, der auf der Laufbahn kniete und sich auf den Startschuss vorbereitete, ohne eine Vorstellung davon zu haben ob oder gar wann dieser Schuss kommen sollte. Bisher war noch kein ihm hörbarer Schuss gefallen und so stand er hier am U-Bahnhof Voltastraße und wartete auf die Bahn zur Arbeit. Wie von der blinkenden Anzeige vorhergesagt, tat diese Bahn ihm schließlich auch den gefallen und rollte nur einen kurzen Moment später, knarzent in den Bahnhof.  
Beim U-Bahnfahren gab es immer etwas zu beobachten, auch wenn man es in der Regel natürlich nicht so offensichtlich machen konnte, wie er es als Museumswächter tat. Der Rucksack oder wohl eher der Rucksack samt Frau, die einen Eingang weiter Stand, hatten es für diese Fahrt geschafft, seine Aufmerksamkeit anzuziehen. Der Rucksack war von Fjällräven und ähnlich groß und voll wie sein Deuter Rucksack, allerdings wesentlich eleganter. Persönlich schaffte er es nur sehr selten sich über die Grenzen des Pragmatismus hinweg zu setzen und Kleidung oder auch andere Utensilien, aufgrund ihres Aussehen statt des Preises oder der puren Funktion halber auszusuchen. Das war zwar vernünftiger, aber ab und zu wünschte er sich schon auch mal so cool auszusehen wie jetzt gerade zum Beispiel der Rucksack an der  unbekannten Frau. Sie schien seine beobachtenden Blicke gespürt zu haben, zumindest entzog sie sich seinem direkten Blickfeld nur ein paar Momente nach dem er angefangen hatte sich über den Rucksack Gedanken zu machen und setzte sich am Ende der Reihe in der auch er saß hin. Kleidung und Erscheinung waren natürlich wichtig für einen ersten Eindruck, das wichtigste war für Tab aber das Gesicht. Leider hatte er es nicht wirklich geschafft einen Blick darauf zu werfen. Die Bewegung der Frau kam einfach zu plötzlich und war zu fließend, als das er es geschafft hätte, zumal sie sich mit einer Drehung von ihm weg hinsetzte und er ja auch aufpassen musste sie nicht zu offensichtlich zu betrachten. So blieb ihm nur festzustellen, dass sie so ca. 1 Meter 70 groß war, von der Erscheinung her vielleicht so ende 20 sein könnte und weder besonders dick noch besonders dünn war. Außer dem stielsicher designten Rucksack, machte sie nicht unbedingt einen völlig durchgestylten Eindruck auf ihn. Die braunen, ein wenig strubbeligen, Haare waren gepflegt, machten aber auch nicht den Eindruck, dass sie die Selbigen unbedingt täglich zum Friseur brachte, auch wenn es ein wenig so aus sah, als hätte sie sich vor kurzem eine Art Bob schneiden lassen. Sie schien der Typ Mensch zu sein, dem das Outfit nicht unwichtig war, der in der Regel aber mehr Wert auf das sonstiges Leben als auf jedes Detail des Outfit legte. Die Jeans stand ihr gut, war aber ein wenig zu weit, um wirklich weiblich zu wirken, sie passte allerdings bestens zu dem schwarzen Nirvana Pullover und den grauen, schon recht abgelaufenen Chucks. Irgendwie schien ihm diese Frau vertraut. Vielleicht hatte er sie ja auch schon mal gesehen? Im fiel zwar niemand bestimmtes ein, der sie ähnelte, ohne einen Blick auf ihr Gesicht erhaschen zu können, ließ es sich aber auch nicht ausschließen. Sein Interesse war geweckt, nur wusste er nicht wie er es anstellen sollte. Nachdenklich suchend wanderte sein Blick durch den Zug, bis er erfreut feststellte, dass er die Umrisse der mysteriösen, gesichtslosen Frau auch schräg gegenüber im Fenster, zwischen dem älteren Pärchen, wiederfand. Zunächst war er nur kurz mit dem Blick über ihre Konturen geschweift, die sich gut erkennbar auf dem schwarzen Hintergrund des U-Bahnschacht abzeichneten. Nur wie machte man das, wie konnte er sie betrachten ohne, dass er ein gaffender komischer Kerl wäre? So lange sie nicht merkte, wie er sie über die Reflexion erfasst hatte, wäre es ja OK, aber falls sie es merkte, was dann? Sein Interesse war zu groß, die Frau hatte einfach etwas, was ihn nicht in Ruhe ließ. So nahm er sich ein Herz und erfasste ihre Konturen, nur um enttäuscht fest zu stellen, dass sie sich unvorteilhafter Weise nach rechts vom ihm gedreht hatte und scheinbar die Nachrichten auf dem Bildschirm in der Mitte des Zuges zu lesen schien. Die Haare lagen ihr im Gesicht, nur die runde Nasenspitze war zu erkennen. Viel weiter brachte ihn das noch nicht. Während er noch nachdachte, drehte sie plötzlich mit einer ruckartigen Bewegung ihren Kopf nach vorne. Beinahe hätte er instinktiv seinen Blick weg gedreht, zum Glück merkte er aber noch früh genug, dass sie einfach ein wenig gedankenverloren in die Luft blickte und ihn wohl nicht bemerken würde. So fand sein Blick also endlich ihr Gesicht. Sie war durchaus hübsch, allerdings auf eine eher unauffällige Art. Alle Teile ihres Gesichtes waren da wo sie hingehörten, ohne ungewöhnlich groß oder klein zu sein. Zu den braunen Haaren, hatte sie passend braune Augen und die Linien die sich durch ihr Gesicht zogen, deuteten darauf hin, dass sie gerne und häufig lachte.
Noch bevor die Bahn in den Bahnhof am Rosenthaler Platz fuhr, fokussierte sich ihr Blick wieder und sie begann sich umzusehen. Kurz bevor sie seinen Blick im Fenster bemerken konnte schaffte er es sich zu lösen und sein Blick nach unten zu korrigieren. Genau in diesem Moment machte sein Herz auch einen kleinen Sprung. Was da passierte war ihm unklar, klar war ihm nur, dass diese Frau eine schwer zu erklärende Anziehungskraft auf ihn ausübte. Er hatte den Eindruck, als würde sie ihn nun ihrerseits beäugen, sicher war er sich aber nicht und trauen hinzusehen tat er sich erst recht nicht. Vielleicht hatte sie ja doch seine Blicke bemerkt? Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass ihre Aufmerksamkeit nun ihrem Smart Phone galt, was ihm eine zweite kurze Gelegenheit eröffnete einen Blick in der Scheibe gegenüber zu stehlen, bevor sie schwungvoll Aufstand und ohne sich umzudrehen, durch die sich öffnenden Türen am Rosenthaler Platz verschwand. Ihm blieb noch ein kurzes wehmütiges hinterherblicken und ein kurzer kalter Schauer der ihn durchlief, bevor dieser Moment endgültig vorbei war. Irgendwie war es auch eine Erleichterung. Diese Kürze und Ungenauigkeit, schaffen einen perfekten magischen Moment. Hätte sich das Spielchen mit dem Hin und Wegsehen ein paar Mal wiederholt, wäre es wohl eher komisch geworden. Sich getraut sie anzusprechen, hätte er eh nicht, und um so länger die gemeinsame Fahrt noch gedauert hätte, desto mehr hätte er sich über seine mangelnde Initiative geärgert. Selbst wenn er sie angesprochen hätte, perfekter als seine wage Vorstellung von dem was sein könnte, konnte es eigentlich nicht werden. So blieb ihm ein kleiner perfekter Moment und ein Lächeln im Gesicht. 
Da hatte er sich glatt ein klein wenig in eine komplett unbekannte Frau verliebt. Das war irgendwie ziemlich typisch für ihn in den letzten Monaten. Er baute sich kleine Traumschlösser im Kopf, Blasen die ihm ein wenig Urlaub von der Realität da draußen schafften. Früher oder später mussten dies Blasen aber wohl oder übel zerplatzen. Wenn es gut lief schaffte er sich immer rechtzeitig eine oder mehrere neue Blasen bevor die alten zerplatzen. Diese Träumereien verleiten ihm sozusagen Flügel, mit denen er möglichst hoch und weit weg vom Boden der Tatsachen weg fliegen konnte. Das offensichtliche Problem daran war, dass er vom schwerelosen Gleitflug, direkt in den freien Fall wechselte, sobald diese Flügel sich in Luft auflösten und das desto höher er Flog, um so brutaler auch der Aufprall in der Unerbittlichkeit der Realität wurde. In ein paar Stunden würde er sich bestimmt noch an diesen kleinen sehr schönen Moment erinnern, ihm wird aber bestimmt auch im nächsten Gedanken wieder klar werden, wie Beziehungsunfähig er doch war.
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Jobcenter
Natürlich hatte Frau Hartmann auch einen Vornamen, sogar einen ganz schönen wie sie fand, im Jobcenter war dieser Vorname jedoch weitestgehend irrelevant. Hier war sie immer und in jedem Fall, sowohl für die Kunden, als auch für die Kollegen, immer Frau Hartmann. Gäbe es noch eine zweite Frau Hartmann, dann hätte sie eventuell einen Vornamen, zumindest den ersten Buchstaben davon mit einen Punkt, dann wäre sie Frau C. Hartmann und die Kollegen hätten sich vielleicht sogar noch einen Spitznamen ausgedacht. Vermutlich etwas langweiliges, wie die neue Hartmann oder die große Hartmann oder so. Da sie aber die einzige Frau Hartmann hier war, brauchte es weder ein C. noch einen Spitznamen und das fand sie auch gut so. Arbeit war Arbeit und ihr Vorname war halt nur außerhalb der Arbeitszeiten gültig. Während der Arbeitszeit hatte ihr Vorname sozusagen Urlaub. In ihrer Freizeit war es dann in der Regel umgekehrt, da spielte ihr Nachname kaum eine Rolle. So kamen sich die Beiden kaum ins Gehege und hatten ihren eigenen Teil des Tages. Nur bei gewissen Anlässen, Passkontrollen oder natürlich Rechnungen, da mussten beide kollaborieren und traten gemeinsam als Team auf. Für die nächsten paar Stunden war sie jetzt aber zunächst mal Frau Hartmann.
Ihr nächster Kunde war Frau Guðmundsdóttir. Interessanter Nachname, war wohl Isländisch. In Island bekamen die Kinder den Vornamen der Eltern als Nachnamen, gemeinsam mit einer Endung, die sie als Sohn oder Tochter identifizierten. So war Frau Guðmundsdóttir die Tochter beziehungsweise „Dóttir“ von Guðmundur. Da war die Grenze von Vor- und Nachname natürlich komplett aufgeweicht. Soweit Frau Hartmann das wusste, war aber nur ihre Mutter aus Island, was die Sache potentiell noch ein wenig komplizierter machte. Frau Guðmundsdóttir war ein sehr unregelmäßiger Stammgast. Sie war talentiert genug, um niemals einen Grund zu haben Arbeitslos zu sein, nur Lust schien sie auf die meisten Tätigkeiten nicht zu haben. Vermittelbar war sie nicht, das brauchte sie aber natürlich im Prinzip auch nicht. Wenn sie arbeiten wollte, hatte sie morgen einen Job. Wenn sie was fand was sie mochte, dann war sie mal ein halbes, mal ein ganzes Jahr nicht mehr hier, früher oder später nahm sie sich aber immer eine Auszeit von der Arbeit. Dann saß sie, hauptsächlich der Krankenversicherung zu liebe, wieder vor ihr und da war sie also. 
„Hallo Frau Hartmann" „Hallo Frau Guðmundsdóttir. Wie kann ich ihnen den Helfen." „Eigentlich brauche ich wie üblich nur ihre Unterschrift auf dem Zettel hier und sie sind mich wieder los" „Soll ich ihnen nicht vielleicht doch auch ein paar passende Jobangebote raus suchen" „Wenn sie gerne möchten, können sie das machen, nur viel Hoffnung,  dass ich auch bei einem davon lande, sollten sie nicht haben"  „Was wollen sie denn machen?" „Irgendwas ohne Menschen!" „Wie?" „Was ohne Menschen! Sie wissen schon. Diese ständig das Leben verkomplizierenden Dinger, die uns ständig tierisch auf die Nerven gehen und stinkend in unseren Zimmern rum liegen!" „Ich glaube ich kann ihnen da nicht ganz folgen" „Was ohne Menschen wäre nett" „Ok... Wie stellen sie sich das vor?" „Gute Frage!" „Also ich hatte vor kurzem einen Fall hier, der hat etwas ähnliches gesagt. Der ist sogar mit einer Liste von Jobs gekommen, die er wohl auf gutefrage.net gefunden hat" „Und was stand auf der Liste?" „Mmm, soweit ich mich erinnern kann waren das so Sachen wie Raumpflege, Museumswache, LKW fahren oder irgendwas im Tierheim. Ach nee im ZOO war das. Das entspricht natürlich alles nicht wirklich ihren Qualifikationen." „Nicht wirklich." „Aber das wären alles Sachen ohne Menschen, wir hätten da vielleicht auch was im Zoo. Soll ich mal in der Datenbank nachschauen?" „Nein Danke! Dann vielleicht doch was mit Menschen, aber halt nicht so viel und nicht zu lange mit den Gleichen vor allem!" „Na nicht so lange mit den Gleichen scheinen sie ja ganz gut hinzubekommen" „Manche Leute gehen mir halt einfach auf den Sack, mit meinen Freunden ist das aber anders. Die nerven zwar auch ab und zu, aber selbst wenn es mal wirklich schlimm ist, spätestens nach ein paar Wochen Pause, finde ich die dann in der Regel wieder ganz genießbar" „OK, bei der Arbeit ist das natürlich nicht so einfach mal ein paar Wochen Pause einzulegen" „Sehen sie, da haben wir den Salat! Schlimm finde ich die Jobwechselei allerdings ehrlich gesagt nicht. Ich mache zwischendurch immer ein wenig Pause, mache vielleicht ein kleines unbezahltes Projekt und dann geht es wieder mit was Neuem los." „Ich fände es aber trotzdem ganz schön, wenn sie mal etwas stabileres finden würden. Dann müssten sie auch nicht immer hier zum mir ins Jobcenter kommen" „Unterschreiben sie heute erst mal meine Zettel?" „Klar. Hier. Erledigt" „Danke" „Ja überlegen sie sich das noch mal! Ich mag sie zwar, aber ich habe ohne sie auch schon genug zu tun. Viel Erfolg wünsch ich ihnen" „Danke Frau Hartmann, ich überlegs mir, jetzt muss ich erstmal meine Wäsche waschen gehen"
Mit einem freundlichen Lächeln und 4 großen Schritten war die Frau Guðmundsdóttir einen kleinen Moment später auch schon wieder verschwunden. Sie wird sich bestimmt bald wieder etwas suchen und genauso bestimmt sitzt sie dann in sechs bis zwölf Monaten wieder hier vor ihr. Frau Hartmann kannte ihre Stammkunden und die meisten änderten ihre grundsätzlichen Muster nicht.
