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derpolder · 4 years
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DIE SCHWARZEN STREIFEN - Reunion CH-ROCK unter neuem Bandnamen?
Die CH-ROCK BAND war ein Projekt des freien Theaterkollektivs 400asa. Sie rockte die Bühnen - und hatte sogar aussergewöhnlichen Erfolg im Ausland, und das mit breitenwirksamen Rock and Roll Shows..bis der Bandleader Friedli den Verstand verlor. Er ertrug den Erfolg nicht, den die  Band mit der neuen Sängerin SAND  bei einem eher urbanen, intellektuell akademischen Publikum hatte. Ein spannungsvolles Experiment nahm - nach mehreren Reibungen, aber auch besonders intensiven Songwriting-Experimenten - ihr scheinbares Ende. Folgt jetzt nach dem Corona-Lockdown endlich die Reunion? Mit Verstärkung aus dem Nachwuchs? (Casimir Friedli  - Jahrgang 2002 - zeigt auf einer neuen Soundcloud-Playlists, dass er die polemischen Talente seines Vaters und den eher kühl-urbanen Stil Sands zu verbinden sucht)  Ist Casimirs Einfluss eine Hoffnung für alles kommende? 
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Durch die feindliche Übernahme des weiblichen Roadies Sand, die sich als männlicher Roadie tarnte  - wurde das Bandgefüge zerstört...und die Balance der Kräfte geriet uns Ungleichgewicht.
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Es gibt ein kurzes Videos der berühmten Verführungsszene (ein Kassetten-Theater, bei dem die Schauspieler dem Text der Szene  nachhorchen)  wie Sand den Bassisten Fred Friedli verführt und dabei die berühmten Sand-Vergleiche aufwirft, im Furor einer Kate Tempest des Züri-Punks: “Jetzt sei nicht so weich. Bist du Rock’n’ Roll oder Nicht? Bist du London oder nicht?  Bist du New York oder Postauto?  bist du Bilbao oder Aromat?  Bist du 11. September oder Erster August?”
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Erklärung Video: Sand, die in einer Waldorf Familie aufgewachsen ist, zeigt sich als luziferisches Wesen, sie ist weder Mann noch Frau und verführt den Bassisten Fred, um die Macht in der Band zu übernehmen (sie sehen hier die letzten Minuten ihrer feindlichen Übernahme. Erst am Ende merkt - der ungebildete Bassist Fred (eher Marionette im Machtspiel der Kräfte), dass Sand kein männlicher “Roadie”, sondern eine verführerische Frau ist und ihn nur missbraucht hat um an die Macht zu kommen.  Arimahn und Luzifer, die beiden Pole des Satanischen (siehe hier )  finden hier eine Balance. Für viele Anhänger der Steiner-Bewegung hat sich ja auch in Donald Trump das luziferische Wesen als auch die kühl berechnende ahrimahnische Seite Luzifers ideal verbunden. Dies ist auch der Grund weshalb POP mit POPulismus verbunden ist - und warum diese Szene aus Shakespeares Richard III so gut  in die Welt des Pops passt. 
Wunderschön die Lichtpreisungen Sands in mittelhochdeutsch am Ende der Szene. 
“Er ist myn - aber ich behalt ihn nid lang”
..allerdings irritierten die späteren esoterischen Wandlungen Sands auch einen Teil der Fans, die in diesen esoterischen Anwandlungen mehr sahen als “nur* ein Spiel mit Zeichen. Sand sei - so heisst es - zeitweise einer esoterischen Sekte verfalleb. Ob das stimmt wissen wir nicht. Immer war sie auf Alle Fälle radikal. Auch schon bei “Töte en Araber” FREI NACH CAMUS - Ein Song, den die Band eigentlich lange nicht mehr spielte, weil er des öfteren missverstanden wurde. Erst 2020 hat ihn Sand wieder gesungen bei einer neuen ZOOM-Session (Was auch bereits wieder kritisiert wird):
 “Töte en Araber”, frei nach CAMUS....ein Kommentar zur Zeitgeschichte? Ausdruck von überzogener Kritik an Israel - oder ein rassistisches Gedankenspiel? Oder einfach PUNK? Sehen sie selbst:
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Harter Punkrock.. später wandelte Sand ihren Stil. Urbaner Pop prägte die Band. Wie deutsche Beispiele  (BLUMFELD ) verlor sich die Band zeitweilig in belangloser Landharmonie.  Kommt es nun  2020 zum wiederholtem Male zu einer Reunion? Hier ein ARTE BEITRAG einer der letzten Reunion:
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2020:
Friedli meldet sich - nach ein paar Jahre Sendepause - nun  verstärkt von seinem Sohn Casimir Friedli  - aus dem Lockdown zurück - mit einer Playlist voller mysteriöser Corona-Songs. Casimir bringt seine erste Kompositionen ein, und zwar mit Song 1, 4, 8, 12 - er führt die Band zu den Anfängen zurück -  als auch mit skizzenhaften Varianten der Kern der “Songidee” herausgeschält wurde - und auf Studioperfektion verzichtet wurde, aber viel mit Vogelgeräuschen, First Takes gearbeitet wurde.  Auch Sand entwickelte über Zooms einige spannende neue Experimente.  Besondere Aufmerkkeit ist  Song 1 zu schenken  (Erster Mai 2020 ist eine linke, gewalttätige Gegenvision zu den Revolutionsphantasien der rechten Verschwörer*innen der Corona-Leugner-Szene - die Gewalt im Song ist inspiriert von den aktuellen linken Aufständen in den USA). Hier bahnt sich etwas ganz Neues an.  Casimir  Friedli (*2002) meint  dazu:  “Wir dürfen die Revolutionsidee nicht den Rechten überlassen” - und scheint dabei von Sands früherer Militanz, aber auch von der Sentimentalität vom älteren Friedli geprägt. Interessant.  CORONA-PLAYLIST 1) Erster Mai 2020 (Lockdown-Song#1, REVOLUTION ), Featuring: Casimir Friedli (Gitarre und Gesang) Xylophon: Fred Friedli 2) Töte en Araber - nach CAMUS (Lockdown-Song#2), Sands Rückkehr - warum gerade wieder dieser Song
3)  Augmented Reality (Originalskizze, Lockdown#3) siehe Videos unten
4)  Zombi Town (Lockdown-Song#4) , featuring: Casimir Friedli, hier wird Sand den Gesang übernehmen
5) Sändelock (Lockdown-Song#5) - der ultimative Song über die Lust sein Smartphone in den Bergbach zu schmeissen, Friedlis Digital Detox Lumpenlied. Ein Ohrwurm. Gesang: Fred Friedli, Saxophon: Casimir Friedli. 
6) Sändeloch - Casimir Friedli  - Mundharmonika (Casimir singt diesen Song auch) 
7) Cool (Sand is back#2) - ein kühler neuer Song von Sand
8) “Ours Dansons” (Casimir Friedli), hier wird Sand den Gesang übernehmen, auf diese Kooperation von Casimir und Sand kann man besonders gespannt sein.  
9) Dr. Strangelove (Kritischer Corona-Leugner- Song über die Querfront in Bundes-Bern im Style der Berner Troubadour, interessant: der Song besteht nur aus einem Akkord A7#9 - dies ist neu für Friedli, diese spartanische Stil...)
10) “Rum u Coca Cola” (Sand is back#3) - 
11) “Nüüt” (ein Song über sinnlose Empörung und Nichtstun im Lockdwown, Skizze)
12) Spanische Stiefel (Casimir Friedli)
13) Schrumpelige Skizze (Fred Friedlis neue Versuche mit Avantgarde-Schlager und Chören)
14) Zombie Town Akkustik  (Casimir Friedli)  15) Audio-Ausschnitt aus einem SRF-Dokfilm.. ab Minute 4.30 kann man Sand als “Yorinde Marti” erleben, ihrem Pseudonym unter dem sie als Demeter-Bäuerin lebte.  --
Alle Songs entstanden im März, April, Mai 2020 in online  Sessions mit u.a. ZOOM- Recording, und werden nun im Juni live eingeprobt.... 
LINK AUF DIE CORONA PLAYLIST...HIER:  LINK
Problem: Song Nummer 3 (AUGMENTED REALITY) wird neuerdings auch von SAND gecovert: in eine Lana del Ray-haften Balade-Form..., die nicht zwingend den urpsrünlichen  Song Intentionen von Fred Friedli entspricht. Seine Version lebt von Brüchigkeit, Vogelgeräuschen.. ihre Version ist teilweise schon wieder gut produzierter Pop. Ein Problem?  Neuer Ärger?  “Augmented Reality”,  einer der Corona Lockdown-Songs der SCHWARZEN STREIFEN, Textauszug:
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Song (von Friedli mit seiner Hermes-Baby Schreibmaschine festgehalten), und gepostet auf dem neuen Instagram-Profil der SCHWARZEN STREIFEN. Der gleiche Song in Sands Version:
Macht Sand die gleichen Fehler wie früher und überführt das wurzelige Songschaffen Friedlis in kühlen ätherischen Eso-Pop?  Der gleiche Song und das dazugehörige alternative  (Found-Footage, am Anfang Sand in der Rolle von “Zelda Madsen”), links unten, der kleine Bub, Casimir Friedli
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Wer ist 400asa?  Die Gruppe 400asa produziert Spielfilme. Hörspiele, VR Experiences, transmediale Erzählungen, zuletzt das Live-Hörspiel LUKULLUS, in der grossen Halle in Bern, als Reflexion über das Wirken Donald Trumps.  400asa hat 2020 während der Pandemie das “Maison du futur” gegründet, ein überregionales Kompetenzentrum für Narration (www.maison-du-futur), das sich nun den verheerenden Auswirkungen der Pandemie auf die freie Szene annimmt und Spielmöglichkeiten im Freien organisiert und finanziert. Dabei arbeitet das “Maison du futur” mit vielen  Häusern & Institutionen zusammen und setzt auf überkantonale Kooperation.   Hier Ausschnitt aus LUKULLUS, aus den Vorstellungen wurde - genau 80 Jahre nach der Erstausstrahlung - ein Hörspiel zusammenmontiert. Sie sehen hier einen Ausschnitt - Ntando Cele am proben von Szene #11 des Hörspiels. 
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Das ganze Hörspiel finden sie HIER.
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derpolder · 5 years
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400asa und Digitalbühne
Hier eine kleine Zusammenstellung der wichtigen Eckpunkte der letzten Jahre. 
Bis 2016 produzierten wir viele Aufführungen in Zürich - in Stadttheater und freier Szene - und entwickelten eine spezielle Aufführungstechnik, die vom BAK 2016 als “innovatives Storytelling” mit dem BAK Theaterpreis ausgezeichnet wurde. 2019 sind wir die Digitalbühne, als ein von der Stadt gefördertes Pionierprojekt. 400asa/Digitalbühne ist wie eine Band mit wechselnden Spieler*innen, das Kernteam ist aber konstant und besteht aus Meret Hottinger, Wanda Wylowa, Michael Sauter, Samuel Schwarz.... dazu kommt die Berliner Zelle aus Ted Gaier (Goldene Zitronen) und Gina D’Orio (Cobra Killers). 
Sie alle sind in die kommenden Werke massgeblich involviert. 
Ausschnitte aus Arbeiten, Film, Theater, Site specific
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                       Gina D’Orio im verwunschenen Brecht-Garten
Aufführungen am Stadttheater gehörten  auch dazu. Eine KernspielerIn ist immer auch Wanda Wylowa, hier zu sehen bei ANDORRA -  einer der prägnanten Arbeiten am bürgerlichen Stadttheater.
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                                       Wanda Wylowa in Andorra
Entscheidend in den letzten zwanzig Jahren war auch immer die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, hier ein Ausschnitt aus einem Gastspiel ENTFERNUNG, uraufgeführt am Schauspielhaus Wien, aber auch in Zürich bei unserer stadttheater.tv Kuration im perla mode:
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                                     Barbara Horvath an der Langstrasse
Das “Elend der Kritik” (siehe auch Bruno Latours gleichnamiges Buch) führte dann aber dazu, dass wir uns von dem klassischen “gesellschaftskritischen” Ansatz unserer Inszenierungen (im klassischen Aufführungsformat) eher etwas verabschiedeten und die Generierung neuer neue Formate bevorzugten, Forschung, Technologie, Storytelling...wie hier:
Im VR-Labor
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                                                         VR Labor
Das Zusammenspiel von Technik, Schauspiel, Wissenschaft ist Kerngebiet der Digitalbühne.
Sicher ist POLDER ein Schlüsselwerk für diesen Ansatz. POLDER war Theaterprojekt, Alternate Reality Spiel, aber eben auch ein international ausgewerterter Kinospielfilm. Die Produktion eines solchen Werks nimmt mehrere Jahre in Anspruch und sehr viel Arbeit auf dem Gebiet des Fundrisings und der technischen Forschung.  
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                                            Theater, Film, VR
Zuletzt produzierten wir ein komplexes Projekt zu LUKULLUS, Brechts Hörspiel, im Geiste seiner Radiotheorie:
Link Projekt Lukullus
Lukullus war auch Teil der Kuration BB18, einer Kuration im Kontext von 70Jahre Geburtstag des Antigone-Modells in Chur. 
LINK BB18
Science Fiction und Zukunft der darstellenden Künste  ist Kerngebiet unserer Forschung: Darüber schrieb auch die FAZ:
Artikel FAZ, LINK
Einen klassischen Pressespiegel über uns - Stadttheater-Arbeiten, Filme, freie Szene, Portraits, Interviews finden sie hier:
LINK PRESSESPIEGEL
Dieses Wissen und diese Erfahrungen soll Ansatz der Digitalbühne sein. Aktuell arbeiten wir an dem 10 Geschichten aus Gottfried Kellers SELDWYLA, Global Seldvillage, coming soon
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Save the Date. Am 24. Mai 2019 geht es los, im Landesmuseum in Zürich: 
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derpolder · 5 years
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Lukullus/offene Proben, Teil 2
Weiterer Einblick ins szenische Labor. 1940 wurde das Hörspiel LUKULLUS von Radio Beromünster aufgeführt- 80 Jahre später nahm sich die Berner Schauspielern Ntando Cele dem Brecht-Stoff an. Spielerisch, ernsthaft, framentarisch, in Form von offenen, einsehbaren Proben. 
2020 zeigt Ntando Cele dann das  finale Resultat in neuen Vorstellungen - reduced to the max.  Die Arbeit von Cele ist bei den aktuellen Ereignissen in Amerika von hoher Brisanz. 
Szene aus der Probearbeit. 
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Szene 11 - Ntando Cele spielt das Fischweib , den Richter und den Feldherrn - und argumentiert gegen sich selbst                
DIE WOZ berichtete über den SRF Zusammenschnitt
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                 Ein Link auf Hörspiel. das aus den Proben für SRF zusammengemischt wurde, finden sie hier ganz unten am Beitrag. Unten sehen sie auch Ausschnitte aus gelungenen und weniger gelungenen Improvisationen im Kontext der offenen Proben.