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Tetsu’s Aufgabe
Tetsu war Journalist und hatte das Glück bei einem der größten Japanischen Wochenmagazinen fest angestellt zu sein. Wie er das aber immer noch sein konnte, war allerdings allen beteiligten unklar. Den Ruf, des erfolglosen Investigativjournalisten, hatte er schon vor Jahren erworben und bestätigte diesen regelmässig. Er hatte einfach kein Glück bei seinen Stories. Alle Geschichten die er anfing oder die ihm aufgetragen wurden, lösten sich früher oder später, aus den verschiedensten Gründen, in Luft auf. Bei der letzten Geschichte die das getan hatte, war er der Affäre eines sehr bekannten Fernsehmoderator auf der Spur gewesen. Der Moderator war verheiratet und für seine Integrität und Aufrichtigkeit berühmt, daher war es auch eine relativ große Story. Er hatte es schon geschafft die Affäre zu bestätigen und auch die Frau, um die es dabei ging, hatte er schon aufgespürt, doch dann Outete sich der Moderator plötzlich und ganz unvermittelt als Schwul. Das war dann eine noch viel größere Story, es nahm aber Tetsu's Story die Glaubwürdigkeit und machte sie zu einer Nebensache. Warum der Moderator eine Affäre mit einer Frau hatte wenn er doch Schwul war, warf zwar Fragen auf, da der Moderator aber kurz nach dem Outing, mit seinem mittlerweile auch öffentlich bekannten Freund, das Land verließ und ankündigte längere Zeit nicht wieder zu kommen, war es auf einen Schlag im Prinzip irrelevant. 
Es war ein weiterer Eintrag auf seiner Liste von verunglückten Artikeln. Aus rein wirtschaftlichen Gründen, hätte das Magazin ihn schon längst Kündigen müssen. Er hatte so gut wie keine verwertbaren Zeilen Text im Magazin unterbringen könne, aber er Arbeitete fleißig und aufrichtig aufs neue an jeder Story. Er war relativ klein und sehr Schlank. Die Leute hielten ihn oft für krank, obwohl er doch laut seinem Arzt überdurchschnittlich Gesund für einen dreiundfünfzigjährigen alleine lebenden Mann war. Neben seiner eher unscheinbare Erscheinung, war es wohl zu großen Teilen auch das Mittleid der Kollegen, weshalb er immer noch beim Verlag angestellt war. Es gab schon Witze, wenn man nur wolle, dass eine bestimmte Story nicht ins Magazin kommt, müsse man nur Tetsu darauf ansetzen, aus irgend einem Grund würde die Story dann schon verschwinden.
Aktuell arbeitete er wieder an seiner Lieblingsstory. Mit teilweise längeren Unterbrechungen arbeitete er schon über 15 Jahre an dieser Story. Als er den Job beim Magazin erst ein paar Monate hatte, war er eines Abends in einer Bar in Shinjuku trinken gewesen. Dabei hatte er eine Frau kennengelernt, die behauptete eine ehemalige Hausangestellte des Tenno, des Japanischen Kaisers zu sein. Als junger aufstrebender Journalist hatte er natürlich sofort seine Chance gewittert. Der erste Schritt war es sicher zu stellen, dass die Getränke immer gefüllt blieben und auch fleissig angestoßen wurde, so dass die Frau immer betrunkener wurde. Der zweite Schritt war es das Gespräch immer am laufen zu halten und idealer Weise auch auf die Arbeit bei der Kaiserfamilie zu lenken. Am Anfang klappte das super, desto Betrunkener er jedoch selber wurde, desto schwerer viel es ihm die Unterhaltung in die gewünschte Richtung zu lenken. Zumindest ins Stocken geriet das Gespräch nicht, da die Frau, Akiko hieß sie, sich vor kurzem von ihrem Mann getrennt hatte und reichlich über diesen zu erzählen hatte. Er war überrascht darüber wie offen sie über diese sehr privaten Dinge redete, aber es gefiel ihm, da es auch die Chancen erh��hte, dass sie eventuell ein paar interessante Details über den Tenno ausplaudern würde.
Am nächsten morgen konnte er sich zwar noch an viele Details über Akikos Mann erinnern, wie er sie Jahrelang mit Prostituierten betrogen hatte, wie er ihre täglichen Ausgaben bis auf die Nachkommastellen kontrolliert hatte und noch einiges mehr, aber ab einem gewissen Punkt wurde es dann undeutlich und wie er schließlich nach Hause gekommen war, wusste er gar nicht mehr. Selbst wenn er es also geschafft hätte Akiko ein paar Details zu entlocken, er wusste nichts mehr davon. Immerhin hatte er es in sein eigenes Bett geschafft. Als er sich jedoch nach links Richtung Uhr drehte, um sich wieder in den regulären Fluss der Zeit einzuordnen, war er nicht schlecht überrascht Akiko neben sich im Bett liegend vorzufinden. Das er eine fast unbekannte Frau im betrunkenem Zustand mit nach Hause gebracht hatte war eigentlich noch nie vorgekommen und das er sich nicht mal mehr daran erinnern konnte was, machte es auch nicht unbedingt besser. Wie eingefroren lag er nun da und wusste nicht was er machen sollte. Er war nicht in Panik oder aufgeregt, einfach leer und nicht in der Lage irgendeine Entscheidung zu treffen oder gar aktiv zu werden. So lag er nun da und fixierte Akiko mit seinem abwesenden Blick. Sie war gar nicht hässlich und in etwa in seinem Alter. Die langen schwarzen Haare waren ein wenig zerzaust, sahen aber sonst sehr gepflegt aus. Sie hatte etwas feines in in ihrer Ausstrahlung. Die Gesichtszüge waren scharf und klar, aber nicht aggressiv. Eigentlich war er sogar ein wenig überrascht, dass eine so hübsche Frau mit ihm nach Hause gegangen war. Langsam schien sie aufzuwachen, die Augen öffneten sich und sie schaute ein paar Sekunden verloren an die Decke, bevor sie sich in seine Richtung drehte und ihn anlächelte.  "Guten Morgen Tetsu" Tetsu war nach wie vor verloren und wie er nun feststellte auch sprachlos und antwortet einfach mit einem, wie er hoffte, dezenten Lächeln "Na so was ist mir ja schon länger nicht mehr passiert, aber eine schöne Nacht war es ja schon, so viel Leidenschaft habe ich wirklich schon länger nicht mehr gespürt. Das hat mir echt gut getan. Danke dir Tetsu" Auch diese Aussage half Tetsu eher nicht seine Sprachlosigkeit abzulegen. Immerhin schaffte er es seinen möglicher Weise hilflos erscheinenden Blick von Akiko abzuwenden, sich wieder auf seinen Rücken zu drehen und einfach die weiße Decke zu betrachten. "Ich hoffe für dich war das alles auch OK Tetsu?" Es dauerte zwar ein paar Momente und ein kleines Räuspern, aber unter dem Druck antworten zu müssen, schaffte Tetsu es tatsächlich nun seiner Sprachlosigkeit ein Ende zu bereiten. „Ah, ich denke schon." und nach einer kleinen weiteren Pause "Wenn ich ehrlich bin kann ich mich aber nicht mehr an viel erinnern" "Ach, das ist schon OK. Es war ja einfach eine schöne Nacht und solange das jetzt niemandem Probleme bereitet ist doch alles OK" Tetsu war beeindruckt von der Abgeklärtheit dem Selbstbewusstsein Akikos. Nachdem was sie über ihre Beziehung mit ihrem Ex-Mann erzählt hatte, hätte er ihr dieses Selbstvertrauen gar nicht zugetraut. Abgesehen davon hatte er wahrscheinlich noch nie eine Frau getroffen die so direkt über all diese Sachen sprach. "Du Tetsu? Du hast gestern Nacht auf dem Weg hierher auch noch irgendwas von deiner Karriere als Journalist erzählst und wieviel Sorge du dir machst, dass du da nicht weiter kommst, dass dir einfach das Material fehlt." "Oh! Das habe ich erzählt?" "Ah, das ist dann wohl auch schon ein Teil an den du dich nicht erinnern kannst nehme ich an. Aber es stimmt doch?" "Ja schon, aber das habe ich eigentlich noch niemandem so wirklich erzählt, außer dir wie es scheint. Ich bin ja auch noch gar nicht so lange Journalist, also vielleicht mache ich mir da jetzt auch einfach unnötig Sorgen und muss dem Ganzen einfach ein wenig mehr Zeit geben" "Ja, das kann gut sein. Aber was ich eigentlich sagen wollte, wenn du magst kann ich dir gerne ein Geheimnis von der Tennofamilie erzählen. Du musst es natürlich weiter recherchieren und ich kann auch nicht sagen, wie sich das weiter entwickelt hat, seit dem ich meine Arbeit dort verlassen habe. Aber so als Ansatz für eine Story wäre das doch vielleicht OK oder?" “Natürlich wäre das OK. Es wäre sogar großartig!"  “Ich mochte die Leute dort nicht wirklich und sie haben mir zwar ein nicht unerhebliches Schweigegeld gezahlt, aber ich denke nach all den Jahren, ist es jetzt eh nicht mehr zurückzuverfolgen, also warum nicht. Ich wollte die Story eh immer schon mal jemandem erzählen.“ Nach einem kurzen Moment des Nachdenken, setzte sie ihre Erzählung fort "Also im Wesentlichen geht es darum, dass die Tochter des Kaisers in relativ jungem Alter eine Affäre mit einem Austauschschüler aus Europa hatte. Wie die Beiden sich überhaupt treffen konnten ist unklar, auf jeden Fall haben sie sich getroffen und das Resultat war, dass die Prinzessin mit sechzehn plötzlich Schwanger war. Hätte die Familie das früher  herausgefunden hätten sie wahrscheinlich auf eine Abtreibung gedrängt, die Prinzessin hat es aber geschafft das ganze bis fast zum 7. oder 8. Monat geheim zu halten, so war dann nicht mehr an Abtreibung zu denken. Es blieb aber der Fakt, dass alles an diesem Kind unmöglich war für die kaiserliche Familie. Eine nicht zu legitimierende Affäre mit sechzehn, dazu noch mit einem Ausländer, die ein Kind hervorbrachte, dass nun zwar nicht auf der männlichen Seite der Thronfolge auftauchte, aber Teil der Familie war und da es noch keine Nachkommen des Prinzen gab, war dieses Kind zu dem Zeitpunkt auch noch ein möglicher Thronfolger. Da außerhalb des Kaiserhauses niemand von dieser Schwangerschaft wusste, nicht mal der Vater, der bei der Geburt schon nicht mal mehr in Japan war, wurde entschieden das Kind geheim zu halten. Er wurde wie ein bunter Fisch im Wasserglas des Kaiserpalast eingeschloßen. Natürlich war das ein sehr luxuriöses Wasserglas, es blieb aber ein Wasserglas, außerhalb wessen er, aus der Sicht der Familie, nicht lebensfähig war. Eigentlich war es auch nicht einfach nur luxuriös es war sozusagen ein auf den Kopf gestelltes Wasserglas, welches nur Blicke von innen nach außen erlaubte. Der Junge konnte der Welt da draussen beim Schwimmen, Leben und passieren zuschauen, die Welt hatte allerdings keinen Möglichkeit diese Blicke zu erwidern." Akiko machte ein kleine Pause und schien sich ein wenig in ihren Erinnerungen zu verlieren "Als der Junge 5 wurde habe ich dann dort aufgehört. Ich weiß also nicht was aus ihm geworden ist, ich weiß nur dass er ein besonderer, kleiner Junge war und hoffentlich den Weg in ein glückliches Leben gefunden hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er immer noch im Palast lebt, aber so wirklich beurteilen kann man das bei dieser Familie natürlich nicht." Akiko verschwand wieder mit ihren Gedanken in der Vergangenheit. Tetsu glaubte den Anflug eines Lächeln in ihrem Gesicht wahrzunehmen, war sich allerdings auch nicht sicher. Nach ein paar Minuten die sie so schweigend dagesessen hatten stand Akiko plötzlich und unvermittelt auf. "Tetsu, es war schön mit dir. Danke, fürs zuhören. Ich glaube, dass war eine Geschichte, die ich ihrer Unglaublichkeit wegen, schon lange mal erzählen musste." Das waren ihre letzten Worte. Da Tetsu nicht so richtig wusste was er erwidern sollte, sagte er einfach nichts, lächelte nur verständnisvoll und sah zu wie sie ging. 
Akiko hat er seit diesem Tag nicht wieder gesehen, aber die Recherchen zum illegitimen Sohn der Kaiserfamilie, die waren nach wie vor ein Teil seines Lebens und hatten ihn schon durch Japan, bis in die Karibik und nun auch bis nach Berlin geführt. Für Akiko war dieser morgen wahrscheinlich der endgültige Abschluss, einer sehr alten Geschichte gewesen, für Tetsu bedeutete es den Beginn einer scheinbar unendlichen Aufgabe. 
Hier saß er nun an seinem Fenster in Berlin und beobachtete den improvisierten Waschsalon gegenüber. Meist war das nicht gerade aufregend, jetzt kam aber zum Glück gerade mal wieder ein Gast mit einem großen Rucksack, der nach Wäsche aussah. Die junge Frau ging damit auch zielstrebig in den Salon. Wie schon Yolo zuvor, so übersah auch Tetsu den dunklen Schatten der Rasa folgte. 
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Rasa wäscht
Auch eine kleine Soundanlage hatte Karpfen hier im Salon. Nichts außergewöhnliches, aber das uralte Radio von Braun funktionierte und hatte einen sehr angenehmen warmen klang. Irgendwie klang alles daraus so, als ob es von einer alten Vinylschallplatte kommen würde. An dem Braun Radio hatte er einen iPod mit seiner gesammelten Musikbibliothek angeschlossen, Radio hörte er zwar auch ab und zu, aber eher selten. Zusätzlich hatte er auch noch einen Kassettenrekorder installiert und schmiss gelegentlich mal eines der alten Mixtapes aus Jamaika rein, hauptsächlich hörte er mittlerweile aber seine Musik vom iPod. Gerade lief der unvermeidliche Bob Marley and the Wailers mit "Small Axe", produziert von Scratch Perry. Es war ein gutes Lied zum Gras rauchen, auch mochte er die Metapher von der kleinen Axt, die geschärft ist, um den großen Baum zu fällen. Man brauchte also nur das richtige Werkzeug um große Veränderungen zu erreichen. Das war auch einer der Gründe warum er die Besitzer hier ihren Aktivitäten nachgehen lies. Viel Aussicht auf Erfolg hatten sie ja nicht, aber immerhin versuchten sie mit ihrer kleinen Axt etwas auszurichten, auch wenn diese Axt eine stumpfe war, wie Karpfen fand. Es gab also auf der einen Seite das Werkzeug, die viel wichtigere Frage war es jedoch welchen Baum man fällen wollte. Je nach dem wie dick der Baum war und wie das Holz beschaffen war, brauchte man unter Umständen ein ganz anderes Werkzeug, vielleicht eine Säge anstatt einer Axt zum Beispiel.
Bevor er sich groß Gedanken über all die anderen möglichen Werkzeuge zum Fällen eines Baumes machen konnte, spazierte Rasa durch die Tür. Sie war schon eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen, so wie es aussah hatte sie heute aber einen prall mit Wäsche gefüllten Rucksack dabei.
„Hallo Karpfen" „Hi Rasa" „Ich müsste mal meine Wäsche waschen" „Na klar, du weißt ja wie das hier funktioniert. Bedien dich einfach." „Dass mach ich!“ sagte sie und spazierte nach hinten zu den Maschinen. Rasa war einer dieser Menschen der hier nicht schon mit fein vorsortierter Wäsche ankam, sonder nach der Ankunft erst mal die Wäsche organisieren musste. Zum Glück für Rasa waren gerade zwei Maschinen frei, so dass sie dunkel und hell einfach getrennt einräumen konnte. So wie es aussah war Rasa auch keiner dieser Menschen der Wäsche in fünf oder mehr verschiedene Kategorien unterteilte. Hell und dunkel ja, dass trennte sie, aber schwarz separieren und noch mal sowohl dunkel als auch hell nach Fein-, Normal-, oder Kochwäsche trennen, war nicht Teil ihrer Waschstrategie. Nachdem sie ihre Wäsche einsortiert und die Maschinen in Gang gesetzt hatte, kam sie zurück nach vorne, setzte sich auf einen zufällig im Raum übrig gebliebenen Stuhl und schaute Karpfen an. Sie schien heute hier zu sein, um zu reden. Das könnte interessant werden, oder auch belanglos, aber Karpfen war in dieser Hinsicht Optimist und hoffte auf ein bereicherndes Gespräch.    Unvermittelt eröffnete Rasa dann auch das Gespräch. „Ich hab gestern nen Kerl getroffen, der war komisch“ In der Erwartung, dass es ein wenig länger dauern könnte, zog Karpfen noch einmal lang und kräftig an seinem Joint, bevor er ihn zur Seite legte und sich Rasa zuwandte. „Witzig komisch oder merkwürdig komisch?" „Mmm, also eigentlich ein wenig von Beidem“ Karpfen konnte da nur anerkennende nicken und auf weitere Erläuterungen warten „Also dieser Kerl wollte mir erzählen, dass die großartigste Erfindung des Jahres Coftea wäre. Da gießt man kochenden Tee auf und benutzt das Teewasser um damit Filterkaffee zu machen. Das wäre dann also quasi ein Filterkaffee mit Teeinfusion oder so. Damit könne man ganz neue komplexe Aromen und Geschmacksrichtungen erzeugen. Was soll der Scheiß, was ist den verkehrt mit den Leuten, warum können die nicht einfach normalen Kaffee trinken!" Bevor Karpfen etwas auf diesen Ausflug in die Kaffeesubkultur erwidern konnte, klingelte Rasas Telefon. Ein bisschen genervt schaute Rasa auf das Display. Mit einem entschuldigendem Blick und einem "Sorry Karpfen, ich glaub da muss ich ran gehen" zog sich Rasa in Richtung der Waschmaschinen zurück und ging ran. Da der Raum nun aber sehr begrenzt und es direkt an den Maschinen zu laut war, kam sie nicht besonders weit. So durfte Karpfen zumindest an Rasas Seite der Unterhaltung, Teil haben.    "Hi Mama, was ist denn?" " ..... " "Ja Mama, das weiß ich doch. Ich war heute früh schon beim Jobcenter und hab mir ein paar großartige Hinweise abgeholt. Ist immer wieder eine große Freude, war aber sogar fast unterhaltsam heute. Na ja, meine Unterschrift hab ich auf jeden Fall" " .... " "Ja ja, nur weil du ständig irgendwelche Projekte machst, heißt das ja nicht unbedingt, dass ich nicht auch mal ein wenig Pause machen kann!" " .... " "Ist schon gut, wenn mir wirklich langweilig wird komm ich dich vielleicht einfach mal spontan besuchen, wer weiß" " .... " "OK, vielleicht komm ich doch lieber nicht. Mich nerven diese ganzen Meinungen und Vorschläge gerade. Jeder erzählt mir was anderes und alle denken sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Was noch viel schlimmer ist, ich kapiere die Leute einfach null. Die erzählen das Eine und machen einfach nicht die Sachen die zu den Aussagen passen. Da sagt dir jemand, dass er unkompliziert und stabil ist und dann ist es der komplizierteste Mensch denn du je getroffen hast. Ich hab auch keinen Bock mehr auf die Leute, die mir die ganze Zeit die Ohren vollheulen mit ihren ach so dramatischen Problemen, die sie sich aber im Endeffekt alle immer selber einbrocken." " .... " "Du lebst ja auch in deinem eigenem Paralleluniversum!" " .... " "Ok, ich überlegs mir, ist aber sonst alles soweit wie immer hier." " .... " "Bis demnächst Mama" " .... " "Tschüss" " .... " "Ja ok. Bis dann!" Waren ihre letzten Worte bevor sie möglichst schnell aufzulegen schien, um weitere Nachfragen und Verabschiedungen zu vermeiden. Nach einem paar kräftigen Atemzügen, verstaute sie das Handy wieder und kam gemächlichen Schrittes wieder nach vorne zu Karpfen.    “Tut mir Leid Karpfen" "Gar kein Problem"  „Das war meine Mutter und wir haben schon ein paar Tage nicht mehr geredet. Ich meinte eigentlich, dass ich sie gegen Mittag anrufe, aber jetzt ist es ja schon Nachmittag geworden." „Na das passiert doch schon mal" „Ja klar, sie wollte nur später wieder ins Studio und dann erreicht man sie halt nicht mehr, deswegen bin ich ran gegangen. Das mit dem Planen ist nicht so meine Stärke. Eigentlich wollte ich ursprünglich zu meinem alten Stammwaschsalon am Rosenthaler Platz, der der von den Zwillingen geführt wird, aber als ich davor Stand, hab ich mir gedacht, neee, ich fahr lieber mal hoch in den Wedding zu Karpfen. Hab gerade keinen Bock auf Leute und dort war es echt voll von Leuten" „Alles klar, alleine bist du hier aber auch nicht" „Ja, aber es ist schon wesentlich ruhiger"  „Das stimmt. Deine Eltern leben wohl nicht in Berlin" „Ne, meine Mutter lebt gerade in Island, ist aber auch die meiste Zeit in Bewegung." „Also wenn du Stress hast, ich hör dir gerne zur" „Das ist nett Karpfen. Als ich rein gekommen bin, sahst du so in deine Gedanken vertieft aus, da hab ich mich fast nicht getraut dich anzusprechen" „Ach das ist schon OK. Was schreckt dich den aktuell so von Menschen ab?" „Mmm, wie erklär ich das jetzt?“ Rasa spitze die Lippen und schien darüber nachzudenken, wie sie ihre verflochtenen Gedanken und Gefühle nun in Worte fassen sollte. Nach einem Moment schien ihr da eine Idee gekommen zu sein „Also da ist dieser Kerl, der will einfach nicht aufhören zu tanzen" „Also dass musst du schon ein bisschen genauer erklären Rasa" „Na ja, wir waren zusammen trinken und es war toll, wirklich sehr schön. Wir haben getrunken und getanzt, alles wie man es sich wünscht. Aber irgendwann war dann die Musik aus und der Kerl hört einfach nicht auf zu tanzen! Obwohl der Laden schon leer war und ich nur fragend am Rand der Tanzfläche stand und offensichtlich los gehen wollte, hört er einfach nicht auf. Er schien es aber nicht zu raffen und winkte mir ständig zu, ich solle doch auch wieder auf die Tanzfläche kommen. Ich hab mir das halt ne Weile angeschaut, bin mal hin und hab versucht mit ihm zu reden, aber er lies sich einfach nicht überzeugen. Es hat mir echt ein bisschen leid getan, ihn da so zu sehen und ich hab mich auch tierisch schwer getan, aber schlussendlich ist es mir dann endgültig zu blöd geworden und ich bin halt ohne ihn gegangen und das wars dann." „Die Geschichte ist wohl eher eine Metapher für etwas was dir da passiert ist nehme ich an" „Richtig" „Na ja, wenn ich mal eine andere Metapher basteln darf, vielleicht habt ihr ja einfach Kopfhörer getragen auf denen jeweils eure eigenen Musik gelaufen ist. Manchmal sieht es dann so aus, als ob man mit jemandem im gleichen Rhythmus tanzt, aber eigentlich ist das nur Zufall. Wenn dann der nächste Song kommt, passt wieder gar nichts mehr zusammen. Da hilft es eigentlich nur die eigenen Kopfhörer für einen Moment abzunehmen und sich ganz nah aneinander anzulehnen, um ein wenig von der Melodie zu hören die da beim Anderen läuft. Dann kann man vielleicht versuchen ganz langsam im gleichen Rhythmus zu tanzen. Mit ganz viel Erfahrung, schafft man es vielleicht sogar jeweils einen Ohrhörer zu tauschen und zu der Kombination von beiden Liedern zu tanzen." „Es hat sich irgendwann definitiv nicht mehr so angefühlt, als ob wir die gleichen Lieder hören würden" „Es ist natürlich auch wichtig, ob der andere ein guter Tänzer ist. Damit kann man ja einiges kompensieren" „Ich denke er war sogar ein hervorragender Tänzer, wenn der Tanz aber nicht zur Musik passt, sieht das trotzdem albern aus. Es ist echt eine Schande, dass wir nicht in den gleichen Takt gefunden haben, aber ich kann und will auch nicht ewig warten oder die Verantwortung für die Unfähig von jemand Anderem übernehmen. Dann ist halt auch irgendwann mal gut." „Durchaus, du bist ja auch keine Tanzlehrerin” „Ach, keine Ahnung, das Leben kommt echt immer mit neuen Aufgaben. Wenn man gerade den 4x4 Rubik Cube gelöst hat, dann kommt einer mit 5x5 Feldern und danach einer mit 6x6 und so weiter und so weiter." „Du puzzelst wohl nicht so gerne?" „Neee, überhaupt nicht. Ich versuche in der Regel darauf zu achten immer bei Sachen zu bleiben die mir Spaß machen und in regelmäßigen, nicht zu langen Abständen immer mal wieder meinen Kopf komplett durch zu blasen" „Und wie machst du das mit dem durch blasen?" „In der Regel mit Parties. Musik, Alkohol vielleicht auch etwas MDMA oder auch mal ein wenig LSD und dann komplett im Moment aufgehen und einfach alles gehen lassen. Dann fliege ich für einen Moment davon und alles andere ist scheiß egal" „Du stellst sozusagen für einen Moment die Schwerkraft aus und springst wild durch die Gegend." „Ja, so kann man das auch ausdrücken. Das tut mir ab und zu echt gut!" „Na Rasa, du musst aber schon drauf aufpassen, dir dabei nicht den Kopf zu stoßen, oder das Bein zu brechen, sonst wird’s eventuell schmerzhaft" „Ja, das ist mir leider auch schon mal passiert, aber eigentlich immer nur kleinere Beulen und Schürfwunden, das geht schon." „Mein Ziel ist es eher die Schwerkraft für mich permanent irrelevant zu machen, es wäre mir dann sozusagen gleichgültig, ob sie da ist oder nicht und ich muss sie erst gar nicht ausschalten oder so." „OK klingt auch nicht schlecht. Und schaffst du das?" „Manchmal besser, manchmal schlechter, aber ich bin auf dem Weg dahin" „Ich denk auch immer wieder, jetzt hab ich das alles im Griff und just in dem Moment knall ich wieder der Länge nach hin und am besten auch noch mit dem Gesicht direkt in ein Schlammloch" „Dass passiert natürlich auch manchmal. Ich finde es ein wenig traurig wie ihr Generation Y Menschen von einer Sinnkrise zur Nächsten taumelt. Alles im Namen der Freiheit und Selbstverwirklichung, für einen besseren Planeten und was auch noch. Und das, obwohl man doch nur wirklich frei sein kann wenn man sich von all diesen Drängen und Zielen unabhängig macht." 