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                                       Bühnenbild: Renata Wünsch
Szene 9 - Ntando Cele entwickelte sich im Lauf der offenen Proben zu einer übergriffigen Schauspielerin und attackiert die Kollegen (Improvisations-Fragment)
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Szene 9: TRUMP/OBAMA
Ntando Cele als Celina wird noch übergriffiger - Ted Gaier greift ein - hier der Versuch die offene Probe auch zu nutzen als Diskurs-Format..(die Schwierigkeit bestand, die Unterbrechungen wie ernstgemeinte Reflexionen wirken zu lassen - was sie auch waren - mit wohlüberlegten Argumenten, dies aber nicht als “einstudierte” Szenen wirken lassen  (was sie ja nicht waren). Dies führte zu ernsthaften Problemen, weil gewisse “Kritik” am Spiel des anderen auch beleidigend werden konnte. Nach sechs offenen Proben waren wir froh, für den SRF Zusammenschnitt Fokus herzustellen. Aus den Erfahrungen von 2018 wächst nun die 2020 Fassung.
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                                   Der Übergriff als System
Szene 12. Der Koch. Wanda Wylowa (hier: Gast des Abends) und Luc Müller als Catering-Ehepaar Lasus. Das Ehepaar Lasus bekochte den General am WEF 2024 und  man erinnert sich seiner, Aufgabe: “lokaler” Tonfall des Opportunismus, die die Profiteure der Macht anschlagen (Davos, Besuch am WEF)
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                        Luc Müller bittet Wanda Wylowa on stage
Szene 14: Das Team sucht einen Schluss, Protestsong oder nicht? Hier assoziert das Team an die unterschiedlichen Fassungen des Hörspiels und die ideologische Aufladung der Umsetzung. 
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Ntando Cele singt einen Protestsong, der als fragwürdig bezeichnet wird und das Team spielt eine Variante LINK ZUM SRF-Hörspiel, hier: LINK ZUM SRF HÖRSPIEL INFOS: Bertolt Brechts Hörspiel «Das Verhör des Lukullus» aus dem Jahre 1939 war eine versteckte Kritik an Hitler. Urgesendet wurde es 1940 im Radio Beromünster. 78 Jahre später zeigt die Digitalbühne Zürich (400asa) in ihrem Hörspiel «Lukullus», dass Brechts Text nichts an Aktualität eingebüsst.Bertolt Brecht schrieb im Herbst 1939 kurz nach Kriegsausbruch das Hörspiel «Das Verhör des Lukullus» im schwedischen Exil. Das Hörspiel beginnt mit dem Grabeszug des gefallenen römischen Feldherren Lukullus. Der unerbittliche Kriegsherr, dessen Eroberungszüge zahlreiche Menschenleben forderte, muss sich im Reich der Toten, vor dem Gericht der Unterwelt, verantworten. Lukullus rechtfertigt seine Taten damit, dass er zum Wohle Roms gehandelt habe.Radio Beromünster sendete das Brecht-Hörspiel (Regie Ernst Bringolf) erstmals im Mai 1940. Eine mutige Entscheidung des Schweizer Radiosenders, denn Brechts Stück konnte durchaus als Hitler-Kritik interpretiert werden. Genau 80 Jahre nach der Ausstrahlung des Hörspiels im Radio Beromünster setzt sich die Digitalbühne Zürich (400asa) mit «Das Verhör des Lukullus» und dessen Entstehungsgeschichte auseinander. In ihrem neuen Hörspiel «Lukullus» zeigt die Gruppe auf, dass Brechts Text auch heute noch nichts an Aktualität verloren hat. Denn Gewaltherrscher – die ihre Macht ausleben in einer Mischung von kalter Strategie und willkürlich wirkendem Wahnsinn – gab es nicht nur im römischen Reich oder im zweiten Weltkrieg. Die Digitalbühne (400asa) arrangiert Brechts Text in Zeiten von medialer Selbstinszenierung und Fake News neu. Entstanden ist eine Spurensuche und eine Versuchsanordnung, die vom Römischen Reich über den Zweiten Weltkrieg bis ins heute ans WEF in Davos führen. Mit: Ntando Cele, Gina D'Orio, Wanda Wylowa, Philippe Graber, Luc Müller, Samuel Schwarz, Ted Gaier, Gotta Depri, Hauke Heumann, Franck Edmond Yao alias Gadoukou la Star, Cymbeline Schwarz Bearbeitung: Samuel Schwarz, Ted Gaier, Raphael Urweider - Musik: Michael Sauter, Ted Gaier, Gina D'Orio, Paul Dessau - Auszüge aus der Oper «Die Verurteilung des Lukullus» - Konzertsong: Reverend Beatman, Ntando Cele - Sounddesign: Michael SauterHistorische Beratung: Werner Wüthrich, Jürgen Müller - Regie: Samuel Schwarz - Tontechnik SRF: Björn Müller, Roland FatzerProduktion: SRF 2018 und Digitalbühne Zürich (400asa), in Zusammenarbeit mit Radio RaBe, gefördert von der SRKS (Stiftung für Radio und Kultur Schweiz) - Dauer: 49'
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derpolder · 5 years
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“Das V(R )-Hör des Lukullus”, Galileo VR
“There was talk of gold.
   I too lived in Rome.
   Yet i never noticed any gold where i lived
  I would like to know where it went”
Übergang in die Schattenwelt
Die Stimmung der Raumgestaltung von Renata Wünsch ist zentral. Sie verbindet die analoge und die digitale Welt - den Raum mit der Glitzerschrift bauen wir sowohl real als auch virtuell nach. 
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                      Der virtuelle Bühnen-Raum mit dem Glitzerschild
Ntando Cele führt in den zauberhaften Raum in die Thematik ein, zusammen mit ihr und Lukullus betreten wir die fremde Schattenwelt, zuerst analog mittels klassischem Theater, Licht und Schatten und danach eintauchend in die virtuelle Welt. 
THERE WAS TALK OF GOLD - Das Fischweib
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              “Ntando Cele ist phantastisch” (Berner Zeitung)
Ntando Cele arbeitet an dem richtigen “Ton” für die Szene 11 aus “Das Verhör des Lukullus”, dabei spielt sie sowohl das anklagende Fischweib als auch den Gewaltherrscher Lukullus und denkt nach ob in Zeiten grossen Geschreis nicht zartere Töne angebracht wären, dieser Dialog mit sich selber zeigt die Potentiale, wie Cele auch mit sich selber in der realen und virtuellen Welt debattiert.
Übersetzung von Bewegung in den virtuellen Raum
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Die Bewegungen der Schauspielerinnen werden mit dem Motion Capturing System erfasst. Hier sehen sie die ersten Schritte, welche wir vor knapp 3 Jahren auf dem Gebiet gemacht haben (hier zusammen mit Forscherinnen an der EPFL, Lausanne, Schauspiel: Meret Hottinger).
VR in einem sozialen Raum erleben, Vereinzelung vs. Austausch
Mittlerweile arbeiten wir mit Teams zusammen, um immersive Erfahrungen zu bauen wie im Projekt #GalileoVR (Premiere September 2018). 
Wir fordern damit auch den theatralen Raum als Setzung heraus und machen ihn zu einer Mischung aus Installation mit “menschlichem Sitzfleisch” und etwas sich bewegendem, das in Dialog tritt mit etwas virtuellem. 
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Einblick in GalileoVR: Im letzten Projekt der Digitalbühne Zurich (Leitung: Corinne Soland) konnten die UserInnen auf eine digitale Bühne blicken und sich selbst ebenfalls gegenseitig sehen - als weisse Männchen mit Brille. Auf der Bühne zu sehen waren die Figuren “Galilei” und “Mönch”, wobei einer der Figuren live gesteuert wurde von einer Schauspielerin (Soland/Becker im Wechsel) und die andere vor-gecapturet wurde. 
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                     Magische VR-Hütte an der Stadtgrenze von Zürich
Für uns ist die Verbindung aus sozialem Raum und VR-Erzählung wichtig, so dass keine Vereinzelung, sondern sozialer Begegnungsraum entsteht. Im obigen Video sehen sie die VR-Regisseurin Corinne Soland in der Funktion als Spielerin 4.0 beziehungsweise als VR-Host (einem Früh-Stadium der VR-Jane).
Gewisse Szenen von “Das V(R )-Hör des Lukullus” werden live gespielt an spezifischen Anlässen (Premiere, Vernissage etc.), Elemente daraus werden in den VR-Raum übersetzt. So ist es möglich, die Unter- bzw. Zwischenwelt als 360° Umgebung zu erfahren und dem digitalen Lukullus zu begegnen. 
Audio-Arbeit im Studio und vor Ort
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Laura Sophia Becker vertont ihren digitalen Avatar für das Prototypen-Projekt #GalileoVR. Für “Das V(R )-Hör des Lukullus” wird sie sich wieder digitalisieren lassen, zusammen mit dem Schauspieler aus “Lukullus”, Luc Müller.
Der musikalische Beitrag vor Ort wird von Reverend Beatman gestaltet.
Das V(R )-Hör des Lukullus Produktion: Digitalbühne Zurich Stipendiatin: Corinne Soland Informationen? [email protected]
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derpolder · 5 years
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GOLD - V(R)-Hör des Lukullus
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derpolder · 6 years
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LUKULLUS nach Brecht - offene Proben- Teil 1
Zwischen 20. und 24. September 2018 öffneten wir unser Theaterlabor in Bern für vier Tage und probten vor Publikum. 
Hintergründe zu dem Hörspiel “Das Verhör des Lukullus”:
(Link Hintergründe, theaterhistorisch & politisch)
In diesem Beitrag hier dokumentieren wir mit Videos die ersten Arbeitsschritte. Die Inszenierungsstruktur wird bis 12. Mai 2020 nun in mehreren öffentlichen Proben weiterentwickelt. Corinne Isabel Soland überträgt das Hörspiel 2019 mit den hier Beteiligten in eine VR-Fassung.
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Ntando Cele, Luc Müller, Reverend Beat-Man
Bei den offenen Proben unterbrachen wir den Flow der Erzählung noch öfters und testeten Varianten der Umsetzung.
VIDEOAUSSCHNITTE
(Uns geht es in erster Linie immer um guten Ton, schliesslich erarbeiten wir ein Live-Hörspiel - Radio Rabe übertrug deshalb die öffentlichen Proben auch live - ganz im Sinne von Brechts Radiotheorie. Die Bildqualität dieser Videoaufnahmen ist also sekundär, der Fokus ist auf den Ton zu legen, auf die Sprechweisen, die Musik, die Stimmung. Das Bild dient zur Dokumentation)
SZENEN AUS DER OFFENEN PROBE 
Szene 1 - Erster Teil 
Einführung durch Ntando Cele. Ntando Cele bejubelt die grossen Taten des verstorbenen Generals. Reflexionen über die Unterwerfung von uns Zeitgenossen unter die Macht des weissen Generals spielten hier genauso eine grosse Rolle, wie historisches Gedenken an 1940 - und die Enstehungsgeschichte des Hörspiels.
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Tagesaktualitäten befeuern die offenen Proben und beeinflussen sie. 
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Szene 1 (zweiter Teil) & Szene 2 Die Beschreibung der Prozession und der unterschiedlichen Meinungen über die “Legende”
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Die Meinungen über den Erfolg des Generals gehen auseinander
Szene 3 - Was die Kinder in der Schule lernen müssen
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                    Szene 4
Szene 4 appelliert an die Imaginationskraft, eine Hörspielszene. 
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                               Ntando Cele führt uns in die Unterwelt
NEU:  ONLINEVORSTELLUNG IM JANUAR 2021, mitten im zweiten Lockdown (hier testeten wir das Theater der relativen Unverbindlichkeit und Reverend Beat-Man legte uns alle auf Kreuz. Ntando Cele/Raphael Urweider waren in Quarantäne in Südafrika, Samuel Schwarz in Qurantäne in Zürich, Goina D’Orio machte aus Berlin mit. Ein kleines “Zeitdokument”:
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Link zu Teil 2 und weiteren Szenen aus den offenen Proben, unter anderem auf  Szene 11, einer Schlüsselszene aus dem Hörspiel:
LINK ZU TEIL 2 und weiteren Szenen:
HIER KLICKEN
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derpolder · 6 years
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#GalileoVR (aka Die Schauspielerin 4.0, Kapitel 3)
#GalileoVR und Weiterführung der offenen Labors der Digitalbühne Zurich
Die Theatererfahrung GalileoVR basiert auf "Das Leben des Galilei" von Bertolt Brecht und verbindet Virtual Reality mit Live Motion Capturing Schauspiel und virtueller Raumgestaltung. Die Erfahrung beinhaltet zwei Szenen, "Laughton" und "Mönch". Inhaltlich beschäftigt sich GalileoVR mit den Themen Wissenschaft und Anti-Wissenschaft, Erfahrbarmachung und Performanz und arbeitet mit den Methoden Bewusstseinsübertragung (Embodiment), Live Schauspiel und direktem wissenschaftlichen Feedback aufgrund von neuropsychologischen Fragestellungen. GalileoVR ist Theater von Heute mit den Mitteln dieser Generation, bezogen auf aktuelle Felder wie Fake News, Aktivismus/Sender sein und Theater als Experience.
Schritt 1: Entwicklung eines Prototypen anhand der Test-Szene “Marktplatz”
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Start im All
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Die Hauptfiguren sind (noch) Pappkameraden.
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Am Ende begegnet die Userin dem Pestdoktor.
Schritt 2: VR goes LIVE im sozialen Raum des Theaters
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Schritt 3: Motion Capturing
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Schritt 4-6: Überarbeitung und weitere Showings
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Testszene Marktplatz
Konzept, Buch, Co-Regie Samuel Schwarz, Corinne Soland, Janina Woods Design und Entwicklung VR, Programmierung Janina Woods Spiel VR (Motion Capturing), Gesang Wanda Wylowa Sound Michael Sauter Produktion Digitalbühne Zurich Unterstützt von Stadt Zürich
>> NEU-ENTWICKLUNG: #GalileoVR!
#GalileoVR
Schritt 1: Konzeption
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Schritt 2: Motion Capturing
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Laura Sophia Becker als Mönch
Schritt 3: Audio-Dubbing
https://www.youtube.com/watch?v=LhMwYRh7Djo
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Premiere von GalileoVR am 29. September 2018!
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Die UserInnen blicken auf eine Live gespielte Figur (Galilei) im virtuellen Raum, die in einen Dialog tritt mit einer Figur, welche vor-gecapturet wurde - dem Mönch.
Die UserInnen sehen sich dabei auch gegenseitig, als kleine, weisse tictac-ähnliche Männchen.
Weitere Forschungsfragen haben sich uns aufgetan! Sie betreffen die Social VR (wie reagieren die UserInnen auf sich selbst und die anderen UserInnen in dieser Umgebung?), die Schauspielerin 4.0 (wie ist es, mit einer früheren Version seines Selbst zu spielen z.B.) und die Immersion vs. Der V(R )-Effekt.
Diese und weitere Fragen werden wir in den kommenden Monaten weiter bearbeiten.
Informationen, Fragen? [email protected]
>> TO BE CONTINUED... <<
#GalileoVR
Konzept, Buch, Co-Regie Erfahrung “Mönch”: Corinne Soland, Laura Sophia Becker Erfahrung “Laughton”: Samuel Schwarz, Diana Wotruba Design und Entwicklung VR Pascal Achermann, Claudio Antonielli Programmierung Nick Schneider, Florian Huber Spiel VR (Motion Capturing) und Live vor Ort Laura Sophia Becker, Corinne Soland VR-Jane Diana Wotruba VR-Jane Interface Design Florian Huber Sound Michael Sauter Wissenschaftliche Datenerhebung Diana Wotruba (ZHdK/ehem.ETH), Bigna Lenggenhager (Uni ZH) Produktionsleitung VR Florian Huber Produktion Digitalbühne Zurich Unterstützt von Pro Helvetia, Stadt Zürich
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derpolder · 6 years
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Reference-Clips Digitalbühne
2019 we will be working with the fictional City of SELDWYLA, a hybrid between Expat-Zurich, Bombay and Berlin, inspired by the famous Seldwyla-City conceived by Gottfried Keller. SocialVR will be one of our tools.