Rasa's Aufmerksamkeit hatte diese letzte Aussage von Karpfen wohl nicht mehr erhalten. Sie schien sich wieder in ihren eigenen Gedanken zu verlieren und widmete sich voll und ganz dem reaktionslosen in die Luft Starren. Da Karpfen auch keine Veranlassung sah die entstehende Stille zu unterbrechen blieb es auch erst mal dabei. „Karpfen, ich denke ich dreh mal ne Runde um den Block, bis meine Wäsche fertig ist" „Na klar, tu dir keinen Zwang an. Ich bin hier." „Bis später!" 
Rasa drehte ihre Runde und kam nur einen kurzen Moment, nachdem ihre Wäsche fertig war, wieder durch die Tür spaziert. Sogar die Trocknerfunktion war schon durchgelaufen. So legte sie ihre Wäsche zusammen, dankte Karpfen für das Gespräch und sagte lächelnd auf Wiedersehen. Bevor sie das tat lud sie Karpfen aber noch zu der Party der Besitzer am Donnerstag ein. Falls er es vielleicht doch auch mal mit dem Kopf durch pusten versuchen wolle. Karpfen bedankte sich und sagte er würde es sich überlegen, in Betracht zog er es aber nicht. In seinem Kopf brauchte niemand etwas durch zu pusten, da wurde regelmäßig gut gelüftet.
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Tab wäscht
Nach einem ereignislosen Tag im Museum, war Tab nun voller Vorfreude auf einen ereignislosen Abend im Waschsalon. Es gibt Orte, die sind einfach nur ganz normale Orte und dann gibt es Orte, die einen in ihren Bann ziehen mit ihrer außergewöhnlichen Patina. Die dritte Kategorie sind dann eigentlich stinknormale Orte, die quasi einen kurzen Urlaub in der Außergewöhnlichkeit genießen dürfen. Orte die für einen Moment ihre Gewöhnlichkeit ablegen und von der Magie des Augenblick verzaubert werden. Wie das halt bei Magie so ist, sie hält nicht ewig, färbt aber immerhin ein wenig ab. Zumindest für die Menschen die diesen Augenblick erleben durften, bleibt ein wenig Magie zurück an diesem Ort. Für ihn war der Waschsalon ein besonderer Ort, vielleicht sogar ein magischer. Man sprach ja manchmal von diesem Moment der Klarheit, für ihn persönlich war der Salon einfach ein Ort der Klarheit. Wann immer er hierher kam, die Sachen wurden meist ein wenig klarer. Es gab keine Garantie, aber dabei zuzusehen wie seine Wäsche, in der sich drehenden Trommel, langsam von verschwitzt und verschmutzt zu sauber und frisch transformierte, beruhigte und half ihm seine Gedanken zu sortieren. Ab und zu ergab sich auch ein Gespräch mit Karpfen, dem Betreiber des Salon. Diese Gespräche waren häufig von der interessanten Sorte. Sie halfen nicht immer bei der Klarheit, aber sie gaben ihm doch meistens eine andere Perspektive auf die Dinge.
Er hatte Bunt- und Weißwäsche schon in jeweils einer Maschine deponiert und die Reinigungstransformation initiiert. Jetzt gab es nichts mehr zu tun als zu warten bis sich die beiden Maschinen, mit dem finalen, vermeintlich über den Dreck triumphierendem, Piepen bemerkbar machten. Während die Wäsche sich in der Trommel drehte, hatte er zumindest ein sehr vorhersehbares Ziel. Es war einfach zu erreichen und er hatte alles was er dafür tun musste schon getan. Das war wesentlich greifbarer als vieles andere in seinem Leben gerade. Alles war möglich, aber alles war eben auch recht viel auf einmal. Beziehungen mit Menschen, egal welcher Art, waren einfach nicht so seins. Da beschäftigte er sich doch lieber mit der Uhr die hier im Salon an der Wand hing.
Die Uhr an der Wand war stehen geblieben, dem Staub auf ihr zu folgen wahrscheinlich schon vor langer Zeit. Es war keine besondere Uhr, eine einfache Wanduhr, wahrscheinlich aus den 60er Jahren. Die Zahlen waren groß und deutlich, es gab Minutenstriche und in kleinen Buchstaben stand Jundes auf dem Ziffernblatt. Die Zeiger waren eher von der massiven Sorte, aber auch das hatte sie nicht am anhalten hindern können. Sie wiesen störrisch, ohne Rücksicht auf ihre Umgebung und den Verlauf der Welt, einfach konstant auf die Zeit hin, zu der sie sich entschieden hatten den Dienst einzustellen. 4.18 um genau zu sein. Ob Nach- oder Vormittag war nicht mehr zu ermitteln, egal wie lange man diese Uhr nun betrachtete, die Zeiger verweigerte jegliche Hinweis darauf. Er fragte sich manchmal was wohl um 4.18 passiert sein mag. Vielleicht war es früh am morgen und es war einfach keine Menschen Seele im Laden gewesen, ein Zahnrad hatte das andere verloren und die Bewegung war aus der Uhr gewichen. Es konnte natürlich auch etwas weit interessanteres die Uhr zum Stehenbleiben bewegt haben. Konnte es sein, dass die Zeit ein geheimes Signal gewesen war, sozusagen von einem Konspirateur an den Anderen. Der erste hatte die Uhr zu einer ganz bestimmten Zeit lahm gelegt, um damit eine geheime Nachricht an den Zweiten zu senden. Was konnte dann nur diese geheime Botschaft gewesen sein? Solche und andere, größtenteils sinnlosen, Gedanken gingen ihm öfter durch den Kopf, wenn er hier so saß und seine Wäsche wusch. Es war einfach ein Ort der irgendwie zum Denken einlud. Obwohl Zeit hier beim waschen natürlich immer irgendwie eine Rolle spielte, so fehlte sie hier doch auch irgendwie. Es war nicht nur die Uhr, die ja quasi der Inbegriff der fehlenden Zeit war, es war der Ort an sich, dem die Zeit abhanden gekommen war.
Der Waschsalon war ein unheimlich wertvoller Ort für ihn geworden, hier konnte er seine abgefuckte Wirklichkeit an der Tür abgeben und für einen Augenblick vergessen, zumindest gelang ihm das hier wesentlich besser als an den meisten anderen Orten. Die letzten paar Wochen hatten die Situation nur noch komplizierter gemacht, so kompliziert, dass er gestern noch extra Sport gemacht hatte, damit er ein wenig Wäsche hatte, um wieder in den Salon zu kommen und die Zeit anzuhalten.
„Sag mal Tab“ Ohne das Tab es gemerkt hatte war Karpfen zu ihm rüber gekommen und hatte ihm schon einen Moment beim nachdenken zugesehen. „Tab ist doch dein richtiger Name oder?" „Ja, ja, Tab ist richtig" „Sag mal Tab, wenn du so in die sich drehende Waschmaschinentrommel starrst, was denkst du da so?" „Mm, schwer zu sagen. Meistens wahrscheinlich nichts so richtig strukturiertes. Dies und das was halt gerade so in meinem Kopf rum wandert, warum?" „Also wenn ich hätte wetten müssen, hätte ich gesagt, dass du über deine Familie oder eine Liebesbeziehung nachdenkst.“ „Oh, wie kommst du denn darauf?" „Keine Ahnung, nur so ein Gefühl. Da ist eine gewisse, tief sitzende Traurigkeit in deinem Blick." Viel mehr als ein brummen und eine ausgedehntere Pause hatte Tab da erstmal nicht als Antwort zu bieten. Nachdem er sich wieder ein wenig sortiert hatte schaffte er es dann schließlich doch noch. „Beobachtest du alle deine Gäste hier so genau?" „Na ja, Zeit habe ich ja und Interesse an Menschen auch. Es sind natürlich nicht alle Menschen die hier in den Laden spazieren Interessant. Manche haben Tiefe und Komplexität, andere weniger" „Und bei mir siehst du da Tiefe?" „Schon. Weißt du, mich faszinieren diese Welten oder Universen oder wie man das auch immer nennen sollte, die hinter den verlorenen Blicken der Menschen hausen." „Universen? Wovon redest du da Karpfen?" „Na unsere subjektive Welt besteht zu einem gewissen Teil daraus was da draussen um uns herum passiert, den viel größeren Teil unserer Welt tragen wir aber doch immer mit uns herum. Quasi unsere Gedankenwelt. Das ist ein riesiger, komplexer Planet auf dem wir irgendwie zufällig gestrandet sind und auf dem wir versuchen uns zurecht zu finden. Wir versuchen zu verstehen was da überhaupt los ist und was wir machen müssen oder auch lassen sollten und immer wenn wir gerade das Gefühl haben einen kleinen Teil davon verstanden zu haben, tut sich eine neue Facette dieses Planeten auf, die uns komplett unverständlich ist." „Ein Planet also. Ganz für mich alleine. In der letzten Zeit verbringe ich ganz schön viel Zeit auf diesem Planeten" „Ach, das tun wir doch eigentlich alle. Natürlich einige mehr als andere, aber ohne diesen Planeten sind wir ja gar nicht lebensfähig. Wenn du mich nach dem Sinn des Lebens fragen würdest, dann würde ich zumindest in manchen Momenten antworten, dass es die Erforschung unseres Planeten ist. Es ist das einzige was niemand außer uns machen kann und was niemandem außer uns selbst etwas gibt oder nimmt. Das ganze Leben lang versuchen wir Rätsel und Puzzle auf diesem Planeten zu lösen wie Level in einem Videospiel, nur dass wir nie den Endboss zu sehen bekommen.“ „Ich glaube mein Planet ist überfüllt von Rätseln und Irrgärten in denen ich mich ständig verlaufe." „Zumindest haben wir immer mit mehreren gleichzeitig zu tun, fangen neue an und vergessen ein paar ungelöste ältere." „Aber unabhängig von dieser greifbaren Welt da draußen ist dieser Planet doch auch nicht." „Nee, da hast du recht Tab. Die Realwelt spielt bei den meisten Puzzeln natürlich auch eine Rolle. Dazu bewegt und entwickelt sich diese Welt natürlich auch noch ohne Unterbrechung. Wir sind also im Prinzip unentwegt orientierungslos ohne wirkliche Ahnung davon wo wir da gerade sind, nur die Puzzle, die haben wir meist direkt vor uns, manche das ganze Leben lang." „Ich mag Puzzle eigentlich nicht besonders" Karpfen konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen" „Ich beschäftige mich auch lieber mit den Puzzeln der Anderen als mit meinen eigenen. Das was ich vorhin als tiefsitzende Traurigkeit in deinem Blick beschrieben habe. Eigentlich ist das der Blick von jemandem der schon seid ewigen Zeiten an einem echt schwierigen Puzzle sitzt, dass leider irgendwie einen wichtigen Teil des Planeten blockiert. Wir wollen auf die andere Seite, aber wir kommen einfach nicht an diesem Puzzle vorbei und wenn es schlecht läuft geben wir irgendwann auf.“ Das Gespräch war Tab jetzt dann doch eine Nummer zu abstrakt geworden. Am liebsten hätte er jetzt seinen Planeten samt seiner Wäsche eingepackt und hätte sich zuhause die Komplexität mit ein wenig Whiskey einfach getrunken. Da die Wäsche aber noch nicht fertig war und er auch eingesehen hatte, dass sich die Welt einfach trinken, nur eine sehr temporäre Lösung war, blieb er einfach sitzen und fand sich damit ab, dass er da wohl schon sehr lange an einem Puzzle saß, das er nicht zu lösen vermochte. „Ab und zu wenn ich da sitze, denke ich sicherlich auch über meine Eltern nach. Wobei das zumindest bei meiner Mutter recht schwer ist. Die habe ich nämlich niemals kennengelernt. Ich denke also eher darüber nach was für ein Mensch sie wohl sein mag und ob sie mir fehlt obwohl sie mir ja eigentlich gar nicht fehlen kann, da ich sie ja nie hatte." „Klingt in der Tat nach einem komplizierten und längerfristigen Puzzle an dem du da knabberst Tab." „Kann man so sagen. Mit meinem Vater ist es dann auch nicht so ganz einfach. Er hat mich glaube ich ganz gut groß bekommen, die meiste Zeit ist er aber unterwegs. Früher eine zeitlang etwas weniger, aber seid ich 16 oder 17 bin dann doch die meiste Zeit." „Warum ist er denn so viel unterwegs?" „Darüber redet er nicht. Es ist wohl sein Beruf, aber was er genau macht ist mir auch nicht klar. Es scheint irgendwas mit Technologien, Daten und Computern zu sein, aber wirklich davon erzählt hat er nie, obwohl es sogar seine eigene Firma ist. Besucht habe ich ihn aber auch nie bei der Arbeit. Es ist also alles ein wenig mysteriös" „Danach gefragt was er macht, wo, warum und all das hast du also nie?" „Ich denke nicht, es interessiert mich ehrlich gesagt auch gar nicht." „Klingt nach einer schwierigen Beziehung." „Könnte man vielleicht so sagen, wobei wir beide, mit unserer Beziehung nicht besonders unzufrieden sind, nur reden tun wir halt nicht besonders viel.“ „Probleme auf irgend einem Level hat ja auch fast jeder mit seinen Eltern. Ich bin da auch keine Ausnahme." „Ja, Probleme haben wir alle, das hab ich auch schon festgestellt." „Ich finde diese Welten, die die Menschen mit sich rum tragen, auf jeden Fall unglaublich interessant. Am liebsten würde ich mir einen Paraglider leihen und in der ein oder anderen Welt mal eine Runde drehen." „Paraglider fliegen soll ja nicht so ganz einfach sein, besonders wenn man die Windverhältnisse nicht kennt. Da sollte man doch schon aufpassen." Karpfen konnte nicht anders als breit, grinsend zu lachen. „Tab! Da hast du absolut Recht! Zumal ich auch noch keinen Paragliderverleih ausfindig gemacht hab." Nach ein paar Augenblicken des gemeinsamen Schweigens, hatte Karpfen dann schliesslich noch etwas zu sagen. „Manchmal ist die Schwerkraft halt ein wenig schwerer. Ich glaube es wäre nicht unbedingt das Schlechteste, wenn du dieses Licht in deinem Kopf, das diese schweren Gedanken die ganze Zeit wie ein Magnet an die Oberfläche zu ziehen scheint, mal für einen Moment ausmachen könntest“ „Das wäre nicht schlecht. Dazu müsste ich aber erst mal den Schalter finden. Der Strom scheint dem Licht zumindest nicht auszugehen und die Glühbirne ist auch sehr Haltbar" „Für mich ist das zwar nichts, aber eine Bekannte von mir schwört ja darauf, sich ab und zu mal den Kopf durchzublasen." „Und wie macht sie das, deine Bekannte?" „Rasa heisst sie und machen tut sie das in dem sie die Nacht durch macht, auf Parties, mit Alkohol und auch mal mit Pillen wie es scheint." „Also sie geht feiern meinst du. Das ist ja jetzt nicht unbedingt die Neuerfindung des Rades. Pillen sind allerdings nicht so meins, Alkohol trinke ich aber schon ganz gerne. War auch echt viel zu lange nicht mehr unterwegs. Nicht der schlechteste Ansatz würde ich sagen" „In Berlin ist ja immer was los, da solltest du keine Probleme haben was zu finden. Wobei ich dich ja schon immer mal mit den Besitzern zusammenbringen wollte. Die würden dein Wissen über leere Orte bestimmt zu nutzen wissen." „Das klingt jetzt aber nicht nach Party?" „Ach doch, die feiern ja regelmässig Parties, das ist sozusagen ihre Einkommensquelle. Am Donnerstag ist da wieder eine. Rasa scheint auch hinzugehen, es sollte also durchblastauglich sein" „Donnerstag habe ich zumindest noch nichts vor, aber alleine will ich eigentlich auch nicht zu sowas hin." „Na ja, ein anderer Bekannter von mir will da auch hin und könnte auch noch Begleitung gebrauchen. Tetsu ruft dich einfach am Donnerstag an und dann könnt ihr ja schauen, ob ihr da zusammen hin geht. Vorher hat er keine Zeit, aber am Donnerstag wird er sich bestimmt melden, was hältst du davon?“ Ohne auf die Antwort zu warten holte Karpfen einen kleinen Ringblock und einen Bleistift von seinem Tisch und hielt Tab beides entgegen. Tab hatte einen kurzen unsicheren Moment. Wollte er wirklich, dass ihn dieser Tetsu anrief? Aber dann schrieb er seine Nummer einfach doch auf. So richtig schaden konnte es ja auch nicht. Wenn es ihm nicht passte, konnte er ja immer noch noch absagen. "Ach und er ist Japaner, gut Deutsch kann er nicht, aber Englisch sollte gehen“ fügte Karpfen noch an. „Alles klar, ich überlegs mir. Ist Tetsu denn einer von den Besitzern?" „Nein, Tetsu hat nichts mit den Besitzern zu tun. Um ehrlich zu sein, kennt weder Tetsu mich noch ich ihn so wirklich. Mir wurde nur von ihm erzählt und es klingt so, als ob es Sinn für ihn macht die Besitzer kennenzulernen, das habt ihr also gemeinsam." „Na mal schauen, was das wird. Tetsu ruft mich also an und wenn mir danach ist gehen wir zusammen zu dieser Besitzerparty" „Genau! Hier hast du noch die Infos zur Party, damit du auch weist wo ihr hin müsst! Sag am Einlass einfach, dass dich Karpfen schickt, das sollte reichen.“ Karpfen hielt ihm einen Zettel mit ein paar Handgeschriebenen Zeilen entgegen, den er vom gleichen Ringblock riss, auf den Tab gerade seine Nummer geschrieben hatte. Tab faltete ihn zwei Mal und packte ihn in seine linke Hosentasche. Er hatte ja bis Samstag noch ein paar Tage Zeit zum lesen. 
Als ob er mit dieser Transaktion seine Mission erfüllt hätte, zog sich Karpfen genauso plötzlich wie er neben Tab aufgetaucht war, wieder in seine angestammte Ecke zurück und ließ Tab hier wieder allein mit seinem Universum und seiner sich transformierenden Wäsche. Nach einigen Minuten war dann auch die Waschmaschine, inklusive Trockner durchgelaufen und Tab machte sich nach  einem Dank für die Partyeinladung und einer kurzen Verabschiedung auf den Heimweg.
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Tetsu wartet
Gestern waren der Junge und das Mädchen im Abstand von einigen Stunden im Salon gewesen, mehr war nicht passiert. Heute war Dienstag und Tetsu war unglaublich langweilig. Wie ein in die jähre gekommene Hausfrau hockte er hier am Fenster und wartete auf ein bobachtenswertes Ereignis. Nur ein gutes weiches Kissen fehlte ihm zur Vollkommenheit dieses Bildes und natürlich, dass er die meiste Zeit das Fenster geschlossen hielt. Er wollte ja nicht zu sehr auffallen. Er schrieb nebenbei an einigen kleineren Artikeln für seinen Verlag, ewig würde das aber bestimmt so nicht funktionieren. Die meiste Zeit starrte er mit glasigem Blick in Richtung des Salon und lies seine Gedanken, Erinnerungen und Assoziationsketten freien Lauf bei der Entfaltung. Bei seinen Recherchen hatte er schon etliche Durchbrüche gefeiert, gedacht fast am Ziel zu sein und jedes mal tat sich nur kurze Zeit später wieder eine überaus solide Betonmauer direkt vor seiner Nase auf. Man konnte ihm aber auch nicht gewisse Erfolge absprechen. Er hatte herausgefunden, dass der Junge wohl existierte, zumindest hatte er einen deutschen Lehrer gefunden, der fast 10 Jahre im Palast als Lehrer gearbeitet und ein kleines Kind unterrichtet hat. Der Lehrer selbst war allerdings irgendwann spurlos von der Bildfläche verschwunden. Gesehen oder geredet hat er mit diesem vermeintlichen Lehrer nie, nur Zugang zu ein paar Unterlagen erlangt, die bestätigten, dass dieser Lehrer im Palast gearbeitet hat. Die öffentlich bekannten Palastkinder gingen alle auf Privatschulen in Tokio, der Lehrer jedoch, arbeitete überwiegend im kaiserlichen Anwesen in Shimoda auf der Halbinsel Izu und auch der Zeitraum würde perfekt zu dem versteckten Kind passen. Als Beweis reichte das natürlich in dieser Form noch nicht. Er hatte gehofft diesen Lehrer irgendwie aufspüren zu können, aber der angegebene Name schien nicht echt zu sein und Menschen die ihn kannten, konnte er auch nicht auftreiben. Die Villa selbst war mehr so eine Art Luxusbungalow am südwestlichen Ende von Izu, mit allen Annehmlichkeiten bis hin zu einem privaten Strand. Offiziell war es eine Sommerresidenz der Familie, sehr schön aber auch sehr abgelegen. Zumindest konnte man sich dort nicht über einen Mangel an Natur oder Privatsphäre beklagen, für Tetsu war waren das beides eher nachteilige Attribute, die ihm er hinderlich im Weg rumlagen, bei seinen Nachforschungen. Er hatte sich im Umfeld der Villa ein wenig umgehört, viel mehr als Gerüchte über einen kleinen Jungen, der dort vor langer Zeit mal gewohnt haben soll, konnte er dabei jedoch nicht auftun. Durch den Mitarbeiter eines Kurierdienstes in Shimoda, hatte er zumindest die Existenz des ausländischen Hauslehrer bestätigen können, es gab allerdings keine weiteren Informationen über seinen Verbleib oder gar seinen echten Namen. Und so glitt auch dieser Fang wieder direkt aus den Händen, in den Ozean der Ungewissheiten. Nach Berlin war er über die Bewussten gekommen auf welche er wiederum über Dr. Takeda gestoßen war. Die Bewussten waren eine Gruppierung die das Ende der Monarchie in Japan anstrebte, wobei es dabei weniger um die Monarchie, als mehr um die absolute Abwesenheit von Führungsfiguren, Stars oder Idolen ging. Sie lehnten die neu modischen Götter des Medienzeitalters genauso ab, wie jeglichen Konsum oder Besitz. Sie strebten danach ihren Geist völlig unabhängig von allem zu machen. Ihr Ziel war nicht Glück, sondern die völlige Abwesenheit des unnötigen. Was genau alles unnötig war, hatte Tetsu noch nicht nachvollziehen können. Es schien allerdings auch nicht für alle Mitglieder das Gleiche zu sein. Er war relativ oft in den verschiedenen Archiven und Bibliotheken Tokios unterwegs und hatte verschiedenste Aufzeichnungen, Dokumente und Bücher mit Bezug auf das Kaiserhaus durchstöbert, dabei war ihm dieser Name - Dr. Naoki Takeda - aufgefallen. Er tauchte in erstaunlicher Häufigkeit in den gleichen Listen auf, in die sich auch Tetsu bei seinen Recherchen eintragen musste. Mehr als einmal war er sogar der letzte Eintrag vor seinem Eigenen gewesen. Mit ein wenig Überredungskunst und unter Einsatz des überdurchschnittlich leckeren Reiskuchen, den er von einem Ausflug nach Nara mitgebracht hatte, gelang es ihm schließlich einem Angestellten der Zentralbibliothek, die Telefonnummer von Dr. Takeda zu entlocken. Ein paar Wochen darauf, kam es, in einem als aus der Mode gekommen zu bezeichnenden Kaffee, im Osten Tokyos, zum ersten Treffen zwischen Tetsu und Dr. Takeda. Dieses Treffen war gleichzeitig auch das erste Mal, dass Tetsu von den Bewussten hörte. Der Doktor selbst war kein ordentliches Mitglied der Bewussten, er kannte lediglich einige Aktivisten und sympathisierte mit ihrer Ablehnung gegenüber dem Kaiser. Wie es schien, war es durchaus schwierig ein vollwertiges Mitglied der Bewussten zu werden. Es begann damit, dass es wohl nicht mal einen geregelten Aufnahmeprozess und erst recht keine offizielle Organisation oder Adresse gab. Der Doktor seinerseits verwendete einen großen Teil seiner Zeit und Energie damit die Archive zu durchforsten, um eine rechtliche Möglichkeit zu finden den Kaiser abzusetzen. Dr. Takeda war Geschichtslehrer an einer kleinen eher links gerichteten Uni in Tokyo und schien eine sehr tief gehende Abneigung gegen den Kaiser und große Teile des Staat kultiviert zu haben. Einer der möglichen Gründe warum die Bewussten ihn bisher noch nicht in ihre Reihe aufgenommen hatten, war womöglich seine Geschwätzigkeit. Er neigte zu den für Uniprofessoren typischen vortragsähnlichen Erzählweise und der chronischen Krankheit Sachverhalte die man in zwei Sätzen erzählen konnte, ohne Probleme auch in 2 Stunden zu erzählen. Bei ihrem ersten Treffen in besagtem, aus der Mode gekommen Kaffee, brauchte Tetsu nur das Stichwort Kaiser zu nennen und durfte sich als Resultat einen 45 minütigen Vortrag über die Abscheulichkeit der Familie, den Schaden den sie für Japan bedeuteten und seine Verehrung von den Bewussten anhören, ohne selbst auch nur ein einziges weiteres Wort zu sagen. Das war beim ersten Mal noch halbwegs Interessant, beim zweiten und dritten Treffen wandelten sich diese Ausführungen jedoch immer mehr in nervige, Last Christmas ähnliche, Durchhaltemomente. Immerhin hatte er über den Doktor eine gute Quelle für exklusiven Hinweisen auf das Verhalten und die Aktivitäten der Kaisersfamilie gewonnen. Der Tipp der ihn nun hier nach Berlin geführt hatte, den hatte er allerdings aus Richtung der Bewussten erhalten. Laut Dr. Takeda, gab es einige enge, eventuell sogar familiäre Beziehungen zwischen den Bewussten und der Kaisersfamilie. Bei dieser Information war Tetsu natürlich direkt hellhörig geworden. Wer innerhalb der Familie hätte den wohl eine größere Abneigung gegenüber der Monarchie und ein Interesse daran sie mit Hilfe einer externen Organisation zu Fall zu bringen, als der versteckte Junge oder mittlerweile wohl eher Mann. In der folge hatte Tetsu es dann auch noch geschafft eine Wanze an einem der regelmäßigen Treffpunkte der Bewussten zu deponieren. Da es eine öffentliche Bar war, redeten sie dort dem Anschein nach nicht über alles, aus den Gesprächen konnte er allerdings rekonstruieren, dass die Bewussten eine wichtiges Mitglied hatten das halb Japaner war und sich aktuell in Berlin aufhielt. Es gab auch Anzeichen für eine Art Auftrag oder Mission, was genau das sein sollte konnte Tetsu aber nicht nachvollziehen. Nun hatte er diesen Mann, den sie Karpfen nannten, also wirklich aufgespürt und wartete darauf, dass etwas passierte. Insgeheim erwartete er eigentlich eine weitere Wendung, die ihn von einem auf den anderen Moment wieder die Grundlage für seine Nachforschungen entzog. So etwas wie, Karpfens Eltern die um die Ecke kamen und offensichtlich nicht royal waren. Zumindest hatte er schon eine gewisse, jahrelang kultivierte, Routine in diesen ausgedehnten Momenten des Warten. Er erledigte nebenbei ein wenig Arbeit für den Verlag, in der restlichen Zeit beschäftigte er sich zu einem großen Teil mit den Möglichkeiten wie er wohl diesmal enttäuscht werden würde. Auch wenn er es sich nur bedingt eingestehen konnte, die Hoffnung auf einen echten Durchbruch, hatte er schon vor langer Zeit aufgegeben. Trotzdem machte er weiter mit seinen Ermittlungen, sie waren schlicht die nötige Spange, um all die Fragmente seines Lebens zusammenzuhalte. Ohne sie wäre er einfach in seine Teile zerfallen wie ein loses Pausenbrot im Schulranzen.