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SELDWYLA is a world of costumes. Colorful. A hybrid between 19th and 21th century. 
Cosplay is a new global phenomenon that we like to integrate in our storyworlds. We are building a storyworld that will integrate the use of events, VR-experiences,  Feature Films and apps to tell the stories on several platforms 
Our POLDER-Project is the prototype for this type of multimedia storytelling, also reflecting the phenomena of cosplay, gaming, VR, transmedia.. the core of the storyworld was a well produced shiny and feature Science Fiction feature film. 
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Our feature film „POLDER“ enabled us to explore methods of immersion. The story: Marcus - chief creator of NEUROO-X for immersive Storytelling - died in a accident. He left behind a immersive riddle for his wife Ryuko. Ryuko finds a mysterious tape - a augmented reality tool that shows Marcus memory. Here a core scene : (13 minutes), please listen with headphones:
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                                       POLDER - Central Scene
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Here you can see the several platforms we used. Alternate Reality Games, Feature Film, Event Screenings. 
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The feature film MARY&JOHNNY - shot in three days - was also a prototype for new forms of storytelling...and combined with events screenings. With MARY&JOHNNY we won Berner Filmpreis 2012 and were at many german festival. See reviews here
We also created a POLDER VR-experience. In social VR Labs we tested our VR-prototypes. 
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                                       Screenshot from POLDER_VR
The VR-Labs are always connected with discussions and debates that are set in a pleasing environment.
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Through a large array of experiments with Motion Capturing we are able to explore the functions and methods of acting that will be necessary in the future for a digital storytelling scene.
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Here you can see the actress Sira Topic – the POLDER-witch – at the Capturing Session at EPFL Lausanne:
                                           Digitalbühne won prizes 
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For POLDER were awarded several international prizes, e.g. THE ZINEMA ZOMBIE AWARD in BOGOTA. Further, POLDER also won the Mélié d’argent for best SciFi Film in Trieste and six Palmares at Madrid Fantasy Film Festival. 2016 we won the BAK-Preis (federal office for culture) for “innovative storytelling”. 
The next big project is DER ERSTE AUGUST, a VR Feature Film about the fight of a female political movement against an ALT RIGHT movement – a very contemporary story as well as the first VR-feature film of Switzerland. 
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Like the First feature film MARY&JOHNNY “Der erste August” is based on Ödön von Horvath. With “Mary&Johnny” we won several awards (Berner Filmpreis 2012, best Film, Marcus Signer: best actor, Berner Filmpreis 2012, Michael Sauter: Best soundtrack SUISA 2012)
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TO BE CONTINUED
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derpolder · 6 years
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V(R)-Hör des Lukullus
Hier listen wir einige Referenz-Videos auf, die in der Eingabe V(R)-Effekt erwähnt werden.            
VIDEO1: 400asa 2008-2017 (with english dubbing)
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Gina D’Orio als Gong-Schlägerin im Garten der Eröffnung von BB18. Ausschnitte aus massgeblichen Arbeiten von 400asa & 400asa Sektion Nord, u.a. auch DER SUMPF.  VIDEO2: NTANDO CELE AT SCHAUBÜHNE BERLIN
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Ntando Cele in BLACK OFF. (Schaubühne Berlin 2018 im Rahmen von FIND 2018, siehe auch den LINK      
VIDEO 3: VR-LABS
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Einblick in das  VR-Labor der Digitalbühne im Rahmen der offenen Rechercheabends im Rahmen von BB18. Entscheidend war die Wechselwirkung aus sozialem Raum und Vereinzelung in der Brille. 
VIDEO 4: FIRST READING OF “TRIAL OF LUCULLUS”
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Ntando Cele und 400asa Sektion Nord Gesellschafter Ted Gaier bei der ersten Leseprobe mit dem Lukullus-Text. Die Szene 14 beschreibt die Vertreibung des Tyrannen ins Nichts. Ted Gaier übersetzt den englischen Text simultan aus dem Englischen ins Deutsch. 
VIDEO 5: FLOW
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Ausschnitt aus FLOW - von 400asa Sektion Nord (2011/2012)  auch hier stand die Auseinandersetzung mit Technologie und Politik im Zentrum. Das Stück spielte in einer rechtsesoterischen Zukunft. Basrawi und Gaier erzählen von den Diskurs-Streams und der Übernahme der RechtsLinks-Partei
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derpolder · 6 years
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BB18 - Hörspiel - SRF
Einer der Auseinandersetzungen im Rahmen der Kuration BB18, die 2018 in Chur stattfindet   widmet sich dem Radiohörspiel “Das Verhör des Lukullus”, das 1940 von den Berner Hörspielern und Radio Beromünster uraufgeführt wurde. Eine Liveversion dieses Hörspiels - das in Kooperation mit SRF in diesem Jahr entsteht -   wird 2019 für den Theaterdiscounter Berlin produziert.
In Bern wurde 2018 vor Publikum geprobt und das Stück eingelesen, als Vorbereitung für die Aufzeichnung für das SRF-Hörspiel,
Link zu den offenen Proben: LINK  Eine zentrale Kernidee von BB18 ist die Auseinandersetzung der Theaterschaffenden mit der Technik Ende der 20er und anfangs der frühen 30er Jahre. Die Theaterschaffenden (und mit ihnen auch Brecht) waren sich nicht sicher, ob der neuen Distributionsapparat “Radio” wirklich emanzipatorische Funktionen haben wird oder nur ein Apparat zur Optimierung der “Massenhypnose” sein wird. Ähnliche Überlegungen haben wir heute, wenn wir beispielsweise an die Chancen und Gefahren von VR Technologien denken.  Deshalb beschäftigen wir bei BB18 stark mit “Radio”, als auch mit “VR” - das aber ohne die kreativwirtschaftliche Euphorie  anderer Kurations-Formate- und das konkret in Anwendung dieser Technologien.  
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“... ein Vorschlag zur Umfunktionierung des Rundfunks: Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen”.  (Bertolt Brecht, 1932)
Für 400asa & die Berliner Zelle 400asa Sektion Nord war immer schon die Auseinandersetzung mit Populärkultur, inbesondere die Verbindungen von Politik und Technik interessant, wie beispielsweise bei der Berliner Produktion DER SUMPF (koproduziert mit den Sophiensälen, dem Donaufestival Krems, dem Tojo Theater in Bern &dem Fabriktheater Rote Fabrik). Bei DER SUMPF vollzogen wir mit einem Linienbus in Berlin eine Zeitreise in das dunkle Jahr Null 1990 - zu dem schlechtesten Konzert ever. THE WALL an der Berliner Mauer. 
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Ted Gaier (400asa Sektion Nord) als Technokrat Roger Waters in DER SUMPF
Aber auch die Aussenbespielungen sollen die Reflexion über die Technik weiterführen, oft auch mit analogen Techniken´(manchmal auch auch mit Hochtechnologie, wie Motion Capturing oder GPS Tracking Systemen). Die Aussenbespielungen versinnlichen und politische Kontexte - aber ohne die  vereinnahmende “Immersion” der Produkt- und politischen PR.  Die gleichen Ansätze verfolgen wir für Projekte in der virtuellen Realität. Deshalb auch die Wortschöpfung V(R)-Effekt, ein Wortspiel mit Brechts V-Effekt. 
2016 wurde 400asa mit dem BAK Theaterpreis für ihr “innovatives Storytelling” ausgezeichnet, nicht zuletzt auch wegen der transmedialen Theater und Filmproduktion DER POLDER.
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                                       DER POLDER                                  GAMING, FILM, POLITIK
POLDER war vieles. Alternate Reality Game, Theaterstück, Urban Game, App-Theater, aber eben am Ende dann auch ein Kinofilm, der mehrere internationale Preise gewannt (u.a. den Méliès d’argent 2016 für den besten europäischen Sci-Fi Film in Trieste). Die Faz schrieb im Juni 2018 anlässlich der Erst-Ausstrahlung von POLDER in der ARD:   “Der Film folgt nun in Sprüngen der Geliebten des Chefentwicklers, der Japanerin Ryuko (Nina Fog) und ihrem gemeinsamen Sohn Walter (Pascal Roelofse). Gemeinsam mit der Anwältin Gaby (Friederike Kempter) sammelt Ryuko Spuren, die Marcus hinterlassen hat, um das Geheimnis des Konzerns zu lüften. nd wenn man sich fragt: Was macht dieser Film nun daraus? So muss die Antwort lauten: alles. Und zwar herrlich bis grotesk verspielt. Postkartenpanoramen, Mutterrollen, Zeitreisen, mythische Figuren, Sprache, Wahn- und Liebesbeziehungen – alles wird in seine Einzelteile zerlegt und neu zusammengewürfelt.”
Ganze FAZ-Kritik, hier LINK
Einer der Produktionen von BB18 und BB19  wird eine Neufassung des Hörspiels “Das Verhör des Lukullus” sein - und das - wie es die Radiotheorie vorschreibt  transmedial- als Radioprojekt und Liveprojekt, die sich gegenseitig beeinflussen und aufeinander einwirken.  Anders als bei dem ebenfaslls entstehenden Projekt  Projekt Galieo_VR (siehe weitere Infos LINK  )- reflektieren wir bei “Der Verhör des Lukullus”)  die Radiotheorie mit  den “analogen” Mitteln des Theaters und nicht mittels VR-Technologie. Die grundsätzlichen Fragestellungen der Radiotheorie ergeben sich aber auch hier.  Die Bindung an das Radiohörspiel - die Kooperation mit Radio RaBe, aber auch öffentlich rechtlichen Radiostationen (wie SRF) machen aber aus LUKULLUS UND DER V(R) Effekt mehr als  einem normales Theaterprojekt.  Es bespielt mehrere medialen Ebenen.  Auch machen wir grosse Versionen davon ( am Theaterdiscounter Berlin), aber auch kleine feine in Hinterhöfen oder Clubs oder an Staatstheater wie dem Staatstheater Bregenz, das uns zu Gastspielen 2019 eingeladen hat.  Immer werden wir eine Art feierliche Zelebrierung unserer unheilvollen Verbindung zu diesen Gewaltherrschern vollziehen. Diese Gewaltherrscher drohen unseren Alltag zu dominieren, auch wenn wir uns scheinbar gegen sie erheben.  Natürlich gehört zu diesen Performances dann auch die Austreibung des Gewaltherrscher und Populisten ins NICHTS, unterstützt von kultischen Theatertechniken. Man kann es sich vorstellen, dass in Berlin - angesichts zerrissener linker Kontexte (und einem neuen linken nationalen Populismus), dies einerseits sehr lustig werden wird, aber zum Teil auch schmerzhaft. Wir treiben also nicht nur die usual suspects (wie Trump, Putin, Erdogan, Weidel, le Pen) aus uns heraus und ins NICHTS, sondern wühlen auch in dem schmerzhaften Kontext von linkem Populismus und Querfront.  
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                                                                 Analog umgesetzte Radiotheorie:  Gina D’Orio von 400asa Sektion Nord  - und der Feldmeiler Brecht- Gong
Die phantastische Ntando Cele wird das Stück als eine Art politische Stand up Comedy  performen (simulatanübersetzt und musikalisch begleitet von Ted Gaier und Gina D’Orio) und aus dem deutschen Hörspiel wird ein multilinguales Weltgericht über Willkürherrscher, über Widerstand gegen diese Willkürherrscher aber auch über die Faszination dieser Populisten und Welteroberer -  denen wir leider auch durch Erwähnung und Feindbildkreation zur Macht verhelfen. 
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                          Ntando Cele als Lukullus und alle anderen 
Brecht Radiotheorie, die von Feedback vom Empfänger ausgeht, beweist ihre Gültigkeit und Wirksamkeit 2018 gerade in den Feedback-System von Herrschern und beherrscher Masse via Twitter.  Wir versuchen dieser Radiotheorie zu ihrer eigentlichen Bedeutung zu verhelfen, zusammen mit SRF und Radio RaBe, Grosser Halle, Volkshaus und Theater Chur. Der Gerichtsprozess um Lukullus wird bei uns zu einem babylonischen aktuellen Welttheater, zu einer breiten Reflexion über Repräsentanz, White Supremacy, Projektionen und Utopien.  Wir übersetzen aus dem englischen, spanischen und französischen  zurück auf Deutsch und schauen, was von dem RadioStück von BB am Ende noch da ist.  Die Essenz? Das Eigentliche? Brecht? Oder etwas anderes? 
 Und selbstverständlich wird auch 2018 ein Gewaltherrscher ins Nichts geworfen, und wie 1940 wird dies wohl eher ein verzweifelter Akt sein, eine Trost-Handlung, denn als das Hörspiel 1940 ausgestrahlt wurde, war der Aggressionskrieg Hitlers auf seinem Höhepunkt. Es war eine düstere Zeit. Und auch wir empfinden die aktuelle Zeit als ziemlich düster - zumindest die Pessimisten unter uns.  Und auch im Produktionsteam ist nicht ganz klar, wer dieser Lukullus denn genau ist im Jahre 2018. 
Nichtdestotrotz wird der Willkürherrscher “Lukullus” auch bei uns am Ende ins Nichts getrieben. Denn die Siege und Triumphe der Grossen bedeuten wenig im Schattenreich des Todes. 
Das Projekt LUKULLUS UND DER V(R)-Effekt steht in engem inhatlichen Zusammenhang zu der Forschung zu der “Schauspielerin 4.0″ und GALIEO_VR. Anders als bei GALIEO_VR, wo wir neuste VR Technologien anwenden (wie hier beschrieben, siehe LINK)  setzten wir bei der Neufassung von “Das Verhör des Lukullus” ganz auf die Kraft des analogen Theaters. Das Theater selber wird zu einer sozialen Maschine. 
Wir haben angefangen im Mai 2018 mit ersten Aufnahmen für das Hörspiels. 
Wir geben hier Einblick in die ersten Lese Proben zu “Das Verhör des Lukullus”. Mehrsprachig. Ambivalent. Düster. Lustig. Lukullus 2018. Hier Ein Ausschnitt aus den ersten Leseproben: Szene 14, bei der der der Willkürherrscher ins “Nichts” geworfen wird. Ntando Cele (als alle Figuren), Ted Gaier (Goldene Zitronen, Schwabinggrad-Ballett) als Gerichts-Simultanübersetzer, Raphael Urweider (Recherche).    
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“Lukullus und der V(R)-Effekt” soll 2019 auch in Berlin gezeigt werden, als Teil einer Kuration BB19. 
UND FÜR DIE, DIE ES INTERESSIERT (die hochinteressanten historischen Kamellen interessieren nicht alle, aber doch immer noch einige, unter anderem uns): 
Historische Hintergründe zu der Uraufführung 1940
«Das Verhör des Lukullus»
Das Hörspiel
Das Hörspiel von Bertolt Brecht wurde an Pfingsten im Kriegsjahr 1940 erstmals ausgestrahlt. Es passierte die Medienzensur, weil es als historischer Stoff ausgewiesen wurde. Es ist die Geschichte vom Römer Lukullus, dem «Grössten Feldherr aller Zeiten» (alias Adolf Hitler), der im Reich der Toten eintrifft.
Legendäre Ausstrahlung - Meisterstück des Service Public 
Wie Brecht mit versteckter Hitler-Kritik auf Sendung ging
Autor: Werner Wüthrich
Pfingsten im Kriegsjahr 1940: Während Hitlers Armeen in Holland und Belgien einmarschieren, sendet das Studio Bern ein neues Hörspiel. Geschrieben hat es Bertolt Brecht. In «Das Verhör des Lukullus» wird Hitler vor das jüngste Gericht gestellt – natürlich ohne den Namen des Diktators zu nennen.
Kaum waren in Deutschland die Nationalsozialisten unter Hitler an die Macht gekommen, flüchteten Zehntausende aus Deutschland. Der Autor der berühmten «Dreigroschenoper» glaubte zunächst, im Exilland Schweiz Zuflucht finden zu können. Doch nach einigen Wochen in Zürich und im Tessin reiste Bertolt Brecht mit seiner Familie von Carona bei Lugano nach Paris und Dänemark weiter. Seine Erkenntnis: «Die Schweiz ist zu teuer, hat keine Städte – eine Theaterdekoration (aber ohne Bühnenarbeiter).»
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                               Brecht und Freunde in Feldmeilen
Nie Parteimitglied, immer politisch
Brecht, dieser kritische Geist und Unruhestifter, wurde von den Nationalsozialisten gehasst, verfolgt und ausgebürgert. Seine Werke landeten im Dritten Reich auf dem Scheiterhaufen und wurden rasch verboten. Das hatte teils mit seiner Weltanschauung und teils mit seinem künstlerischen Anspruch zu tun.
Der verfemte Deutsche mit Linksdrall war nie Mitglied einer politischen Partei. Aber er plädierte als Autor und Theaterregisseur das bisher Bewährte zu überdenken: in Kultur, Gesellschaft und wo auch immer. Er stand dafür ein, den Umgang mit Traditionen und dem «klassischen Erbe» wenigstens auf den Bühnen zu hinterfragen. Gleichzeitig betonte er das Experimentelle in der Kunst, suchte nach alternativen Formen und zeitgemässen Inhalten und kritisierte, wo immer er auch hinkam, die Spielpläne der Bühnen und die gesamte bisherige Kulturpolitik.
Theater, über das man lachen soll
Dabei postulierte er «ein Theater der Neugierigen!». Unermüdlich betonte der Stückeschreiber Brecht, Kunst – auch die Theaterkunst – habe in erster Linie Vergnügen zu bereiten. Und doppelte mit dem programmatischen Satz nach: «Ein Theater, in dem man nicht lachen kann, ist ein Theater, über das man lachen soll.»
Noch heute erfährt der Radiozuhörer, Theaterbesucher oder Leser bei jedem Werk von Bertolt Brecht etwas von seinem Lachen als Widerstand und von seiner Haltung als Unruhestifter, der Fragen an die Gegenwart stellt. Und der den Menschen und die Welt als Prozess sieht, veränderbar und sich dynamisch verändernd.
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Das Radiostudio Bern wurde 1940 von Soldaten bewacht, die Radiomitarbeiter trugen alle eine geladene Waffe. Lukullus 1948. 
Trotz Zensur viel Brecht in der Schweiz
In der Schweiz hatten es die neueren antifaschistischen Werke Brechts ganz besonders schwer. Das Land hatte zwischen 1933 und 1945 bei sämtlichen Aufführungen, Radiosendungen und Bücherpublikationen von deutschen Exilautoren auf das politische Umfeld der Nachbarn Rücksicht zu nehmen.
Umso erstaunlicher ist es, dass trotz dieser Umstände das Exilland Schweiz als Ort mit den meisten Ur- und Erstaufführungen von Brecht gilt. Oft bedurfte es einer List, damit die Aufführungen wie «Mutter Courage und ihre Kinder» (1941 am Schauspielhaus Zürich) oder das Hörspiel «Das Verhör des Lukullus» die Nationalsozialisten im Dritten Reich nicht provozierten, und dass doch die Aussage gegen das Hitler-Regime von jedermann verstanden wurde.
«Ästhetik des Widerstandes»
Dafür bedurfte es aufgeschlossener Personen im Hintergrund, die Brechts Anliegen bereits aus der Zeit vor 1933 kannten. Sie verstanden seine Formen einer «Ästhetik des Widerstandes», vermochten sie zu verbreiten und umzusetzen. Im Herbst 1939 waren es der Verlagsleiter Kurt Reiss von Brechts Bühnenverlag, der «Kurt-Reiss AG Basel», und der leitende Radiodramaturg und Regisseur der hochdeutschen Hörspiele in Bern, Ernst Bringolf aus Schaffhausen. Beide lebten in den 1920er-Jahren in Berlin. Bringolf galt in Deutschland als glänzender Sprecher und bekannter Radiopionier, er hatte Kontakte zu den führenden Gegenwartsautoren.
Brecht schickte 1939 seine neuen Manuskripte aus dem schwedischen Exil an Verleger Reiss. Dieser leitete das Stück «Verhör des Lukullus» augenblicklich in das Radio Studio Bern weiter. Dort kam es dank der persönlichen Bekanntschaft mit Ernst Bringolf schnell zur Ausstrahlung.
Das neue Brecht-Hörspiel «Das Verhör des Lukullus» passierte ohne Abstriche die Radio- und Presse-Zensur, die damals vom Armeestab und dem Schweizer Militär ausgeübt wurde. Schliesslich spielt «Das Verhör des Lukullus» im Alten Rom oder vielmehr im Schattenreich. Wie gut aber all die Anspielungen auch von den Radiohörern verstanden wurden, kann – trotz der aktiven Zensur – in den damaligen Presseberichten verfolgt werden. Etwa wenn in der Radiowoche zu lesen ist: «Wir haben dazu wenig zu sagen. Wer es hörte, weiss genau, um was es ging. Es bleibt uns nur die angenehme Pflicht, Autor, Regisseur und Darsteller aufs Beste zu der famosen Leistung zu beglückwünschen.»
Mit dieser Ursendung hatten Ernst Bringolf und sein Berner Hörspiel-Ensemble in jedem Fall ausserordentlichen Mut bewiesen und – gewollt oder ungewollt – einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass Brechts Werke in den folgenden Spielzeiten auch wieder ausserhalb des Arbeitertheaters und der Volkshäuser am Zürcher Schauspielhaus gespielt werden konnten.” (Werner Wüthrich, Bern, 2012)
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derpolder · 6 years
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Schauspielerin 4.0 (das Craig’sche Schiff)
Was ist die Funktion der Schauspielerin 4.0? 
Die Laudatio von Fabian Hinrichs zum Alfred Kerr DarstellerInnen-Preis (hier LINK )  ermöglicht interessante Querverbindungen zu der Figur der Schauspielerin 4.0, die wir praktisch erkunden in einem dreijährigen künstlerischen Forschungsprojekt.
Der aktuelle Disput um die Rolle der Schauspielerin im 21 Jahrhundert beschäftigt uns schon seit zwei Jahren. In diesem Beitrag geben wir einen Einblick in die aktuelle Forschung der Digitalbühne mit einem Querverweis auf einen der zentralen Texte, die dem militärisch organisierten deutschsprachigen Theaterapparat zugrundeliegen.
Besonders ausschlussreich - und interessant bezüglich der Wortwahl von Hinrichs (auch er sprach ja von Offizieren und Soldaten)  ist der programmatische Text von Craig “Die Kunst des Theaters”, der 1905 in deutscher Übersetzung erschienen ist. Craig ist ein wichtiger Stichwortgeber für sehr viele Theaterschulen des 20. Jahrhunderts, weil er auch massgeblich beteiligt war an der Entwicklung des  Regie-Theaters (Regisseur = Ingenieur),  welches das 20.Jahrhundert prägte und welches (auch im Fahrwasser von #metoo oder auch sich virushaft ausbreitenden Gamification-Formaten sich momentan in existenzieller Krise befindet. Und doch verteidigen die Matrosen als auch die Offiziere das liebgewonnene Schiff (diesen elenden Kerker) mit fanatisierter Rhetorik. Wie die Soldaten auf der Kreisel-Bühne von Ulrich Rasche schreien die Fusssoldaten ihre Liebe zu ihrem unmündigen Daseins-Zustand in die Welt hinaus, verdammen den zarten Hinrichs und seine flirrende Phantasie. Dagegen muss man sich ja fast wehren! In dem Text von 1905 skizziert Craig in einem fiktiven Dialog von Eingeweihtem (E) und Zuschauer (Z), welche Funktion dem Schauspieler in dem Kreationsprozess zuzuweisen sei. Dieser Text soll uns - in seiner Klarheit und Bestimmtheit - als wichtige Referenz dienen für die Bekämpfung des Craigschen Schiff und der militärischen Stallungen der Staatstheater:
Auszug aus dem Text von 1905: 
Z. Wollen sie denn, dass der Regisseur die Bewegung desjenigen Menschen beherrscht, der gerade den Charakter von Romeo gibt, sogar wenn er ein guter Schauspieler ist?
 E: Aber natürlich, und je tüchtiger der Schauspieler, desto höher seine Intelligenz und sein Geschmack, und desto leichter ist er zu beherrschen. Ich spreche besonders von einem Theater, indem alle Schauspieler Leute von Bildung sind und der Regisseur ein Mann von besonderer Fähigkeit.
Z: Aber verlangen sie da nicht, dass diese intelligenten Schauspieler nichts weiter als Marionetten werden?
E: Das ist eine empfindliche Frage, die man von einem Schauspieler erwarten könnte, der seiner Kräfte nicht sicher ist. Marionette!!? Für ein Marionettentheater - ja, aber für ein Theater - nein. Und doch ist dies das Gefühl, das einige Schauspieler über ihre Beziehungen zum Regisseur charakterisiert. Sie fühlen, dass ihre Strippen angezogen werden und widersetzen sich dem, zeigen, dass sie nicht bloss verletzt sind, sondern auch beleidigt.
Z: In einer Weise kann ich das verstehen.
E: Und können sie nicht auch verstehen, dass sie willig beherrscht sein wollen? Bedenken sie einen Moment das Verhältnis der Leute auf einem Schiff, und sie werden verstehen, wie ich es meine, dass die Beziehungen der Leute in einem Theater sein sollen. Wer sind die Arbeiter auf einem Schiff?
 Z: Auf einem Schiff? Nun, das ist der erste Kapitän, der erste Offizier, der zweite Offizier, und so weiter. Der erste Steuermann, der zweite Steuermann, etc. und die Mannschaft.
E.: Und, wer leitet dieses Schiff? 
Z.: Das Steuer.
E.: Ja, und wer noch?
 Z.: Der Steuermann, der am Steuerrad steht. E. Und wer noch?
Z.: Der Mann, der den Steuermann kontrolliert. E.: Und wer ist das?
Z.: Der erste Offizier.
E.: Und wer kontrolliert den ersten Offizier? Z.: Der Kapitän.
E.: Und werden irgend welche Befehle, die nicht vom Kapitän kommen oder von seiner Autorität, befolgt?
Z.: Nein, das sollten sie nicht.
E.: Und kann das Schiff seinen Lauf in Sicherheit fortsetzen, ohne den Kapitän?
Z.: Nein, gewöhnlich nicht.
 E.: Und befolgt die Mannschaft nicht die Befehle des Steuermanns, und der Steuermann die Befehle des ersten Offiziers, und der Offizier die Befehle des Kapitäns?
Z.: Ja, gewöhnlich.
E.: Befolgen sie sie nicht willig?
Z.: Ja.
E.: Und wird das nicht Disziplin genannt?
Z.: Ja.
E.: Und wovon ist die Disziplin das Resultat?
Z.: Von der richtigen und willigen Ergebenheit in Gesetze und Prinzipien.
E.: Und die ersten von diesen Regeln ist doch der Gehorsam, nicht wahr?
Z.: Jawohl
E.: Nun gut. Es wird dann nicht schwer für Sie zu verstehen sein, dass ein Theater, in dem Hunderte von Personen engagiert sind, in vielen Beziehungen wie ein Schiff ist und die gleiche Verwaltung verlangt. Ich ziehe vor, das Theater mit einem Schiff zu vergleichen, lieber als mit einem Lager, denn der gute behändige Mann, der Matrose ist mehr noch als der Soldat von der Art eines disziplinierten Menschen, den das Theater braucht. Es wird auch nicht schwer für Sie sein zu erkennen, wie der kleinste Anfang von Meuterei gefährlich werden kann. Man hat der Meuterei in der Marine vorgesehen, aber nicht im Theater. Die Marine hat in sehr vorsichtiger Weise mit sehr klarer und unverkennbarer Stimme angegeben, dass der Kapitän von einem Schiff der König ist, und ein despotischer Herrscher noch dazu. Meuterei auf einem Schiff wird unterdrückt durch körperliche Bestrafung oder durch Eisen, oder aber in einigen Fällen mit der Pistole.
Z.: Aber sie wollen doch nicht etwas andeuten, dass solche Möglichkeiten für das Theater existieren könnten?
E.: Das Theater, ungleich dem Schiff, braucht keine Feuerwaffen, und ist nicht für den Krieg geeignet, aber ich will ihnen sagen, dass, solange keine Disziplin im Theater verstanden wird und dem Regisseur kein williger und verlässlicher Gehorsam gezollt wird, keine große Schaustellung erreicht werden kann.
( Craig, 1905, S. 33 )
Aus heutiger Perspektive - zumindest im Sinne des - auch im Kulturbetrieb gültigen Common Sense, der eher Kommunikation auf Augenhöhe und kollektive Prozesse favorisiert - wirken diese Aussagen von Craig altmodisch. Zu stark distanzieren wir uns heute von dem Pathos der totalen Unterwerfung unter den Regisseurs-Willen. Niemand würde - den Ausnahmezustand ausgenommen - diese Setzungen als immer-noch-gültiger Beschrieb des Jetzt-Zustandes akzeptieren und sich diese Bedingungen eines absoluten Gehorsams herbeiwünschen. Auch ist es uns heute klar, dass die Extrembedingungen eines Schiffs, das - wie die Arbeit des Katastrophenschutzes oder eines Spitals - angewiesen ist auf klare Ausnahmezustandsregelungen zur Rettung von Menschenleben - nicht verglichen werden kann mit den subjektiven Werturteilen innerhalb des Kulturbetriebes, der zwar autoritäre Produktionsformen nicht grundsätzlich verurteilt, aber auch andere “laschere” oder “undiszipliniertere” Arbeitsformen kennt, die genauso hoch- und wertgeschätzt werden vom Feuilleton, von Experten und dem unbedarften Laienpublikum. Die zwingende Verbindung von disziplinierter Produktionsweise, die einen klaren “Führer” braucht und nur – wenn es einen solchen „Führer“ hat, Qualität generieren kann - ist uns heute fremd und sicher auch wegen der totalitären Erfahrungen des 20. Jahrhunderts suspekt. Das Publikum - und das Feuilleton - loben und lieben heute genauso die dilettantische Schlampigkeit einer Performance, wie auch eine in strikter Hierarchie hergestellte Opern- oder Musicalaufführung. Entscheidend ist heute eher der kontextuelle Rahmen, der Marketing- Experten, Dramaturgen, Veranstalter der jeweiligen Performance geben. Die von Craig beschrieben Bedingungen wünscht sich heute also definitiv niemand mehr herbei. Erst recht nicht im deutschen Stadttheaterbetrieb. Nur: Müssen sie vielleicht gerade dort nur deswegen nicht herbeigewünscht werden, weil sie immer noch Tagesaktualität sind? Wie sieht es aus mit der selbstbestimmten SchauspielerIn im heutigen (deutschen) Stadttheaterbetrieb? Wie sieht es aus mit ihrer Freiheit? Wie aktuell ist diese Craig’sche Gleichsetzung eines von einer Bürokratie verwalteten Theaterbetriebs mit der der Hierarchie auf einem Schiff?