So verging auch diese Woche, jetzt war schon wieder Mittwoch, ohne das viel mehr passiert wäre als ein paar Besuche von Menschen die ihre Wäsche dort gegenüber im Salon wuschen. Ab und zu kamen Paketboten vorbei und gaben Pakete ab, die dann später von den Nachbarn für die sie bestimmt waren wieder abgeholt wurden. Während er so am Fenster saß und auf die nächste enttäuschende Wende wartete, klingelte sein Telefon. Es war Dr. Takeda, der sich über die Line Messengerapp bei ihm meldete und mal hören wollte wie es ihm in Berlin den so ging. Große Neuigkeiten hatte Tetsu nicht zu berichten, Dr. Takeda hingegen berichtete stolz und wie immer ungefragt von Neuigkeiten. Es gab da wohl eine regelmäßig Veranstaltung, auf der sich die Berliner Gruppe der Bewussten traf. Der nächste Termin war diesen Donnerstag und er hatte sogar eine Telefonnummer von einem jungen Mann bekommen, der zu dieser Veranstaltung gehen würde und an dem die Bewussten ein größeres Interesse zu haben schienen. Wenn er sich an diesen Jungen halten würde, könne er vielleicht mehr über die Bewussten und diesen Waschsalonbetreiber erfahren. 
Tetsu hatte sicherlich keine besseren Pläne und mal einen Abend hier vom Fenster weg zu kommen, machte die Sache nur attraktiver. Er klammerte sich da gerne an jeden sich bietenden Strohalm. Zumindest hatte er jetzt einen Plan der immerhin ein wenig mehr als 24 Stunden in die Zukunft reichte. Das galt es zu feiern. Tetsu tat das mit einem Glas billigen Wein vom Späti an der Ecke und einer Portion Cupnudeln.
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Informationsaustausch
Nachdem der Mittwoch seine Schuldigkeit getan hatte, war nun also die Zeit für den Donnerstag gekommen, an dem sich Tab und Tetsu treffen sollten. Eigentlich wollte ich mich ja hier nicht einmischen und den Erzähler spielen, die folgende Unterhaltung - wenn man sie denn so nennen wollte -  zwischen den Beiden, war allerdings von so großen sprachlichen Unzulänglichkeiten geprägt, dass ich mich einfach nicht überwinden kann die Handlung an diesem Punkt sich selbst zu überlassen. Daher möchte ich sie hier gerne nacherzählen - ohne etwas wegzulassen natürlich - aber in eine halbwegs verständliche Sprache überführt. Tetsu sprach kein Deutsch und ein sehr japanisches English, welches er gerne mit japanischen Wörtern auffüllte, insbesondere wenn ihm das Englisch ausging, was recht häufig der Fall war. Tab andererseits hatte einen nicht wegzudiskutierenden deutschen Akzent, der auch nicht pauschal als Schönheitspreiskompatibel beschrieben werden konnte.
Gegen Mittag konnte Tetsu sich dazu durchringen, die von Dr. Takeda erhaltene Nummer, in sein Telefon zu tippen. Es meldete sich, für den Leser sicherlich nicht unerwartet, Tab. Tab seinerseits hatte sich seit der Unterhaltung mit Karpfen immer wieder aufs Neue Gedanken darüber gemacht ob den Kopf durchblasen, denn nun eine Sinnvolle Verwendung seines Donnerstagabends sei und war bisher zu mindestens acht verschiedenen Ergebnissen gekommen. Zumindest hatte er es zwischenzeitlich geschafft, sich mit Karpfens Zettel auseinanderzusetzen und wusste, dass man sich in einem alleine stehenden verlassenen Haus am Nordhafen treffen sollte, nicht allzuweit vom Hauptbahnhof und trotzdem nur umständlich zu erreichen. Die nächsten Station waren der Hauptbahnhof auf der einen oder die U-Banhstation Reinickendorfer Straße auf der anderen Seite und von Beiden war es bestimmt ein zehn bis fünfzehnminütigen Fußmarsch. Man musste zwischen 22 und 23 Uhr da sein und einen festen Eintritt gab es nicht Spenden waren aber willkommen. Nun klingelte also das Telefon beendete somit Tabs erfolglose Standpunktsuche.
Tetsu meldet sich mit "Here Tetsu, you OK?" In diesem Sinne stammelten sich unser beiden Protagonisten durch einen 5 minütigen Dialog an dessen Ende sie für 20 Uhr am Samstag am U-Bahnhof Reinickendorfer Str verabredet waren. Tab wusste nun, dass dieser Tetsu erst seit ein paar Wochen in Berlin war, sich nicht wirklich hier auskennt und auch nicht wirklich ein Partymensch war, außerdem war Englisch keine seiner Stärken. Tetsu machte zumindest einen zuverlässigen Anschein, genau konnte Tab zu diesem Zeitpunkt das natürlich noch nicht bewerten, immerhin schrieb Tetsu alles auf was sie verabredeten und frage gewissenhaft nach um auch ja nichts falsch zu verstehen. Tab war also zuversichtlich am Samstag um 20 Uhr nicht versetzt zu werden. Tetsu auf der anderen Seite hatte nicht viel von Tab mitbekommen. Er war viel zu beschäftigt gewesen Sätze zu formulieren und sicher zu gehen alles richtig zu notieren. Er wollte dieses Treffen auf gar keinen Fall verpassen. Er schaute durchaus zufrieden auf den Zettel den er jetzt nach dem Telefonat vor sich liegen hatte.
Man könnte dieses Gespräch sicherlich als erfolgreich bezeichnen. Der Informationsaustausch war akkurat vollzogen worden, auch wenn es um einiges länger gedauert hatte für die betreffenden Informationen angemessen. Wenn man stille Post spielte, war man nun mal erfolgreich, wenn am Ende das Gleiche raus kam wie am Anfang, völlig unabhängig wie lange man dafür gebraucht hatte. Andererseits hatte man sein Ziel in diesem Fall auch völlig verfehlt. Stille Post war ja schließlich ein Partyspiel und kein Wettbewerb. Wie dem auch Sei, ich bin froh, dass die Beiden das geschafft haben. Es hätte dem weiteren Verlauf der Geschichte nicht gut getan wenn insbesondere Tab nicht zu dieser Party gegangen wäre. Was die Beiden selbst anging, Tetsu war zufrieden und Tab machte sich keine großen Gedanken über das Gespräch. Da er sich nun verabredet hatte war die Frage, ob er überhaupt auf diese Party wollte, ganz einfach hinten von seinem mentalen Arbeitstisch gefallen. Tab hatte das weder gemerkt noch würde er in näherer Zukunft damit anfangen den Fußboden unter seinem Arbeitstisch aufzuräumen. Da lagen viel zu viele verrottete Post-Its und Merkzettel, die dort auch bitte schön weiter verrotten sollten. Zumal Tabs Telefon direkt nach dem er aufgelegt hatte direkt wieder klingelte. Diesmal war es eine Sekretärin seines Vaters die sich erkundigte wie es ihm denn ginge, was eher ungewöhnlich war. Eigentlich war ihr Tabs Wohlergehen auch herzlich egal, sie wollte nur wissen, ob er etwas von seinem Vater gehört hatte, der vor drei Wochen nach Island geflogen sei. Sein Vater hatte durchaus eine Neigung mal für ein paar Wochen oder gar Monate zu verschwinden ohne das anzukündigen. Wie wir wissen, hatte Tab seit Beginn der Geschichte noch keinen Kontakt mit seinem Vater und so konnte Tab keinen Beitrag zur Erleichterung des Leben der Sekretärin leisten. Die Sekretärin war auch nicht besorgt, nur ein wenig genervt, es gab allerdings Gesprächsbedarf. Da Tab ihr mit diesem Gesprächsbedarf nicht helfen konnte, verabschiedete sie sich freundlich, womit auch Tabs zweiter Informationsaustausch erfolgreich bewältigt worden war.
Für mich als Erzähler waren es zwei überaus langweiliges Gespräche. Passiert war kaum was, es hatte nicht mal sprachliche Perlen mit Tetsu geben, die ja durchaus mal vorkommen können, wenn sich Menschen in nicht ganz so vertrauten Sprachen unterhalten. Weglassen konnte man sie aber auch nicht und so sei hiermit der erzählerischen Vollständigkeit genüge getan. Ich habe es immerhin versucht diesen Teil kurz zu halten und ein paar unterhaltsame Vergleiche einzubauen, auch wenn der Stille Post Vergleich total hinkt. Für diesen sehr mittelmäßigen Vergleich möchte ich mich schon mal Entschuldigen und mein Amt als Erzähler wieder niederlegen. Den Stab übergebe ich zunächst an Yolo, bevor dann Tab das Treffen mit Tetsu aus seiner Sicht erzählen wird. Die nächste Unterhaltung wird allerdings etwas unterhaltsamer (ich kenne den Dialog ja schon). Viel Spaß!
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Tinder
Kuschlig war es auf der Couch. Sogar der Fernseher lief, irgendwas mit Köchen oder solchen die es noch werden wollten. Yolo verstand nicht so ganz wofür der ganze Aufwand gut sein sollte. Man konnte prima Sachen kaufen die direkt aus der Packung verzehrbereit waren, warum also geschlagene 30 Minuten damit verbringen das alles herzurichten. Ein wenig mehr Aktion wäre Yolo auch ganz lieb gewesen, aber Essen war eben ein unverfängliches Thema das alle etwas anging, zumindest hatten Menschen wohl ein gesteigertes Interesse daran anderen Menschen beim kochen zuzusehen. Ihre Mitbewohnerin saß neben ihr auf der Couch, beschäftigte sich allerdings mehr mit dem Telefon als mit dem Fernseher. Ständig hielt sie Kontakt mit ihren Freunden, kurze Nachrichten, Emojis, Fotos, hin, zurück und alles noch mal von vorne. Manchmal lachte sie dabei, manchmal fluchte sie wie ein Rohrspatz. Heute schien sie weniger damit beschäftigt zu sein mit bekannten Menschen zu kommunizieren, als neue Menschen zu finden. Bevorzugt mögliche männliche Partner. Hauptsächlich wischte sie dafür auf ihren Telefon Bilder nach links und machte dabei abfällige Bemerkungen über das männliche Geschlecht, die die Frage aufwarfen, warum sie überhaupt auf der Suche nach so einem Exemplar war. Nur ab und zu, da hielt sie einen Moment inne, spitze die Lippen und zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. Manchmal hielt sie in diesen Momenten sogar mal Yolo das Telefon hin und fragte sie was sie davon halte. Yolo hätten diesen Bildern von menschlichen Männern natürlich nicht egaler sein können, Kater wären vielleicht interessant gewesen, Menschen waren es nicht. Das Ritual wurde dann von Rasa mit einem "Na ja, nicht übel" oder "Warum nicht" und einem wischen nach rechts zu einem vorläufigem Ende gebracht. Ab und zu wurde dieser Ablauf dann noch durch ein Pling und die Anzeige "It's a Match!" verlängert. Wenn das geschah galt es in den Prozess des Nachrichten schreiben zu wechseln, nicht sofort natürlich. Der Kerl war schon in der Pflicht sich zuerst zu melden. Ab und zu hatte Rasa auch schon andere Apps benutzt. Apps bei denen man eine gefühlte Endlosigkeit an digitalen Formularen ausfüllen musste, bis dann ein Computer in irgendeinem Rechenzentrum seine Algorithmen anwarf, um zu ermitteln wer den nun am besten zu diesen Eingaben passte. Im Prinzip führte das am Ende aber zum gleichen Ergebnis, es wurden lachend, fluchend oder auch fragend Kurznachrichten ausgetauscht.