Wenn man Hinrichs Rede hört, muss man sagen: Sehr aktuell.
Die Parallelen Craigs mit der Hierarchie auf einem Schiff - inklusive der systemimmanent vollzogenen Isolation der Theaterleute vom Rest der Gesellschaft ( als wären diese Theaterleute wie die Craig’schen Offiziere und Matrosen isoliert auf einem Meer ) sind also hochaktuell und haben immer noch eine konkrete Realität. Die herablassende Liebenswürdigkeit, die auch Craig gegenüber diesen Funktionsträgern geäußert hat, ist durchaus zeitgemäß:
Z.: Aber sind Schauspieler und die anderen Theaterleute nicht willige Arbeiter?
E: Aber mein lieber Herr, es gibt gar keine herrlicheren Menschen mit einer so frohen Natur wie diese Männer und Frauen vom Theater. Sie sind mit Begeisterung willig, aber manchmal ist ihr Urteil fehlerhaft, und sie werden nur willig unlenksam zu sein statt gehorsam. Was diese Arbeiter noch nicht ganz verstanden haben, ist der Wert ihres Führers.
Z. Und der Führer? Warum soll er nicht ein Schauspieler oder Dekorationsmaler sein?
E.: Holen sie ihren Führer aus Reih und Glied? ( Craig 1905, Seite 31 ) Weitere Beiträge zu der Schauspielerin 4.0: Einblick in das Theaterlabor der Digitalbühne. Folgen sie diesem LINK
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derpolder · 6 years
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Schauspielhaus - das Grauen
Streit am Schauspielhaus 2005, in Relationship zu dem Generalstreik 1918.  Die Techniker streiken. Die SchauspielerInnen spielen weiter. Matthias Hartmann kämpft gegen die roten Zecken. Ein Hörspiel. 
Blödsinn, based on a true story. Vorbild war Kubricks Dr. Strangelove. Die recherchierten Fakten zum Streik wurden (in engem Austausch mit den Technikern) zu einem lustigen Hörspiel verwandelt, inkl Brecht’scher Poesie. 
Die Chronologie folgt den tatsächlichen Ereignissen.  400asa unterstützte damals den Streik der TechnikerInnen am Schauspielhaus mit diesem kleinen Audiobeitrag. Mit Erfolg. Hartmann verliess die Stadt.  Zehn Jahre später. Burgtheater-SchauspielerInnen beschreiben endlich die schlimme Hartmann-Ära an der Burg und distanzieren sich vom Tyrannen. 2018: Am KTB - dem CH-Pendant zu der Burg  sind die Schauspielerinnen trotz ähnlich korrupter Verhältnisse noch nicht ganz bereit für den Aufstand. Noch nicht. Wann streiken nur endlich die Pferde?
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derpolder · 6 years
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POLDER:TINTAGILES at GIFF 2017
Most of the Transmedia- VR and New Media Panels and Conventions are extremly ugly places, poisoned by a boring idea of capitalism. But not GIFF in Geneva. 
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POLDER was supported by SRF, and the Showcases at Geneva were supported by RTS.
In Geneva we presented our VR worlds of TINTAGILES TOD and POLDER. 
It was a honour for us to present our ideas at great Panels create an audioimmersive Experience for GIFF.
Enjoy. Use earphones and listen to the story. For people with reduced time:  
14:30 The Walterli Experience in Geneva 19.00 Le Pitch de Lilith et le massacre de Fritz 21:40 RTS Showcase 25.30 Meeting Lilith and Eva (with Sira Topic)
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           Corinne Soland and Chris Blaser: NEW DIGITAL TALENTS
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derpolder · 6 years
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Pressereaktionen Tintagiles Tod
Der Theaterblog “Nachtkritik” berichtete über “Tintagiles” Tod, als auch der “Tagesanzeiger”
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Folge dem LINK hier, um zu Teil 1 zu gelangen Folge dem LINK hier, um zu Teil 2 zu gelangen
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derpolder · 6 years
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TINTAGILES TOD, TEIL 2
Dies ist der zweite Teil eines Zwischenberichts zum Projekt TINTAGILES TOD. 
(Hier fehlen noch erklärende Texte, kommt noch)
In den jeweiligen Aufführungen fasste Corinne Soland die Fragebogen aus den Aufführungsstaffeln zusammen. Der Text den sie im Ohr hatte, entstand jeden Abend neu und sie musste eine Balance finden aus Fremd-und Selbststeuerung.
AUSWERTUNG
Die Moderatorin übernahm nach dem Ende des gezeigten 5. Aktes (Puppenspiel, siehe Teil 1) das Wort und führte ihrerseits in einem 2. TED-Talk weitere Überlegungen zum Gesteuert-Werden und der Macht von Superintelligenzen aus. Auch sie wurde von Aussen über Kopfhörer gesteuert und hatte zusätzlich jeden Abend in diesem Text Spielanweisungen aus dem Kollektiv der Digitalbühne.
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                   Auswertungspräsentation durch Corinne Soland
Diese Schwierigkeiten wurden noch ergänzt durch die Forderungen des Publikums, das mittels Klötzchens ihr Sprech und Spielweisen einprogrammieren konnte.
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                                 Fremdsteuerung durch das Publikum
Nach der einstündigen Performance durch Soland und Hottinger konnte das Publikum in dem Erzähllabor die VRT Experience austesten, als auch analoge Erzähltechniken ausprobieren (Lehm). Ebenso konnte das Publikum mit dem Androiden in Kontakt treten.
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                                                      Das VR-Lab
Ergänzung Mai 2018
#7 ARTIFICAL INTELLIGENCE
Schauspielerin 4.0 in Interaktion mit einer künstlichen Intelligenz in einem Androiden An unserer Präsenz am GIFF in Genf zeigten wir unsere VR Installation und verbanden sie mit dem Storykosmos von POLDER. Wir ergänzten EVA mit einer Artificial Intelligence, das Publikum konnte nun - als Teil einer immersiven Experience mit Eva plaudern. Angeleitet von der SchauspielerIn 4.0, die die altestamentarische “Lilith” verkörperte (Adams erste Frau)...Die Begegnung von der “TestuserIn” mit  Lilith & der von einer AI gestützten Eva sehen sie bei Minute 27.30 - eine interessante Interaktion zwischen einer Schauspielerin (Sira Topic) mit dem mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten EVA-Roboter. 
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derpolder · 6 years
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TINTAGILES TOD
Die praktischen Aufgaben der Schauspielerin 4.0 beschäftigt die Digitalbühne aktuell sehr intensiv.   
Bei Tintagiles Tod verfolgten wir folgende Themen - und das technisch, theoretisch, sinnlich, konkret: 
Schauspielerin 4.0
"Für das Marionettentheater" - so überschrieb Maeterlinck, unzufrieden mit der herkömmlichen Darstellung historischer Figuren durch Schauspieler, seine Dramen. Er postulierte, dass es gewisse Figuren in der Theaterliteratur gibt, die nicht repräsentierbar seien weil die Größe derer literarischen Fiktionen durch ihre Darstellung und die dadurch entstehende mysteriöse “Doppelung” unwiderruflich zerstört würde.
Wir stellen im Labor „Tintagiles’ Tod“ nun hundert Jahre nach diesen Avantgardisten, zusammen mit Experten auf den Feldern der Virtual Reality, Robotik und Emotionsforschung, die Frage an das Publikum ob es die Schauspielerin/den Schauspieler in Zukunft noch brauchen wird und wenn ja, auf welche Weise. Diese Problemstellung ist die Übersetzung der Frage, wie es den Menschen in Zukunft noch brauchen wird. Und mit der Schauspielerin 4.0 stellen wir eine neue Denkfigur in den Raum
Wir nutzten diverse Darstellungstechniken
A) TED-Talk
Die Schauspielerin Meret Hottinger führte in einer mehrspurig medialen Einführungs-Rede ihre Gedanken zur Digitalisierung, Avataren und der Zukunft des Schauspiels aus. Der Text, den sie präsentierte, wurde ihr über Kopfhörer vom Soundsystem zugespielt. Für die UserInnen war es gleichzeitig der Einstieg in die komplexe Thematik ihrer eigenen Rolle als Teil der Schwarm-Intelligenz. Sie konnten die Schauspielerin Hottinger durch Klötzchen, die in den Spiel-Raum geworfen werden und auf denen Spielanweisungen standen, programmieren. Teil dieses TED-Talks waren die Video-Projektion eines Androiden (Eva, mehr dazu unter F) Robotik) und die Video-Projektion einer virtuell animierten Gliederpuppe, basierend auf Meret Hottingers Motion Capturing Daten am MiraLab der Universität Genf. Die Texte zu der Performance entwickelten wir zusammen mit dem Autoren und Regisseur Leopold Helbich. 
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Meret Hottinger präsentiert in einem Ted-Talk die Schauspielerin 4.0
Avantgardisten wollten im frühen 20. Jahrhundert dem Gefängnis des Naturalismus entfliehen und ersetzten die Hoheit des Textes durch die Hoheit der Regie. Aber der Schauspieler/die Schauspielerin schien nach Auffassung der Avantgardisten nicht fähig, den technischen Imperativen der Regie Folge leisten zu können und so sehnten sich die Pioniere - mal mehr, mal weniger ernsthaft - die UBER-Marionette herbei und die mechanische Puppe, den Androiden. Maurice Maeterlinck und vor allem auch Gordon Craig führten diese Gedanken – in der Theorie – dann auch zu einer radikalen Lösung: Der Abschaffung der SchauspielerIn. Auch wenn Craig seine schauspielerfeindliche Rhetorik (”Alle Schauspieler sollen an der Pest sterben”) später relativierte, argumentierte er gegen den konventionellen SchauspielerInnen-Begriff.   Craig sah deutlich die Notwendigkeit einer neuen “Figur” auf der Bühne: “Der Schauspieler muss das Theater räumen, und seinen Platz wird die unbelebte Figur einnehmen - wir nennen sie die über-marionette, bis sie sich selbst einen besseren Namen erworben hat“.
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                          Das Erbe von Maeterlinck und Craig, Ted Talk Teil 2
Die Digitalbühne möchte nun dieser immer noch wirkenden schauspielerfeindlichen - und von Craig geprägten Branche - ein neues Denkbild entgegensetzen. Das bedeutet aber auch: Die drohende Abschaffung der SchauspielerInnen (durch Robotik oder computergenerierte Bilder) ernst zu nehmen, diese Abschaffung bewusst durchzuspielen und der Funktion Schauspielerin  zu neuer Geltung verschaffen. 
B) Robotik
Für alle Editionen 1-3 wurde uns die Roboter-Frau „Eva“ zur Verfügung gestellt vom MiraLab Genf (Universität Genf, Verantwortlich: Maher Ben Moussa, Leitung: Nadia Magnenat-Thalmann). Eva wurde in den Editionen 1 und 2 als Medium genutzt, um den 5. Akt zu erzählen. Diese Teile inklusive Stimme wurden zuvor mit Meret Hottinger im MiraLab mit Motion Capturing aufgenommen. Die Bewegungsdaten ihres Gesichtes wurden dann auf den Roboter übertragen, so dass beim Erzählen des Dramoletts die Mimik von Eva derjenigen von Meret Hottinger entsprach.
VIDEO 3
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Für Menschen, die wenig Zeit haben: Interessant sind beispielsweise die ersten zwei Minuten des Videos, aber auch Minute 9.00 bis ca 11.00. (Text: Leopold Helbich)
Macht 4.0
Und so wie der Marionettenspieler über die Körper und Stimmen der Figuren unbegrenzte Kontrolle ausübt, so beherrscht die Macht der Königin in Maeterlincks Stück auch die Psyche und Körper ihrer Subjekte. Maurice Maeterlinck schrieb in seinen Stücken über die Krise des  modernen Menschen, den Einbruch des Dunklen und Unheimlichen in das Alltägliche, über Entfremdung und Angst in der modernen Gesellschaft. „Der Tod des Tintagiles“ ist die Darstellung eines Alptraumes, der Wirklichkeit wird. Er handelt von der Ohnmacht  gegenüber den Mächtigen und dem Schicksal, das sie über uns verhängen. Diese anonyme, tradierte und omnipräsente Macht über unsere Körper und Gedanken, die Maeterlinck mysthisch beschwört, nimmt in unseren “Gesellschaften des Spektakels” (Debord) eine neue Form an. Machttechniken und Medientechnologien unterbinden und verbieten nicht mehr die Wünsche und Begierden der Menschen, sondern sie produzieren Wünsche und versprechen ihnen Erfüllung durch Genuss. Heute bereits werden unsere Wünsche von Algorithmen kalkuliert und vorhergesagt. Der Informations- und Entscheidungsrahmen, der uns offen steht, reduziert sich mehr und mehr und wird bestimmt durch unser bisheriges Verhalten. Die Technologie scheint uns ihr eigenes Schicksal aufzuzwingen.
Darüberhinaus kann aber der Text und die daraus wachsende Inszenierung auch die Frage aufwerfen, ob das Feindbild “böse Königin” nicht eine Projektion unserer gesellschaftlichen Neurosen ist – die Bedrohung, welche den Hass der Menschen auf sich zieht oder das Feindbild, das Gewalt moralisch rechtfertigen soll.  Ob der Terror, der den kleinen Tintagiles letztlich ermordet, nicht die Kreation der Propagandamaschine ist und seine Angst jene, die von den Medien geschürt wird um die Bürger vor den Bildschirmen zu “fesseln”, ist in unserer Zeit des mediatisierten Terrorismus gut möglich. Alle diese Interpretations-möglichkeiten werden in unserem Forschungslabor geboten.
VIDEO 4
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                       Die böse Königin und was die Zuschauer in ihr sehen
Userin 4.0
Die Ermöglichung einer breiten Varietät an menschlichen Handlungsoptionen für unsere UserInnen (Passivität, Partizipation, Genuss, Widerstand und Emphathie), verdeutlichen die Bedeutung der eigenen Entscheidung für den Ausgang des dargestellten Gewaltakts und werfen die PerformerInnen als auch die ZuschauerInnen in ein moralisches Dilemma. Die Frage, inwiefern die “Userin”, also die Konsumentin von produzierten “Experiences”, auch das produzierte und rezipierte Leid mitverantwortet, ist eine der dringlichen Fragen unserer Gesellschaft, die hier thematisiert werden.
«Tintagiles’ Tod» stellt also die Frage nach Formen des post-humanen Empfindens und Erlebens, als auch nach dem Sinn und Wert der Schöpfervisionen von Autorschaft, Regie und der Rolle von SchauspielerInnen im 21. Jahrhundert. Darüberhinaus wirft „Tintagiles’ Tod“ die Frage auf, ob die Integration der maschinell erfassten Schwarmintelligenz der User für uns einen gesellschaftlichen “Fortschritt” bedeutet oder nur eine Unterwerfung unter die Zwänge der Maschinen und der Algorithmen.
C) Analoges Puppenspiel
Meret Hottinger fasst mit der Hilfe von Lehm und einer weiteren Spielerin, die stumm den Prozess mitgestaltet, den 1. bis 4. Akt des Dramoletts von Maeterlinck zusammen. Hottinger wechselt zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Puppen-Figur Tintagiles und für den 5. Akt in die Schwester Ygraine. Die Schauspielerin spricht in diesem 5. Akt, dem Höhepunkt der Erzählung, beide Rollen, spielt also einerseits die sichtbare Ygraine als auch den unsichtbaren Tintagiles. Je nach Lichtsetzung entsteht ein anderer Fokus und dadurch andere Fragestellungen ans Userinnen-Publikum. In der Edition 1 wurde der 5. Akt direkt an den 4. Akt angehängt. Für die zweite Edition wurde der 5. Akt abgetrennt und separat als Labor-Station gezeigt. In einem Exkurs-Teil wurde auf die Kulturpolitik und aktuelle Tagespolitik angesprochen. Dieser wurde von Edition 1 zu Edition 2 stark ausgebaut.
VIDEO 5
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                                    ANALOGES PUPPENSPIEL
Zu Teil Zwei dieses Zwischenberichts kommen sie, wenn sie diesem Link folgen (LINK zu TEIL 2). Teil 2 beinhaltet Einblicke in die Auswertungspräsentation und in das Virtual Reality Lab, das Teil von dem Projekt war.  Und was dachten die anderen über Tintagiles Tod? Der Theaterblog “Nachtkritik” berichtete über “Tintagiles Tod”, als auch der Zürcher Tagesanzeiger:  LINK zu den PRESSEBERICHTEN
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derpolder · 6 years
Text
RASSISMUS, SEXISMUS AM SCHAUSPIELHAUS ZÜRICH - Ärger im Paradies
 Teil 2 eines Selbstgesprächs 
von Samuel Peter Schwarz
(in Teil 1 erfahren sie, was dieses Selbstgesprächs begründete und was Selbstgespräch mit Max Frisch zu tun hat) Hier: LINK zu Teil 1.
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ganzer Artikel, LINK SPIEGEL ONLINE
Peter Happig. Dieser 46jährige Schauspieler und Regisseur bist also du?
Samuel
 Genau, das bin ich.
Peter 
Und der erwähnte Regisseur da?
Samuel 
Das ist Stephan Müller. Diese Sprüche fielen in den Vorbereitungen zu dem Projekt „Max Frisch -Ärger im Paradies“ (Premiere 7.April 2018) zu der ich eine Inszenierung beitragen sollte. Wir waren auf Locationscouting auf der Kasernenwiese. Das war aber nur einer dieser Sprüche: Stephan Müller sprache auch von vier N****, die im April 2018 das Zürcher Publikum durch Zürichs lotsen würden. Er benutze diese Begriff wohl absichtlich, um mich oder das Team zu provozieren. 

 Und auf dem Weg fragte er mich eben die Frage nach den Geschlechtsteilen dunkelhäutiger Frauen und erzählte er mir noch Witze, die, so meinte er, vor allem Frauen lustig fänden.  Männer würde da immer schockiert reagieren.
Peter Wie du?
Samuel  Ja, Ich empfand es als übergriffig, zumal ich (noch) keinen Vertrag hatte, ich aber doch schon von in einem  Arbeitsprozess stand, der durchaus ganz kreativ anfing.  Von so einem Vertrag wurde zwar die ganze Zeit gesprochen, im Sinne, dass so einer er bald auf uns zu käme und nur so eine Formalität sei. Müller lachte beim Essen: Wir hätten uns aber auf wenig Geld vorzubereiten, aber schliesslich ginge es ja um was “Grosses”. Das ging  dann wochenlang so weiter. Ich lieferten Ideen, Konzepte, Szenen, und immer war die Rede von einem Vertrag, der dann bald komme, wenn alles “technische” geklärt sei. Als wären wir irgendwie in einem halbseidenen Milieu-Geschäftsbeziehung und nicht an einem Projekt über “Max Frisch”.  Wenn ich beim Betriebsbüro nachfragte, hiess es immer von dem Produktionsleiter Jörg Schwahlen: Der Vertrag kommt dann gleich. Man müsse noch etwas rechnen - als wären die Personalkosten weniger wichtig als irgendwelche Lampen.   Nun ja. Das ganze hat ein Muster, das an solchen Betrieben durchaus bekannt ist: Wenn man auf Proben - in so ungewissen Arbeitsverhältnissen - so “intim” angegangen wird, wird von diesen “Meistern” durchaus gezielt die Integrität verletzt, nicht nur aus Spass.  Matthias Hartmann beispielsweise piekste mir immer den Rücken in der Kantine - durch diese permanenten Angriffe auf Körper oder Seele  wird die Loyalität gegenüber dem “Meister” geprüft - letztlich wird versucht, eine Art psychische Abhängigkeit zum “Meister”  herzustellen.  Ich kenne das schon  aus Bochum, solche Spielchen -  ich arbeitete da ja unter Matthias Hartmann.  Und wollte das nie mehr erleben. Man kommt ganz rasch in mentale Sklavenhaltung, wie auf dem Schulhof, wenn man gequält wird, aber mitgrinst, weil man nur so meint, die Würde behalten zu können. Das kennen die Frauen natürlich nur Genüge in Beziehungen zu mächtigen Männern, aber es geschieht  auch unter Männern. Ja, und so war das auch mit Stephan Müller und mir bei diesen Zoten.  Und wie das Schauspielhaus  nun beweist -  in dem es mir für die sechsmonatige Arbeit nichts zahlen will - war ich in diesen sechs Monaten  tatsächlich nur Müllers fleischliche Manövriermasse mit dem er so ein bisschen spielen darf - die die im Idealfall auch noch Content generiert, den man klauen kann, eine Manovriermässe,  die noch nicht unter dem Schutz einer Anstellung steht.  Leute, muss man da ihnen zurufen. Habt ihr einen Knall? Wir hatten längst eine Abmachung, die juristisch gültig ist, schon nur, weil auf eurer doodes Locationscouting mitbekommen bin und wir uns die Hände geschüttelt haben.  Ich bin seit zwanzig Jahren Produzent. Ich weiss haargenau, wann eine Anstellung beginnt, dazu braucht es nicht zwingend schriftliche Verträge.  Ihr habt es hier nicht mit irgendeinem Regieanfänger zu tun (und auch den sollte man nicht so behandeln!), sondern mit einem mehrfachen Preisträger nationaler, kantonal und städtischer Theaterpreise zu tun (inklusiv dem Zinema Zombie Award in Bogota. Kolumbien),  
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POLDER gewann nebst dem Méliés d’argent für den besten europäischen Science Fiction Film auch den ZINEMA ZOMBIE AWARD in Bogota. 
Peter Das heisst ...
Samuel (dezidiert) Ja, das heisst, dass ich von euren schäbigen Stadttheater-Flohzirkus-Ritualen nicht abhängig ist, sondern sonst mit Google, Occulus, Samsung und anderen Bösewichten erfolgreich verhandle für meine transmedialen Horror-Sci-Fi-Fantasy-Grossprojekte, in den Menschen gefressen, Körper geschändet werden, aber das nicht aus dem Geiste des Max Frisch Sexismus, sondern mit dem hohen Bewusstein von Gender, Zärtlichkeit und Equalität. Wir lachen nur nur eure lächerlichen Provokationen und sexistischen Witzchen auf euren piefigen Stadttheaterbühnen. Ja, ich bin einer mit einer grossen Klappe. Und ich werde euch nun mit meinen Juristen grillen -  ihr habt es nicht anders verdient.  (winkt müde ab) Natürlich denkt man nicht gerne so martialisch, das ist auch zu ungesund. 
Peter Was für Witze waren das denn?
Samuel
 Ich erinnere mich an einen  Witz über eine Frau namens „Uschi“ oder „Otze“ und so.. (winkt gelangweilt ab) Ach, man kann sich vorstellen um was es in dem Witz geht. Nicht wirklich lustig. Naja, nicht lustig ist verharmlosend: pubertär, primitiv ist das.  Peinlich für einen Mann seines Alters. Und ja. Übergriffig. Ich meine, der Mann ist in dem Moment der Chef. Über ihn läuft alles. Und man will ja in so einer Situation ja nicht gleich als humorloses „Güetzi“ outen - auch wenn das natürlich nix mit Humor zu tun hat, sondern mit Verächtlichkeit. Es sind Witze im Geiste von „Pan“,  ja, dem Balg von Hermes, der nur Blödsinn im Sinn hat, dieser Faun. 
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Samuel  Ich verstehe ja auch, dass das eine wichtige Basis-Energie ist im Theater. Inhaltlich, nicht strukturell.  Der Teufel, Dionysos, Pan. Letzterer ist der, der in den Büschen wartet und Mädchen packt - und von der Esoterik verharmlost wird, resp als Rechtfertigung  für “Übergriffe” benutzt wird. Diese Energie ist da dauernd um Müller herum. Für mich gehört diese Energie - wenn schon denn schon - dann aber auf die Bühne.  Vorausgesetzt sie sie ist dann auch lustig. Das war es aber da nicht. Später zeigte Stephan Müller dann noch so total unlustige  Videos mit Sprüchen von Mike Müller in irgendeinem Swimming-Pool und „Girls“. Ich fand das total unlustig.  Die ganze Zeit herrschte so eine witzelnde Atmosphäre.Und ich dachte mir: Oh, mein Gott, was sind denn das für Leute hier?
Peter Und wie bist du in den Schlamassel reingekommen?
Samuel
 Ou, lange Geschichte. Darauf möchte ich dann bei Teil 3 reden
Peter Ich meine, wusstest du denn nicht, dass dieser Müller so drauf ist?
Samuel (denkt lange nach) 
Doch, eigentlich schon, aber wie das eben so geschieht: plötzlich steckt man drin. Dumm, aber wahr. Ich muss auch zugeben, dass Stephan Müller manchmal eben auch was suggestives, ja verführerisches hat. Ich mag ihn übrigens auch. Er ist einnehmend und “witzig” - auf den ersten Blick.  Man verfällt ihm rasch. Wir hatten damals an der Schauspielschule junge Schauspielerschülerinnen, die konnten nicht schlafen vor dem Unterricht mit ihm. Ich kannte auch einen Schauspielschüler, der hat ihm Liebesbriefe geschrieben. Legionen von Dramaturgen und Dramaturginnen von Pforzheim bis Wien waren oder sind Stephan Müller verfallen. Wieso? Der Trick ist einfach, aber effektiv: Er lässt alle -Männer und Frauen-  sofort an seiner „Macht“ teilhaben durch solche Sprüche. Das hat starke suggestive Kraft - vor allem auf unvorbereitete Seelen.  Müller  kann - so scheint mir - Beziehungen zudem auch fast nur denken in Meister und Schüler Beziehungen. Er ist da “asiatisch” gesprägt - resp so eine europäische autoritäre Interpretation von „asiatisch“ - waldorf-asiatisch -  vielleicht wie bei Jean Jaques Annaud, diesem Alt’ 68 er Regisseur, der Tibet und die “Natur” vergöttert -  und „das Weib“. Vereinfacht gesagt. Und doch genau so ist es. Stephan Müller  ist ja kulturpolitisch konservativ, das weiss man, Heidegger-Leser, Anthroposoph. Und ich war ja mal - in den 90ern sein - nun ja - sein  „Schüler“. Dass er versucht mich in diese Schüler-Position zu rücken, ist für mich natürlich nicht mehr tragbar.  Aus so einer Obi-Wan-Kenobi-Luke-Skywalker, besser noch Senator Palpatine Annakin Beziehung von Meister und Schüler kommt man  nur mit kräftiger Abstossung los. Und die sei somit geschehen. Etwas spät, nun aber definitiv. Aber: (er lacht und winkt etwas müde ab) Naja, mal sehen. Das sagte ich nun im meinem Leben schon ein paarmal. Und immer wieder kam so ein Gebüsch mit einem Müller dahinter.  Er ist eine wichtige Figur in meinem Leben. Womit ich solches Verhalten natürlich auf gefährliche Weise wieder zu legitimieren scheine. Das möchte ich nicht. Seine zweifellos positiven Eigenschaften bleiben aber durch diese Kritik ohnehin unangetastet. 
Peter 
 Und:  wie hast du reagiert?

Samuel Also ich bin bereits im Dezember aus dem Projekt „Ärger im Paradies“ 2017 ausgestiegen.
Peter 
 Das meine ich nicht. Wie hast du vor Ort reagiert  als er diese Sprüche und Witze brachte? Im Moment. 
Samuel
 Ich war beschämt.  An was ich mich noch erinnere: Ich hab dann noch diesen Aufsatz von Max Frisch ins Gespräch eingebracht, bei der Frisch 1952 durch Harlem spaziert und (auch für 1952) bedenklich dummes Zeugs über den Geist des N**** schwafelt.  Ein Text, den übrigens Stephan Müller zu dem Zeitpunkt - wie mir schien - noch gar nicht kannte (Frisch in Harlem:  Interessanter LINK)  Diesen Aufsatz von Frisch hat Müller dann später als Erklärung gebracht, nachdem ich ihn kritisiert habe. Er habe ja nur auf diesen Aufsatz als Referenz genommen mit seinen Sprüchen und Witzen. Ich habe ihm aber von diesem Aufsatz erzählt, erst nachdem er diese rassistischen Witze und Sprüche gebracht hatte. Er kannte diesen Text damals noch nicht. 
Peter  Und sonst, hast du was gesagt, gleich im Anschluss? 
Samuel Ich wollte zu dem Zeitpunkt den Job. Und man macht da instinktiv - leider - nicht grad sofort auf Querulant - an so einer Ortsbegehung. Man ist überrumpelt und tut so, als würde man einen solchen Übergriff gar nicht merken. Hey:  Kasernenareal für ein Outdoor-Projekt am Schauspielhaus Zürich. Das ist was! Am  “Theater der Humanität” arbeiten. Das will man!  Man ist  motiviert. Inhaltlich. Da erwartet man nicht solche Sprüche. Man will die Sache fokussieren: Max Frisch. Bertolt Brecht. 
Peter
 Brecht? Ich meine es ging um Max Frisch.