Hauskatzen hatten da weniger Möglichkeiten. Die mutigeren schlichen sich mal raus und schauten, ob in der Nachbarschaft was zu finden war. Die weniger mutigen saßen komplett auf dem trockenen. Früher war Yolo um die Häuser gezogen, hier machte sie das nicht mehr so gerne. Zum Einen war es sehr gemütlich hier drinnen, zum Anderen, hatte ihre Mitbewohnerin nicht gerade einen geordneten Tagesablauf. Man wusste nie wann oder ob sie nach Hause kommen würde und stundenlang vor der Tür warten war nicht gerade verlockend. Hunde hatten es da einfacher, die mussten sich nicht raus schleichen, die gingen mindestens zweimal täglich auf einen begleiteten Rundgang. Wobei das vielleicht sogar noch schlimmer war. Für die Gassigeher hieß es, schauen, schnuppern aber auf gar keinen Fall anfassen. Pure unerfüllte Aufgeregtheit und dann musst später irgendein Stofftier dran glauben. Die meisten Hauskatzen und Hunde waren allerdings kastriert, was man natürlich auch nicht unbedingt als Idealzustand bezeichnen konnte. Immerhin hatte Yolo einen Weg gefunden ihre Bedürfnisse ohne viel Aufwand zu befriedigen. Hier im Haus gab es den Kater aus dem ersten Stock. Nicht gerade ein Adonis unter den Katern, aber es gab auch wesentlich hässlichere und unangenehmere Vertreter der Art. Zumal sie für einen Besuch bei ihm nicht mal das Haus verlassen musste. Im Allgemeinen war es sogar er, der sich auf den Weg nach hier oben machte, Yolo musste dann nicht mal die Wohnung verlassen. Viel komfortabler ging es also kaum.
Ihre Mitbewohnerin schien da ein wenig mehr in die Befriedigung ihrer Bedürfnisse investieren zu müssen. Yolo hegte zwar kein großes Interesse am Liebes oder gar Sexleben Rasas, aber es war schon ganz nett auf dem Laufenden zu bleiben und da sie nach dem ein oder anderem Austausch wohl das Bedürfnis hatte sich mitzuteilen, war das auch kein weiteres Problem.
Auf diesem Weg erhielt Yolo also so Bahnbrechende Informationen wie: "Oh Mann, Yolo! Schau dir das mal an! Der Kerl schreibt ich solle ihm mal Bilder von meinen Füßen schicken. Er würde die gerne mal massieren, Sex wäre nur optional, es würde ihm aber helfen wenn er sich zur Not selbst helfen dürfte während der Massage, da ihn das dann immer so geil macht." oder "Scheiße, der Kerl kann nicht eine verständliche Zeile schreiben" und auch "Nein wir treffen uns ganz bestimmt nicht im Swingerklub für unser erstes Date!" Yolo hatte keinen richtigen Überblick wie oft diese Texterei auch zu Treffen führten, allzu oft schien es aber nicht der Fall zu sein. Eintagsfliegen kamen wohl auch nicht hier in die Wohnung rein. In der Regel stürzte sich ihre Mitbewohnerin auch immer recht schnell in eine neue feste Beziehung, die dann solide 3 Wochen bis 3 Monate dauert, bevor der zur Beziehung gehörige Kerl mittels einer spontan formulierten, metaphorischen Mittelstreckenrakete in die Wüste geschickt wurde. In den meisten Fällen waren diese Kerle eh Idioten. Selbst Yolo als Katze konnte das von ihrem Betrachtungspunkt aus deutlich erkennen. Interessanter Weise war es auch noch so, dass desto weniger diese Kerle ein ehrliches Interesse an der Beziehung zu haben schienen, Rasas Interesse daran stieg. Über kurz oder ein wenig länger führte aber auch das zum gleichen Ergebnis. Zum Glück hatte Rasa eine rote Idiotieobergrenze, ab der dann die Mittelstreckenraketen ins Spiel kamen. Manche dieser Idioten brachten es dann wirklich fertig den ganzen weiten Weg aus der Wüste zurück zur Oase zu ziehen und sich bettelnd und verbesserungswillig zur Re-Evaluierung vorzustellen. Das führte dann unter Umständen sogar zu einer kurzen temporären Vertragsverlängerung, Konsequenz war nicht unbedingt Rasas stärke, aber lange hielt das Ganze dann trotzdem nicht. Einmal Idiot, immer Idiot. Zur Feier des wiederholten Abschuss, bekam die nächste Rakete sicherheitshalber auch ein paar extra Liter Treibstoff spendiert.
Die heutige Suche wurde alsbald von Rasa erfolglos beendet, was zu Yolos Leidwesen dazu führte, dass Rasa das Telefon fluchend auf den Coutchtisch feuerte und aufstand. Ein wenig mehr kuscheln auf der Couch wäre nett gewesen. Ein Glas Rotwein, stehend, in der offenen Küche konsumiert, taugte für Rasa wohl als vorläufiger Ersatz für eine erfolgreiche Partnersuche. "Ach Yolo, diese ganzen Online-Dating Apps sind doch alle kacke. Nur Idioten und alle wollen nur schnellen dreckigen Sex. Dreckiger Sex ist ja mal OK, aber nicht nur und doch nicht mit diesen ganzen manierenlosen Idioten!" Nur einen Moment später, nach einem weiteren Schluck Rotwein, gab das Telefon vom Coutchtisch aus ein helles "Pling!" von sich. "It's a Match!" Bevor Yolo überhaupt so richtig erfasst hatte was da passiert war, hatte Rasa auch schon wieder das Telefon in der linken Hand, ohne sich vom Rotwein in der Rechten zu trennen und betrachtete interessiert diese potentielle, zukünftige Episode ihres Beziehungslebens.
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Späti
Der U-Bahnhof Reinickendorfer Straße war nicht gerade das Aushängeschild des Berliner Stadtmarketing. Wenn man aus dem Bahnhof kam war sehr wenig sexy aber auch nicht wirklich arm, eher ziemlich langweilig. Auf der einen Seite das Betriebsgelände von Schering, mittlerweile Teil des Bayer Konzern. Auf der anderen Seite ein paar Wohnhäuser, eine Sparkasse und wenig betriebsame oder schon aufgegebene Geschäfte. Er hatte sich mit Tetsu vor der Sparkasse verabredet. Egal wie arm, reich oder durchschnittlich eine Nachbarschaft war, eine Bank gab es immer. Eine wirkliche Vorstellung davon wie dieser Tetsu aussah hatte er nicht, nun war der kleine, dünne Japaner der da in seiner unangemessen dicken Jacke mit blassem Gesicht vor der Sparkasse stand, aber auch nicht wirklich zu übersehen.
„Hi! You are Tetsu?" „Yes! Tetsu desu! Konnichiwa! You Tab?" „Yes! Nice to meet you"„Yes. Thank you! And you?" „Its a bit early, so should we have a beer at a Späti around here?" „Beer OK. I like! Ano. Späti I don’t know?" „Ah, you will see, i think there is one just 50 meters down the street"
Das war genug, um Beiden erst mal eine Pause zu ermöglichen. Der einzige andere Laden zwischen Späti und Sparkasse, war ein Sexkino. Tab war jedes mal wieder verblüfft wenn er ein Sexkino fand. Wieso gab es die heute noch? Jeder hatte Internet und am exquisiten Ambiente konnte es in den Dingern ja bestimmt nicht liegen. Videokabinen. Sie waren sozusagen die Dodos der Sexindustrie. Lange hatten sie keine natürlichen Rivalen gehabt und konnten sich heute nicht gegen die besser ausgerüsteten Rivalen wehren, es war nur eine Frage der Zeit bis auch sie das Schicksal der Dodos ereilen wird. Wer wollte sich in einen ziemlich heruntergekommen Laden begeben, um in dem Laden eine noch heruntergekommenere Kabine aufzusuchen, in der dann eine sehr begrenzte Auswahl von Pornos lief, zu der man sich dann an Ort und Stelle einen runter holte. Vermutlich umgeben von billigen, aber dafür leicht zu reinigender Plastikmöbeln. Wer macht so was, wenn man zuhause Internet hatte und zu jeder Zeit einen beliebigen Porno schauen konnte. Vielleicht waren es ältere Männer, die nicht mit Computern umgehen konnten. Auch diese Spezies wird bestimmt bald aussterben. Bis dahin war es ja vielleicht sogar ein eigener Geschäftszweig, die Einrichtung von mobilen Heimsexkinos. Im Prinzip nur ein gewöhnlicher Computer mit Internetzugang und ein paar gespeicherten Links, optional auch ein paar einfach abwaschbare Plastikmöbel. Man könnte das Ganze noch mit einem Vokabeltraining verbinden, damit Begriffe und Abkürzungen wie Creampie, MILF, POV oder Cumshot nicht mehr Verwirrung stifteten als nötig und der Kunde zielsicher das gewünschte Material auf dem Bildschirm gezaubert bekam. Das wäre sicherlich auch eine witzige Unterhaltung mit Tetsu gewesen, aber mal ganz abgesehen von der Sprachbarriere, so gut kannten sie sich jetzt doch noch nicht. Also wanderten sie wortlos am Sexkino vorbei zum Späti, wo sich beide ein großes Berliner Kindle Jubiläums Pilsner kauften, mit dem sie sich auf der Bank vor dem Spät niederliessen. Dieser Tetsu roch irgendwie speziell, ein wenig vermodert, nicht wirklich störend oder gar penetrant, aber wenn man darauf achtet ist er da dieser Geruch. Wie ein paar Kleider die lange im Keller eingelagert waren. Man roch auch noch die Seife mit der sie vor dem einlagern gewaschen worden waren, aber dieser Geruch von viel zu lange nicht getragenen Kleidern war stärker. Er schien nicht viel raus zu kommen dieser Tetsu. Schließlich ergriff Tetsu die Initiative und fragte Tab darüber aus, was er denn über diese Party wisse und über die Bewussten. Über die Party wusste er nur das was Karpfen ihm aufgeschrieben hatte, was nicht viel war und die Bewussten kannte er gar nicht, da müsse es sich doch um die Besitzer handeln, die organisierten schließlich diese Party. Tetsus Körpersprache und Blick zu folgen hatte er nur einen Teil von Tabs Antwort verstanden, schien sich aber erstmal damit zufrieden zu geben. Nach ein paar weiteren Schluck Bier, hatte Tetsu sich aber wohl die nächste Frage zurecht gelegt. „Ok. So why you go to a party?" „You mean this party?" „Hai! eh. Yes! This party! Why you go?” „Well, I guess I want to empty my head, meet some new people, forget about life. Stuff like that." „But why empty head? Head need eehhh think! Head need think for important things!" „Yes, but there are too many important things. Too many thoughts, you know. Life is not so easy. Too many choices, all of that" „OK. I see. demo, Tab. mada wakai desu. You before thirty. Very young! You think life is like Hollywood movie, you know. Very great! Great hero, great wife, happy familly, happy end, you are hero! Chigaimasu yo. I old. I know not a super hero movie. It TV drama mitai, always running. End, no! No end. Same problem repeat  and no happy end. Only continue and continue and continue. then somebody makes off TV and over. That it. No happy end. tada owari. Thats it" Das Japanisch Englische Mischmasch mit starken Akzent, war nicht ganz leicht zu entschlüsseln, aber Tab hatte das Gefühl zu verstehen, was Tetsu sagen wollte. „Ok. Maybe. But some TV dramas also have quite a nice story and some don’t. I still want to have a nice story line to tell." „Mhhh. If you think it important. Then maybe you have to do" „Yes, I think I have to do, but right now I don’t. I don’t know what to do or why to do or whatsoever. I just wait for a bus to pick me up, at least I want to have some cash for the ticket and some things in my suitcase when the bus comes" „I don’t like bus. You know Shinkansen? Its much better then bus. Hayai! Very fast! and always on time, no wait" Tab musste dabei lachen. Wenn ihm so ein Shinkansen vor die Nase fahren würde, wär das ja schon mal nicht schlecht. „Tetsu, I will take the Shinkansen if I just find the station" „Hai! Sagasanai to mitsukaranai desu. You have to search! Its not moving, so you have to move! You have to follow the train, I always follow my train. For long time. Thats why I here. I want to see final station" „Its good that you found your train Tetsu, maybe I find mine" „So desu ne! But I still not sure what destination this train. I am not good train guide." Tetsu musste dabei grinsen und Tab konnte nicht anders als zu lachen. Ein obskurer Dialog aber irgendwie unterhaltsam. Vielleicht war es auch schon der Effekt vom Bier, aber mittlerweile hatten sie eine Art Fenster in ihre Sprachbarriere gezimmert, durch welches sie sich ganz ordentlich unterhalten konnten. So bekam Tetsu noch einige Empfehlungen für Sachen die er in Berlin noch probieren musste. Von Döner bis zur Volksbühne und ein wenig vom Berliner Nachtleben stand ja direkt für heute auf dem Programm. Da es mittlerweile auch schon fast 23 Uhr war, machten sie sich auf den Weg, vorbei an dem von der Zeit bedrohten Sexkino, an der Panke entlang Richtung Nordhafen, zur Party. Mittlerweile kannten sie sich eventuell schon gut genug, um über das Sexkino reden zu können, schließlich wäre es ja auch interessant zu erfahren wie es um diese bedrohte Art in Japan steht. In diesem Moment waren sie allerdings beide mit anderen Gedanken beschäftigt und so verstrich der Moment gefüllt mit diesen anderen Gedanken. Ein bisschen Schade aber auch nicht weiter der Rede wert. Ihnen stand ja eine hoffentlich ereignisreiche Party bevor.