Samuel
 Für mich ging es, als ich einstieg - um die Beziehung von Max Frisch zu Brecht. Das war der Grund, weshalb ich mich überhaupt mich auf das Schauspielhaus-Projekt einliess, weil ich wusste, hey, das Projekt am Schauspielhaus wird  Premiere haben am 7. April 2018  das ist inhaltlich die die perfekte Verbindung zu unserer Präsenz in der Buchhandlung am Helvetiaplatz. Wir planen ja seit zwei Jahren dieses Reenactment am 23. April 2018, siehe folgende Einladunngskarte von 1948:
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23. April 2018 - Reenactment 1948 - mit Hagar Admoni Schipper als Helene Weigel, mit Ted Gaier als Max Frisch, Wanda Wylowa als Therese Giehse, Gina d’Orio als Ruth Berlau, Meret Hottinger als Bertolt Brecht, Samuel Schwarz als Nina “Querfront” Hagen und Philippe Graber als wahnsinnige Monade Samuel Wir wollen alles identisch, akribisch wiederaufstehen lassen und dann die Jahre 1948 und 2018 vergleichen. Diese inhaltiche Qauerverbindungen der Anlässe war auch der Grund, weswegen auch meine Mitarbeiterinnen damals meinten, ich solle unbedingt im Schauspielhaus-Projekt drinbleiben. Es gab zwar auch Stimmen bei 400asa/Digitalbühne, die meinten: Das muss sofort an die Presse etc. Stell den an den Pranger! Das wollte aber ich zu dem Zeitpunkt nicht.  Das heisst: Ich habe das Problem rationalisiert, weil ich mir zu alt vorkomme für eine solche Schluck-den-Dreck-Nummer und noch am gleichen Tag mit meinen Leuten gesprochen und die Frage in den Raum geworfen:  Soll ich aus diesem Schauspielhaus-Projekt aussteigen? Aber wir entschieden im Kollektiv, ich soll drinbleiben. Als dann der Spiegel im Umfeld von #METOO und Harvey Weinstein im Oktober Stories aus der hiesigen Branche suchte, habe ich diese Erfahrung schon mal anonym eingeschickt.
Peter
 Wieso?
Samuel Einfach als emotionale Entlastung. So Sachen stressen einen extrem.  Ich wollte mir auch bewusst machen, dass ich grad feige bin, aufgrund eines höher gesteckten Ziels. Und das dass wohl vielen so geht, auch all den Frauen, die sich betatschen lassen müssen von einem Harvey Weinstein oder Horst Grüntzel an irgendeinem Landestheater. Und ich wollte durchaus diesen Max Frisch-Komplex entlarven und dafür hätte ich in Kauf genommen, kurzfristig im Kontext sexistischer und rassistischer Sprüche und unlustigen Komikern zu arbeiten. (er lacht bitter) Ich meine, das Leben ist kein Ponyhof, man muss durchaus auch mal unter ruppigen Bedingungen seine Feldrecherchen betreiben.
Peter Wieso bist du dann doch ausgestiegen?
Samuel 
 Weil es mir dann doch einfach zu blöd wurde.  Es gab dann noch einen weiteren triftigen Grund, hat auch mit dem Thema zu tun,  aber über den Reden wir dann in Teil 4. Einer der Gründe war auch: ich hatte knappe drei Monate vor Probeginn immer noch keinen Vertrag. Und das am Schauspielhaus Zürich.  Ich sagte mir lange: Das wird teuer für das Schauspielhaus. Wenn ich denen - unter den lauwarmen intellektuellen Bedingungen von Mike Stephan Müller Witzen  - sozusagen der intellektuelle Stachel im Fleisch der geistigen Bequemlichkeit sein soll, dann müssen sie mir SEHR VIEL zahlen. Ich stellte mir die Endproben vor. Nö du. Als ich dann aber keine Zahl zu hören kriegte im Dezember, also nicht wusste wie hoch meine Gage sein würde und ich eh schon genug vorhatte im Frühjahr 2018 (und ich auf meine Kubareise verzichten müsste wegen Mike Stephan Müller), dachte ich: FUCK YOU.  Ich sagte ab, buchte die Kuba-Reise und nahm noch einen spannenden Auftrag des Schauspiel Dortmund zur Eröffnung der Digital-Akademie an. Und holte mir einen Anwalt, schliesslich hatte ich doch ein halbes Jahr gearbeitet für diese Damen und Herren.  (er lacht) Und den halben Max Frisch lesen müssen.  
Peter
 Also, kehren wir zum Thema zurück. Was interessiert dich an der Konfrontation von Brecht und Frisch.
Samuel Max Frisch hielt ja 1948 eine  - nun ja - durchaus etwas “schleicherische” Einleitungsrede zu dieser Lesung, dem einzigen öffentlichen Auftritt von Brecht. Wir machen am 23. April ein Reebactment. Das machen wir sowieso. Das Thema ist aber so stark und kräftig, dass es durchaus bei dem  Schauspielhausprojekt auch Bezüge gegeben hätte. Max Frisch ohne Brecht zu machen ist wie bei einer ernstzunehmenden Auseinandersetzung mit Hannah Arendt Heidegger nicht zu erwähnen. Das gehört zusammen. 
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Eine echte Trouvaille. Text von Max Frisch, Einleitung zu dem Anlass zu Brechts 50. Geburtstagtag am 23. April 1948 in der Buchhandlung am Helvetiaplatz
Samuel  Und mich interessierte diese Gegenüberstellung von Max Frisch und Brecht/Weigel/Giehse. Dass Brecht von Max Frisch nicht wahnsinnig viel hielt, kann man ja an seinen doch sehr despektierlichen Bemerkungen über die Schweizer Architektur nachlesen, und zwar bei Brecht selber - aber auch bei bei Frisch.
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Aus Frischs Tagesbuch 1966-1971. Erinnerungen an Bert Brecht
Peter Diese Frisch/Brecht Begegnung. Das wäre doch perfekt gewesen um diese Begegnung in dem Schauspielhaus-Kontext zu erweitern.  Gerade von der Konfrontation von Frischs pubertären und dümmlichen Gedanken zu SchauspielerInnen von 1948  erwartete ich mir natürlich sehr viel. Gerade im Schauspielhaus-Kontext wäre das spannend gewesen- Was schrieb Frisch 1948 über die Schauspielerin?
(er liest vor)
“Das Widermännliche: das scheinbar Uneigene des Weibes, das sich formen lässt von jedem, der da kommt, das Widerstandslose, Uferlose, Weiche und Willige, das die Formen, die der Mann ihm gibt, im Grunde niemals ernst nimmt und immer fähig ist, sich anders formen zu lassen: das ist, was der Mann als das Hurenhafte bezeichnet, ein Grundzug weiblichen Wesens, das Weiblich-Eigene, dem er niemals beikommt. Man könnte es auch das Schauspielerische nennen. Das Spiel der Verwandlung, das Spiel der Verkleidung. Der Mann, der sich in Kostüme hüllt, hat er nicht immer einen Stich ins Verkehrte, ins Weibische, ins Widermännliche.” (Aus “Über die Schauspieler”, Max Frisch)
Samuel  Ach, so ein Schwachsinn versetzt mich grad wieder nach Kuba. 
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  Rihanna und Sämi at the same place, Havanna 2018. Wer formt wen?
Peter Lass uns bitte wieder ernsthaft werden. 
Samuel  Gerne. Ich hatte mich gerade zu dem Zeitpunkt mit Brecht in der Schweiz 1947 und 1948 intensiv auseinandergesetzt, u.a. mit der Beziehung von Brecht zu Frisch. Mich hat vor allem diese Unterwerfung von Frisch interessiert.  Frisch war ja in den Dreissigern noch ziemlich strammer Nationalist gewesen, forderte Schweizer Quoten, polemisierte gegen Ferdinand Rieser in nationalischer Studentenzeiten, publizierte in Naziverlagen Romane, die mit ihren altmodischen Frauenbildern und rassistischen Beschreibungen „slawischer“ Menschen offen sexistisch und rassistisch waren. Sein Roman “Jürg Reinhardt” erinnert auch stark an den Euthanasie Nazifilm “Ich klage an” (die schöne sterbende Frau, die Giftspritze kriegt, unglaublicher Schwachsinn, den ich alles lesen musste für das Schauspielprojekt!!)  Dann 1945 - mit den Siegen der Allierten - wurde Mäxchen plötzlich - von einem Tag auf den anderen - Demokrat, und 1948 ging er schon vor dem „grossen“ Brecht auf die Knie. Aber eben auch mehr, weil dieser ihm „Gross“ erschien, im Sinne von erfolgreich, weniger, weil er ihn wirklich politisch verstand  Eigentlich verachtete Frisch den Brecht politisch. Wie Brecht übrigens glaube ich auch Frisch verachtete.  Natürlich, ich übertreibe. Aber eben nicht nur.
Hier kann man das übrigens nachhören. Vor allem Minute 8.20 zeigt es, wie Frisch opportunistisch funktionierte. 
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                                               Minute 8.20
Samuel  Genau so passte er sich dann später dem westeuropäischen “Diskurs” an. Aber im Kern blieben diese Charaktereigenschaften bei Frisch. Das macht ihn für mich fast unlesbar. Weil: wenn mir Frisch-Texte anfangen zu “gefallen”, dann befällt mich Selbstscham. Die geistige Bequemlichkeit von Max Frisch - diese Prosa der Angst- die durchaus sehr süffig ist und unterhaltsam, dieser Flow von Selbstreflexion, in die der bürgerliche Mann - trotz aller scheinbarer Selbstkritik dann eben doch wieder wohlig schlüpfen kann - vielleicht wie der bürgerliche Regisseur in seine gemütliche Pantoffeln, die ihm von der Assistentin  bereitgelegt werden - die machen Max Frisch für mich toxisch. Max Frisch tut mir nicht gut. Da bin ich nicht der einzige, der das so sieht. “Biedermann und der Brandstifter” beispielsweise ist mittlerweile eine Art AfD-Kultstück geworden (Link auf einen Artikel zum Thema), aber auch sein  scheinbar so aufklärerisches Stück “Andorra” - das übrigens schon 1963(!) unter Antisemitismus-Verdacht stand -  ist bedenklich in seiner inneren Logik. Das ganze Stück “funktioniert” ja nur, weil Andri kein Jude ist. Was, wenn er einer wäre? Hätten es dann die biederen Andorraner weniger verdient von Frisch angeklagt zu werden? Das Stück ist doch- was seinen logischen-moralischen und ethischen Aufbau angeht - leider ziemlicher Quark, auch weil wenn man seinem “Flow” gerne folgt. Das war ja auch Fokus meiner Andorra-Beschäftigung am Theater Basel, für die ich angefeindet wurde als “Jude” (Video der Generalprobe von ANDORRA).   
Peter
 Sehr spannend.
Samuel Ja, finde ich auch. Interessant auch, dass Max Frisch mittlerweile der Lieblingsautor der “Weltwoche” geworden ist und dort immer wieder benutzt wird für den “Gender”-Diskurs. Wobei natürlich Frisch das Genie ist und Ingeborg Bachmann die neidische Feministin. All diese Dinge zu verarbeiten in einer Schauspiel-Inszenierung. Wau. Das wäre schon interessant gewesen. Zumal man davon ausgehen muss, das 40% des NZZ lesenden Schauspielhaus-Publikums sich von einer Max Frisch Demontage natürlich erst recht hätten provozieren lassen, denn diese grün und friedensaktivistisch angehauchte mittelständisch klein-bis grossbürgerliche Schauspielhaus- Klientel findet ja im Moment Gefallen an dieser Art neo-chauvinistischem Gedankengut - die sehen ja auch  Daniele Ganser und Ken Jebsen als  “Aufklärer”.  Aber an einem solchen Ansatz war man am Schauspielhaus gar nicht interessiert. Auch an den diese provokativen und brisanten Recherchen von Charles Linsmayer (Link auf einen Auszug aus seinem Text) , die den ganzen Max Frisch-Komplex sehr genau beieuchten, schien das Schauspielhaus nicht wirklich interessiert. Sie kannten diese Recherchen auch nicht. Das ist ja dann auch, was einen dann sauer macht. Man beliefert diese Leute naiverweise sogar noch mit IDEEN.  Also würde es wenn es mich nicht wundern, wenn das Schauspielhaus dieser Charles Linsmeyer nun doch einen (abgeschwächte) Version seiner Recherchen im Programmheft abdrucken lassen wird. Interessanterweise findet man diesen brisanten Text übrigens auf linsmayer.ch nicht mehr. Bin gespannt ob Charles Linsmayer vom Schauspielhaus angefragt wurde für einen dieser Programmheft-Texte. 
Peter Eines interessiert mich nun aber schon noch. Darf ich dich noch was fragen?
Samuel Los, nur zu.
Peter
 Wieso reagierst du so heikel, um nicht zu sagen, „empfindlich“ auf diese Blackfacing-Thematik, auf diese Nennung von N**** Wörtern. Um den russischen Verteidigungsminister Sergei Wiktorowitsch Lawrow zu bemühen: Bist du eine P***y?
Samuel
 Ja, und wenn auch.  Aber das Schauspielhaus muss sich schon unangenehme Fragen gefallen lassen. Als man mich einlud, bei diesem Projekt mitzuwirken, wussten alle am Schauspielhaus, dass ich eine klare Haltung vertreten habe, beispielsweise zu „Blackfacing“ und N-Wörtern. Ich kritisierte die Inszenierung von K.U.R.S.K und die “Heilige Johanna” am Schauspielhaus -  ich hatte aber auch schon vor zwei Jahren (zusammen mit Raphael Urweider)  in Leitmedien publiziert gegen die Blackfacing-SRF-Comedy (u.a. von Mike Müller), Leitartikel im Tagesanzeiger (kann man HIER nachlesen). Auch wenn diese Jungs meinen, sie seinen auf der “wild side”, sie sind es nicht. Es ist schäbigster Bünzli-Humor. Aber eben. Ich stand im Ring, ich habe mich exponiert. 
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Sinnloses Schattenboxen mit Andreas  Thiel zum Thema Rassismus?  Wer wissen will, um was es geht, soll den Sketch Minute 3:30 zuerst gucken
Samuel  Dieser Widerstand gegen diese rassistische Bünzlitum ist Teil meiner “Künstlerbiographie”. Ich sage in Anführungszeichen, weil mir solche Begriffe natürlich suspekt sind.  Als ich aber diesen Sketch sah auf SRF dachte ich mir: Sogar für einen Fox-News CEO wäre das ein Todesurteil. Bei uns läuft das zur bei SRF zur Prime-Time und niemand sagt wirklich was. Also:  Wer zofft sich schon mit Andreas Thiel auf Tele Züri über Blackfacing? Ich. Wieso eigentlich ich? Gäbe es nicht bessere, die sich da äussern könnten? Doch, aber die lässt man nicht an den Screen. Natürlich gibt es sehr viele wertvolle Arbeit im Hintergrund auf die wir - also Urweider und ich, die das SRF anzeigten-  uns damals  stützen konnten. Aber die Schweizer Theaterszene hielt sich da fein raus. Nur weil man Kolleginnnen nicht beleidigen will (wie evtl Isabel Menke mit ihrem auch fragwürdigen Blackfacing bei Sebastian Baumgarten), halten alle die Klappe zu diesen rassistischen Kulturtechniken. Urweider und ich habe natürlich Support bekommen, von Institut neue Schweiz, von Franziska Schutzbach, und natürlich von Leuten aus dem Bühnen-Watch-Kontext (Link zu buehnenwatch) .  Aber von Theater-Leuten hier. Nein. “Wir dürfen das”. “Blackfacing ist doch harmlos”. Man scheint da gar zu denken:  “Mit Blackfacing schafft man es zum Theatertreffen, deshalb kritisieren wir es lieber nicht”. Nur: Wer mich also engagiert und mich hineinlockt eine Raum in dem ich inszenieren soll - und mich dann bei einer der ersten Proben mit solchen Witzen konfrontiert, der sollte sich nicht wundern, wenn das dann Ärger gibt. Ich bin kampflustig. Juristisch und auch sonst. Und ich wünsche mir, dass nicht nur ich - der wohl  zu Recht auch unter dem Verdacht der Rechthaberei steht und sich immer in diesem männlich konnotierten Öffentlichkeitskampf bewegt - das Maus aufreisse, sondern dass auch andere sich gegen solche Herabsetzungen erheben. “People of colour”, aber eben nicht nur “People of colour”. Herabsetzungen erfahren in diesem Kontext ja auch andere.  Natürlich - weil sie als niederrangiger gelten - besonders die Frauen.   Da tut sich aber was und das ist gut. Es gibt ein neues Netzwerk der Frauen im Theaterbetrieb, Es gab ja dieses Treffen der Theaterfrauen in Bonn.  (LINK auf einen Artikel der Süddeutschen Zeitung). 
(Zitat aus dem Artikel der Süddeutschen Zeitung)
"Das bleibt einfach schwierig", sagt die Schauspielerin Veronika Nickl. "Wenn ich anfange zu erzählen, was mir wo passiert ist und mit wem, werde ich als hysterisch, zickig und systemschädigend hingestellt." Die Machtfülle von Intendanten sei gewaltig. "Als Schauspieler bist du jederzeit auf der Abschussliste, da gibt es keinen ausreichenden Schutz. Ich kann es mir nicht erlauben, meinen Job für eine Wahrheit zu riskieren."
Die Schauspielerin Jele Brückner kann ihr da nur beipflichten: "Die aktuellen Debatten haben das System noch nicht so verändert, dass man offen reden kann, ohne seine Existenz zu gefährden. Das dauert länger. Wir sind noch nicht an dem Punkt."
Jele Brückner kenne ich gut. Eine tolle Schauspielerin. Und ich möchte ihr zurufen: Doch, nenne Namen, es ist Zeit! Das wäre eben nun auch schon wieder paternalistisch. Sie nennen eben aus gutem Grund keine Namen.  Sie hat natürlich total Recht mit ihrer Vorsicht. Diese Typen und mächtigen Frauen sind wirklich unerbittlich. Ich kann das sagen nun beispielsweise auf die wirklich tollen Schauspielerinnen Meret Hottinger und Wanda Wylowa, die in meinem Team mitarbeiten.  Nur weil sie mit mir arbeiten - und ich mich auch ein/zwei mal kulturkritisch gegen die Stadttheater geäussert habe -  wurden sie in den letzten 15 Jahren nicht ein einziges Mal eingeladen an irgendeines dieser Zürcher Stadttheater.  An kein einziges Vorsprechen! Meine Kritik richtete sich ja nie gegen das Stadttheater an und für sich, sondern nur gegen die veralteten Hierarchien. Das reicht für die Ächtung. Zudem haben wir mehrmals bewiesen, wie man Stadttheater macht, das wirklich Debatten auslöst.   Das mit Geldern der öffentlichen Hand finanzierte Stadttheater ist eine Errungenschaft der Zivilisation, aber nicht, wenn es stehenbleibt im 20.Jahrhundert. Meine Kritik an dem Stadttheatersystem führt zwar zu gewisser Relevanz - beispielsweise in Debatten auf “Nachtkritik” - vor Ort an den Häusern aber ganz konkret zu Sippen-Ächtung. Fakt ist: An den Stadttheater arbeiten leider also nicht die besten, sondern jene, die am besten hinknien können vor der Macht der Intendanz.   
Peter Und wie sieht es mit der Mitschuld der Dramaturgie aus?
Samuel Die ist gross. Beispielsweise diese Dramaturgin Gwendolyne Melchinger, die Stephan Müller, aber auch diesen Alvis Hermanis betreut? Was geht der Frau durch den Kopf? Ist sie nun einer dieser Frauen, die lachen, wenn Stephan Müller so Witze über „Uschis“ erzählen? Was legimiert solche Personen eigentlich dann noch über andere zu richten? Wieso kriegt so eine wie Melchinger eigentlich immer  wieder einen Job (die zieht tatsächlich weiter nach Stuttgart - was zeichnet diese Frau aus? Ist es ihr Mut? Ihre wahnwitzigen Ideen? Ihre Gründlichkeit? Davon habe ich wenig gespürt, ich muss es zugeben) Warum kann so eine Frau über Körper von SchauspielerInnen richten? Wieso lässt diese Dramaturgin den Alvis Hermanis - über den wir dann bei Teil 3 reden - nationalistische Parolen im Umfeld der Trump-Wahl ins Programmheft drucken? Die hält einfach den Mund -  so meine Vermutung und bewundert und verachtet wohl diese Männer für die arbeiten muss gleichermassen. Wieso fordert sie nicht eine andere Dramaturgie ein? Die ist doch sicher intelligent. Hoffe ich zumindest.   Ja: Ich wünschte mir in den Tat sowohl andere Regisseure, andere Dramaturginnen an diesen Häusern. Und eine andere Struktur.  Eine Stuktur, in der Schauspielerinnen, die endlich mal das Maul aufreissen dürfen. Ich wünschte mir Leute mit scharfen Verstand, die auch schon nur aus Fragen des Geschmacks auf solche Müller-Witze verzichten würden, oder im Minimum von diesen Herren bessere Witze einfordern (die sie ja sicher auch drauf hätten). 
Peter Ist es nicht auch eine Generationenfrage?
Samuel Vielleicht. Das meinte dein Namensvetter Peter vom aktuellen Neumarkt-Theater zuletzt auch auf “deutschlandfunk”.  Da ändert sich was. Was früher möglich war, kommt nun unter verschärfte Kritik. Volker Hesse, bei dem ich 2000 und 2001 am Maxim Gorki arbeitete, sprach im Unterricht mit StudentInnen und an Castings oft auch von „F****n“, um die Schauspielerinnen „einzuwärmen“ - und als eine Schauspielerin -  , beklagte sich beim Maxim Gorki Vorsprechen über diese “Behandlung”, meinte Volker Hesse nur süffisant zu den kichernden Dramaturginnen: „Etwas bieder das Mädchen“. Es würde mich beispielsweise interessieren, ob sich Beate Heine, heute Dramaturgin am Schauspiel Köln, auch an diesen Fall erinnert. Sie sass auch im Saal.   Beate Heine soll mir ruhig widersprechen, wenn sie diesen Fall nicht mehr erinnert oder ihn anders in Erinnerung hat. Für mich war das damals ein Schock und es scheint mir heute noch: Die „White Supremacy“ dieser Machtmenschen (meistens Männer, aber nicht nur) ist angewiesen auf weisse AufseherInnen und folgsame systemgekränkte Schauspielerinnen beider Geschlechter. “White Supremacy” sage ich nun natürlich auch nicht grundlos. Denn die Kultur der Verachtung zeigt sich natürlich auch in den nach wie vor identitären Besetzungspolitik an den Schauspielhäusern. Die SchauspielerInnen sind in den Käfigen ihrer Identität gefangen, als sexy SchauspielerInnen, als junge SchauspielerInnen, als alte SchauspielerInnen,  als weisshäutige und dunkelhäutige SchauspielerInnen - und das führt dann eben - weil diese identitäre Besetzungspolitik immer noch Usus ist - auch zu fast rein “weissen Ensembles”. Das ist ganz einfach nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die SchauspielerInnen werden grundsätzlich verächtlich behandelt, obschon natürlich dunkelhäutige, durch Ausschluss - oder kitschig konzipierte Inklusion bei denen sie ihre Identität als ExotInnen bestätigen müssen - besonders schlecht behandelt werden. Der Geist von “Max Frisch” (siehe Zitat oben) ist nach wie vor der Geist vieler dieser Schauspielhäuser. Maxim Gorki Theater und Kammerspiele München sicher schon mal (teilweise) ausgeschlossen. 
Peter Interessant. Nur: wer nimmt denn diese Verachtung auf sich?
Samuel Ja, das ist eine gute Frage. Die Schauspieler, die solchen Sexismus in der „goldenen Epoche“ des Theater Neumarkts unter Hesse/Müller über sich ergehen liessen, duldeten (oder ihm heftig widersprachen?)  spielen heute fast alle am Schauspielhaus Zürich. Wieso hört man von denen  (beispielsweise) von Susanne Maria Wrage nichts, wenn man laut und öffentlich über “Alvis Hermanis” streitet? Wieso sagt Michael Neuenschwander (Link: MEIENBERG UND DIE NZZ) nie etwas zu solch brisanten Themen? Von mir sollen sie auch flammende Bekenntnisse zu Alvis Hermanis von sich geben. NUR SAGT MAL ENDLICH WAS! Nur:  Das scheint nicht dem Berufsbild dieser Schauspielerinnen zu entsprechen, dass man sich zu politischen Dingen äussert. Man ist ganz Marionette des Ingenieurs der Regie. Letzteres ist übrigens ein Denkbild von Gordon Craig. Sehr spannendes Thema. Darüber dann in Teil 3. Aber eben: Wieso immer diese SchauspielerInnen?
Peter Ja, Wieso eigentlich grad die? Also nichts gegen die, die sind natürlich toll, aber trotzdem....
Samuel  Ja, wieso spielen eigentlich nicht andere Schauspielerinnen da?  Ich würde noch manch andere Schauspielerin kennen, die da theoretisch spielen könnten. Freche, coole, grossmaulige Schauspielerinnen.  Ist die Unterwerfung unter den dreckigen „Pan“ immer noch Bedingung für so eine Festanstellung? Vielleicht ja. Vielleicht auch nicht. Von Barbara Frey beispielsweise, die ganz sicher sehr viel mitbekommen hat von Matthias Hartmann Kultur der Verachtung, habe ich bis jetzt noch kein Statement gehört gegen diese Kultur der Verachtung. Bei der Laudatio zum Theaterpreis 2016 (an dem sie wie 400asa auch Preisträgerin war), hat sie zwar “ihre” Schauspielerinnen hochgehalten - aber: auf eine paternalistische Weise. Die BurgschauspielerInnen haben vor kurzem einen offenen Brief veröffentlicht, bei dem sie sich beklagten über den Sexismus und Rassismus an der Burg unter Hartmanns Leitung. Ich hätte mir in den letzten Wochen durchaus ein Statement von Barbara Frey zu Matthias Hartmann vorstellen können - gerade auf diesen Brief (Link: offener Brief der EnsemblemitgliederInnen.) Schliesslich arbeitete Frey regelmässig  an diesem Burgtheater des Grauens - und ganz sicher hat sie auch von ihren MitarbeiterInnen gehört, was für eine Kultur am Schauspielhaus Zürich unter Hartmann vorherrschte.  Eines weiss ich. 

Ich bin geschwächt von solchen Mechanismen. Vielleicht bin auch ich krank geworden von diesem Apparat. Es scheint mir aber eindeutig, dass diese Strukturen, an denen wir alle scheinbar so süchtig hängen wie Junkies, anderes Theater, besseres Theater, klareres, hellsichtigeres Theater verhindern. Durch Donald Trump, die AfD Performanz und die damit verschobenen Ansprüche an die “crazy “Performanz” der Stadttheater verrückt sich grad einiges. Die Theater haben anderes zu tun als diese CRAZYNESS zu doppeln.   Deshalb rücke ich nun mit dieser konkreten #METOO Geschichte raus. Und ich stelle, wieder mal die Frage:  Wann streiken denn endlich die Pferde? Dieses unten verlinkte Hörspiel produzierten wir 2005 von 400asa, als die Schauspielhaus-Techniker streikten, weil Matthias Hartmann sie damals systematisch  zu schikanieren versuchte.  Am Schauspielhaus war - unter dem zum Teil immer noch gleich besetzten Verwaltungsrat - dieser Sexismus von Hartmann auch geduldet, ja, er war Kavaliersdelikt. Da hatte Hartmann damals  nicht mit den Technikern gerettet. Bei den stolzen und coolen Zürcher TechnikerInnen reichte es nicht - wie in Bochum - eine Kiste Bier zum Dank hinzustellen.   Die Zürcher TechnikerInnen haben dieses “Porschloch” zurecht in den Senkel gestellt. Ich wünschte solche Courage  an den Stadttheatern? NENNT NAMEN! In der ganzen deutschsprachigen Theaterrepublik. .  
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Ganz am Ende des Hörspiels kommt die berechtigte Frage: Wann streiken die Pferde? Peter Letzte Frage: Bist du nicht wahnsinnig selbstgerecht? Warst du denn nicht selber auch ein Arschloch in solchen Stadttheater-Zusammenhängen? Samuel  Oh, doch. Ich erinnere mich, dass ich eine Ensemble- Schauspielerin sehr schlecht behandelt habe - und dabei von der Leitung gedeckt wurde.  Das war am Schauspielhaus Hamburg. Es hatte mit “Schlümpfen” zu tun. Ich war ein kleiner tyrannischer Schwarzschlumpf.  Es war zwar nur ein kurzer Vorfall, ist mir aber heute noch peinlich. 
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Als Zombies noch ein Nischenphänomen waren. ZOMBIES - Herbst der Untoten von Urweider/Schwarzam Schauspielhaus Hamburg 2002 
Peter Ruft denn du denn nun nicht zu einer “Hexenjagd” auf, wenn du den SchauspielerInnen sagst: Nennt Namen!
Samuel  Nein, die Männer und Frauen, die da böses taten und “verächtlich” handelten, Leute herabsetzten, machten dies in einem Umfeld - in dem sie für diese verächtliche Handlungen belohnt wurden.  Diese Täterinnen sind weder bösere noch bessere Menschen als die Opfer. Aber die systemimmanente Gewalt, diese starre Struktur, die verdirbt auf lange Sicht den Charakter - sowohl der TäterInnen als auch der Opfer.  Deshalb ist die Systemdebatte zu führen. Und die Strukturen sind zu reformieren. Es ist einfach eine Lüge, dass diese fixe Hierarchie “dem Theater” eingeschrieben sein soll. Wenn man so argumentiert hätte - in anderen gesellschaftlichen Bereichen - hätten wir heute alle noch keine Schulpflicht und keine obligatorische Krankenversicherung.  Klar wird es nach wie vor seelische Verletzungen geben an Theatern, denn wo gehobelt wird, fallen Späne blabla. Das ist aber keine Rechtfertigung für diesen systematischen Übergriff auf Körper und Seelen. Kurz: man muss sich zoffen dürfen, ohne dass einseitig die Entlassung droht. Das täte zudem auch der Qualität des Theaters auf der Bühne gut. Wenn nun also über gewisse Übergriffe, die fünf, zehn, fünfzehn Jahre zurückliegen, endlich mal gesprochen würde - dafür braucht es wohl punktuell auch die Nennung von Namen - dann würde das - nebst einigen nötigen Zerwürfnissen - in vielen Fällen auch zu viel seelischer Entlastung führen. Und auch die Möglichkeit von “Entschuldigungen” wäre dann gegeben. Zudem ist das System stark genug, für dass die Helden von gestern nicht gleich entzaubert werden durch eine solche Diskussion. Hesse&Müller bleiben nach wie vor die Helden des Neumarkt-Theaters, auch wenn ich hier etwas aus dem Nähkästchen plaudere. Und diese Helden bleiben sie wohl auch zu Recht. 
Peter Harvey Weinstein ist aber kein Held mehr - ausser für die “Weltwoche”.
Samuel Stimmt.  Seine Filme aber bleiben gross. Vielleicht hat der im Moment auch eine gute Zeit in seiner Kur. Der hat ja sicher auch gelitten unter seiner Macht-Sucht.  Und wenn er jetzt trotzdem leiden würde, dann wäre auch das nur gerecht.   
Fortsetzung folgt
(über das spannende Thema Schauspielhaus2019)
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