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Der Eingang
Zunächst hieß es wie bei jeder vernünftigen Party, anstehen. Der eigentliche Ort der Party war geheim und so musste man auf jeden Fall zwischen 23 und 24 Uhr am Treffpunkt sein. Wer später kam, hatte Pech. Der Treffpunkt war im Keller eines verlassenen Hauses, welches hier ziemlich verlassen und alleine Stand. Weit und breit hatte kein anderes Haus hier die einstige Berliner Mauer überlebt, so stand es hier einsam mitten in Berlin. Von der Reinickendorfer Straße aus kommend, hatten sie den Kanal überqueren müssen, um dann hier ein paar Meter in Richtung Hauptbahnhof das Haus zu erreichen. Ewig wird das Haus hier sicherlich nicht mehr so verlassen rum stehen, aber erstmal war es da und trotzte der Zeitgeschichte. Tab kannte das Haus natürlich und hatte es auch schon ordnungsgemäß in seiner Karte hinterlegt. So wusste er, dass sich hinter der Tür, vor der sie anstanden, eine kurze Treppe hinunter in einen Keller befand. Der Keller war nicht groß, dafür aber schlecht beleuchtet und ziemlich verwinkelt. Er hatte auch drei weitere Ausgänge, einen der erst gut 100 Meter weiter wieder aus dem Untergrund heraus führte. Ursprünglich hatten hier dem Anschein nach zwei Häuser mit verbundenen Kellern gestanden. Heute gab es vom zweiten Haus nur noch einen Teil des Keller und eben diesen Ausgang.     Sie waren relativ früh und mussten nur so zirka 20 Menschen vor sich in der Schlange den Vortritt geben. Wie man es so machte wenn man in einer Schlange stand, man kam ins Gespräch mit der wartenden Leidensgemeinschaft. Tetsu hatte die Gruppe hinter ihnen angesprochen und nach den Bewussten gefragt. Die Gruppe schien genauso wenig etwas von diesen Bewussten zu wissen und hatte wie Tab auch nur den Vorschlag auf Lager, dass es sich bei den Bewussten doch um die Besitzer handeln müsste. Es sah nicht so aus, als ob Tetsu da die Antworten bekam nach denen er auf der Suche zu sein schien, es ergab jedoch zumindest eine zeitweilige Beschäftigung für Tetsu. Tab hatte sich ausgeklinkt und einige Anmerkungen in seinem Atlas der leeren Orte gemacht. Bis ihn die Frau vor ihm in der Schlange ansprach.
„Hey! Hast du eine Ahnung was heute passiert?“ fragte sie ihn mit einem deutlich erkennbaren amerikanischen Akzent „Nee, keine Ahnung. Ich bin eigentlich nur hier um mir mal den Kopf durchzublasen" „Durchblasen? Du meinst Sex oder wie?“ So halb war er noch mit seinen Notizen beschäftigt gewesen, damit war jetzt aber Schluss. Ihm war die Überraschung wohl anzusehen als er aufblickte und die Frau erst mal genauer betrachtete. „Kein Problem, ich bin da offen, Sex ist im Prinzip mein Beruf“ Das war nun keine weiterführende Information die half seine Überraschung zu vermindern „Äh, nee, also, eigentlich meinte ich mal den Kopf frei machen und so" „Ah du meinst Party? Oder Drogen? Also Kopf frei machen geht auch gut mit Sex denke ich, voll machen allerdings auch manchmal“   Tab hatte wirklich nicht damit gerechnet ohne große umschweife in eine Unterhaltung über Sex verwickelt zu werden. Das war wirklich nicht der gewöhnlichste aller möglichen Einstiege in eine Unterhaltung. Die Frau die da vor ihm Stand war aber auch optisch nicht unbedingt als gewöhnlich zu beschreiben. Sie war relativ zierlich, allerdings auch nicht unmuskulös, schien eigentlich sogar ziemlich kräftig zu sein. Sie machte eine relativ androgynen Eindruck, war aber trotzdem deutlich erkennbar eine Frau in ihrem dunklem, fast wahllos von Löchern durchsetzten Kleid. Ihr Gesicht war der eigentliche Blickfang. Ihre tiefen Augenhöhlen waren bunt geschminkt und auf dem Kopf truck sie ihre Haare in der Mitte Gold und Orange gefärbt und hochgestylt, an den Seiten und hinten hatte sie die Haare hingegen abrasiert. Ihr Blick war gerade und direkt ohne ein flackern von Ungewissheit. „Ja, Sex funktioniert im Prinzip auch denke ich. Aber mein Plan war erstmal eher Party und ein bisschen trinken. Drogen sind nicht so meins" „Alright, klingt vernünftig" „Kann ich fragen, was du machst wenn du sagst, dass Sex dein Beruf ist?" „Klar kannst du. Macht ja jeder wenn ich das sage. Ich beschäftige mich mit dem Körper und meinen poly queer identities, auch meinen sexuellen, you know?“ Tab wusste nicht und musste wohl oder übel weiter Fragen. „Und wie beschäftigst du dich damit" „Ich schreibe und singe und performe. Ich mache später auch ein Performance hier bei der Pornceptual Party. Die kennst du vielleicht?" „Nee, hab ich nicht gehört, klingt ein wenig wie KitKat?“ Den KitKat Club kannte Tab immerhin mit seinen Fetischparties in Lack und Leder und vor allem viel nichts. Das KitKat war ja im Prinzip eine Institution seit mehr als zwei Jahrzehnten. „Ein bisschen ähnlich denke ich, aber mehr kreativ würde ich sagen, komm einfach hin wenn du magst, ich habe noch ein paar Plätze auf der Guestlist, sag einfach, dass du zu Mad Kate gehörst“ sagte sie und hielt ihm einen Flyer hin. So hatte er schon die zweite Party für einen Abend am Start. Das Schicksal hatte unbeschreitbar eine Partynacht für ihn vorgesehen. „Ich überleg es mir, danke! Und du performst da?" „Ja! Aber erst so um 3 oder so. Ich will auf jeden Fall hin heute. Da ist diese Crazy Puppenmacherin aus Japan. Die macht eine Revolution für was Körper bedeutet. Crazy shit, echt eine eigene Dimension" „Ok, das klingt auf jeden Fall mal ungewöhnlich" „Was ist schon gewöhnlich. Ah, wie heißt du?" „Tab" „Also was ist den schon gewöhnlich Tab" „Und was machst du in deiner Performance Kate?" „Also ich beschäftige mich eigentlich mit Aliveness. Wie sind andere Menschen Alive für uns, was sind wir, wo sind die Grenzen zwischen uns, unseren Körpern und in uns. Es wird auf den Fall Laut und extrem. Wenn ich das einfach so in ein paar Worten erzählen könnte brauchte ich keine Performance mehr, you know. „Das macht Sinn. Also so um drei bei der Pornceptual Party. Vielleicht schaffe ich es ja wirklich hin." „Ich kann dir nur empfehlen! Auch diese Puppenmacherin is echt Hardcore.“ Nach einer kurzen Pause setzte Kate dann noch mal an. „Aber wenn du nicht weißt was hier heute passiert, wie bist du gekommen? Wie kennst du die Besitzer meine ich, das ist ja nicht eine öffentliche Party" „Ah, also ein Freund hat mich hier her geschickt. Kennst du Karpfen?" „Ja klar Karpfen ist cool, er macht diesen Waschsalon. Echt er ist ein außergewöhnlicher Typ. Ich denke es gibt nicht so viele Japanische Rastafari" „Ja, keine Ahnung, ich denke wohl eher nicht" „Also er hat dich hierher geschickt?" „Ja genau, zusammen mit Tetsu da hinter mir, wir sehen uns heute aber auch zum ersten mal" „Na ja, Karpfen wird schon seine Gründe haben, die hat er ja immer irgendwie" „Ja ich denke auch" 
Noch bevor er jetzt zur Gegenfrage ansetzen konnte, trat ein Mann mit Kapuzenpulover und einer diese Anonymus Masken aus dem Keller und winkte die ersten 10 Gäste durch die Tür, blieb selber jedoch vor der selbigen stehen. „Ihr seid sofort dran, nur einen Moment“ rief er ihnen zu und wirklich kaum 2 Minuten später winkte er die nächste Gruppe durch, Kate schaffte es gerade noch als letzte in diese zweite Gruppe, Tab und Tetsu mussten noch eine Runde warte, aber dann geht es auch für sie los. 
Und so geht es runter in den dunklen, lichtlosen Tunnel, Sichtweite zwei Meter vielleicht. Immer vorwärts  niemals zurück. Ein zweiter Mann mit Kapuzen Pulli und Anonymous Maske vorne weg, sie hinterher. Falls der Führer plötzlich verschwinden würde, wäre das keine schlechte Analogie für sein Leben. Eine relativ zufällige Gruppe von Menschen mit denen er ohne große Sicht durch die Dunkelheit stolperte, danach kam ein wenig Licht für einen Moment, bis es mit ein paar der gleichen und ein paar neuen Menschen direkt in den nächsten Tunnel ging. Manche Begleiter blieben für den Moment, andere nicht, wieder andere stießen dazu. Der größte Unterschied zu seinem Leben war, die absolute Abwesenheit von maskierten Führer, es gab nur einen Haufen Menschen die unzuverlässige Richtungsempfehlungen anzubieten hatten, eigentlich aber genauso wenig Ahnung von nichts hatten. Gefühlt ging er auch rückwärts durch diesen Tunnel, schaute permanent auf das was er gerade hinter sich gelassen hatte. Einige schmerzvolle Erinnerungen leuchteten auch noch in der ferne, nur so, um sicherzugehen, dass er sie auch ja nicht vergessen würde.     Nach dem Tunnel ging es über eine Brücke, durch einen Park und schließlich standen sie vor einem Bauzaun, was scheinbar der Einsatz für ihren Führer war "So, hier haben wir also den Eingang zur eigentlichen Party. Dazu muss ich aber was sagen. Da das Gebäude hier mal vom BND bezogen werden soll, wird auch die Baustelle schon intensiv bewacht. Um den Sicherheitsdienst haben wir uns für heute schon gekümmert, da kommt niemand, aber die Kameras gibt es noch. Wir haben hier eine Lücke im Bauzaun untergebracht, dahinter kommt dann eine Schwenkkamera die uns ein Fenster von zirka 20 Sekunden gibt, um im Totenwinkel ins Gebäude zu kommen. Drinne sind dann keine Kameras mehr. Also, wenn ich los sage geht ihr direkt hinter mir in eine Schlange hinterher. Keiner tanzt aus der Reihe oder irgendwas. Wenn wir duch die Tür sind, ist alles geregelt und ihr könnt euch entspannen. Alles kapiert, irgendwelche Fragen?" Die meisten Leute der Gruppe hatten keine, ein etwas jüngerer Kerl mit langen braunen Locken und einem Megdeath Hoodie hatte aber doch noch eine Frage. "Und was passiert wenn was schief geht und wir doch auf der Kamera drauf sind?" "Na ja, das ist nicht so ganz einfach zu sagen. Erst mal passiert gar nichts, das Kamerabild wird ja nicht direkt überwacht. Morgen wird die Polizei die Daten aber sicherlich einsammeln und falls es jemand auf das Kamerabild geschafft hat, werden sie sicherlich versuchen die Person zu finden. Du kannst dir zur Sicherheit auch noch den Hoodie tiefer ins Gesicht ziehen, aber wie gesagt, eigentlich ist es einfach der Kamera zu entgehen. Folgt mir einfach zügig und alles ist easy. OK? Sonst noch Fragen?"
Die gab es nicht und so gings jetzt los. Der Maskenmann schaute durch die Spalte im Bauzaun, der Rest der Gruppe schaute ihn stumm und erwartungsvoll an. Nach ein paar Momenten des konzentrierten Warten, ging es los. Der Mann hob den Arm, schaute über die Schulter zurück zur Gruppe und deutete mit einem Winken an, dass jetzt der Moment gekommen war ihm zu folgen. Und so ging die stumme Menschenschlange zügig über das zirka 10 Meter lange, gut gepflegte, Rasenstück und durch die Tür, direkt in das dunkle Loch, dass sich hinter der modernen Sicherheitstür befand. Der Führer wartete direkt am Eingang und klopfte jedes einzelne Mitglied der Gruppe beim eintreten mit einem ab. Wie um die Echtheit jeder einzelnen Person zu bestätigen oder zumindest das erfolgreiche Eintreffen an dieser obskuren Partylocation. Nachdem sie es jetzt alle ins innere geschafft hatten, gab er noch ein „Den Rest klärt ihr mit der Garderobe" von sich und verschwand wieder hinaus in die Nacht. Wenn er vom Maskenmann gefragt worden wäre, hätte Tab ihm auch von dem nicht überwachten Tunnel, direkt vom Keller des BND zum Bundeswehrkrankenhaus, erzählen können. Dort gab es auch noch keine Überwachungsanlagen. Wahrscheinlich war er so geheim, dass selbst der Sicherheitsdienst nichts von ihm wusste. Tab hatte den Eingang neben dem Bundeswehrkrankenhaus vor ein paar Wochen entdeckt und pflichtbewusst samt des Innenleben der BND-Baustelle kartographiert. Die Garderobe, war wahrlich nicht zu verfehlen. Sie standen in diesem kleinen Vorraum quasi schon direkt davor. Eigentlich hatte er nicht viel abzugeben, es herrschte allerdings ein Handyverbot und so musste jeder Gast hier vorne neben den 5 Euro Eintritt auch sein Telefon abgeben. Fotos und Anrufe waren hier nicht erwünscht.
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